Power für die Knochen - Osteoporose vorbeugen, diagnostizieren, behandeln - Übungsteil von Johanna Fellner (eBook)
192 Seiten
Südwest Verlag
978-3-641-28033-8 (ISBN)
Schätzungen zufolge erleidet jede zweite Frau und jeder fünfte Mann im Laufe seines Lebens einen Knochenbruch durch Osteoporose. Es gibt in Deutschland etwa acht Millionen Patienten, die an Knochenschwund leiden. Nur jeder fünfte wird angemessen behandelt. Dabei betrifft diese Krankheit keineswegs nur Ältere. Schon in jungen Jahren kann durch Übergewicht, falsche Ernährung oder Bewegungsmangel der Grundstein für spätere Beschwerden gelegt werden. Dr. Bartl zeigt hier, dass Osteoporose keineswegs eine schicksalhafte Begleiterscheinung des Alterungsprozesses ist, die man hinnehmen muss. Dank Fortschritten in der operativen Frühversorgung sowie dem Einsatz der neuesten Medikamente ist sie heute eine gut behandelbare und im Frühstadium sogar heilbare Erkrankung. So kann der Knochen wieder stabilisiert werden und vor allem Folgefrakturen vermieden werden. Es ist nie zu spät, den Kampf gegen die Osteoporose aufzunehmen und für mehr Mobilität und ein starkes, lebendiges Skelett zu sorgen!
Prof. Dr. med. Reiner Bartl ist Professor für innere Medizin und Facharzt für Hämatologie, Onkologie und Osteologie. Er arbeitete als Oberarzt am Klinikum Großhadern der Universität München, wo er die »Knochenambulanz« (osteologische Ambulanz) leitete. Aktuell leitet er das Osteoporose-Zentrum am Dom in München. Bartl gilt als Pionier der Osteologie. Er leitete den Welt-Osteoporose-Tag (2003-2009) und veröffentlichte mehr als 40 Bücher und 400 Fachpublikationen zu den Themen Knochenmarksdiagnostik, Osteologie, Hämatologie und Onkologie.
Die Knochen – mit vielen Aufgaben betraut
Neben der Stütz-, Fortbewegungs- und Schutzfunktion haben Knochen noch eine wesentliche Aufgabe: Sie sind die größte Mineralbank des Körpers, 99 Prozent des Kalziums, 85 Prozent des Phosphats und 60 Prozent des Magnesiums sind dort gespeichert. Viele lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Nervenfunktion, Blutgerinnung und Enzymaktivierung hängen von einem exakt eingehaltenen Kalziumwert im Blut ab. Sinkt dieser Kalziumwert im Blut ab, laufen zahlreiche Regulationsprozesse an, um das lebensnotwendige Kalzium umgehend aus den Knochen zu lösen und in das Blut zu verlagern. Umgekehrt werden Kalzium, Phosphat und Magnesium auf Abruf in den Knochen gespeichert. Auf diese Weise werden täglich mehr als 400 Milligramm Kalzium aus den Knochen herausgelöst und pro Jahr 20 Prozent der Knochen abgebaut. Umgekehrt wird die Knochenbilanz durch einbauende Prozesse genau ausgeglichen. Das bedeutet, dass unser Skelett drei- bis viermal in unserem Leben vollkommen erneuert wird. Wird diese Bilanz aber über viele Jahre nicht exakt eingehalten, so haben wir eine negative Kalziumbilanz, die schließlich in ausgedünnten, brüchigen, porösen Knochen, der sogenannten Osteoporose, enden muss.
Das Knochengewebe ist mit dem Knochenmark (blutbildenden System) viel enger verknüpft als bisher angenommen. Beide Funktionssysteme – Blutbildung und Skelett – haben eine gemeinsame Hülle, gemeinsame Vorläuferzellen (Stammzellen) und ein gemeinsames hoch spezialisiertes Gefäßsystem mit einer hohen Durchblutung. Auch das Immunsystem ist Bestandteil des Knochenmarks und überwacht unsere Knochen.
