Die Psychologie des Yoga (eBook)

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2021 | 1. Auflage
272 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46260-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Psychologie des Yoga -  Dr. Ralph Skuban
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Der bekannte Yoga-Experte Ralph Skuban erklärt in diesem die uralte Yoga-Lehre des Sankhya für die Menschen der heutigen Zeit, mit ihren aktuellen Problemen und Bedürfnissen. Dabei verbindet er seine Interpretation auf geniale Weise mit der spirituellen Literatur aus den verschiedensten Kulturen. Sein Anliegen ist es zu zeigen, dass diese für den Yoga grundlegende Philosophie nicht nur zeitlos, sondern vor allem Ausdruck eines universellen Wissens ist. In der Jahrtausende alten indischen Philosophie, die die Basis für den Yoga bildet, gibt es ein vielschichtiges Konzept von der Psychologie des Menschen. Der zentrale Punkt ist die Selbstverwirklichung. Daneben enthält Sankhya eine Schöpfungslehre, ein psychologisch-spirituelles Modell des Menschen und eine Philosophie der Befreiung. Nicht umsonst ist diese Weisheitslehre die Grundlage auch der 'Yoga-Sutren' des Patanjali und der ayurvedischen Heilkunst. Anschaulich, begrifflich genau und stets mit Bezug zu heute entschlüsselt Ralph Skuban in diesem Standardwerk diese reiche Tradition. Wer dieser Lehre folgt, begibt sich auf eine ebenso intellektuelle wie praktische Reise. 'Erst wenn wir erkennen, wer wir nicht sind, können wir unser innerstes Wesen entdecken und Freiheit erlangen.'

Dr. Ralph Skuban ist promovierter Politikwissenschaftler und war zunächst viele Jahre im sozialen Bereich tätig. Mit seiner Frau Nella gründete er die Skuban-Akademie und leitet Ausbildungen rund um Themen der Atem- und Körperarbeit. Seine Schwerpunkte sind die Praxis des bewussten Atmens und die Philosophie des Yoga. Viele seiner Bücher sind Standardwerke. In seinen erfolgreichen Atem-Coachings gibt er sein vielfältiges und praxiserprobtes Wissen zur Atem-Arbeit an ein internationales Publikum weiter. Ralph Skuban lebt mit seiner Frau im Süden Münchens.

Dr. Ralph Skuban ist promovierter Politikwissenschaftler und war zunächst viele Jahre im sozialen Bereich tätig. Mit seiner Frau Nella gründete er die Skuban-Akademie und leitet Ausbildungen rund um Themen der Atem- und Körperarbeit. Seine Schwerpunkte sind die Praxis des bewussten Atmens und die Philosophie des Yoga. Viele seiner Bücher sind Standardwerke. In seinen erfolgreichen Atem-Coachings gibt er sein vielfältiges und praxiserprobtes Wissen zur Atem-Arbeit an ein internationales Publikum weiter. Ralph Skuban lebt mit seiner Frau im Süden Münchens.

Negative Räume


Das Friedensevangelium der Essener beginnt mit einer Szene, die als Bild für die klassische Ausgangssituation des spirituellen Weges steht: Der Mensch, geplagt von Krankheit, Sorgen, Ängsten und vielen anderen Nöten, sucht nach anhaltender Befreiung von den Problemen, mit denen das Leben ihn immer wieder konfrontiert. Viele Kranke und Verkrüppelte begegnen dem Weisheitslehrer Jesus, und sie fragen ihn:12

»Wenn du alle Dinge weißt, sag uns, warum leiden wir dann unter diesen schweren Plagen […] Meister, heile uns, so dass auch wir stark werden und nicht länger in diesem Elend leben müssen! Wir wissen, dass es in deiner Macht steht, alle Krankheiten zu heilen.« Jesus antwortet: »Glücklich seid ihr, dass ihr nach der Wahrheit dürstet, denn ich werde euch sättigen mit dem Brot der Weisheit. Glücklich seid ihr, dass ihr anklopft, denn ich werde euch das Tor zum Leben öffnen.«

Das Tor des Lebens führt nach innen, zur »Mutter«, wie Jesus in diesem Text sagt. Er könnte genauso gut »Vater« oder auch »Kosmos« sagen, denn auf Aramäisch, der Muttersprache Jesu, wird alles das in nur einem einzigen Wort ausgedrückt: ABWUN. Die befreiende und heilende Wahrheit, will er damit sagen, ist in uns selbst, in jedem Einzelnen: »Eure Mutter ist in euch, und ihr seid in ihr.«

Die kurze Szene aus der Schrift der Essener steht symbolisch für den Ausgangspunkt und das Ziel jedes spirituellen Weges: für den Wunsch, den Schmerz des Lebens endgültig zu überwinden. Das Mittel dazu ist, zur Weisheit durchzudringen, zur »Mutter«, die in uns allen lebt. Das ist der Weg der Erkenntnis oder Gnosis (ein altgriechischer Begriff, der dem Sanskritwort jnana entlehnt ist). Es ist der Weg des Sankhya-Yoga. Und er beginnt mit dem Wort duhkha.

