Endlich frei von zwanghaftem Knibbeln (eBook)
Wenn Sie unter Skin Picking oder Hair Pulling leiden, dem unbewussten Drang, sich an den Haaren zu ziehen, sich zu kratzen oder an der Haut zu puhlen, zögern Sie vielleicht, sich Hilfe zu suchen, und fühlen Scham und Befangenheit. Doch es gibt effektive Strategien, um körperbezogene repetitive Verhaltensweisen zu behandeln und wieder mehr Lebensqualität zu erlangen.
Dieses Schritt-für-Schritt-Programm hilft Ihnen dabei, sich von Ihrem Zwang zu befreien und Leid in Energie umzuwandeln, um ein gutes Leben führen zu können. Die Autor*innen und erfahrenen Expert*innen für Verhaltenstherapie haben einen umfassenden Behandlungsplan zusammengestellt, der individuelle Hilfe bietet. Selbstbeobachtungsprotokolle und Maßnahmenpläne unterstützen Sie dabei, Knibbel- und Zieh-Attacken zu verhindern und auszubremsen.
Dieses Buch ist ein Selbsthilfeprogramm, dass Ihnen die Kraft geben kann, körperbezogene repetitive Verhaltensweisen zu bekämpfen und zu besiegen.
Ruth Goldfinger Golomb ist Mitarbeiterin des Behavior Therapy Center of Greater Washington. Sie hat sich seit Mitte der 80er-Jahre auf die Kognitive Verhaltenstherapie bei unterschiedlichesten klinischen Störungen spezialisiert. Sie ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der TLC Foundation for Body-Focused Repetitive Behaviors und spricht regelmäßig auf Workshops und Konferenzen.
Einleitung
Wenn Sie dieses Buch lesen, dürfte Ihr Leben auf irgendeine Weise von einer zwanghaften körperbezogenen repetitiven Verhaltensweise (Body-Focused Repetitive Behavior, BFRB) betroffen sein. Bei den meisten Menschen hat sich noch gar nicht herumgesprochen, was das ist, aber Sie wissen es. Sie haben es heimlich im stillen Kämmerlein am eigenen Leib erfahren. Sie haben vielleicht jahrelang damit gelebt und gedacht, Sie seien damit allein. Jetzt aber wissen Sie, dass Sie kein Einzelfall sind.
Wie jeder andere Mensch auch haben Sie Ihre Probleme, und etliche davon sind schmerzhaft und Sie leiden unter ihnen. Als jemand, der von einer Skin Picking Disorder oder Trichotillomanie betroffen ist, bekommen Sie diese gleich doppelt zu spüren: Nicht genug damit, dass Sie an dieser Störung leiden – andere schieben Ihnen auch noch selbst die Schuld daran in die Schuhe! »Wie können Sie sich so etwas antun?!« Solche Urteile werden nicht nur bei zwanghaften körperbezogenen repetitiven Verhaltensweisen gefällt (denken Sie zum Beispiel daran, was manche von Suchterkrankungen halten). Und dennoch sind solche Verurteilungen ein Aspekt von BFRBs, der dazu führen kann, dass Beziehungen gestört werden, Karrierewünsche begraben werden müssen und das Selbstwertgefühl zunichte gemacht wird. Dabei kann die Hoffnung, ein Leben zu führen, das wirkliche Lebensqualität verspricht, in immer weitere Ferne rücken. Heimlichtuerei und Täuschung können zu den prägenden Grundzügen des Lebens werden und Offenheit und Nähe verdrängen. Außerdem ist da noch der stets präsente Begleiter Scham, der immer wieder an den Bemühungen nagt, den physischen und emotionalen Schaden wiedergutzumachen und den Stolz auf sich selbst wiederherzustellen.
Man kann dafür plädieren, sich mit einer BFRB als Dauerbegleitung zu arrangieren und ein Leben mit dieser Störung zu akzeptieren. Schließlich ist niemand von uns vollkommen. Stimmt es denn nicht, dass wir alle Stärken und Schwächen, Vor- und Nachteile und sowohl Qualitäten haben, die bewundernswert sind, als auch solche, die befremdlich sein können? Führen wir nicht alle ein Leben, in dem wir bemüht sind, unsere Bringschuld zu minimieren und Kapital aus unseren Stärken zu ziehen? Warum sich also nicht einfach damit abfinden, dass Sie eine BFRB haben und die Sache abhaken?