Ein architektonisches Meisterwerk
Die Architektur des Knochens ist vorgegeben durch zwei Eigenschaften: Sie muss widerstandsfähig und elastisch sein. So hat beispielsweise die Hüfte eine Belastung von mehr als 250 Kilogramm Gewicht, also eine Vierteltonne, zu »verkraften«; zudem muss sie aber auch kurze, harte Schläge und Verwindungen, wie zum Beispiel beim Springen und Skifahren, elastisch abfedern und überstehen können. Dies realisiert der Knochen durch eine spezielle Mischung der Baumaterialien, die wir im Bauwesen als Prinzip der Spannbetonbauweise kennen: die »Zwei-Phasen-Komponente«. So besteht der Knochen aus einem elastischen Knochenmaterial, in dem Kollagenmoleküle wie Seile lamellenförmig angeordnet sind. Dazwischen werden Kalzium und Phosphat in kristalliner Form, vergleichbar mit Beton bei der Spannbetonbauweise, eingelagert und verfestigt. Verschiedene Spurenelemente und Riesenmoleküle (»Mukopolysaccharide«) dienen als Leim, der die Proteinseile mit den Mineralkristallen verbindet. Das Kollagen ist für die Elastizität, die kristallinen Mineralien für die Festigkeit und Steifheit des Knochens zuständig. Die richtige Mischung und Reifung der Baukomponenten sind ein komplexes Geheimnis, das viele andere Mineralien, Vitamine, Hormone und Enzyme umfasst und das wir bis heute nur teilweise verstehen.
Mikroskopischer Aufbau des Knochengewebes: Parallele Anordnung der Kollagenseile (blau) mit Einlagerung von KalziumPhosphat-Kristallen (rot) zwischen den Kollagenbündeln. Die Kollagenseile sind verantwortlich für Zugfestigkeit und Elastizität, die Mineralkristalle in den Zwischenräumen für Härte, Druckfestigkeit und Rigidität.
Der kortikale Knochen
Von außen sieht man dem Knochengerüst seine geniale Architektur nicht an, erst im Röntgenbild kann man die beiden Bauprinzipien erkennen. Manche Knochen sind hohl und gleichen einer Röhre, etwa der Oberschenkel- und der Oberarmknochen. Dieser Typ der Knochenstruktur wird auch als »kortikaler« oder »kompakter« Knochen bezeichnet, da er aus einer kompakten äußeren Rinde besteht. Die moderne Architektur setzt dieses Bauprinzip beispielsweise beim Bau von Fernsehtürmen ein. Ein Rohr ist viel belastbarer als ein massiver Stab.
Aufbau des Knochengewebes im Längsschnitt: Knochenrinde (Kompakta) und Knochenbälkchen (Spongiosa). In den Hohlräumen befindet sich das Knochenmark.
Der spongiöse Knochen
Einen anderen Aufbau finden wir in den Wirbelkörpern, dem Becken, der Ferse und dem Oberschenkelhals. Diese Knochen sind nicht hohl, sondern wie ein von fester Hülle umgebener Schwamm (Spongiosa) konstruiert. Wir kennen diese Bauweise im Kran- und Brückenbau, bei denen die Belastung des Hauptträgers durch abstützendes, filigranes Fachwerk abgefangen wird. Auf den ersten Blick wirken die Knochenbälkchen ungeordnet, bei genauer Betrachtung erweisen sie sich jedoch als architektonisches Meisterwerk mit exakter Anpassung an die Belastungslinien (»Trajektionslinien«). Je dichter die Verknüpfungspunkte (Knoten) der Bälkchen ausgebildet sind, desto belastbarer ist der jeweilige Knochen.
Die beiden Bauprinzipien des Femurs sorgen für eine maximale Belastbarkeit – wie die Röhrenbauweise des Fernsehturms und die Fachwerkkonstruktion des Krans.
»Knotenpunkt« mit Verbindung von vier Knochenbälkchen. Die Dichte der »Knoten« und die Lamellierung der Knochenbälkchen korrelieren mit der hohen Belastbarkeit der Knochen.
Ausgewogen und stabil
Die Belastbarkeit des Knochens hängt also nicht so sehr von der Knochendichte, sondern vielmehr von der ausgewogenen Knochenarchitektur ab. Etwa 80 Prozent unserer Knochen sind kortikal und nur 20 Prozent spongiös. Der kompakte, kortikale Knochen ist sehr dicht, bis zu 90 Prozent verkalkt (kalzifiziert) und hat ein sehr niedriges Oberflächen-Volumen-Verhältnis und unterliegt einem sehr langsamen Umbau. Der spongiöse Knochen dagegen hat durch die feingliedrige Anordnung eine viel größere Oberfläche und ist daher einem wesentlich schnelleren Umbau ausgesetzt. Der Knochenschwund (Osteoporose) äußert sich deshalb zuerst an Knochen mit hohem Anteil an Knochenbälkchen und bedeutet häufig Brüche von Wirbelkörper, Handgelenk, Rippe und Oberschenkelhals.