Duhkha wird meistens mit »Leid« übersetzt. Das transponiert freilich nicht die Weite, die dem Wort eigen ist. Von der wörtlichen Bedeutung her meint es den »negativen Raum«, das Schmerzhafte also, das sich im Geist und Körper aller Wesen immer wieder und unausweichlich Raum schafft, dort Platz greift. Das beginnt bereits bei der kleinsten Unzufriedenheit: dem Unmut, der sich breitmachen kann, wenn wir nicht bekommen, was wir wollen, oder bekommen, was wir nicht wollen. Und es umfasst ein Spektrum, an dessen Ende das »schlimmste vorstellbare Leid« stehen kann, wie die Bhagavad Gita es formuliert. Duhkha ist, wenn das Essen im Restaurant nicht die gewohnte Qualität hat. Duhkha ist, wenn wir unsere Interessen im Beziehungsgefüge mit anderen nicht so durchsetzen können, wie wir uns das vorstellen. Eine Erkältung ist duhkha, Krebs ist duhkha. Duhkha ist Ärger und Groll ebenso wie Sorge und Angst. Unfälle sind duhkha, Naturkatastrophen sind duhkha. Verlust bedeutet duhkha: sei es ein geschätzter Gegenstand, Geld, der Arbeitsplatz, unser Lebenspartner oder unsere Gesundheit. Das spirituelle Sehnen, seelisches Heimweh – sogar das ist duhkha. Duhkha bedeutet für jeden etwas anderes, und jeder erfährt es immer wieder auf vielfältige und einzigartige Weise im Leben.

In der Yoga-Philosophie tragen auch positive Erfahrungen die Essenz von duhkha in sich: Selbst das Schönste vergeht irgendwann, es kann unerfreuliche Nebenwirkungen haben oder verliert einfach seine Anziehungskraft. Die wunderbarsten Momente verfliegen. Auf das rauschende Fest am Abend folgt der Kater am Morgen. Und selbst die größte Liebe kann verblühen wie eine Blume im Spätsommer. Doch auch wenn alles immer nur wunderbar wäre: Am Ende wartet der physische Tod – der schmerzhafte bardo, wie die buddhistische Tradition es nennt. Er ist unausweichlich. Bardo heißt »Zwischenzustand«, ein Übergang also. Und Übergänge sind schwierig, krisenhaft, denn sie verlangen das Loslassen des Alten, um zum Neuen zu gelangen. Im Stehen kann man nicht stolpern, beim Gehen schon: Es ist der Moment, in dem das Körpergewicht von einem Bein zum anderen wechselt, der die größte Gefahr in sich trägt – und zugleich die einzige Möglichkeit voranzukommen.

Wir können jedenfalls sagen: Die positiven Räume liegen Tür an Tür mit den negativen. Positiv und Negativ sind ein trautes Paar, das immer Hand in Hand geht. Der berühmte österreichische Verhaltensforscher Konrad Lorenz (19031989), jener Mann, der mit den Graugänsen schwamm, sagte einmal trocken: »Es ist unvermeidlich, daß alle Freude mit Leid bezahlt wird.«13 Der positive Raum reimt sich im Sanskrit übrigens auf den negativen: Sukha wird duhkha. Von sukha kommt auch das deutsche Wort Zucker (englisch sugar, französisch sucre); zu viel davon macht bekanntlich krank.

Positiv und Negativ gewinnen ihren ganzen Sinn erst vom jeweiligen Gegenüber, weil ein jedes relativ zum anderen steht. Sukha und duhkha sind unauflöslich miteinander verwoben, sie sind das Zuckerbrot und die Peitsche des Lebens. Das Tao Te King sagt:

Jeder erkennt das Schöne nur wegen des Hässlichen. Jeder erkennt das Gute nur wegen des Bösen.

Leben und Tod werden gemeinsam geboren. Das Schwierige und das Einfache,

das Lange und das Kurze, das Hohe und das Tiefe – alle existieren sie zusammen.

