Schule weiter denken (eBook)

Was wir aus der Pandemie lernen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
160 Seiten
Duden (Verlag)
978-3-411-91358-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schule weiter denken -  Kai Maaz,  Michael Becker-Mrotzek
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Was Eltern, Schüler und Lehrer im Frühjahr 2020 erlebt haben, ist vorher noch nie da gewesen: Ein ganzes Land ging ins Homeschooling. Wie nie zuvor nahmen die Eltern teil an der Schulbildung ihrer Kinder. Und die Lehrer mussten sich auf eine komplett neue Unterrichtssituation einstellen, auf die sie nicht vorbereitet waren. Alle Beteiligten fühlten sich überfordert und zum Teil alleingelassen. War das System schuld? Weil die Ministerien den Spagat zwischen Unterstützung und Autonomie der Schulen nicht schafften? Weil es bis heute keine einheitlichen Qualitätsstandards gibt? Weil die Digitalisierung viel zu lange schleifen gelassen wurde? Und es nicht gelang, Kinder aus kinderreichen und/oder bildungsfernen Familien mitzunehmen? Das alles sind Fragen, die keine Eintagsfliegen sind; sie werden auch nach der Pandemie noch offen sein, denn diese wirkte nur wie ein Brennglas, das die Probleme unserer Schulen offenbar werden ließ. Viele fragen sich: Was können wir aus den Erfahrungen des Lockdowns lernen?

Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Professor für deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Universität zu Köln und Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache Dr. Martina Diedrich, Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung, Hamburg Prof. Dr. Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn Prof. Dr. Kai Maaz, Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildung und Gesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt und Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt und Berlin Prof. Dr. Susanne Prediger, Professorin für Grundlagen der Mathematikdidaktik am Institut für Erforschung und Entwicklung des Mathematikunterrichts der TU Dortmund Prof. Dr. Sandy Taut, Stellvertretende Leiterin der Qualitätsagentur am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München Prof. Dr. Mareike Kunter, Professorin für empirische Bildungsforschung und Direktorin des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt und Berlin

Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Professor für deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Universität zu Köln und Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache Dr. Martina Diedrich, Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung, Hamburg Prof. Dr. Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn Prof. Dr. Kai Maaz, Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildung und Gesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt und Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt und Berlin Prof. Dr. Susanne Prediger, Professorin für Grundlagen der Mathematikdidaktik am Institut für Erforschung und Entwicklung des Mathematikunterrichts der TU Dortmund Prof. Dr. Sandy Taut, Stellvertretende Leiterin der Qualitätsagentur am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München Prof. Dr. Mareike Kunter, Professorin für empirische Bildungsforschung und Direktorin des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt und Berlin

WER IST EIGENTLICH FÜR WAS VERANTWORTLICH?

Ein Blick auf die Strukturen

Martina Diedrich & Kai Maaz

Die Strukturen unseres Bildungssystems können selbst noch so engagierte Eltern zum Verzweifeln bringen, weil sie manchmal undurchschaubar scheinen. Grundsätzlich wird unterschieden in innere und äußere Schulangelegenheiten, für die die Zuständigkeiten an unterschiedlichen Stellen liegen. Mal ist der Bund verantwortlich, bei Schulangelegenheiten sind es in aller Regel die Länder, bei denen Zuständigkeiten liegen, und mal kommt auch noch den Schulträgern – zumeist den Kommunen – eine zentrale Rolle zu. Und selbst innerhalb einer Kommune gibt es noch Unterschiede und man fragt sich, warum es »gute« und weniger gute Schulen gibt. Ziehen Familien von einem Bundesland in ein anderes, scheint sich fast alles zu ändern. Insgesamt ist die formale Struktur unseres Schulsystems durch eine Unübersichtlichkeit gekennzeichnet, die auch für Fachleute eine Herausforderung darstellt. Dennoch: Wenn es darum geht, den Anforderungen von und an Schule gerecht zu werden und Schule weiterzuentwickeln, bilden die strukturellen Rahmenbedingungen, unter denen Schulen agieren, eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Voraussetzung. In Krisensituationen gewinnen sie noch mehr an Bedeutung. Wir alle fragen uns oft: Warum sind Veränderungen in Schule so behäbig? Warum wird nur so langsam, manchmal scheinbar zu langsam, auf aktuelle Entwicklungen reagiert? Und gerade in der Krise: Warum wurde nicht mehr und besser »von oben« gesteuert? Warum sind einige Schulen bislang relativ problemlos durch die Pandemie gekommen und andere hatten schon Schwierigkeiten, ihre Schülerinnen und Schüler überhaupt zu erreichen? Die Antworten sind vielschichtig. Verlässliche und gleichzeitig flexible strukturelle Rahmungen sind auch hier eine zentrale Voraussetzung für ein gelingendes Krisenmanagement. Wir wollen im Folgenden besonders solche Aspekte betrachten, die auch während der Corona-Pandemie von zentraler Bedeutung für die Steuerung der Schulen gewesen sind. Wir gehen dabei von dem Gedanken aus, dass die Einzelschule Teil eines Mehrebenensystems ist. Das heißt, dass die Steuerung der Schule unterschiedliche Ebenen umfasst und somit an unterschiedlichen Stellen ansetzen kann:

