Zum Irrgarten - geradeaus -  Reinhard Kreuz

Zum Irrgarten - geradeaus (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
212 Seiten
Buch&Media (Verlag)
978-3-95780-232-3 (ISBN)
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Auf einer Zeitreise durch ein bewegtes Jahrzehnt, durch Länder so verschieden wie Südafrika und Vietnam und, immer wieder, die USA, malt der Autor ein sehr persönliches Tableau einer Welt im Wandel. Kleine Beobachtungen lassen größere Zusammenhänge sichtbar werden. Beim Versuch, das Vertraute zurückzulassen, stößt er allerdings auch in der Ferne auf Vertrautes: auf die verstärkte Suche der Menschen nach Halt und Identität, nach einem vermeintlich besseren »Gestern«, die so manchen - leider - auf altbekannte Irrwege lockt.

Reinhard Kreuz, geboren 1950 in München, Abitur 1971, Studium der Politischen Wissenschaften, Neueren Geschichte und Philosophie in München, London und Aix-en-Provence, Magister Artium 1978, diverse Veröffentlichungen zu politischen Themen in Fachzeitschriften, Staatlich Geprüfter Übersetzer 1981, Tätigkeiten als politischer Referent, Sprachlehrer und Übersetzer, 1985 Gründung einer Handelsfirma, ab 1989 Inhaber und Geschäftsführer eines Spezialvertriebs für Steckverbinder, Betreuung ausländischer Vertriebsnetze mit ausgedehnten Aufenthalten im benachbarten und entfernten Ausland.

Reinhard Kreuz, geboren 1950 in München, Abitur 1971, Studium der Politischen Wissenschaften, Neueren Geschichte und Philosophie in München, London und Aix-en-Provence, Magister Artium 1978, diverse Veröffentlichungen zu politischen Themen in Fachzeitschriften, Staatlich Geprüfter Übersetzer 1981, Tätigkeiten als politischer Referent, Sprachlehrer und Übersetzer, 1985 Gründung einer Handelsfirma, ab 1989 Inhaber und Geschäftsführer eines Spezialvertriebs für Steckverbinder, Betreuung ausländischer Vertriebsnetze mit ausgedehnten Aufenthalten im benachbarten und entfernten Ausland.

COMING FULL CIRCLE

Ein Nachwort als Vorwort

Wer mit Vollendung des siebten Lebensjahrzehnts eine Aufsatz-sammlung vorlegt, von dem wird üblicherweise ein Rückblick, ein Fazit, eine Summe vergangener Erfahrungen erwartet. Nichts davon ist hier zu befürchten.

Wenn das Wort »zurück« im Folgenden eine Rolle spielt, dann nur in dem Sinne, dass ich mich angesichts wachsender »Unordnung« in der Welt manchmal zurückversetzt fühle in die bewegten Tage des Anfangs, als ein Zwanzigjähriger voller Fragen den Entschluss fasste, Politik zu studieren. Tumult und Unsicherheit sind zurück, verstörende Phänomene harren der Erklärung und eine Rückbesinnung auf die Grundfragen menschlichen Zusammenlebens erscheint dringender denn je. Ein Kreis scheint sich zu schließen nach fünfzig Jahren und wenn mich das »Nicht-Wissen« auch irritiert, so ist es doch gleichzeitig auch Lockruf und Ansporn – in dem Sinne etwa, in dem uns Machiavelli einst empfahl, »zu den Ursprüngen zurückzukehren«: ritornare ai principi1.

Was uns als gesichert galt in den letzten Jahrzehnten, als vertraut und beinahe »normal« – der Fortschritt und das Zusammenwachsen einer technisierten, globalen Welt – erscheint uns heute, im vollen Wortsinn, als »frag-würdig«. Diese Fragen sind nicht über Nacht entstanden – Alarmzeichen ziehen sich durch dieses Buch –, aber die Entwicklungen der letzten fünf Jahre haben ihnen eine ungeahnte Dringlichkeit und Brisanz verliehen.