Klang und Stille verschmelzen in eins,

Vorher und Nachher kommen gemeinsam ans Ziel.14

Duhkha ist ein Natur- oder Schöpfungsprinzip, dem nichts und niemand entgehen kann. Vom Bakterium zum Elefanten, von der Amöbe zum Wal, von der einfachsten Lebensform bis hin zum Menschen: Jedes Wesen zieht bestimmte angenehme Zustände vor und versucht gleichzeitig, weniger angenehme zu vermeiden. Es ist ein universales Naturprinzip. Im Schmerz, im Wunsch seiner Vermeidung und schließlichen Überwindung: Darin sind alle Wesen der Welt sich gleich. Der englische Geistliche Humphrey Primatt (17251780) sagte einmal: »Schmerz ist Schmerz, er mag Menschen oder Tieren zugefügt werden, und das Geschöpf, das ihn leidet, es mag Mensch oder Tier sein, wenn es das Elend desselben fühlt, leidet, so lange er dauert, ein Übel.«15 Es ist diese grundlegende Erkenntnis – das Bewusstsein um die Leidensfähigkeit des anderen –, aus der Mitgefühl erwachsen kann. So stellt Ishvarah Krishna, der Verfasser der Karika, an den Anfang seines Buches diesen Gruß an Kapila:

Aus Mitgefühl für die Welt, die im Ozean des Nicht-Wissens versinkt, hast du, Kapila, ein Boot in Gestalt der Sankhya-Philosophie gebaut, mit dem man diesen Ozean überqueren kann.

Drei Arten von Duhkha


Gleich das erste sutra der Karika formuliert die problematische Ausgangslage des Menschen:

Die drei Arten des Leidens lassen im Menschen den Wunsch entstehen, Mittel zu deren Heilung zu finden. Zu behaupten, die Suche danach sei unnötig, weil es doch gewöhnliche Heilmittel gebe [zum Beispiel medizinische Therapien u.a.], ist nicht richtig, denn diese wirken weder dauerhaft noch umfassend.

Die Karika benennt drei Arten des Leidens. Jede Schwierigkeit des Lebens, wie klein oder groß auch immer, lässt sich darunter subsumieren:

Inneres Leiden (adhyatmika) meint alle körperlichen und geistigen Funktionseinschränkungen oder Krankheiten, auch schmerzhafte Gefühle: Liebeskummer, Traurigkeit, Depressionen, Ärger, Zorn, Sorgen, Angst, Neid, Eifersucht und vieles, vieles mehr – eben alles Pathologische und nicht Hilfreiche, das aus unserem Körper-Geist-Komplex heraus entsteht. Gemeint ist jeder negative Raum, der sich aus uns selbst heraus entwickelt.

Äußeres Leiden (adhibhautika), die zweite Form von duhkha, entspringt der Tatsache, dass wir relationale Wesen sind, mit der äußeren Welt also vielfach in Beziehung treten: Der Streit mit dem Nachbarn, der Stich einer Biene, die Zehe, mit der wir gegen die Türschwelle stoßen, der Krieg zwischen Staaten, all das ist von außen bewirktes duhkha.

Höhere Gewalt sind Erdbeben, Feuersbrünste, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche und so weiter – die ganze Armada an Problemen, vor die uns die Natur stellen kann. Gelegentlich fällt uns schon mal der Himmel auf den Kopf: Deshalb nennt man die höhere Gewalt im Sanskrit auch adhidaivika, was wörtlich so viel heißt wie »göttlichen Ursprungs«.

Wir dürfen annehmen, dass Kapila sich noch nicht vorstellen konnte, dass der Mensch eines Tages so massiv in die Natur hineinwirken würde, wie er das mittlerweile tut, sodass heute Dinge geschehen, die zu seiner Zeit nur als adhidaivika, als göttlich verursacht, vorstellbar waren: die Erderwärmung, das Ansteigen des Meeresspiegels, Überschwemmungen, Dürren, Luftverschmutzung, Hungerkatastrophen, Artensterben und so weiter. Was einst allein in Form von höherer Gewalt denkbar war, führt die Spezies Mensch heute selbst herbei. Und so müssten wir duhkhatraya, die drei Arten des Leidens, eigentlich durch eine vierte ergänzen: die vom Menschen ausgelöste Zerstörung der Erde. Sie bringt allen Wesen Leid, auch uns selbst: Wir ernten die Folgen dessen, was wir säen, weil wir als biologische...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Entspannung / Meditation / Yoga
Schlagworte Einführung Yoga • Einführung Yoga • Indische Weisheiten • Indische Weisheitslehre • lebensweisheiten bücher • Menschenbild Yoga • östliche Weisheitslehren • Philosophie • Philosophie Yoga • philosophische Bücher • Psychologie • psychologie bücher • Psychologie Yoga • Ralph Skuban • ratgeber yoga • Sachbuch Philosophie • Sachbuch Psychologie • Sankhya • Sankhya-Lehre • sankhya philosophie • Spiritualität • spiritualität bücher • spirituelle Bücher • spirit yoga • Weisheitslehre • Weltbild Yoga • Yoga • Yoga Buch • Yoga leben • Yoga Philosophie • Yoga Psychologie
ISBN-10 3-426-46260-5 / 3426462605
ISBN-13 978-3-426-46260-7 / 9783426462607
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