Danke fürs Fremdgehen, du Arsch!

„Die Gespräche mit euch waren sehr hilfreich. Wir haben uns entschieden, zusammen zu bleiben und ich erlaube mir ohne schlechtes Gewissen, immer mal wieder wütend zu sein, ohne die Entscheidung in Frage zu stellen.” - Marta, 46 Jahre

Noch ein Buch über Trennung, Betrug und Verlassenwerden? Wir sehen schon potenzielle Leser die Augen verdrehen und sich fragen, was das soll. Die Fülle an Literatur zum Thema ist erschlagend. Es ist für jeden etwas dabei, selbstverständlich mit vielen guten Tipps und Ratschlägen. Wozu also ein weiteres Buch? Dazu muss man wissen, dass wir beruflich nichts mit Paartherapie oder Ähnlichem zu tun haben. Wir sind Organisationsentwicklerinnen. Wir beraten Menschen, Teams und Organisationen in Veränderungsprozessen und begleiten sie bei ihren Entwicklungsaufgaben. Uns geht es darum zu verstehen, warum Teams und Organisationen funktionieren, wie sie funktionieren und warum Menschen so handeln, wie sie handeln. Seit vielen Jahren beobachten wir, dass trotz neuer Modelle und Methoden eines gleich geblieben ist: die Reaktionen und Verhaltensweisen der Menschen, wenn es um Veränderungen geht. Viele glauben, dass man Menschen nur lange genug die passenden Argumente liefern muss, um Veränderung zu leben. Wir haben andere Erfahrungen gemacht. Unser kluges Unbewusstes tut nur das, wovon wir auch wirklich überzeugt sind. Nur wenn das Neue einen besonderen Reiz ausübt, wenn eine wirklich attraktive Belohnung wartet und uns neue Gewohnheiten verlockend genug erscheinen, sind wir bereit, unsere Komfortzone zu verlassen. Oder fällt es euch leicht Sport zu treiben, nur weil es gesund ist, weniger Fleisch zu essen, weil man damit das Klima schützt oder mit dem Rauchen aufzuhören, weil jede Zigarette das Leben verkürzt? So überzeugend all diese Argumente sind, wir tun es nicht. Was hält uns ab? Und was hat das, bitte schön, mit Trennung und Betrug zu tun? Wenn wir mit Organisationen arbeiten, sind wir als systemische und psychodynamische Coaches ganz nah an den Menschen. Wir stellen viele Fragen, hören zu und versuchen zu verstehen, welche Motive die bzw. den Einzelnen antreiben. Wir sprechen im beruflichen Kontext, aber in den wenigsten Fällen geht es nur um Berufliches. Oder gibt es in deinem Unternehmen Umkleidekabinen, in denen du dein Privatleben ablegen, gegen das Berufsleben austauschen und dann frisch und munter den Tag beginnen kannst? Das Privatleben hat immer auch Auswirkungen auf unser Berufsleben und umgekehrt. Wenn also ein Mensch einen Schicksalsschlag erleidet, z.B. von Krankheit, Tod oder Trennung betroffen ist, ist das ein ganzheitliches Lebensthema. Entsprechend betrachten wir uns selbst, wie auch die Menschen, die wir in Organisationen begleiten. An dieser Stelle betonen wir ausdrücklich, dass wir weder in unserer Arbeit noch mit diesem Buch therapieren oder Lebensberatung anbieten wollen. Was uns vielmehr beschäftigt, ist die Frage, warum wir Menschen uns manchmal so schwer tun, wenn das Leben passiert? Warum wir Zeit mit Themen und Menschen verbringen, die uns nicht guttun? Achtsamkeit im Umgang mit der Zeit, sowohl mit meiner eigenen Zeit als auch mit der anderer, das ist der rote Faden in unserer Arbeit. Der Schlüssel dafür liegt in der Selbstverantwortung jedes Einzelnen im Umgang mit sich selbst und im Umgang mit den Menschen, von denen er umgeben ist. Es geht darum, die Zeit sinnvoll zu nutzen und sich seiner selbst bewusst zu werden: „Wer bin ich?“, „Was tut mir gut?“, „Was ist mir wichtig?“. Und seien wir doch ehrlich, der Blick in den Spiegel tut nicht immer gut und mag zuweilen auch verstören. Dennoch hilft er uns, uns besser kennenzulernen. Wichtig ist der Umgang mit den Erkenntnissen, die wir gewinnen. Ganz im Sinne von Viktor Frankl: „Eine unserer größten Freiheiten ist zu entscheiden, wie wir auf die Dinge reagieren.“ Letzten Endes geht es darum, Selbstsicherheit zu entwickeln, die eigenen Bedürfnisse klar zu kommunizieren und konsequent danach zu handeln. Durchaus auf die Gefahr hin, den Erwartungen anderer nicht zu entsprechen und immer nur, so lange wir anderen nicht absichtlich Schaden zufügen. Mit Betrug und Trennung beschäftigen wir uns, weil wir selbst Betroffene sind. Weil wir plötzlich mit Themen konfrontiert waren, von denen wir dachten, dass sie nur andere betreffen. Weil wir festgestellt haben, dass unsere berufliche Herangehensweise nicht nur für andere hilfreich ist, sondern auch für uns selbst. Sie ermöglicht uns einen anderen Umgang mit einer solchen Ausnahmesituation. Dieses Buch ist keine Autobiographie! Es geht uns nicht darum, unsere persönlichen Schicksale öffentlich zu machen oder mit etwas oder jemandem abzurechnen. Es geht darum, dieses schwierige Thema aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, Fragen aufzuwerfen und zu diskutieren. Wir wollen Dynamiken aufzeigen und Denkanstöße geben, damit die eine oder der andere für sich eine Antwort auf diese Fragen finden kann. Wir haben mit vielen Menschen gesprochen und gearbeitet, die in ähnlichen Situationen sind oder waren. Es ist ein bisschen so, als sei man schwanger – plötzlich trifft man scheinbar nur noch auf Gleich- gesinnte. Menschen, die betrogen wurden. Menschen, die betrogen haben. Wir haben Trennungen erlebt und Neustarts. Wir wissen selbst, wie es sich anfühlt, wenn man belogen und betrogen wird. Wir haben geweint, bis keine Tränen mehr da waren. Wir haben uns im Kreis gedreht und immer wieder die gleiche Frage gestellt: Warum? Wir hatten schlaflose Nächte, endlose Diskussionen, wundervolle Freunde, die für uns da waren und wir hatten gute Begleiter. Wir sind auf einem guten Weg. Wenngleich längst nicht alle Fragen beantwortet sind, wurde jedoch eines ganz deutlich: Jede Geschichte, so ähnlich sie auch klingen mag, ist einzig- artig, weil wir als Menschen einzigartig sind. Damit sind auch die Lösungen für jeden von uns einzigartig. Genau da setzt unser Buch an. Finde deine eigene Lösung! Ach so, eines ist noch wichtig zu erwähnen: Wir haben aus der ICH-Perspektive geschrieben. Hinter den Fragen und Geschichten verbergen sich viele Autoren und Autorinnen, die nicht genannt werden wollen. Wir beide haben zwar vieles selbst erlebt, aber glücklicherweise nicht jede der Geschichten. Man muss ja nicht alles mitnehmen. Wenn unsere Gedanken und Gefühle euch eine kleine Hilfestellung sind, und sei es nur, zu wissen, man ist mit diesem Thema nicht allein, dann erfüllt uns das mit tiefer Freude. Eure Autorinnen