Jackie hat Hirn erbrochen - bleibt die jetzt doof? (eBook)

Einsätze, die jeden Retter verzweifeln lassen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
240 Seiten
Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95910-344-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jackie hat Hirn erbrochen - bleibt die jetzt doof? -  Jörg Nießen
Systemvoraussetzungen
11,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Feuerwehrmann, Notfallsanitäter und Bestsellerautor Jörg Nießen ist seit vielen Jahren im Geschäft - und erlebt im Dienst immer wieder, dass die Notrufnummer 112 mit beachtlicher Gedankenlosigkeit gewählt wird. Das blockiert nicht nur Ressourcen, sondern frustriert auf Dauer auch die Retter*innen. In seinem sechsten Buch erzählt Jörg Nießen von erschütternden Zeugnissen menschlicher Leichtfertigkeit, die ihm dienstlich begegnet sind: Von Notrufen, weil jemand auf Google Maps eine Rauchsäule gesehen hat, von der Tatsache, dass Retter*innen dann manchmal doch nicht willkommen sind oder von Senior*innen, die Drogen ausprobieren und danach persönliche Betreuung wünschen. Eigentlich alles nix für die Notfallretter*innen - aber probieren kann man's ja mal, getreu dem Motto: Dreist kommt weiter. Mit über 250.000 verkauften Büchern ist Jörg Nießen der unangefochtene Spitzenreiter im Genre der Feuerwehrliteratur - und als aufmerksamer Beobachter und pointierter Erzähler beliebt. Mit seinen Geschichten beweist er, dass man auch die bizarrsten Situationen mit Humor nehmen kann - manchmal sind sie anders auch gar nicht zu ertragen.

Jörg Nießen wurde 1975 im Rheinland geboren und kam über seinen Zivildienst vor über zwanzig Jahren zum Rettungsdienst. Heute ist er als Berufsfeuerwehrmann und Notfallsanitäter in einer nordrhein-westfälischen Großstadt tätig und hat neben mehreren Büchern über seinen Alltag im Rettungswagen auch ein Kinder- und Jugendbuch verfasst. Mit seinem Debüt »Schauen Sie sich mal diese Sauerei an« und dem Nachfolger »Die Sauerei geht weiter ...« stand er monatelang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Jörg Nießen wurde 1975 im Rheinland geboren und kam über seinen Zivildienst vor über zwanzig Jahren zum Rettungsdienst. Heute ist er als Berufsfeuerwehrmann und Notfallsanitäter in einer nordrhein-westfälischen Großstadt tätig und hat neben mehreren Büchern über seinen Alltag im Rettungswagen auch ein Kinder- und Jugendbuch verfasst. Mit seinem Debüt »Schauen Sie sich mal diese Sauerei an« und dem Nachfolger »Die Sauerei geht weiter ...« stand er monatelang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Die Ölspur


02.02.2020. Hein feierte Geburtstag. Zwar nicht auf den Tag genau, aber vor etwas mehr als einer Woche hatte sich das Jahrgedächtnis seines körperlichen Verfalls wiederholt. Auf meiner Wache ist es dann üblich, die Kollegen daran teilhaben zu lassen.

Da es zu üblen Missverständnissen führen kann, wenn man einfach eine Kiste Bier auf den Tisch stellt, hatte Hein sich entschlossen, für die versammelte Mannschaft ein opulentes Frühstück auszugeben. Den Tag hatte er allerdings nicht ohne Bedacht gewählt.

»Ich schmeiß doch keine Perlen vor die Säue!«, lauteten seine Worte, als er in Abhängigkeit des Dienstplans ausschließlich Lieblingskollegen zu Tisch bat.

Und wahrlich – Hein hatte sich nicht lumpen lassen. Rührei à la Marlene Dietrich, Rostbratwürstchen, Lachs mit Orangen-Senf-Soße, Käse, Eichelmastschinken von glücklichen Hohenloher Schweinen, drei Sorten Brot, Joghurt, Fruchtsaft und nicht zuletzt alkoholfreier Champagner zeigten sich seiner würdig. Der Anlass gab schließlich Grund zur dezenten Dekadenz, denn Hein wurde ja nur einmal 55 Jahre alt. Die anwesenden Hungerleider gratulierten mit einem einstudierten und sich wiederholenden: »Huch, ’ne Schnapszahl!«

Die Leitstelle indes nahm leider keine Rücksicht auf Heins persönliche Befindlichkeiten und alarmierte das Kleinlöschfahrzeug, auf dem er und ich heute eingeteilt waren, zu einer Ölspur.

»Das KLF der Westwache zu einer Ölspur in die Reißdorfer Allee. Öllache vor Hausnummer 44«, tönte es wiederholt aus dem Wandlautsprecher.

Hein ließ sich nichts anmerken, als die Kollegen mit vollem Mund zum Abschied winkten, aber natürlich war er enttäuscht. Gern hätte er mit Leo, Lars, Mattias und den anderen gemeinsam diniert, doch so ist das im Blaulichtmilieu – wenn der Bürger ruft, lässt man die Gabel fallen und ist zur Stelle.