Ich meide gern Pauschalurteile und weder in die Hymnen noch in die Abgesänge auf die globalisierte Welt (»Das Ende der Geschichte«, »Neoliberalismus«, »Westlessness«) habe ich bisher eingestimmt. Dass mir der friedliche und fruchtbare Austausch zwischen Nationen und Kulturen weiter am Herzen liegt, bleibt davon unberührt. Die Heftigkeit der Gegenreaktion auf das globale Wirtschaftssystem, in der angelsächsischen Welt beginnend, verweist auf Probleme und »Nebenwirkungen« von einem Ausmaß, die es nahelegen, sie als »wirklich« anzunehmen und zu verstehen. Die bisher erkennbaren »Lösungen« – Nationalismus, Abschottung, Aufkündigung von Zusammenarbeit – führen allerdings mit Sicherheit nicht weiter. Ein seltsames Gefühl von Déjà-vu greift um sich und mancherorts, so fürchte ich, haben wir den geraden Weg in die Ausweglosigkeit bereits beschritten. Vielleicht hat mich deshalb ein Hinweisschild, das ich in einem italienischen Agriturismo fand2, zum Titel dieses Buches inspiriert.

Es fühlte sich so natürlich an und irgendwo auch richtig, dass die Welt nach dem Mauerfall zusammenwachsen und demokratischer werden würde, dass ein einziger globaler Raum der Produktion, des Handels und des technologischen Fortschritts uns alle wohlhabender und am Ende wohl auch etwas ähnlicher machen würde; dass die Probleme, die aus der ungleichen Geschwindigkeit dieser Entwicklung erwachsen könnten, mit viel gutem Willen und politischer Vernunft zu lösen sein würden.

Welch unglaubliche Chance, empfand ich in den Neunzigern, als ich aus der Warte meines kleinen, internationalen Unternehmens manchen Blick hinter die Kulissen der sich verflechtenden Welt erhaschen konnte.

Eine Szene aus dem Jahr 1998 wird mir dabei unvergesslich bleiben. Ein amerikanischer Hersteller, dessen Produkte wir vertrieben, hatte zu seiner Jahrestagung, einer Messe und einem Golfturnier nach Las Vegas eingeladen. Die Messe fand im »Las Vegas Hilton« statt, wo wir auch wohnten, und im Foyer seiner ehemaligen Wirkungsstätte begrüßte uns die Bronzestatue Elvis Presleys. Die Getränke, die abends zum halben Preis gereicht wurden (Margarita Night), ließen die Grenzen von Arbeit und Vergnügen weiter verwischen und tags darauf beim Golfturnier war ich heilfroh, dass mein Freund Greg, der Technik- und Vertriebschef der Firma, mit mir ein Zweierteam bildete. Irgendwie ist mir beim Golf immer der Ball zu klein und dass Greg gut spielte, war bekannt. Im Golfcart hatte er ein sixpack Bier zwischen uns platziert und während ich erfreut »unsere« guten Ergebnisse notierte, klingelte sein Mobiltelefon. »Irene« war in der Leitung, die Fertigungsleiterin in China – wie sie wohl auf Chinesisch heißt? –, und wollte ein technisches Problem besprechen. Das Bier fest in der Hand, den Fuß auf das dashboard gestützt, ließ Greg statt der Bälle ein paar Fachausdrücke fliegen – englische natürlich – und blinzelte dabei in die Sonne. »What a world!«, entfuhr es mir: Eine Frau, die in China eine Fabrik leitet, ruft mitten in der Nacht (Ortszeit) ihren amerikanischen Auftraggeber an, um Änderungen an einem Produkt zu beschließen, das dann auch bald bei mir in Europa landen wird!

Auf der Messe hatte man der Einfachheit halber Europe auf mein Namensschild geschrieben3; die Stimmung war gut, der Absatz robust und irgendwie mochte man sich kein Problem vorstellen, das nicht bei einem Drink an der Hotelbar zu lösen gewesen wäre. Und international, gab’s Probleme? Durchaus: die Affäre des Herrn Clinton, der Durst des Herrn Jelzin, die Geheimnisse des Herrn Kohl …

Es hat nicht sollen sein. Mehr als zwei Jahrzehnte und viele Krisen später (Terrorismus, Finanzkrise 2008, Umweltzerstörungen) sind wir bei »Corona« angekommen, einer Krise, die dem Westen ein »wenig schmeichelhaftes Spiegelbild« vorhält, wie der Economist schreibt4. Selbst konservative Kreise fordern ein Zurückdrehen der Globalisierung und aktuelle Ärgernisse wie die Abhängigkeiten von China im Bereich Medizintechnik und Pharmazie erscheinen eher als Symptome denn als Ursachen eines neuen historischen Befundes: »Globalisation«, schreibt derselbe Economist, sei schlicht »no longer fashionable«5.

