Träumen lohnt sich. Mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi (eBook)

Die Autobiografie des Fußball-Nationalspielers (SPIEGEL-Bestseller / Nominiert zum Fußballbuch des Jahres)
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Edel Sports - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-8419-0771-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Träumen lohnt sich. Mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi -  Robin Gosens,  Mario Krischel
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Es gibt zahlreiche Bücher von Ex-Fußballern über ihre Karriere. Dieses Buch ist anders. Hier spricht ein aktiver Spieler offen über das Fußballgeschäft. Hier erzählt ein deutscher Nationalspieler und Champions-League-Teilnehmer, der nie ein DFB-Leistungszentrum besucht hat, wie er trotz einer Alkoholfahne zufällig von einem niederländischen Scout entdeckt wurde. Wie er bei Borussia Dortmund im Probetraining durchrasselte und dachte, dieses Spielniveau würde er niemals erreichen können. Wie er wenige Jahre später Cristiano Ronaldo aus der Coppa Italia schmiss und mit Atalanta Bergamo zum ersten Mal die Champions League erreichte. Wie er 2020 Corona in der Lombardei, der am stärksten betroffenen Region Italiens, erlebte, wie er dort über Monate in seiner Wohnung eingesperrt war, während rund herum tausende Menschen starben. Dieses Buch ist anders, weil Robin Gosens anders ist - er versteckt sich nicht hinter Floskeln, sondern sagt, was er denkt. Die außergewöhnliche Geschichte eines etwas anderen Fußballprofis. Und ein Buch, das es auf die Shortlist der begehrten Auszeichnung »Fußballbuch des Jahres 2021« geschafft hat.

Robin Gosens (Jahrgang 1994) aus Emmerich am Rhein schaffte den Durchbruch als Fußballprofi beim italienischen Champions-League-Teilnehmer Atalanta Bergamo. Von den deutschen Fans wurde er zum Fußball-Botschafter 2020 gewählt, im gleichen Jahr debütierte er in der deutschen Nationalmannschaft. Parallel zu seiner Profikarriere studiert er Psychologie. 

Robin Gosens (Jahrgang 1994) aus Emmerich am Rhein schaffte den Durchbruch als Fußballprofi beim italienischen Champions-League-Teilnehmer Atalanta Bergamo. Von den deutschen Fans wurde er zum Fußball-Botschafter 2020 gewählt, im gleichen Jahr debütierte er in der deutschen Nationalmannschaft. Parallel zu seiner Profikarriere studiert er Psychologie.  Mario Krischel (Jahrgang 1995), geboren und aufgewachsen im ostwestfälischen Rietberg, studierte Sportjournalismus in Hannover und hospitierte u.a. bei Borussia Mönchenglabdach, Schalke 04 und SPOX. Seit 2017 ist er Redakteur beim kicker in Nürnberg. 

Kapitel 2

VALENCIA

19. Februar 2020

Fußball ist so verdammt nebensächlich. Wie sehr, zeigte sich in der Coronakrise, in der wir begreifen mussten, dass es wahrlich wichtigere Dinge gibt. Die ganze Welt stand still und litt, Fußball war nur ein weiteres Beispiel von vielen.

Und es hört sich egoistisch an: Für mich hätte das Timing schlechter nicht sein können.

Mit Atalanta schien es bis zu diesem Zeitpunkt stetig bergauf zu gehen. Jahr für Jahr wurden wir besser und erfolgreicher. Und jetzt waren wir ganz oben angekommen: in der Champions League.

Ich erinnere mich noch gut an die Auslosung der Gruppenphase Ende August 2019. Rabea und ich saßen in unserer Wohnung aufgeregt vor dem Fernseher. So eine Champions-League-Gruppenphase bietet zum einen die Chance, auf die besten Klubs Europas zu treffen, zum anderen aber auch ziemlich geile Städtetrips. Der zweite Punkt interessierte natürlich vor allem Rabea. Atalanta war im letzten Lostopf. Wir mussten uns also gedulden. Es wurden superspannende Paarungen gezogen: Barcelona gegen Dortmund, Bayern gegen Tottenham, Liverpool gegen Neapel, Juventus gegen Atletico. Die WhatsApp-Gruppe unserer Mannschaft lief völlig heiß, jeder hatte so seine Wünsche. Und dann war es soweit: Erst das Los „Atalanta BC“, dann ging es darum, in welcher Gruppe wir landen würden. Der Zettel wurde in die Kamera gehalten: Gruppe C. Mit Manchester City, Schachtar Donezk, Dinamo Zagreb. „Okay“, kommentierten die meisten im Teamchat, „das geht doch eigentlich.“ Tatsächlich, es hätte wesentlich schlimmer kommen können, was die Qualität der Gegner betrifft. 