»Vielleicht ist ja später noch was vom Schinken übrig«, versuchte ich, Hein aufzumuntern, wohl wissend, dass bei unserer Rückkehr nur noch ein paar verschrumpelte Trauben auf der Käseplatte liegen würden, was mein Lieblingskollege mit einem trockenen »Sei bitte nicht albern!« weissagend kommentierte.

Während der Anfahrt zur besagten Einsatzstelle schwieg Hein. Nach langen Jahren gemeinsamen Dienstes kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass jetzt nicht der Moment für belanglose Konversation war. So nutzte ich die Gelegenheit, um über das Universum der Ölspuren nachzudenken.

Sie sind schmierig. Mache sind kurz, andere lang, manche sind breit, andere schmal, wieder andere überfordern die Feuerwehr mit ihrem Ausmaß, dann braucht es die Straßenmeisterei oder spezialisierte Unternehmen. Wie dem auch sei – keine Ölspur ist gut für die Korallenriffe dieser Welt. Und auch wenn Hein und ich jetzt lieber am Frühstückstisch gesessen hätten, fehlte es uns nicht an professioneller Motivation, um der ausgelaufenen Betriebsstoffe, wie es im Feuerwehrjargon heißt, Herr zu werden.

Im Normalfall werden diese, egal ob Öl oder Benzin, abgestreut, das verunreinigte Bindemittel aufgenommen und geeigneter Entsorgung zugeführt. Falls sich der Verursacher ausmachen lässt, klären die Einsatzkräfte die Kostenübernahme, fertigen einen Einsatzbericht an, und die Sache ist erledigt. Zumeist also nichts Spektakuläres, aber dennoch sinnvoll, denn Öl und Benzin gehören einfach nicht in die Kanalisation. Was viele nicht wissen: Umweltschutz ist seit vielen Jahren ein wichtiger Aufgabenbereich der Feuerwehr.

Nach etwa sechs Minuten Anfahrt bog Hein in die Reißdorfer Allee ein. Wir richteten unsere Augen konzentriert auf die Straße, um die gemeldete Ölspur und deren Ausmaße auszumachen und festzustellen, ob sie durch den fließenden Verkehr weitere Ausbreitung fand.

Doch sosehr wir uns bemühten, wir entdeckten nicht die geringste Verunreinigung der Fahrbahn. Zweimal fuhren wir die Straße ohne Feststellung ab, bis Hein das Kleinlöschfahrzeug vor der angegebenen Hausnummer zum Halten brachte.

»Vielleicht hat irgendein Drecksack einen Ölwechsel auf dem Bürgersteig veranstaltet«, mutmaßte er, bevor er das Fahrzeug verließ, um die Umgebung in Augenschein zu nehmen. »Dem werd ich was!«

Ich folgte unauffällig.

Häuser aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert bildeten den eigentlichen Straßenzug. Davor, getrennt durch kniehohe Mauern samt schmiedeeisernen Zäunen, schmiegten sich kleine Vorgärten aneinander, an die ein durch Platanen zum Slalomkurs mutierter Fußweg anschloss. Hein und ich liefen umher, um das nähere Umfeld zu erkunden, erneut ohne Erfolg. Weit und breit war keine Öllache oder Ölspur feststellbar. Das Höchste der Gefühle stellte eine dünne handtuchgroße Pfütze dar.

»Die kann ja wohl nicht gemeint sein«, kommentierte ich die minimale Wasseransammlung, und Hein nickte wortlos.

»Umso besser. Jemand hat sich einen schlechten Scherz erlaubt, aber zumindest brauchen wir nicht zu kehren, und in zehn Minuten verputzt du dein erstes Brötchen mit Remoulade, Rostbratwürstchen und Rührei«, ergänzte ich, und jetzt lächelte Hein sogar.

Wir saßen bereits wieder im Fahrzeug und Hein war dabei, die Tür ins Schloss fallen zu lassen, als ein Mittdreißiger aus der 44 stürzte und auf uns zustürmte. Zu kurze graue Hosen, gehalten von schmalen Lederhosenträgern, ein schwarzer Vollbart und eine übergroße rote Brille, gekrönt von einer Wollmütze, verliehen dem Mann schon von Weitem ein extravagantes Erscheinungsbild.

»Hierbleiben, hierbleiben, ich habe Sie gerufen!«, rief er lauthals, während er die letzten Meter zu uns zurücklegte.

»Ach du Scheiße, ein waschechter Vorstadt-Hipster. Jetzt wirds spannend«, entfuhr es Hein, und er sollte recht behalten.

Weil an Flucht natürlich nicht zu denken war, verließen wir unser Fahrzeug wieder und traten dem sich als Notrufer bekennenden Mann entgegen.

