Size egal (eBook)

Dein Selbstbewusstsein kann nicht groß genug sein
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
256 Seiten
Lübbe Life (Verlag)
978-3-7517-0425-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Size egal - Caro Matzko, Tanja Marfo
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Der Po zu dick, die Brüste zu klein und das Haar zu dünn. Sich den Schöheitsidealen zu widersetzen und die eigene Attraktivität zu erkennen, fällt vielen Frauen sehr schwer. Hier erzählen zwei unterschiedliche Frauen von ihrem lebenslänglichen Kampf mit ihrem Gewicht und Selbstbild: Tanja Marfo, die immer 'zu viel' war und Caro Matzko, die sich in ihrer Jugend beinahe zu Tode gehungert hat. Sie beschreiben ihre Reise zum mentalen Ideal- bzw. Gleichgewicht: der Size egal. Denn unsere Körper sind Spiegel unseres Seelenlebens. Doch die eigentliche Kampfzone ist unser Kopf und der ist heilbar.

1

Schau mal in den Spiegel!
Wie unsere Reise begann


Ich stehe am VIP-Buffett, das der Caterer jede Woche für unsere Showgäste bringt, und beiße mit einer Mischung aus Freude, Gier und Hunger in einen Wrap aus Pizzateig, Mozzarella, Rucola und getrockneten Tomaten. Unser Regisseur kommt vorbei und fragt, ob schon »Spritzer-Zeit« wäre – Österreichisch für »Weißweinschorle«. Er ist wie immer virtuos gestresst und beklagt sich scherzhaft, dass ich schon lange nicht mehr mit ihm angestoßen hätte. Ich mixe uns also zwei Sommerspritzer (mehr Wasser als Wein), verkünde, dass ich mich auf den Winter freue (mehr Wein als Wasser), und beiße nebenbei noch einmal in meinen Wrap. Der Regie-Sir trinkt, schluckt, schaut, grinst dann frech und rät mit Blick auf die Pizzatasche in meiner Hand, aus der gerade eine Tomate rutscht: »Iss nicht so viel, Pupperl!« Augenblicklich erstarre ich, verschlucke mich und huste: »Krieg meine Tage … ich weiß, ich hab zugenommen … und bloß weil du wieder auf Diät bist, brauchst du mir nicht meinen Spaß an der Semmel zu versauen, la la la …« Für mich ist die »Spritz-o’clock-Zeit« gelaufen, ich stapfe missgelaunt in meine Garderobe.

Augen auf bei der Berufswahl? Weiß nicht. Ob er dasselbe auch zu Jörg Pilawa gesagt hätte? »Iss nicht so viel, Pilawa-Spatzerl, sonst wirst du ein dickes Vogerl?« Gegenüber dem weißen Kunstledersofa steht ein großer Spiegel. Darin bin ich zu sehen: Caro Matzko, Anfang vierzig, Mutter und Moderatorin. Beziehungsweise »Pupperl«, das sprechen kann (und selber Pipi machen!). Schön haben sie mich für die Sendung wieder »aufgemaschelt«! Die Haare engelsgleich gelockt, die Augenringe übermalt, und die »Zehn-Zentimeter-größer-Heels« verlängern die Beine optisch. Das tut jedem gut, weil man wie frau weiß, im Fernsehen immer einige Kilos schwerer wirkt.

»Sieht viel besser aus, dass du zugenommen hast!«, hat der Regie-Sir noch in der Woche zuvor gesagt. Das deckt sich mit der Mail, die ich von meinem Agenten letzte Woche erhalten habe: »Habe eure Sendung gesehen, dein Gesicht wirkt runder. Das steht dir gut. Sieht sehr weiblich aus. Du musst dir um dein Aussehen WIRKLICH keine Gedanken machen!«

Aber wie soll ich mir WIRKLICH KEINE Gedanken machen, wenn mein Körper permanent bewertet wird? Ich denke an all die Frauen, die mit mir schon in der Maske zum Schminken saßen – Claudia Kleinert, die Wettermoderatorin; Judith Rakers, die Nachrichtensprecherin; Christine Neubauer, die Schauspielerin; Susanne Fröhlich, die Bestseller-Autorin; Nicole Jäger, die selbst ernannte »Fettlöserin«. Und nicht zu vergessen meine All-Time-Grande-Dames Senta Berger, Marianne (nie ohne Michael) und Uschi Glas. Alle haben sie auf dem Friseurstuhl neben mir gesessen. Und alle haben sie sich im Spiegel überprüft, und zwar mit genau demselben Blick, mit dem ich mich an diesem Mittwochabend in meiner Garderobe beäuge. Ein kritischer Blick. Ein Blickblick. Da musste ich an dich denken, Tanja. Als du mir bei meinem ersten Einsatz als Reporterin für den Premiumsender arte meine Haare zu Wellen aufgedreht hast. Weißt du noch?