Auf das Duell mit Manchester City freuten wir uns natürlich am meisten. Das war zu dem Zeitpunkt vielleicht die beste Mannschaft Europas, auch wenn Liverpool die Champions League gewonnen hatte. City war erst mit 100 und in der Saison darauf mit 98 Punkten englischer Meister geworden. Viel besser, viel konstanter spielte kein anderes Team. Und natürlich wollten wir alle mal gegen Pep Guardiola ran. Man kann über seine Art sagen, was man will, aber der Mann ist ein Genie. Bei den beiden anderen Kontrahenten waren die Reaktionen gemischt. Auf der einen Seite sagten wir uns, dass Platz zwei hinter City im Bereich des Möglichen lag, vielleicht sogar Pflicht war, auf der anderen Seite wollten wir eigentlich gegen die Besten der Besten zocken. Und bei Zagreb und Donezk flippt man jetzt nicht unbedingt vor Vorfreude aus. Ich würde nicht von Enttäuschung sprechen, aber wir hätten gerne mehr gehabt. Mehr Flair, mehr Elite.

Der Spielplan schickte uns zuerst nach Kroatien. Mitte September war es in Zagreb schön warm, aber das Wetter sollte auf dieser Reise nur eine Nebenrolle spielen. Wir hatten im Vorfeld ganz normal trainiert, die Abschlusseinheit im Stadion von Dinamo verlief so wie jede andere, auch wenn für die meisten von uns das allererste Champions-League-Spiel der Karriere bevorstand. 

Das Stadion in Zagreb ist keine Schönheit: vier separate Tribünen, mit jeweils mindestens zehn Meter Entfernung zum Rasen, dazwischen eine blaue Tartanbahn. Aber hier spielt der erfolgreichste Verein Kroatiens, der in letzten 14 Jahren 13-mal Meister geworden war. So unschön die Atmosphäre für unseren ersten Abend in der Königsklasse war, so unangenehm wurde die Aufgabe. Dinamo war der vermeintlich schwächste Gegner der Gruppe C, hier galt es zu punkten. Die Sonne ging langsam unter, als wir auf den Platz kamen und auf die berühmteste Fußballhymne der Welt warteten. „Sie sind die Beeeeeesten…“ Gänsehaut. Absolute Gänsehaut. Das war leider der letzte gute Moment des Abends. Denn danach gingen auch wir unter. Alles lief schief, und wir verloren 0:4, wurden komplett überrumpelt, spielten total naiv und wurden für jeden Fehler bestraft. Lehrgeld zahlen nennt man so was wohl. Selten habe ich in meinen Jahren als Fußballer eine so niedergeschlagene und traurige Stimmung in der Kabine erlebt wie nach dem Schlusspfiff in Zagreb. Wir hatten den Gegner unterschätzt. In der Champions League ein tödlicher Fehler. 

Und es wurde auch im zweiten Spiel nicht besser. Auch nicht im dritten. Erst kassierten wir gegen Donezk in der letzten Minute das 1:2, dann wurden wir in Manchester nach kurzzeitiger Führung schlimm verhauen. Was City gegen uns spielte, war noch mal eine ganz andere Liga. „Schön, dass wir mit dabei sein dürfen“, dachte ich mir nach dem 1:5, „aber vielleicht sind wir doch nicht ganz so gut, wie wir dachten.“ Diesmal war die Enttäuschung nicht so groß, dafür war unsere Unterlegenheit viel zu offensichtlich gewesen. Der Abend hatte für mich immerhin noch eine amüsante Überraschung parat gehabt. Nach dem Schlusspfiff war ich auf Ilkay Gündogan zugegangen, den ich bis dato ja nur aus dem Fernsehen kannte, und hatte ihn gefragt, ob wir die Trikots tauschen wollten. Er schaute mich an und wunderte sich, warum ich so gut Deutsch sprach. Ilkay wusste einfach nicht, wer ich war. Aber das war schon in Ordnung. Dafür hängt sein Trikot jetzt bei mir im Schrank. 

Alles in allem war es ein katastrophaler Start in die Königsklasse. Drei Spiele, drei Niederlagen, null Punkte. In der Serie A hatten wir mit unseren Gegnern teilweise Katz und Maus gespielt, in der Champions League bekamen wir dagegen keinen Fuß auf die Erde. Kein Team hatte es mit so einer Bilanz nach der Hinrunde jemals geschafft, noch ins Achtelfinale einzuziehen. Die Champions-League-Saison war gelaufen, da brauchten wir uns nichts vormachen. Für uns ging es jetzt darum, irgendwie Dritter zu werden, um wenigstens in der Europa League mitspielen zu dürfen. Abgesehen davon wollten wir auch unsere Ehre retten, punktlos durfte man sich, gerade in so einer Gruppe, nicht verabschieden. In Italien nahm uns die Presse ordentlich in die Mangel. „Atalanta versaut uns die Fünfjahreswertung“, hieß es da. Oder: „Die sind nicht für die Champions League gemacht!“ Ich kann mich noch an die Aussage von Juventus-Sportdirektor Fabio Paratici erinnern, der sich öffentlich über uns beschwerte: „Wie kann es sein, dass sich Atalanta nach einem guten Jahr für die Champions League qualifizieren darf? Die haben doch gar keine Geschichte, die machen uns die Wertung kaputt. Das ist eine Frechheit.“ Eine abenteuerliche Aussage. Jetzt wurde es persönlich.

