Gefangen und frei (eBook)

Der Buddhist in der Todeszelle. Eine wahre Geschichte

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
272 Seiten
O.W. Barth eBook (Verlag)
978-3-426-46078-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gefangen und frei -  David Sheff
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'Dieses Buch zeigt lebhaft, dass selbst angesichts der größten Widrigkeiten, Mitgefühl und warmherzige Sorge um andere Frieden und innere Stärke bringen.' Dalai Lama Der New-York-Times Bestsellerautor David Sheff beschreibt die wahre Geschichte eines zum Tode Verurteilten, der im Gefängnis zum Buddhisten wurde. Eine schreckliche Kindheit, die falschen Freunde und mehrere Straftaten - Jarvis Jay Masters Leben war geprägt von Hass und Gewalt. 1990 wird ihm ein Mord an einem Gefängniswärter angehängt, und er wird zum Tode verurteilt. Masters ist voller Wut, hat Panik-Attacken und weiß keinen Ausweg mehr. Bis er eines Tages den Rat bekommt, es mit Meditation zu versuchen. Zunächst zweifelt Masters an der Wirksamkeit des buddhistischen Weges und es graut ihm davor, die Augen im Gefängnis zu schließen. Doch eines Tages beginnt er dennoch zu meditieren und gewinnt eine völlig neue Sicht auf sein Leben. Bestsellerautor David Sheff beschreibt Masters tiefgreifende Transformation vom Straftäter zu einem praktizierenden Buddhisten, der Gewalt auf dem Gefängnishof verhindert und Gefangenen - und Wachen - hilft, einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Die Lehre des Buddhismus von einer völlig neuen, tief bewegenden Seite. Die Reise eines Mannes, die tief berührt und klar macht: Du kannst frei sein, egal wo du bist. Dein Leben kann jeden Tag neu beginnen.

David Sheff ist ein amerikanischer Bestsellerautor. Neben seinen Büchern erschienen unzählige seiner Artikel und Interviews in der New York Times und anderen großen Printmedien. My Addicted Son, sein Stück für das New York Times Magazine, gewann einen Award der American Psychological Association. Das führte zu seinem #1 New York Times Bestseller, Beautiful Boy. David Sheff und seine Familie leben in Kalifornien.

David Sheff ist ein amerikanischer Bestsellerautor. Neben seinen Büchern erschienen unzählige seiner Artikel und Interviews in der New York Times und anderen großen Printmedien. My Addicted Son, sein Stück für das New York Times Magazine, gewann einen Award der American Psychological Association. Das führte zu seinem #1 New York Times Bestseller, Beautiful Boy. David Sheff und seine Familie leben in Kalifornien.

Einleitung


Ich sitze auf einem schlichten Schalenstuhl aus Plastik einem Mann namens Jarvis Jay Masters gegenüber. Wir unterhalten uns über meine Idee, ein Buch über ihn zu schreiben, und ich möchte wissen, was er von ihr hält. Ich betone, dass ich, wenn ich mich wirklich darauf einlasse, nichts verheimlichen werde – weder seine guten noch seine schlechten Seiten.

»Man kann mich nicht übler darstellen, als man es bereits getan hat«, erwidert Masters, und ich nehme an, dass das für jemanden, den man wegen Mordes verurteilt hat, sicher zutrifft.

»Ich meine«, fügt er hinzu, »das sieht man schon daran, wo wir sind.«

Nämlich in einem Käfig, nicht größer als eine Abstellkammer, in einem der Besuchssäle des staatlichen Gefängnisses San Quentin, nördlich von San Francisco.

In dem Saal befinden sich viele weitere solcher Käfige, und ich folge Masters’ Blick, der zu ihnen schweift. In ihnen befinden sich andere wegen Mordes Verurteilte mit ihren Familien oder Anwälten: Ramón Bojórquez Salcido, Verurteilter in mehreren Mordfällen – unter ihnen seine Frau und seine Töchter –, sitzt mit seinem Anwalt in der Abteilung gegenüber. Nicht weit davon verspeist Richard Allen Davis, der ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt hat, Doritos. Ganz am Ende, neben einem Regal mit Bibeln und Brettspielen, sitzt Scott Peterson, der wegen der Ermordung seiner im achten Monat schwangeren Frau inhaftiert ist, und unterhält sich mit seiner Schwester.

Petersen sieht entspannt und gesund aus, andere hingegen scheinen nervös, aufgeregt oder misslaunig zu sein. Und dann wiederum gibt es solche – zierliche, bebrillte, harmlos wirkende –, die eher wie Kassenbeamte oder, in einem Fall, wie John Oliver[1] aussehen. Der Eindruck trügt, kommentiert Masters, der über die Jahre immer wieder erstaunt war, zu welchen Verbrechen selbst die lammfrommsten und höflichsten seiner wie er zum Tode verurteilten Mithäftlinge fähig gewesen waren.