Anatomie des Knochens mit Versorgung durch Gefäße und Nerven über die Außenhaut (Periost). Die zahlreichen längs und quer verlaufenden Kanäle in der Knochenrinde (Havers- und Volkmann-Kanäle) dienen der Versorgung des dynamischen Knochengewebes mit Sauerstoff, Botenstoffen, Vitaminen und Baumaterialien.
Eine ständige Baustelle
Der Knochen ist nicht leblos, er ist vielmehr ein lebendiges Organ mit hoher Durchblutung und Stoffwechselaktivität. Bei der Geburt sind nur wenige Knochenteile fertig angelegt und werden erst nach und nach aus Knorpel zum festen, in Lamellen angelegten Knochen umgebaut. Das Knochenwachstum, im Englischen auch »modelling« genannt, ist erst zur Pubertät mit der Verknöcherung der Wachstumsfugen abgeschlossen: Die endgültige Körpergröße ist erreicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich ab diesem Zeitpunkt am Knochen nichts mehr tut. Er wird vielmehr ständig umgebaut und den wechselnden Bedürfnissen beziehungsweise Einflüssen von Umwelt und Muskelkraft angepasst. Hinzu kommt, dass die alternde Knochensubstanz durch Mineralverlust und Kollagenalterung an Festigkeit und Elastizität verliert – der Knochen bricht leichter. Der Körper tauscht daher in regelmäßigen Abständen die gesamte Knochensubstanz aus. Diese Fähigkeit des Materialaustauschs (»remodelling«) dient jedoch nicht allein der Gesamterneuerung, sondern auch der Reparatur eines gebrochenen, verletzten Knochens. Dabei geht es nicht nur um die Reparatur oder Heilung von Brüchen ganzer Knochen, sondern auch um Tausende mikroskopisch kleiner Brüche der Knochenbälkchen (»Mikrofrakturen«), die neben der Knochendichte das Knochenbruchrisiko bestimmen.
Bautrupp im Dauereinsatz
Um diese ständigen Reparaturen und Anpassungen zu bewältigen, bedient sich das Knochengewebe spezialisierter Zellsysteme: Osteoklasten bauen alte, schwache Knochen in nur wenigen Tagen ab, während Osteoblasten langsam über viele Wochen neue Knochen wieder aufbauen. Für diesen Umbauprozess steht die unglaubliche Zahl von fünf Millionen Baueinheiten (»bone remodelling units«) bereit, die vergleichbar sind mit den Bautrupps der Straßenreparatur: Beschädigter Belag wird abgetragen und mit neuem Asphalt wieder aufgefüllt. Diese Selbstreparatur des Knochens ist von entscheidender Bedeutung für die Entstehung der Osteoporose. Knochenschwund entsteht, wenn über die Jahre schleichend mehr Knochen abgebaut als erneuert wird. Wissenschaftler haben errechnet, dass bei der Entstehung der Osteoporose etwa 30 Teile Knochen abgebaut und nur 29 Teile wieder ersetzt werden. Der Knochenschwund hat also vor allem mit der Anzahl aktivierter Umbaueinheiten zu tun.
Darstellung einer Knochenumbau-Einheit, bestehend aus knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten), knochenanbauenden Zellen (Osteoblasten) und knochenernährenden und -regulierenden Zellen (Osteozyten)
Die Anpassung der Knochenmasse
Der Knochenumbau ist sehr komplex und bisher nur zum Teil erforscht. Sein Ziel ist die exakte Anpassung der Knochenmasse an...
Erscheint lt. Verlag | 25.10.2021 |
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Co-Autor | Johanna Fellner |
Vorwort | Marianne Koch |
Zusatzinfo | ca. 70 farbige Abbildungen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Krankheiten / Heilverfahren |
Schlagworte | Arthrose • Bewegungsapparat • Bewegungseinschränkung • Buckel • eBooks • Fraktur • gebrochenes Bein • gebückter Gang • Gelenkschmerzen • Gesunde Körperhaltung • Hexenschuss • Kalziumbedarf • Katzenbuckel • Knieschmerzen • Knochenbruch • Knochenkrankheit • Knochenkrebs • Knochenmarkspende • Knochenprobleme • Knochenschwund • Medizin • Osteopathie • Ratgeber • Rückenschmerzen • Skeletterkrankungen • Sportverletzungen • Übungen für die Knochen |
ISBN-10 | 3-641-28033-8 / 3641280338 |
ISBN-13 | 978-3-641-28033-8 / 9783641280338 |
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