»Schmitz-Müller mein Name«, begrüßte er mich per Handschlag, und ich dachte noch über den langweiligsten Doppelnamen der Welt nach, als Hein schon an der Reihe war. Im Gegensatz zu mir allerdings ließ mein Lieblingskollege im wahrsten Sinne des Wortes nicht locker – statt den höflichen Körperkontakt wie üblich schnell zu beenden, behielt er die Hand von Herrn Schmitz-Müller fest im Griff.

»Es ist gut, dass Sie uns gerufen haben – und wenn Sie uns jetzt noch erklären, warum wir hier sind, kommen wir sogar einen Schritt weiter«, sagte er, ohne seinen Griff zu lockern. Sichtlich irritiert versuchte Herr Schmitz-Müller, seine Hand zurückzuziehen, doch Hein hielt mit vielsagend fragendem Blick dagegen beziehungsweise fest.

»Na, das ist doch offensichtlich! Hier! Die Ölpfütze!« Herr Schmitz-Müller deutete mit der freien Hand altklug auf die Wasseransammlung, die das Wort »Pfütze« im Grunde gar nicht verdiente.

Hein hielt immer noch die fremde Hand in seiner, und langsam machte ich mir Sorgen, er könnte übergriffig werden, als er endlich losließ und ihm ein fassungsloses »Das meinen Sie nicht ernst, oder?« entfuhr. Ab jetzt war ich Zuschauer im Kino der 1960er-Jahre. Kennen Sie die wunderbaren Dialoge aus alten Louis-de-Funès-Filmen? »Nein!« »Doch!« »Nein!« »Doch!« »Nein!« »Oohhh!«

Hein: »Das ist eine Pfütze.«

Schmitz-Müller: »Eine Ölpfütze!«

Hein: »Eine Wasserpfütze!«

Schmitz-Müller: »Eine Ölpfütze!«

Hein: »Wo soll das Öl denn herkommen?«

Schmitz-Müller: »Wo soll das Wasser denn herkommen?«

An dieser Stelle sei bemerkt, dass die unterschiedlichen Standpunkte keinesfalls aufgegeben wurden und sich die Fronten zunehmend verhärteten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass besagte Pfütze so rein und klar war wie eine Bachquelle im Himalaja.

Hein: »Wie wäre es mit folgender Begründung: Hier stehen Bäume, von denen Raureif abtropft, da die Kronen morgens von der Sonne beschienen werden, während hier unten noch Schatten herrscht, sodass sich an diesem Punkt ein wenig Wasser sammelt. So weit logisch?«

Schmitz-Müller: »Wir wohnen hier seit zwei Jahren, und hier stand noch nie eine Pfütze!«

Hein ging in die Knie und durchstreifte mit dem Zeigefinger die Wasserlache. Er nahm seinen benässten Finger in Augenschein und zerrieb die Flüssigkeit zwischen Daumen und Zeigefinger, um anschließend sogar daran zu riechen.

»Wasser!«, konstatierte er.

»Öl«, gab Herr Schmitz-Müller nüchtern zurück.

In diesem Moment betrat leider, aber vielleicht auch zum Glück – wer weiß das schon im Nachhinein –, Schmitz-Müller junior, ungefähr zehn Jahre alt, die Bühne.

»Papa, warum machen die Männer von der Feuerwehr nichts? Oder sind die sonntags eh immer faul, so wie du gesagt hast?« Kindermund tut Wahrheit kund, und Hein atmete tief durch.

»Wasser! Und Ihnen ist hoffentlich klar, dass Sie sich vor Ihrem Sohnemann bis auf die Knochen blamieren!«, brummte er.

»Öl, mindestens Öl in einer Wasserpfütze!« Herr Schmitz-Müller verschränkte die Arme vor der Brust.

Weil ich ahnte, was als Nächstes passieren würde, lud ich Junior ein, ein Feuerwehrfahrzeug von innen zu besichtigen, was er begeistert annahm. Und während ich dem Heranwachsenden das Funkgerät, Schläuche, Strahlrohre und vieles Weitere erklärte, lief Hein draußen zur Hochform auf.

Zunächst schlug er, einem spielenden Kleinkind nicht unähnlich, mehrmals theatralisch mit der flachen Hand in die Wasserlache, bevor er aufstand und sich mit seinen 95 Kilogramm Lebendgewicht vor Herrn Schmitz-Müller aufbaute.

»Wollen Sie...

Erscheint lt. Verlag 3.9.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abenteuer • Beruf • Berufsalltag • Berufsmemoir • Bestsellerautor • Biografie • Brand • Die Sauerei geht weiter • Eden Books • Erfahrungsbericht • Feuer • Feuerwehr • Gefährlich • humorvoll • Medizin • Nordrhein Westfalen • Notfall • Rettung • Rettungsdienst • Rettungsgasse • Rettungssanitäter • Sanitäter • Schauen Sie sich mal diese Sauerei an • Sicherheit • skurrile Storys • spiegel bestseller • Tatsachenbericht • Unfall • Wachdienst
ISBN-10 3-95910-344-1 / 3959103441
ISBN-13 978-3-95910-344-2 / 9783959103442
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 800 KB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
12,99
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
12,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99