»Manche von denen haben perfekte Tischmanieren und legen sich ordentlich Servietten auf den Schoß, aber in Wirklichkeit sind sie für wahre Massaker verantwortlich.«

 

 

2006 hatte mir meine Freundin Pamela Krasney, eine Aktivistin, die sich für Gefängnisreformen und auch in anderer Hinsicht für soziale Gerechtigkeit engagiert, von einem Mann erzählt, der, wie sie sagte, zu Unrecht wegen Mordes verurteilt worden war. Er sei anders als alle, die sie zuvor kennengelernt hatte, bewusster, weiser sowie einfühlsamer – und dies »trotz seiner Vergangenheit«. Sie hielt inne und verbesserte sich: »Nein, wegen seiner Vergangenheit.«

Pamelas Freundin, die bekannte buddhistische Nonne Pema Chödrön, hatte sie vor Jahren Jarvis vorgestellt, und seither besuchte sie ihn regelmäßig. Sie gehörte einer Unterstützergruppe an, den Jarvistas[2], die sich zum Ziel gesetzt hat, seine Unschuld zu beweisen. Pamela berichtete des Weiteren, dass Masters Autor eines Buches sowie zahlreicher Artikel sei. Auch schreibe er Gedichte, von denen eines sogar mit einem PEN Award ausgezeichnet worden war. Er sei zum Buddhismus konvertiert und Schüler eines berühmten tibetischen Lamas namens Chagdud Tulku Rinpoche geworden. Dieser hatte einmal von ihm gesagt, er sei ein Bodhisattva, also jemand, »der an einem Ort des Leidens für die Überwindung des Leidens arbeitet«. Und tatsächlich war Pamela der Überzeugung, dass Masters in San Quentin einen sehr heilsamen Einfluss hatte, da er hier inmitten drohender Gewalt Buddhismus unterrichtete.

Von Pamela ermutigt, organisierte ich alles Nötige, um den Todestrakt besuchen zu können, der Abteilung von San Quentin, in dem die zum Tode Verurteilten einsitzen. An einem klaren Morgen, an dem ein eisiger Wind durch die Golden-Gate-Meerenge blies, fuhr ich die frühere Bay of Skulls, die Bucht der Totenköpfe, entlang. Auf dem Wasser wiegten weiße Segelboote wie Lotosblätter, Schlepper zogen Containerschiffe, und Luftkissenboote glitten vorbei. In einiger Entfernung glänzte die San Rafael Bridge in der Morgensonne. Im Gefängnis angekommen, kontrollierte man zuerst meine persönlichen Daten, woraufhin ich einen Metalldetektor passierte. Wie angewiesen, folgte ich einer gelben Linie, die man entlang der felsigen Uferböschung auf den Asphalt der Zufahrtsstraße gesprüht hatte, wobei mich das Wachpersonal von einem Wachturm aus, der etwas wie ein Leuchtturm wirkte, beobachtete.

Masters war damals im Isolationstrakt inhaftiert, der den unheilvollen Namen »Korrekturanstalt« trug und den man allgemein »das Loch« nannte. Ein Verwaltungsleiter von San Quentin hatte die Insassen dieser Abteilung einmal als »fiese und kranke Menschen« bezeichnet, wobei es die Gesellschaft lieber hätte, »sie würden nicht existierten«. Masters befand sich bereits seit zwei Jahrzehnten in diesem Teil des Gefängnisses.

Einmal im Gebäude angekommen, führte mich ein Mann zu einem Stuhl, der einem ziemlich verkratzten Fenster zugewandt war. Nach einigen Minuten wurde auf der anderen Seite eine Tür geöffnet, und ein Wärter führte Masters hinein. Er war hochgewachsen und perfekt rasiert, sein Haar sehr ordentlich gekämmt, und um seinen Hals hing eine Lesebrille.

Nachdem man ihn von seinen Handschellen befreit hatte, nahm er Platz, und wir setzten uns beide recht ramponierte Headsets auf. Durch die Sprechanlage klang seine Stimme dumpf, in etwa so, als unterhielten wir uns über ein Dosentelefon.

Masters hatte klare braune Augen, eine wohlklingende, sonore Stimme und eine beruhigende Ausstrahlung. All dies war selbst durch das getönte Glas nicht zu übersehen. Wir redeten über Pamela, Pema Chödrön, Schreiben, die neuesten Nachrichten und die jüngste Kontaktsperre, die wegen einer Messerstecherei im Gefängnis verhängt worden war. Ich befragte ihn zu Mithäftlingen, dem Wachpersonal und zu seiner buddhistischen Praxis. Er drückte sich präzise aus, war bedacht und humorvoll. Nach eineinhalb Stunden gab uns der Gefängnisbeamte ein Zeichen, dass die Besuchszeit vorüber sei, und führte Masters ab. Ich verließ das Gefängnisgebäude und gelangte an die kalte, frische Meeresluft der Bucht.