Na klar. Wir waren beide sehr aufgeregt, denn es war unser erster Einsatz für die Wissenssendung X:enius. Eine große Karrierechance für uns beide! Aber vor allem war es saukalt bei uns in Norddeutschland. Ich meine, es war 2008, und wir drehten eine Sendung über Windkraftanlagen und eine über die Polarstern, ein Forschungsschiff, das damals in Bremerhaven im Trockendock lag.

Und du warst als Maskenbildnerin engagiert und nanntest dich »Rougekäppchen«.

Rougekäppchen, ja. Hättest du Zornröschen besser gefunden? Hat mein Ex damals vorgeschlagen.

Man soll nie tun, was Papa sagt. Ich weiß noch, wie du zum ersten Mal den Raum betreten hast: eine Erscheinung, riesengroß und imposant. Alle dachten nur: »Wow!« Zauberhafte, warmherzige Ausstrahlung, aber ein big girl. Damals hast du jeden zweiten Satz mit einem kleinen Kichern beendet. Du warst viel unsicherer als heute, oder?

Na klar: Es war eine meiner ersten Fernsehproduktionen, und davor hatte ich einen mega Respekt. Und ich hätte nicht gedacht, dass es beim Fernsehen so kalt ist. Selten so gefroren wie damals. Ich weiß noch, dass ihr auf das Windrad gekraxelt seid. Das ist für mich mit meinem Gewicht natürlich nicht in Frage gekommen, denn dann hätte der Turm unter Umständen Schlagseite bekommen. Also habe ich im Wohnmobil gewartet, dass ihr Verrückten da wieder heil runterkommt. Ich fand dich sehr witzig und rotzfrech. Ehrlich gesagt habe ich gedacht, dass du vielleicht auf irgendwelchen Substanzen bist. Hatte das ja schon erlebt, dass Models auf meinen Make-up-Paletten Koks gezogen haben. Du hast dich benommen wie eine Pippi Langstrumpf mit dunklen Haaren, und ich sagte mir: »Endlich mal eine Frau, die laut lacht.«

Ich habe früher auch immer gern laut gelacht, musste mir das dann aber zeitweise abgewöhnen. Ich war damals ja noch mit meinem heutigen Ex-Mann zusammen, und der fand das nicht gut, wenn ich laut gelacht habe. Vielleicht kennst du diese Situation: Du lachst herzlich und laut – und deine Umgebung starrt dich erschrocken an. Ihre Blicke auf dich geben dir zu verstehen: Mädchen lachen verdammt noch mal nicht so laut wie Kerle. Es war 2008 – zwei Jahre später habe ich mich von ihm getrennt. Da habe ich dann laut geweint. Aber laut weinen darfst du ja auch nicht als Frau, sonst giltst du als hysterisch. Also wurde ich still. Ich war zutiefst verunsichert in dieser Zeit, hatte viel zugenommen, hatte auch noch meine Hexenwarze am Kinn. Ich hatte noch nicht mein Ding gefunden und war sehr auf der Suche. Tja, und genau in dieser Zeit kam das Maskenbildnerinnen-Jobangebot bei euch arte-Fernsehleuten. Und da war ich überzeugt, dass ich mich irgendwie »besonders« präsentieren und besonders gut ausschauen muss, dass ich eine positive Ausstrahlung haben muss, muss, muss, muss … damit ich da gut ankomme. Wir begannen unsere Schminksessions ja manchmal schon um 6 Uhr morgens. Für mich hat das bedeutet, dass ich schon um 5 Uhr morgens im Badezimmer stand, meine Haare machte, mich stylte und schminkte, damit man mir meine verheulten und durchwachten Nächte nicht ansah. Das hat ja auch eine Schutzfunktion, so ein Make-up. Ich brauchte das damals, um mich vor euch gut zu fühlen und professionell zu wirken.

