Die Reise zur glücklichen Eltern-Kind-Beziehung (eBook)
381 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86696-7 (ISBN)
Katharina Saalfrank ist Diplom-Pädagogin, Therapeutin, Eltern- und Familienberaterin sowie erfolgreiche Autorin. Sie arbeitet bindungs- und beziehungsorientiert in eigener Beratungspraxis in Berlin. Die konstruktive Beziehung zwischen Eltern und Kind sowie die emotionalen Entwicklungsprozesse von Kindern und Eltern stehen im Mittelpunkt ihres Ansatzes. Katharina Saalfrank ist Mutter von vier Söhnen und lebt mit ihrem Mann in Berlin. Bei Beltz erschien 2017 »Kindheit ohne Strafen«.
Etappe 1: Alles eine Frage der Perspektive
Auf dieser Reise werden wir vor allem neue Dimensionen von Erziehung und der Gestaltung von Beziehung kennenlernen und Perspektiven wechseln. Du wirst feststellen, dass sich das Gleiche aus einem anderen Blickwinkel völlig anders anfühlt und sich ein ganz neues Universum für dich öffnen wird, woraus sich dann auch ganz neue Handlungsalternativen ergeben. Du wirst zunehmend merken, dass du selbst die Wahl hast, welchen Blickwinkel du einnimmst, und dass du diejenige bist, die Entscheidungen treffen kann.
Zunächst werde ich dir meine selbstentwickelte und wichtigste Orientierungs- und Landkarte für den Perspektivwechsel vorstellen: Mein Eisbergmodell beziehungsweise mein eigenes 3-Stufen-Modell. Der Eisberg als Modell ist natürlich nicht neu. Ich nutze im Coaching jedoch vor allem das symbolische Bild und habe es für meine Arbeit speziell weiterentwickelt. Dabei fließen entwicklungspsychologische Grundlagen, Wissen aus der Säuglings- und Bindungsforschung und wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Hirnforschung ein, und ich setze diese mithilfe des Eisbergs in besonderen Beziehungszusammenhang zueinander. So habe ich dieses Modell aus meiner tiefenpsychologischen Beratungspraxis heraus entwickelt und nutze es schon seit Jahren in meiner bindungs- und beziehungsorientierten pädagogischen Beratungsarbeit mit Eltern. Wir werden also mein Eisbergmodell gemeinsam als zentrales Instrument verwenden, um aus dieser wertvollen Perspektive heraus das Verhalten deines Kindes und auch dein eigenes immer besser zu verstehen.
In diesem Orientierungsmodell habe ich wesentliche Wirkungszusammenhänge zwischen Verhalten, Gefühlen und Bedürfnissen ins Verhältnis zueinander gesetzt, sodass das Verhalten von Kindern in jeder Situation nachvollziehbar werden kann. In der Folge wird es für Eltern möglich, entsprechende verbindende, konstruktive und entwicklungsfördernde Antworten auf der Handlungsebene zu finden. Die Perspektive auf das Verhalten von Kindern verändert sich mit der Anwendung des Eisbergmodells umgehend. Wir werden dieses Modell auf unserer Reise immer wieder heranziehen, um dein Kind und dich besser zu verstehen und auch die konstruktive Anwendung unter Berücksichtigung ganz bestimmter Gesichtspunkte lernen. Um für dich die Anwendung möglichst praxisnah und alltagstauglich zu machen, findest du das Modell und entsprechende Karten (Verhaltens-, Gefühls-, Bedürfnis- und Verbindungskarten) für die unterschiedlichen Ebenen des Eisbergs als Download (s. S. 363 die Hinweise zum Downloaden und Streamen).
Bitte druck dir nach dem Download alles aus und präpariere dich so mit diesem zusätzlichen Material, um das Gelesene auch immer gleich anzuwenden und für dich selbst greifbarer zu machen.
Da unsere gemeinsame Reise ganz neue Gesichtspunkte mit sich bringt und auch größtenteils auf ungewohntem Terrain außerhalb von herkömmlichen und bisher gelernten Werten stattfindet, ist Orientierung wichtig. Zur Orientierung haben sich für mich bestimmte Werte im Umgang mit Kindern (und Erwachsenen) bewährt. Diese habe ich in einem Wertekompass zusammengefasst, den du vielleicht schon aus meinem Buch Was unsere Kinder brauchen kennst. Es sind sieben Werte, die sich in Beziehungen bewährt haben und die uns eine Richtung im Umgang mit deinem Kind weisen. Du kannst dir meinen Kompass auch wie sieben große, helle, leuchtende Leitsterne am »Himmel der Beziehung« denken. Sie sind aus entwicklungspsychologischen Grundannahmen entstanden und dienen uns so als Leitlinie beziehungsweise Leitplanken und als Grundlage für die Atmosphäre in der Beziehung zu unseren Kindern. Wenn wir hier die gesicherten wissenschaftlichen Kenntnisse über das, was Menschen zum maximalen psychisch und physisch gesunden Aufwachsen benötigen, berücksichtigen, können wir einen guten Überblick darüber gewinnen, in welche Richtungen es sinnvoll ist, aufzubrechen. Wir wenden uns den einzelnen Werten noch gesondert zu.
