Die Macht unserer Gene (eBook)

Wie Sie mit dem Wissen über Ihre Anlagen gesund bleiben
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2021 | 1. Auflage
267 Seiten
Lübbe Life (Verlag)
978-3-7517-0427-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Macht unserer Gene -  Daniel Wallerstorfer
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Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge leidet jeder Mensch unter mindestens 2.000 Gendefekten. Sie lassen unser Immunsystem schlechter funktionieren, führen zu Arthrose und Osteoporose, können Diabetes und Sehschwäche verursachen, und sie machen dick. Aber Gene sind kein Schicksal mehr. Der Molekularbiologe Dr. Daniel Wallerstorfer zeigt, wie wir mit der richtigen Vorsorge, guter Ernährung und dem geeigneten Lebensstil unsere Erbanlagen steuern und unsere Gesundheit kontrollieren können.



Dr. Daniel Wallerstorfer, 1982 in Salzburg geboren, ist Molekularbiologe und promovierter Biotechnologe. Zu seinen Fachgebieten zählen die medizinische und die Lifestyle-Genetik sowie die Nutrigenetik. 2009 gründete er in Salzburg die Novogenia GmbH. Ihr Ziel: Menschen mithilfe von Genanalysen zu einem gesunden und glücklichen Leben zu verhelfen. Bis heute hat sein Labor mehr als 200.000 Menschen genetisch analysiert.

Dr. Daniel Wallerstorfer, 1982 in Salzburg geboren, ist Molekularbiologe und promovierter Biotechnologe. Zu seinen Fachgebieten zählen die medizinische und die Lifestyle-Genetik sowie die Nutrigenetik. 2009 gründete er in Salzburg die Novogenia GmbH. Ihr Ziel: Menschen mithilfe von Genanalysen zu einem gesunden und glücklichen Leben zu verhelfen. Bis heute hat sein Labor mehr als 200.000 Menschen genetisch analysiert.

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Die Gene und der Brustkrebs


Der »Angelina-Effekt«


Am 27. April 2013 erwachte Angelina Jolie im Pink Lotus Breast Center in Los Angeles aus der Vollnarkose. Sie hatte soeben den letzten Schritt einer sogenannten Doppel-Mastektomie abgeschlossen, wobei der Großteil des Brustgewebes entfernt wurde. Diesen gravierenden Eingriff ließ sie durchführen, obwohl sie vollkommen gesund war. Der Auslöser dafür war ein Gentest gewesen, der bestätigte, dass sie einen Gendefekt (auch Mutation genannt) im BRCA1-Gen7 geerbt hat. Dieser ist in Jolies Familie bereits für sechs Krebsfälle verantwortlich. Ihre Cousine, Großtante und Tante sind an Brustkrebs verstorben; Angelinas Mutter, Marcheline Bertrand, verlor nach einem acht Jahre langen Kampf gegen den Eierstockkrebs ihr Leben; ihr Großvater starb an Schweißdrüsenkrebs und ihr Onkel an Prostatakrebs.

»[Meine Kinder und ich] sprechen oft über ›Mamas Mama‹, und (…) sie haben mich gefragt, ob mir das Gleiche passieren könnte. Ich habe ihnen immer gesagt, sie sollten sich keine Sorgen machen«, schreibt Angelina Jolie in ihrem Artikel My medical Choice, der wenige Wochen nach jener letzten OP in der New York Times veröffentlicht wurde. »Aber die Wahrheit ist, dass ich ein ›defektes‹ Gen habe, BRCA1, durch das ich ein erheblich höheres Risiko habe, an Brustkrebs oder einem Ovarialkarzinom8 zu erkranken.«

2008 hatte sich auch Schauspielerin Christina Applegate aufgrund des gleichen Gendefekts für den Eingriff entschieden. Und die Osbourne-Familie ist ebenfalls von einem fehlerhaften BRCA1-Gen betroffen, weshalb sich Sharon Osbourne einer Doppel-Mastektomie unterzogen hat, bei der das gefährdete Gewebe der Brust entfernt wurde. »Als ich herausfand, dass ich das Brustkrebsgen habe, dachte ich, dass die Wahrscheinlichkeit nicht auf meiner Seite ist«, sagte sie in einem Interview mit dem Hello! Magazin. »Ich hatte schon früher Krebs, und ich wollte nicht unter dieser Wolke leben.«

Sharons Tochter Kelly hat diesen Gendefekt geerbt und plant, nach Erfüllung ihres Kinderwunsches, die Operation durchführen zu lassen.