Ich dachte über den Besuch nach. Masters wirkte offen und ehrlich. Ich hatte einen Vorgeschmack dessen bekommen, weswegen ihn seine Freundinnen und Freunde als »einen unbeschreiblichen und ganz besonderen Menschen« bezeichnet hatten, auch wenn die Tatsache allein, dass er Charisma besaß, nicht bedeutete, dass er unschuldig war. Die Literatur birgt viele Beschreibungen von charismatischen Killern, wie etwa Truman Capotes Perry Smith (Capote begeisterte sich sogar für seinen Komplizen, den noch weit gnadenloseren Richard Hickock), Elmo Patrick von Schwester Helen Prejean und Robert Lee Willie sowie Gary Gilmore von Norman Mailer (Mailer porträtierte Letzteren als gefühllosen und unbarmherzigen Mann, der jedoch über einen scharfen Verstand, Witz und Eleganz verfügte).

War Masters ein Mörder? Seine Freunde beschworen, dass er unschuldig sei. Hatte man ihn verleumdet, wie es seine Anwälte behaupteten? Oder war er ein geschickter Manipulator, ein Hochstapler, der das Vertrauen gutherziger Menschen wie Pamela und Pema ausnutzte?

Selbst wenn Masters wirklich unschuldig sein sollte, wusste ich nicht, was ich von den Aussagen seiner Unterstützerinnen und Unterstützer halten sollte, wonach er ein Bodhisattva sei, der die Leben anderer verändert und einige sogar vor dem Tod bewahrt habe. Buddhisten gibt es in vielen Gefängnissen, genau wie Angehörige aller anderen Glaubensrichtungen. Und es gibt zahlreiche andere Gefängnisschreiberlinge und Poeten, die sich von den übrigen Häftlingen abheben. Doch unterschied sich Masters wirklich von seinen Mitgefangenen? Ich scheute mich genauso davor, ein wohlwollendes wie auch ein negatives Urteil zu fällen. Doch ganz ohne Frage war ich neugierig geworden, mehr über ihn zu erfahren.

In den darauffolgenden Jahren hielt mich Pamela hinsichtlich der Ereignisse in seinem Leben auf dem Laufenden. 2007, nach zwanzig Jahren Isolationshaft, wurde er in einen Bereich des Todestrakts verlegt, in dem die Haftbedingungen weniger streng waren. Im Jahr darauf heiratete er, wobei Pema die Hochzeitszeremonie leitete. 2009 bat mich Pamela, ein paar Zeilen für das Cover seines zweiten Buches zu verfassen. Sie berichtete mir ebenfalls von dem laufenden Berufungsverfahren. Für sie war es nur eine Frage der Zeit, bis er freigesprochen würde.

Schließlich starb Pamela 2015 an einer seltenen Stoffwechselkrankheit. Pema führte die buddhistische Bestattungszeremonie durch, bei der sie einen Brief von Jarvis vorlas. Die Gedenkfeier fand unweit von San Francisco in Mill Valley statt, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft von San Quentin befindet. Als Pema seinen Nachruf vorlas, musste ich daran denken, dass er nur wenige Meilen entfernt in seiner Todeszelle saß. Auch dachte ich an Pamelas tiefe Verbindung und selbstloses Engagement für Jarvis und erinnerte mich an ihre Behauptung, dass er unzählige Menschen innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern von San Quentin inspiriert und ihnen geholfen habe. Unmittelbar nach der Totenfeier beschloss ich, diesen Behauptungen nachzugehen.

Ich sprach mit vielen Menschen in und einigen außerhalb von San Quentin. Pema erzählte mir, dass sie durch Masters’ Buch Finding Freedom auf ihn aufmerksam geworden sei, woraufhin sie ihm geschrieben und ihn erstmals besucht habe. Im Laufe der Zeit entwickelte sich zwischen den beiden eine enge Freundschaft. Sie bewunderte seine Fähigkeit, Schwierigkeiten...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte achtsamkeit meditation • Angst vor dem Tod • Biografien Buddhismus • Biographien • Buddhismus • buddhismus bücher • Buddhismus im Gefängnis • Buddhist auf der Todesbank • Erfahrungen und wahre Geschichten • Freiheit • Gefängnis • Jarvis Jay Masters • Lebensgeschichten • Meditation • Pema Chödrön • Schicksale und Erfahrungen • sheff • Spiritualität • spiritualität bücher • spirituelle Biografie • Todesstrafe • Todeszelle • zum Tode verurteilt
ISBN-10 3-426-46078-5 / 3426460785
ISBN-13 978-3-426-46078-8 / 9783426460788
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