Es ist verlockend, die vielen Einzelbeobachtungen der folgenden Seiten von diesem Ende her zu ordnen, ein »Narrativ« nachzuschieben – so als hätte ich es geahnt oder gewusst, ähnlich jenen Historikern, die nach 1914 die Belle Époque zu einer Vorkriegszeit erklärten. Wahr ist, dass ich anfangs ungläubig gestaunt habe – über den Hass der Tea-Party-Bewegung etwa, die Verteufelung Obamas, die Spitzenergebnisse des Front National in Frankreich und dass sich erst allmählich, auch bei Autoren, die ich »unterwegs« entdeckte, ein möglicher »Fehlschlag der Globalisierung« (Ian Bremmer) abzeichnete. Geschichte geschieht. Weil der Schreibende selbst unterwegs und das Ende der Reise nie vorgezeichnet ist, weil der Fluss stets eine weitere Biegung hat und das später Offensichtliche erst allmählich preisgibt, weil Geschehen und Geschichte nicht zusammenfallen ist eher Demut angesagt als Zerknirschung, wenn es einmal anders kommt, als man denkt.

Wie bei meinen letzten Notizen6 habe ich auch diesmal meine persönlichen Erlebnisse mit Texten und Büchern zusammengeführt, die mir unterwegs als wichtig oder bezeichnend erschienen waren. Auch diesmal habe ich mich um eine verständliche Sprache bemüht und weiß doch auch, dass ich meinen Lesern einiges zumute. Was dem einen als fremd erscheinen mag im weiten »Terrain« dieser Reise wird dem anderen vielleicht fehlen an stringenter Systematik. Ich selbst will zufrieden sein, wenn ich in meinen »Versuchen« ein paar neue Blickwinkel öffnen kann und aus kleinen Farbtupfern – wie bei einem impressionistischen Maler, der seinen Pinsel von der Wirklichkeit leiten ließ – am Ende doch ein Bild entsteht.

Eine weitere Art von »Erstaunen« zieht sich durch dieses Buch und hat mich zu eigenen kleinen Versuchen angeregt (S. 16ff., S. 37ff., S.89ff.): dass wir auf der menschlich-philosophischen Ebene, die allem Ökonomischen voransteht, weiterhin kaum über Kategorien verfügen, um uns in all den globalen Veränderungen zu orientieren. Auf der Linken, bei aller »Systemkritik« und marxistischen Reminiszenzen, bleibt völlig unklar, was und warum zu gelten hat. Mit derselben Vehemenz, mit der auf einer »Freitagsdemo« die Wahrheit der eigenen Weltsicht propagiert wird, wird abends, im Gespräch mit den Teilnehmern, die Existenz von Wahrheit bestritten. Da trifft es sich gut, dass akute Lebensgefahr, der drohende Untergang, die Begründungspflicht aufheben und die Frage ›Willst du verzichten‹ durch die Frage ›willst du überleben‹ ersetzt wird. Das latente Unbehagen, die derlei moralischer Rigorismus selbst bei reformwilligen Zeitgenossen auslöst, kann sich kaum artikulieren und speist sich wohl aus der unbewussten Erkenntnis, dass ein summum malum, die Drohung des Todes, die nachgeordneten Güter unterdrückt, wenn nicht zerstört, während ein summum bonum diese ordnet. Mir scheint, dass einer übertriebenen Verhaftung im Weltlichen, einer exaltatio mundi in den Worten Eric Voegelins7, heute häufig mit einem neuen contemptus mundi begegnet wird, einer neuen Art von »Weltflucht« ohne spirituelle Tiefe, die noch dazu, weil sie »innerweltlich« bleibt, ohne Heuchelei kaum auskommt.

Das Bürgertum, auf der anderen Seite, hat weitgehend abgedankt bei der Begründung...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2010 bis 2020 • Amerika und Trump • Amerika unter Trump • Aufsatzsammlung • Frankreich • Globalisierung • Globalisierungskritik • Identität • Identitätspolitik • Irrwege in der Politik • Kambodscha • Maßstäbe des politischen Handelns • Maßstäbe politischen Handelns • Politik • Politische Philosophie • Politisches Jahrzehnt • Populismus • Reisebericht • Spaltung der Gesellschaft • Suche nach Identität • Südafrika • Technologischer Wandel • Tribalism • USA • USA unter Trump • Vietnam • Volkszorn • Welt im Wandel
ISBN-10 3-95780-232-6 / 3957802326
ISBN-13 978-3-95780-232-3 / 9783957802323
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