Wir werden diesem Argument nichts entgegensetzen. Schließlich wissen wir, dass Sie als Person einzigartig und so viel mehr als Ihre Probleme sind. Wir wissen, dass Sie dreidimensional sind, ein Mensch mit Qualitäten, Fähigkeiten und Talenten, der eben zufällig auch noch eine dieser körperbezogenen repetitiven Verhaltensweisen aufweist – und wir hoffen, das ist auch Ihnen klar. Da Sie aber dieses Buch lesen, glauben wir, dass es irgendeinen nicht ganz unwesentlichen Teil in Ihnen gibt, der noch Hoffnung auf ein Leben ohne Ihre BFRB hat. Selbst ohne dieses Problem werden Sie natürlich immer wieder vor Herausforderungen stehen – das Leben kann sehr schwierig sein, selbst für Leute, die bei oberflächlicher Betrachtung sehr günstige Bedingungen vorzufinden scheinen. Wenn jedoch die Kraft, die es Ihnen raubt, mit Ihrer BFRB zu leben, für andere Zwecke genutzt werden kann, lässt sich vielleicht ein Teil des Leidens in Energie umwandeln, die darauf ausgerichtet ist, ein gutes Leben zu führen.
Wir Autor*innen haben uns zusammengerechnet beruflich mehr als 75 Jahre lang mit Betroffenen und ihren Angehörigen sowie mit Therapeut*innen und Forscher*innen auf dem Gebiet körperbezogener repetitiver Verhaltensstörungen beschäftigt. Dieses Buch bietet uns die Möglichkeit, Sie an den Früchten unserer gesammelten Erfahrungen teilhaben zu lassen, in der Hoffnung, dass es Ihnen gute Dienste leisten wird. In ihm haben wir zusammengestellt, was wir in dieser Zeit gelernt haben, und daraus ein Selbsthilfeprogramm entwickelt, von dem wir glauben, dass es Ihnen die Kraft geben wird, körperbezogene repetitive Verhaltensweisen zu bekämpfen und zu besiegen.
Wie alles begann
Unsere Beschäftigung mit Trichotillomanie (TTM) und die Konzeption des Comprehensive Behavioral (ComB)-Ansatzes lässt sich unsererseits nur als bemerkenswerte Entdeckungsreise bezeichnen. Wir möchten an dieser Stelle ein wenig zu unserer Geschichte sagen, da sie zeitlich unmittelbar mit der Geschichte moderner Bemühungen zusammenfiel, Lösungen für diese zutiefst menschlichen Probleme zu finden.
Vor mittlerweile dreißig Jahren, 1990, saßen wir drei in einem Flieger nach San Francisco, unterwegs zu dem, wie wir später erfahren sollten, von uns präsentierten ersten nationalen Symposion zur Trichotillomanie, einer damals wenig bekannten und als ziemlich selten und eher exotisch erachteten Störung. Unsere Beschäftigung mit TTM begann mit Charleys Zusammenarbeit mit Forschern des National Institute of Mental Health (NIMH) bei Projekten zur Aufdeckung von Veränderungen im Gehirn und Symptomverbesserungen bei Personen, die wegen Zwangsstörungen behandelt wurden.
Einige der Studienteilnehmer*innen waren Menschen, die mit einem unwiderstehlichen Drang und dem wiederkehrenden Muster zu kämpfen hatten, sich selbst Haare auszureißen. Mit dem Gedanken, dass es sich dabei möglicherweise um einen Untertypus von Zwangsstörungen handelte, lud das Forscherteam Betroffene zur Teilnahme an einer kleineren Studie ein, in der die Wirksamkeit eines Medikaments gegen Zwangsstörungen auch für dieses spezifische Störungsbild getestet werden sollte. Leider zeigten die Resultate, dass das Medikament für die Therapie von TTM nicht im Entferntesten so wirksam war wie für die von Zwangsstörungen. Unter den Studienteilnehmer*innen, die keine Linderung erfahren hatten, waren etwa vierzig enttäuschte Menschen, die weitergehende Hilfe suchten. Also verwiesen die Forscher die Betroffenen an Charley, den Leiter des Behavior Therapy Center of Greater Washington, da sie um den Erfolg des Zentrums bei der Behandlung von Zwangsstörungen mit kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) wussten. Sie fragten sich, ob die kognitive Verhaltenstherapie, ein auf Lernen basierender Ansatz, vielleicht auch Menschen helfen würde, die sich selbst die Haare ausrissen.