Was ich noch nicht erwähnt habe: Unser Stadion war für die Champions League zu klein. Im Vorfeld war bereits geklärt worden, dass wir unsere Heimspiele im Mailänder San Siro austragen würden. Das ist zwar eine der berühmtesten Spielstätten der Welt, aber eben das Stadion von Inter und AC. Deren Fans fanden es natürlich auch nicht so toll, dass der kleine Nachbar aus Bergamo in ihrem Wohnzimmer spielen sollte. Das San Siro wurde nie unser Zuhause, aber schlecht war es natürlich auch nicht, dass statt 25 000 hier 50 000 fußballverrückte Menschen für uns sangen und schrien.

Das Rückspiel gegen Manchester City, ein 1:1, war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Obwohl ein Punkt nach vier Partien noch immer nicht gut klang: Es bestand noch eine minimale Chance aufs Achtelfinale. Die wurde nicht kleiner, als wir gegen Zagreb unsere ersten drei Punkte holten. Dann kam der entscheidende Spieltag: Wir (vier Punkte) mussten in Donezk (sechs Punkte) gewinnen und brauchten gleichzeitig die Hilfe von City in Zagreb (fünf Punkte). Einen Haken hatte die Sache noch: Eine Reise in die Ukraine, mitten im Dezember. Es war saukalt. Hinzu kam diese Trostlosigkeit in der Stadt. Wegen der Kriegssituation in Donezk mussten wir nach Kiew fliegen und von dort nach Charkiw fahren, das lag noch mal fünf Stunden nördlicher als Donezk und war noch mal fünf Grad kälter. Als wir durch die Straßen fuhren, sahen wir fast nur kaputte Gebäude. „Was machen wir hier nur?“, fragte ich mich. Das Wetter passte zur Szenerie. Oder die Szenerie zum Wetter. Zum Glück waren wir nur zum Fußballspielen gekommen. Und dieses Fußballspiel konnte uns doch noch das Achtelfinale in der Champions League bescheren.

Das Metalist-Stadion in Charkiw kam ähnlich schmucklos daher wie der Kasten in Zagreb. Auch hier führte eine blaue Tartanbahn um den Platz. Die erste kritische Situation ergab sich schon beim Aufwärmen, weil ich nicht wusste, wie ich die Sache angehen sollte. Normalerweise wärme ich mich immer so auf, wie ich spiele. Und normalerweise spiele ich in kurzer Hose und kurzem Trikot. Anders kannte ich es nicht, deshalb wollte ich daran auch nichts ändern. Bei ungefähr minus 40 Grad lief ich also in kurzen Klamotten und ohne Handschuhe auf den Rasen. Was soll ich sagen: Mir sind die Eier abgefroren. 

Das Gute war die Ausgangslage. Es hatte vorher in der Kabine schon diesen Moment gegeben, als ich in die Augen meiner Mitspieler geschaut und mir gedacht hatte: Hier kann heute gar nichts schiefgehen. Draußen war es kalt, aber wir waren heiß. Poetisch, oder? Die Einstellung spürte man auf dem Platz sofort. Wir waren viel motivierter, viel gieriger. Es dauerte, aber nach etwas mehr als einer Stunde belohnten wir uns für einen überragenden Auftritt. Nach dem 2:0 in der 80. Minute war die Sensation greifbar. Denn parallel – das hatten wir natürlich mitbekommen – führte Manchester deutlich gegen Zagreb. 

Und dann kam mein Moment. In der Nachspielzeit tat mir ein Verteidiger von Donezk den Gefallen und klärte den Ball so, dass ich frei vorm Torwart stand und das Ei ins Tor grätschen konnte. Die Entscheidung. Die Sensation. Der Wahnsinn.

Ich habe die Bilder heute noch im Kopf: Wie ich jubelnd abdrehe, zur Seite schaue und sehe, wie unsere ganze Bank auf mich zugerannt kommt. Ich wurde unter...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport Ballsport
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ISBN-10 3-8419-0771-7 / 3841907717
ISBN-13 978-3-8419-0771-4 / 9783841907714
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