Mittlerweile entschließen sich jedes Jahr beinahe 100 000 Frauen in den USA zu diesem Schritt. Und das tun sie aus gutem Grund: Studien zufolge haben Menschen mit einem defekten BRCA1-Gen eine bis zu 87-prozentige Wahrscheinlichkeit, Brustkrebs zu entwickeln. Zudem tritt diese Form von Brustkrebs in vergleichsweise jungem Alter (bis 45 Jahren) auf. Eine Doppel-Mastektomie wiederum senkt das Brutkrebsrisiko auf etwa 5 Prozent und ist somit niedriger als das 12-prozentige Risiko einer durchschnittlichen Frau ohne derartigen Gendefekt.

Ein defektes BRCA1-Gen hat allerdings noch eine weitere gesundheitliche Konsequenz: Es erhöht auch das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, und zwar von den üblichen 1 Prozent auf etwa 40 Prozent. In vielen Fällen lässt sich Eierstockkrebs anhand eines spezifischen Bluttests (CA 125) frühzeitig erkennen. Als dieser Wert bei Angelina Jolie auffällig hoch war, entschloss sie sich mit 39 Jahren, ihre Eierstöcke und Eileiter präventiv entfernen zu lassen – immerhin war ihre Mutter, von der sie den Gendefekt geerbt hatte, damals bereits an Eierstockkrebs erkrankt. Sieben von zehn Trägerinnen des Gendefekts im BRCA1-Gen gehen daher lieber auf Nummer sicher und entschließen sich für die Entfernung des Brustgewebes wie auch der Eierstöcke. Und tatsächlich wird bei etwa jeder zehnten Eierstock-Operation ein bis dahin unerkannter Krebs entdeckt.

Während die Brüste durch plastische Chirurgie wiederhergestellt werden können, hat die Entfernung der hormonproduzierenden Eierstöcke die sofortige Menopause zur Folge. Deshalb werden diese Eingriffe meist erst nach Erfüllen des Kinderwunsches im Alter zwischen 35 und 40 Jahren durchgeführt.

Nachdem Angelina Jolies Artikel über die präventiven Operationen aufgrund des Gendefekts erschienen war, stieg die Zahl der BRCA1-Analysen binnen zwei Wochen um 64 Prozent. Fraglos ist es der Schauspielerin und ihrem offensiven Umgang zu verdanken, dass die Öffentlichkeit für das Thema »Brustkrebsgene und Genanalyse« sensibilisiert wurde. Aktivist*innen protestierten nun auch vermehrt gegen Genpatente, die es nur den Inhabern solcher Patente erlaubte, entsprechende Analysen durchzuführen. Zwanzig Jahre lang ein überaus lukratives Geschäft. Am 13. Juni 2013 aber stellte der Supreme Court der Vereinigten Staaten klar, dass menschliche Gene ein Produkt der Natur sind und deshalb nicht patentiert werden können. Mit diesem Gerichtsbeschluss verfielen die Patente an gut 4300 menschlichen Genen9.

Unsere Gene und der Krebs


Das »Breast Cancer 1 Gene«, abgekürzt BRCA1-Gen, ist das bekannteste Gen seiner Art. Es gibt allerdings noch eine Reihe anderer Gene, die im Fall eines Gendefekts das Risiko, an Krebs zu erkranken, signifikant steigern können.

Um zu verstehen, was Krebs genau ist und welche Rolle unsere Gene dabei spielen, müssen wir in der Evolution gut vier Milliarden Jahre zurückgehen, in eine Zeit, als alles Leben auf der Erde einzellig war. Das heißt, jedes Lebewesen bestand aus einer einzigen Zelle, die sich einfach in zwei Zellen spaltete, um sich fortzupflanzen. Und je schneller diese Zellteilung vonstattengeht, desto höher ist die Überlebenschance der Spezies. So haben schneller wachsende Arten von Einzellern im Laufe von Jahrmillionen die langsamer wachsenden Arten verdrängt und sich kräftig vermehrt. Dabei wurde der Mechanismus der Zelle dank neuer, wachstumsanimierender Gene auf schnellstmögliche Zellteilung optimiert.

Abbildung 4: Jede Zelle enthält die Basisprogrammierung: »Teile dich, so schnell du kannst!«

Vor rund 575 Millionen Jahren haben sich schließlich auch mehrzellige Lebewesen entwickelt, denn in manchen Situationen ist die Überlebenschance in Gruppen nun mal höher. So bildeten sich zum Beispiel Zellgruppen, bei denen sich die hinteren Zellen um den Antrieb zur Fortbewegung kümmerten, während sich die vorderen Zellen auf das Einfangen und Verdauen von »einsamen« Einzellern spezialisierten. Die Nährstoffe des Fanges wurden dann an alle beteiligten Zellen verteilt. Mit diesem Prinzip waren die simplen Mehrzeller letztlich erfolgreicher als die einzellige Konkurrenz. Allerdings mussten sich mehrzellige Lebewesen an die neue Komplexität anpassen. Auf einmal war es nämlich nicht mehr von Vorteil, alle Zellen so schnell wie möglich wachsen zu lassen, weil dann wichtige Strukturen verloren gingen. Ein für Mikroorganismen lebenswichtiges »Antauch-Ruder« beispielsweise hat eine bestimmte Anzahl an Zellen und eine spezifische Form. Wenn sich jede Zelle kontinuierlich immer wieder teilen würde, käme dabei ein formloser Zellklumpen heraus, der keine Funktion mehr erfüllen kann. Denken Sie nur daran, was passieren würde, wenn Ihre Knochenzellen permanent und in alle Richtungen wüchsen …