Die Maskerade ist dir auf jeden Fall gelungen. Ich fand dich einfach erst mal sehr bewundernswert. Sechs Uhr morgens – und du warst in vollem Ornat, perfekt gestylt, hattest sehr laute »Motivationsmusik« eingeschaltet und bist auf viel zu dünnen Schühchen durch dein Hotelzimmer geturnt. Ich dagegen trug lange Unterhosen und zwei Paar Socken, weil es ja draußen kalt war, und fühlte mich wahnsinnig unglamourös. Meine Unsicherheit versuchte ich zu überspielen. Laut lachen hat ja auch eine Schutzfunktion. Wie dein Make-up.

Um ehrlich zu sein: Ich fand das Geschminke an unserem ersten Kennenlern-Morgen ziemlich albern. Wieso Haare aufdrehen, wenn wir spätestens zwei Stunden später windzerzaust und nassgeweht am Deich kleben? Das einzig Trockene waren unsere Fachgespräche mit den Forscher*innen. Aber das Schmuddelwetter, das jede Frisur im Handumdrehen zerstörte, hat dich nicht davon abgehalten, deine Arbeit zu machen: Du wirktest hochmotiviert und hast unverdrossen mit deinem Lockenstab geklappert. Nur dein Blick auf dich selbst, wenn du dich im Spiegel gesehen hast, in den auch ich schauen musste – der hat manchmal verraten, wie es dir wirklich geht. Du hattest nämlich auch diesen Blickblick: kritisch, mäkelnd, unsicher. Stimmt’s oder hab ich recht?

Erwischt. Klar hab ich in den Spiegel schauen müssen, um dich hübsch zu machen – aber mich selbst anzugucken, das hat mir keinen Spaß gemacht. Aber das kannst du als Maskenbildnerin natürlich nie vermeiden. Und diese Maskenbildnerspiegel mit den tausend Glühbirnen am Rand sind dann auch wirklich gnadenlos. Sie verwandeln jede finstere Abstellkammer mit ihrem Flutlicht in ein bestens ausgeleuchtetes Fußballstadion, und ich sah also nicht nur dich und mich, sondern vor allem jede Falte und jeden Fussel an mir, jedes gespaltene Haar und das an einigen Stellen zu dicke Make-up. Ich habe wirklich versucht, mir und meinem Blick auszuweichen, so sehr habe ich mich auch für meinen Körper geschämt.

Ich war hoffnungslos: Mein ewiges Diätenkarussell hatte mich müde gemacht, und meine frühere Strahlkraft war verschwunden. Ich machte mich dafür innerlich den ganzen Tag fertig. Dicksein, das bedeutete damals für mich Hässlichsein. Eine schöne Frau musste schlank sein. Ich war dick. Und dann kamst du da hereingepoltert, und das »Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Schönste im ganzen Land?« sagte mir, dass da nun vor mir eine Frau saß, die so aussieht, wie ich immer gern ausgesehen hätte: gertenschlank und kein Gramm Fett auf den Knochen. Eine Frau, die auch noch laut lachte. Eine Frau, die sich traut. Und dahinter sah ich meinen massigen Körper herumturnen und Locken in ihr schönes Haar drehen. Diese 186 cm Länge und 100 plus X Kilo Übergepäck – das sollte wirklich ich sein? Ich hatte das Gefühl, in einem fremden Körper zu stecken – einem Körper, der nicht zu mir passte. Dieser falsche und verhasste Körper, wir gehörten nicht zusammen und waren doch untrennbar verbunden wie siamesische Zwillinge. Ich hätte losheulen können, aber es half nichts. Durchschnaufen.

Wenigstens mein Make-up und Styling mussten passen. Meine perfekt gestrichene Fassade wollte ich unbedingt aufrechterhalten. Der Putz durfte auf keinen Fall Risse bekommen und zeigen, was dahinter brodelte: mein ganzes unaufgeräumtes, gespaltenes Verhältnis...

Erscheint lt. Verlag 21.12.2020
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Anorexia nervosa • Balance • BMI • Body Positivity • Diät • Erkrankung • Ernährung • Essstörungen • Familientherapie • Fernbeziehung • Gesundheit • Gewicht • Hunger • Konfektionsgrößen • Krankheit • Lebenshilfe • Magersucht • Oversize • Partner • Persönlichkeit • Plus-Size • Ringlstetter • Schlankheitswahn • Schönheitsideale • Selbstbewusstsein • Selbstbild • Selbstvertrauen • Selbstwahrnehmung • Selbstwertgefühl
ISBN-10 3-7517-0425-6 / 3751704256
ISBN-13 978-3-7517-0425-0 / 9783751704250
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