Clit (eBook)

Die aufregende Geschichte der Klitoris

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
304 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-27919-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Clit - Louisa Lorenz
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Die Klitoris - noch viel aufregender, als wir denken

Als Louisa Lorenz durch Zufall erfährt, dass die Klitoris nicht nur ein kleiner Lust-Knubbel ist, sondern sich weit ins Innere des Körpers erstreckt, ist sie bereits 25 Jahre alt. Und das, obwohl sie sich als moderne, aufgeklärte und emanzipierte Frau fühlt. Ihre Freund*innen, stellt sie schnell fest, sind genauso unwissend. Wie kann das sein?

Heute, einige Jahre später, ist Louisa Lorenz Klitoris-Expertin und klärt über dieses faszinierende und vollkommen unterschätzte Organ auf. Sie verrät, dass die Vorstellung vom vaginalen Orgasmus ein Mythos ist, der vor allem von Männern ins Leben gerufen wurde, welche Bedeutung die Klitoris tatsächlich für den Orgasmus hat - und welche anderen Irrtümer und Missverständnisse zu Sexualität und Anatomie bis heute bestehen.

Louisa Lorenz erzählt eine spannende Geschichte von Ignoranz, Unterdrückung und Verwirrung und zeigt, dass es höchste Zeit für mehr sexuelle Selbstbestimmung und für die Befreiung unserer Lust ist. Eine Offenbarung für alle, die Sex haben!

Louisa Lorenz, 1988 geboren, ist Kulturwissenschaftlerin und Geschlechterforscherin. Die Themen Körper, Sexualität und Gesellschaft stehen dabei im Fokus ihrer Arbeit. Seit 2016 gibt sie regelmäßig Workshops zur Klitoris und anderen feministischen Themen. Menschen zu ermöglichen, in offener Atmosphäre und ohne Scham über Sexualität lernen zu können, liegt ihr dabei besonders am Herzen. Wenn Sie nicht gerade irgendwo in Deutschland in Seminarräumen, Gesundheitszentren, Festivals oder WGs mit Menschen über die Klitoris spricht, dann lebt und arbeitet sie in Göttingen.

Wie ich die Klitoris KENNENLERNTE

›Klitoris‹ ist kein unbekannter Begriff, aber was sich dahinter tatsächlich verbirgt, wissen die meisten trotzdem nicht. Mich lange Zeit eingeschlossen. Und was noch viel wesentlicher ist: Den Großteil meines Lebens ahnte ich noch nicht einmal, dass ich es nicht wusste. In der vierten Klasse hatte ich zum ersten Mal Sexualaufklärungsunterricht. Da haben wir gelernt, wo die Babys herkommen. Dann auch später noch mal auf dem Gymnasium während der Pubertät. Als Teenager las ich die Bravo. Mit Anfang 20 kaufte ich, ermutigt von einer Freundin, meinen ersten Vibrator. Also versteht mich nicht falsch, mit dem Konzept Klitoris war ich durchaus vertraut. Doch erst als ich 25 Jahre alt war, lernte ich die Klitoris tatsächlich kennen, und das auch eher per Zufall.

Ich kann mich bis heute noch gut daran erinnern, wie ich an einem Tag im August 2013 am Schreibtisch saß, während draußen die Sonne schien. Vor meinem offenen Fenster rauschten die Bäume im Wind und ich starrte auf meinen Laptop. Mäßig interessiert scrollte ich damals durch meinen Facebook-Feed. Warum tut man das? Klar, Prokrastination. Ich hätte mich eigentlich an eine Hausarbeit für die Uni setzen müssen, aber versuchte, mich noch einen kleinen Moment länger davor zu drücken. Jemand hatte einen Artikel gepostet mit dem Titel »The Internal Clitoris«1. Ich war auf der Suche nach gar nichts. Alles war mir eine willkommene Ablenkung und »Internal Clitoris« klang eigentlich sogar ganz spannend. Ich hatte jedoch nicht unbedingt damit gerechnet, etwas bahnbrechend Neues zu erfahren. Ich war eine junge, moderne Frau des 21. Jahrhunderts. Ich war offen, redete mit meinen Freund*innen über Sex. Ich kannte meinen Körper. Ich war Feministin. Ich lebte in der Großstadt. Ich war ›up to date‹. Der Kommentar der Person, die den Artikel gepostet hatte, machte mich aber doch ein klein wenig neugierig. »Erstaunlich! Also ich wusste das nicht. Und ihr?« Hm. Klick.