Deshalb galt es, Anzahl und Wachstumsrate der verschiedenen Zellarten zu regulieren. Dafür waren wiederum neue Gene nötig, die bestimmen, wann sich welche Zelle teilen darf und wann nicht.

So entwickelten sich Gen-Arten, die vereinfacht in zwei verschiedene Gruppen unterteilt werden können:

  1. »Gaspedal-Gene« sind zellteilungsfördernde Gene, sogenannte Proto-Onkogene.
  2. »Bremsen-Gene« sind zellteilungsbremsende Gene, sogenannte Tumorsupressorgene.

Gene, die wie ein Gaspedal agieren, animieren die Zellen, eine Zellteilung einzuleiten, während die wachstumsbremsenden Gene das Einleiten der Zellteilung verhindern. Funktionieren all diese Gene, wie sie sollten, bilden sie ein sehr effektives Steuerungssystem: Soll die Zelle nicht wachsen, überwiegen die bremsenden Gene, sodass das Wachstum stillsteht. Soll sich die Zelle teilen, treten die wachstumsanimierenden Gene in Aktion und leiten eine Zellteilung ein. Problematisch wird es erst, wenn eines dieser Gene beschädigt und in seiner Funktion gestört ist. Bei Angelina Jolie ebenso wie bei den meisten genetisch bedingten Brustkrebsfällen ist das zellteilungsbremsende BRCA1-Gen betroffen, weshalb die Wachstumsbremse nicht mehr effektiv arbeitet. Unter Umständen fällt sie in einer Zelle sogar komplett aus. Diese Zelle kehrt dann in den Ur-Modus des schnellstmöglichen Wachstums zurück und teilt sich entsprechend rasch. Aus einer schadhaften (Krebs-)Zelle werden erst zwei, dann vier, dann acht, dann 16 – und so beginnt ein Tumor heranzuwachsen.

Gut zu wissen!

Das BRCA1-Gen ist eines der wichtigsten wachstumsbremsenden Gene im Brust- und Eierstockgewebe, weshalb sich bei Trägerinnen eines BRCA1- Defekts häufig genau dort Krebs entwickelt. Die Wachstumsregulierung ist außer Kraft gesetzt, sodass die Teilung der Krebszellen ungebremst fortschreitet.

Aber auch defekte »Gaspedal-Gene« können die Tumorbildung in Gang setzen. So gibt es zum Beispiel Schädigungen, die animierende Gene hyperaktiv machen. Das Signal zur Zellteilung wird dann so stark, dass die »Bremsen-Gene« wie BRCA1 nicht mehr in der Lage sind, das Wachstum zu stoppen; die Zellen beginnen, sich unkontrolliert zu teilen, und führen schließlich zu Krebs.

Weitere brustkrebsassoziierte Gene

Bis vor wenigen Jahren war die Analyse von BRCA1 und dem verwandten BRCA2-Gen Standard für Frauen mit einem gehäuften Brustkrebsvorkommen in der Familie. Inzwischen gab es in diesem Bereich einen erheblichen technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt, weshalb heute in umfangreichen Genanalysen mehr als zehn weitere Gene getestet werden. Diese sind zwar seltener die Ursache von Brustkrebs, spielen jedoch eine...

Erscheint lt. Verlag 26.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Abnehmen • Allergien • biologisch vorbestimmtes Übergewicht • Biotechnologie • Blutzucker • Brustkrebs • Chemotherapie • Diabetes • Diabetiker • Diät • DNA • Eierstockkrebs • eisenspeicherkrankheit • Epigenetik • Erbanlagen • Erbanlagen steuern • Genanalysen • Gendefekte • Gene sind kein Schicksal • Genetik • genetische Disposition • Genetisches Krankheitsrisiko • Genetisches Risiko • Genforschung • Genschlüssel • Gentests • Gesundheit • Gesundheitsvorsorge • Immunsystem • Insulin • Kohlenhydrate • Labordiagnostik • Lifestyle-Gentests • Medikamentenunverträglichkeit • Mineralstoffe • molekulare Diagnostik • Novogenia • präventive Gentests • Stoffwechsel • Thrombosen • Vitamine
ISBN-10 3-7517-0427-2 / 3751704272
ISBN-13 978-3-7517-0427-4 / 9783751704274
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