• Auf der untersten Ebene befinden sich die einzelnen Schülerinnen und Schüler, die mit ihrem jeweiligen familiären Hintergrund, mit ihren Begabungen und Interessen unterschiedliche Voraussetzungen für das Lernen mit in die Schule bringen.

• Schülerinnen und Schüler werden in Klassen oder Lerngruppen zusammengefasst, in denen je nach Zusammensetzung der Schülerschaft unterschiedlich gut gelernt werden kann, je nachdem, wie die individuellen Voraussetzungen sich mischen bzw. entmischen.

• Die Klassen gehören jeweils zu einer Schule, die einerseits in Abhängigkeit von der Gesamtheit der Schülerschaft, andererseits in Abhängigkeit von den dort arbeitenden Lehrkräften und sonstigen pädagogisch Tätigen, von der Schulleitung, aber auch von der Qualität der Ausstattung und sonstigen materiellen Rahmenbedingungen unterschiedlich gut Unterricht und Schulleben gestalten kann.

• Schulen wiederum gehören in der Regel einer bestimmten Schulform an. Neben den Grundschulen gibt es inzwischen in vielen Bundesländern nur noch zwei weiterführende Schulformen, die Gymnasien und eine Form von Gesamtschulen, an denen alle Bildungsabschlüsse entweder in integrativer Form oder in voneinander getrennten Bildungsgängen erworben werden können, zum Beispiel Sekundarschule, Mittelschule oder Regionalschule genannt. Es gibt aber auch noch Bundesländer, in denen das Schulsystem in der Sekundarstufe I stärker unterteilt ist und drei bis fünf unterschiedliche Schulformen zur Verfügung stehen, wie etwa Hauptschule, Realschule und Gymnasium (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018, 2020). In der Sekundarstufe II treten berufliche Schulen, die vordergründig zu einem allgemeinbildenden Abschluss führen (z. B. berufliche Gymnasien), und die berufsbildenden Schulen hinzu.

• Auf der nächsthöheren Ebene finden sich die Schulverwaltungen, einerseits die kommunalen Schulträger, die vor allem für finanzielle und Ausstattungsfragen zuständig sind, andererseits die Schulaufsicht, die den grundgesetzlichen Auftrag zur staatlichen Aufsicht des Schulwesens wahrnimmt und für die Kultusministerien die Schulen kontrollieren und beraten soll.

• Die Art und Weise, wie die Schulverwaltung organisiert ist, welche Schulformen es gibt, aber auch Vorgaben bezüglich der Lehrpläne und Prüfungsordnungen werden auf Ebene des einzelnen Bundeslands in den Kultusministerien oder -behörden der Länder geregelt. Dadurch kommt es, dass von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Bedingungen des Lernens bestehen.

Somit ist Schule eingebettet in strukturelle Rahmenbedingungen, die ihre Handlungsmöglichkeiten vorprägen, begrenzen und erweitern. Deutlich wird, dass es keine gesamtdeutsche Steuerungsinstanz gibt, die für alle Schulen in Deutschland zuständig und verantwortlich ist. Dies liegt an der föderalen Zuständigkeit für den Kultusbereich: Schulen sind Ländersache. So kommt es, dass auch bei bundesweit übergreifenden Regelungen immer noch länderspezifische Auslegungen greifen. Beispielsweise gibt es bundesweit einheitliche Abschlüsse, die aber unterschiedliche Namen tragen (so kann der Hauptschulabschluss auch »Erster Schulabschluss« oder »Berufsbildungsreife« heißen). Unterschiedliche Schulformen, hinter denen sich unterschiedliche Systeme verbergen, können denselben Namen tragen (z. B. die Gemeinschaftsschulen), umgekehrt können dieselben Schulformen in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche Namen haben (in Berlin heißen die weiterführenden Schulen, die sämtliche Bildungsabschlüsse anbieten, Gemeinschaftsschulen, in Hamburg heißen sie Stadtteilschulen).