Ohne dass ich in irgendeiner Weise darauf vorbereitet gewesen wäre, hat sich mir an dem Tag eine völlig neue Welt eröffnet. In dem Artikel waren einige Informationen zusammengetragen, die ganz spannend waren. Woran ich aber wirklich hängen blieb, waren die Abbildungen. Ich verstand überhaupt nicht, was ich da sah. Ich kannte die Klitoris an meinem Körper als kleinen Knubbel, der am oberen Ende meiner Vulva erbsengroß hervorlugte. Auf dem Bildschirm vor mir sah ich ringförmige Gebilde in Blau und Gelb, die in einer 3-D-Ansicht den Unterleib zeigten. In der Frontansicht erkannte ich zumindest die Beine, und in der Seitenansicht zeigte sich die prägnante Auberginenform des Uterus. Aber ansonsten war ich auf diesen Bildern recht orientierungslos. Es schlängelte sich eine oktopusähnliche Form durch das Bild, und der Text verriet mir, dass das die Klitoris sein sollte. Was ich aus all dem erst mal mitnahm, war, dass die Klitoris wohl mehr ist als das, was ich von außen sehen konnte.

Das war mir völlig neu. Ich war beeindruckt, schockiert, neugierig und gleichzeitig nicht bereit für diese Information. Mein erster Gedanke war: »Alle wissen das bestimmt, nur ich nicht. Wie peinlich.« Erst mal Deckel drauf, Verdrängungsmodus. Nicht zu wissen, wie eine Klitoris tatsächlich aussieht, passte überhaupt nicht zu meinem Selbstbild als emanzipierte Frau. Mein Unwissen löste ein Schamgefühl in mir aus. Gleichzeitig war mir klar, dass ich mehr darüber rausfinden musste. Denn bereits beim ersten Anblick der Klitorisabbildungen in dem Artikel breitete sich in mir eine Ahnung aus, dass dieses neu gewonnene Wissen über die Klitoris das Verständnis meiner Sexualität verändern würde. Kurze Zeit später kam ich mit einer vertrauten Freundin ins Gespräch über meine Neuentdeckung, und sie erzählte mir, dass sie auch gerade so etwas Ähnliches erfahren hatte. Ihre Mitbewohnerin hatte vor Kurzem ein Buch geschenkt bekommen, indem es ebenfalls um die Klitoris ging. Beide waren genauso überrascht gewesen wie ich festzustellen, dass die Klitoris scheinbar viel größer ist, als wir dachten. Das Buch war während der Frauenbewegung der 1970er- und 1980er-Jahre entstanden. Es hieß Frauenkörper neu gesehen und war schon lange nicht mehr erhältlich. Gerade wurde es jedoch wieder neu aufgelegt, und ich hatte keine Zeit zu verlieren, eins in die Finger zu bekommen. Wenig später stieß ich durch Zufall auf ein Kunstprojekt mit dem Titel Cliteracy der New Yorker Künstlerin Sophia Wallace. Dieses Projekt hat mich zum damaligen Zeitpunkt komplett abgeholt, denn es ging im Prinzip um genau das, was ich gerade erlebte. Wallace thematisierte, dass die meisten Menschen die Klitoris als solche überhaupt nicht erkennen würden, wenn sie sie sehen, da sie in ihrer vollständigen Anatomie so gut wie nie abgebildet wird. Ich war also nicht allein mit meiner Ahnungslosigkeit. Es drängte sich mehr und mehr die Frage auf: Wie konnte das sein? Und was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn Penisse sich geradezu auf jeder öffentlichen Toilette und sogar an Hauswänden hingekritzelt finden, die Klitoris jedoch dermaßen unterrepräsentiert ist, dass sie von vielen noch nicht einmal erkannt wird?

Ich tauchte mehr und mehr in die Recherche ein und nutzte damals meine Bachelorarbeit dazu, mich genauer mit diesen Fragen zu befassen. Literatur zu dem Thema zu finden war verdammt schwer. Heute weiß ich, dass es eigentlich unheimlich viel Interessantes dazu gibt. Aber man stößt nicht einfach so darauf. Als ich damals ›Klitoris‹ in den Bibliothekskatalog eingab, fand ich fast ausschließlich Titel zu Tieren oder zu Krankheiten. Das war erst mal nicht der Ansatz, den ich verfolgen wollte. Mich trieben eher diffuse Fragen um, die näher an meinem eigenen Bezug zur Klitoris dran waren. Denn wenn ich schon erst mit 25 Jahren gelernt hatte, dass die Klitoris mehr als nur ein Knubbel ist und ihr größter Anteil, für mich unsichtbar, im Inneren meines Körpers liegt, was gab es dann wohl noch alles darüber rauszufinden? Erst als ich durch private Bücherregale alteingesessener Berliner Feminist*innen stöbern durfte, wurde ich fündig. Nach und nach mehrten sich die brauchbaren Ergebnisse meiner Literaturrecherche, und ich musste schon bald feststellen, dass die tatsächliche Anatomie der Klitoris in der Medizin eigentlich überhaupt keine Neuigkeit war. Warum hatte man sie dann bis heute immer wieder völlig falsch abgebildet? Ich hatte viele, viele Fragen. Und je mehr ich recherchierte, desto mehr Fragen wurden es. Obwohl ich schon seit Jahren an diesem Thema arbeite, hat sich daran bis heute kaum etwas geändert. Ich finde immer wieder Überraschungen, habe immer wieder Aha-Momente und stoße stets auf neue Fragen, die komplex und häufig nicht einfach zu beantworten sind.