Von der herkömmlichen Erziehung und ihren Mechanismen
Es geht mir zunächst darum, einen ganz neuen Blick auf Kinder zu werfen und mit dieser anderen Perspektive zeigen zu können, was Kinder zu einem gesunden Aufwachsen benötigen. Um jedoch den Blickwinkel grundsätzlich verändern zu können, ist es nötig, sich den grundsätzlichen Standpunkt, der vorherrscht, zunächst bewusst zu machen. Wir sind als Gesellschaft nach wie vor in herkömmlichen Denkmustern und Einstellungen verhaftet und noch weit davon entfernt, im konfliktbehafteten Alltag mit Kindern zu Hause und auch in den Institutionen das zu leben, was die Wissenschaft längst weiß, nämlich: Kinder brauchen eine verlässliche, sichere Bindung und konstruktive Beziehungen – gerade und vor allem in Konfliktsituationen. Dass das noch nicht in allen Bereichen angekommen ist, hat mit althergebrachten Überzeugungen und einer überholten Perspektive auf das Kind zu tun. So haben Erwachsene seit je gedacht, ein Kind sei ein »Mangelwesen« und müsse mithilfe einer bestimmten »Behandlung« durch Erwachsene und mithilfe von Erziehungsmethoden erst zum »richtigen« Menschen gemacht werden. Erwachsene müssten das Kind beeinflussen und manipulieren und es so dazu bringen, sich auf eine ganz bestimmte Weise zu verhalten. Erziehung in diesem Sinne bedeutet Einüben vorgeschriebener Verhaltensweisen und Vermittlung festgelegter Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dieses aktive Einwirken auf das Kind, bei dem die Ziele und die Interessen der Erwachsenen – auf mehr oder weniger rigorose Weise – verfolgt werden, bezeichne ich als herkömmliche Erziehung. Sie geht einher mit Mechanismen, die ich näher betrachten möchte.
Das Kind soll Gehorsam erlernen und sich anpassen. Um dies zu erreichen, nutzen die Eltern ihre Machtposition. Wenn nötig, werden auch gewaltvolle Maßnahmen angewandt, um sich durchzusetzen. Die herkömmliche Erziehung beruht also auf vier sich bedingenden Grundprinzipien: Gehorsam, Anpassung, Macht und Gewalt.
Dafür werden folgende Mechanismen eingesetzt:
Bewertung: Das Verhalten der Kinder wird nach den von den Eltern vorgegebenen Maßstäben bewertet und kritisiert, oft auch abgewertet, indem die Kinder beschämt werden. Wie wir noch sehen werden, ist das in Einrichtungen wie Schule und Kitas nach wie vor eine gängige und gesellschaftlich akzeptierte Haltung.
Strafe: Um das gewünschte Verhalten, Gehorsam und Anpassung durchzusetzen, werden Strafen und Konsequenzen angedroht oder durchgeführt. Strafen sind Machtmissbrauch, der auf der Abhängigkeit der Kinder beruht. Sie sind Gewalt gegenüber dem Kind. In meinem Buch Kindheit ohne Strafen beschäftige ich mich eingehend mit den Mechanismen von Strafen.
Kontrolle: Um sicherzugehen, dass die gewollte Richtung auch eingehalten wird, ist Kontrolle notwendig. Wir alle kennen das Sprichwort: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser.
Gegeneinander: Durch das machtvolle Durchsetzen der elterlichen oder erwachsenen Interessen können sich Kinder dem entweder nur fügen oder in den Ring steigen und den Kampf mit den Erwachsenen aufnehmen. So entstehen im Alltag oft anstrengende Machtkämpfe, die dann durch den Erwachsenen mithilfe der bereits erwähnten Androhung und / oder Durchführung von Strafen / Konsequenzen beendet werden. Der Erwachsene gewinnt zwar machtvoll diesen Kampf. Das Gegeneinander im Alltag jedoch ist oft kraftzehrend und einer der häufigsten Gründe, weshalb Eltern mich in der Beratung aufsuchen.
Monolog: Die Erwachsenen haben bereits eine Lösungsvorstellung und sind nicht oder nur vordergründig an der Meinung der Kinder interessiert. So kommen sie nicht in einen echten Austausch und Dialog mit ihnen, sondern erwarten, dass die Kinder vor allem zuhören, verstehen und verinnerlichen, was sie zu tun haben. Meist führt das bei den Kindern zu Rückzug und dazu, dass sie verstummen.
Belastete Beziehung: All die genannten Aspekte führen im Alltag immer wieder zu kleinen und großen Kränkungen. Das heißt, wenn die Eltern-Kind-Beziehung ständig von gewaltvoller Machtdurchsetzung eigener Interessen geprägt ist, von Disziplinierung und machtvoller Anpassung der Kinder an ein von Erwachsenen gewolltes Verhalten, ist die Eltern-Kind-Beziehung stetigen emotionalen Belastungen ausgesetzt.
Folgendes Beispiel zeigt die Mechanismen gut:
Elias (7 Jahre) ist...
Erscheint lt. Verlag | 15.9.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
ISBN-10 | 3-407-86696-8 / 3407866968 |
ISBN-13 | 978-3-407-86696-7 / 9783407866967 |
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