Hinzu tritt ein weiteres Prinzip, das die strukturelle Rahmung der Schule bestimmt: das sogenannte Subsidiaritätsprinzip. Dieses besagt, dass die übergeordneten Organe insbesondere dort regelnd auftreten, wo die nachgeordneten Organe anstehende Aufgaben nicht selbstständig lösen können, die Zuständigkeit für alles andere jedoch ihnen überlassen wird. Oder anders formuliert: Alle Regelungsbereiche werden auf die jeweils unterste Ebene verschoben, die dem bestehenden Regelungsbedarf nachkommen kann; weiter oben verbleibt nur das, was weiter unten nicht geregelt werden kann.

Die Krisensituation hat allerdings deutlich gemacht, dass große Herausforderungen eines länderübergreifend abgestimmten, koordinierten Handelns bedürfen, ohne dabei die föderale Grundstruktur infrage zu stellen. Damit wurden Regelungsbereiche, die bis dato weiter unten angesiedelt waren, zurück auf höhere Entscheidungsebenen geholt. Dies hat sich einerseits an den Entscheidungen zur Schulschließung gezeigt, andererseits am sichtbar gewordenen Investitionsbedarf in digitale Ausstattung:

• Die Entscheidung, ob Schulen geöffnet blieben oder schließen mussten, wurde im ersten Lockdown weder durch die Einzelschule noch auf kommunaler Ebene getroffen. Vielmehr erfolgte eine Entscheidung durch die Kultusministerien der Länder, die landesweite Vorgaben zu den Schulschließungen trafen, nachdem sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit der Bundeskanzlerin zentral über derartige Maßnahmen verständigt hatten. Dabei blieben regionale bzw. lokale Unterschiede unberücksichtigt, vielmehr galten die Regelungen einheitlich für alle Schulen im jeweiligen Bundesland.

• Vor dem zweiten Lockdown gab es mancherorts lokale Lösungen, in denen beispielsweise in einzelnen Landkreisen entsprechende Verordnungen zur Schulschließung aufgrund besonders hoher Inzidenzzahlen erlassen wurden. Mit dem bundesweiten zweiten Lockdown, der am 16.12.2020 griff, wurde die Entscheidung über die Schulschließung erneut zentralisiert – als Ergebnis einer gemeinsamen Entscheidung von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidentinnen und -präsidenten. In der Krise hat also die Notwendigkeit zu einem gemeinsamen, abgestimmten Handeln die föderale Hoheit über Kultusfragen dominiert.

• Auch die allmähliche Wiederöffnung der Schulen war eine länderübergreifende Entscheidung. Die Art der Ausgestaltung wurde allerdings den Ländern überlassen und zum Teil ganz konkret in die Hand der einzelnen Schulen gelegt. So gab es ganz unterschiedliche Konzepte, welche Lerngruppen in welcher Intensität und Häufigkeit in den Schulen lernen konnten und welche überwiegend zu Hause geblieben sind.

• Am deutlichsten wurde die Notwendigkeit für zentrale Steuerungsimpulse auf der Ebene der Versorgung der Schulen mit digitalen Mitteln. Die Corona-Pandemie hat endgültig den Rückstand im Schulsystem mit Blick auf digitale Ausstattung, aber auch digitale Kompetenzen sowohl der Lehrkräfte als auch der Schülerinnen und Schüler verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gehoben (vgl. auch Eickelmann et al., 2019). Zugleich wurde aber auch deutlich, dass weder die Schulträger noch die Bundesländer den Rückstand in der Ausstattung würden allein aufholen können. So war es hilfreich, dass bereits im Vorjahr der »DigitalPakt Schule« in Kraft getreten war, in dessen Rahmen der Bund die digitale Ausstattung der Schulen mit 5 Milliarden Euro voranbringen will (BMBF, 2919). Um diesen zu ermöglichen, war zuvor eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, weil ansonsten der Eingriff des Bundes in...

Erscheint lt. Verlag 13.4.2021
Reihe/Serie Duden - Sachbuch
Duden-Sachbuch
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Freizeit / Hobby Sammeln / Sammlerkataloge
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Denken • Eltern • Pandemie • Schule • Schüler
ISBN-10 3-411-91358-4 / 3411913584
ISBN-13 978-3-411-91358-9 / 9783411913589
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