Die Zeit der Entdeckung all dieser Informationen zur Klitoris war aufregend, erleichternd, hilfreich, frustrierend und überfordernd zugleich. Jeden Tag saß ich in der Bibliothek und robbte mich in meinem Thema Stück für Stück vorwärts. Während der Kaffee- oder Mittagspausen erzählte ich häufig meinen Freund*innen, was ich schon wieder Aufregendes und zum Teil auch Schockierendes über die Geschichte der Klitoris herausgefunden hatte. Eine von ihnen sagte eines Tages zu mir: »Krass. Wenn ich nicht jeden Tag mit dir in der Bib sitzen würde, hätte ich das wahrscheinlich nie erfahren.« Die größte Hürde für Menschen, etwas über die Klitoris zu lernen, ist oftmals ihre Unwissenheit, dass sie nichts darüber wissen, bzw. dass das, was sie glauben darüber zu wissen, meistens falsch ist. Inspiriert von Sophia Wallaces Kunstprojekt hatte ich mir einen kleinen glitzernden Klitorisaufkleber gebastelt, den ich über das leuchtende Logo auf meinem Laptop klebte. Es war so eine Art Metawitz mit mir selbst. Denn während ich an meinem Computer saß und eine Arbeit darüber schrieb, dass kaum jemand weiß, wie die Klitoris tatsächlich aussieht und was das für unsere Gesellschaft bedeutet, leuchtete gleichzeitig die kleine glitzernde Klitoris für jede*n sichtbar, doch von nahezu allen Menschen unerkannt, vor sich hin. Gelegentlich fragten mich Arbeitskolleg*innen, Kommiliton*innen oder Freund*innen, was das denn da eigentlich wäre, das da auf meinem Computer klebte? »Ist das eine Bananenschale? Ein Krake? Oder ein Pinguin?« Wenn ich dann ohne Umschweife antwortete: »Nein, das ist eine Klitoris«, passierte eigentlich immer das Gleiche. Es zuckte ein kurzer Blitz peinlicher Berührung durch den Raum, die Menschen neigten ihren Kopf zur Seite, blickten irritiert auf den Aufkleber und sagten: »Ach so, ja klar!« In ihren Gesichtern stand jedoch stets überdeutlich geschrieben, dass überhaupt nix klar war. Sie waren nicht nur meist überfordert damit, dass ich so unvermittelt das Wort ›Klitoris‹ laut gesagt hatte. Ich konnte ihnen auch förmlich ansehen, wie die gleiche Scham durch sie hindurch strömte, die auch ich gefühlt hatte, als ich zum ersten Mal realisierte, dass ich offenbar noch nicht einmal die Basics zum Thema Klitoris im Kopf hatte.

Nach einiger Zeit fragte mich meine Freundin Anna: »Sag mal, hast du nicht mal Lust, bei uns in der WG einen Workshop dazu zu machen? Ich hab’ halt Glück, dass ich das alles gelernt habe, weil wir jeden Tag Kaffee trinken. Aber ich kenne so viele Leute, die sich das bestimmt auch gerne mal anhören würden.« Ich dachte mir: »Ja, das könnte ich bestimmt mal machen.« Und von da an fragte mich Anna eigentlich ständig mit steigendem Nachdruck: »Louisa, wann machen wir denn jetzt diese Clit Night?« Der Name ist geblieben, der Workshop hat sich im Laufe der Jahre immer weiter verändert, und das tut er auch weiterhin....

Erscheint lt. Verlag 8.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Schlagworte 2022 • Beziehung • Beziehungsratgeber • eBooks • Empowerment • Feminismus • Gender • Gesundheit • klitoraler Orgasmus • Klitoris • LGBTQI • Lust • Neuerscheinung • Orgasmus • Periode ist politisch • Potenz • Ratgeber • Scham • Scheide • Selbstbestimmung • Sex • sex life • Sexualität • Sie hat Bock • ungezähmt • Untenrum frei • Unverschämt • Vagina • Vulva • weiblicher Körper • Weiblicher Orgasmus • Weibliche Selbstbestimmtheit
ISBN-10 3-641-27919-4 / 3641279194
ISBN-13 978-3-641-27919-6 / 9783641279196
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