Charley spannte daraufhin seine Praxiskolleginnen Ruth und Sherrie mit ein, um gemeinsam herauszufinden, ob CBT auch für dieses Störungsbild wirksam sein könnte. Das Problem war, dass wir – wie quasi alle, die damals in der Forschung und klinischen Praxis Tätigen – im Hinblick auf dieses meist verkannte Problem weitgehend im Dunkeln tappten. Die beachtliche Zahl von Betroffenen, die sich meldeten, als das NIMH Probanden suchte, war ein früher Hinweis darauf, dass das Problem gar nicht so selten vorkam wie zunächst gedacht. De facto ergaben spätere Untersuchungen, dass sage und schreibe jede fünfzigste Person diese Störung an irgendeinem Punkt ihres Lebens erfahren hat – das sind allein in den USA mehr als sechseinhalb Millionen Menschen.
Die vierzig Individuen mit TTM boten uns eine einmalige Chance, mehr über das Problem in Erfahrungen zu bringen und Möglichkeiten zu erkunden, wie den Betroffenen geholfen werden könnte. Die erste Behandlung, die wir ausprobierten, war eine therapeutische Technik aus den frühen 1970er Jahren, das sogenannte Habit-Reversal-Training (HRT), bei dem es um die Umkehr von Gewohnheiten geht. Berichten zufolge hatte sich dieses in einigen frühen Studien als erfolgreiche Behandlungsmethode für eine breite Palette von »nervösen Angewohnheiten« erwiesen, darunter auch TTM. Im Grunde funktionierte es so, dass Menschen mit problematischen Verhaltensmustern beigebracht wurde, Handlungen durchzuführen, die die Durchführung von Bewegungen ihrer nervösen Angewohnheit unmöglich machten. Bezogen auf das Haareausreißen konnte das bedeuten, die Hände fest zur Faust zu ballen, während man sie gleichzeitig von Haaren fernhielt. Wir wandten HRT mit der entsprechenden Sorgfalt an, doch waren viele unserer Haarausreißer mit dieser Behandlung unzufrieden. Einige hatten sie ausprobiert, wenngleich ohne nennenswerten Erfolg, und einige sagten, es käme ihnen so vor, als sollten sie dabei alle Willenskraft zusammennehmen, »bis die Knöchel weiß werden«, um gegen den starken Drang anzukommen. Generell herrschte das Gefühl vor, dass diese Lösung es sich angesichts eines derart eingeschliffenen Verhaltens zu leicht machte, und wenig erfolgversprechend war. Unsere Patient*innen bemühten sich zwar nach Kräften, uns jedoch wurde klar, dass das in der Fachliteratur beschriebene Habit Reversal Training für die anstehende Aufgabe nicht reichte.
Es galt also noch mehr zu tun, und damit begann die Suche nach Möglichkeiten, die Dynamik bei Trichotillomanie besser zu verstehen und eine neue und wirksame Behandlung des Problems anzustreben. Die Angaben dieser bemerkenswerten Patientengruppe boten uns ein neues und überzeugendes Bild der Störung. Wir sammelten so viele wertvolle Informationen, dass eine Organisation der vielen Faktoren, die Einfluss auf das tiefe Erleben der TTM aller Leidensgenoss*innen hatten, zu einem Gesamtbild erforderlich war. Das ComB-Modell wurde genau zu diesem Zweck ins Leben gerufen: Es öffnete die Tür für die Entwicklung einer ComB-Behandlung für Trichotillomanie und den mit ihr verbundenen Problemen, die heute »körperbezogene repetitive Verhaltensweisen« genannt werden. Angesichts unserer wachsenden Zuversicht, dass ComB hier hilfreich sein könnte, ließen wir Fachkreise an unserer Arbeit teilhaben; und das brachte uns...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2021 |
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Übersetzer | Silvia Autenrieth |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Overcoming Body-Focused Repetitive Behaviors. A Comprehensive Behavioral Treatment for Hair Pulling and Skin Picking |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Krankheiten / Heilverfahren |
Schlagworte | Dermatillomanie • eBooks • Gesundheit • hair pulling • Hautprobleme • Impulskontrollstörung • Kratzen • Psychologie • Ratgeber • Skin Picking • Stress • Trichotillomanie • Verhaltenstherapie • Zwangsstörung |
ISBN-10 | 3-641-27207-6 / 3641272076 |
ISBN-13 | 978-3-641-27207-4 / 9783641272074 |
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