Das Karussell der Verwechslungen (eBook)

Commissario Montalbano lässt sich nicht beirren. Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
271 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-9456-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Karussell der Verwechslungen -  Andrea Camilleri
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Im Kommissariat des sizilianischen Küstenörtchens Vigàta gibt eine ungewöhnliche Entführung Rätsel auf: Ein vermummter Täter hat nacheinander zwei weibliche Bankangestellte überfallen, betäubt und kurz darauf unversehrt freigelassen. Dann erfährt Commissario Montalbano, dass ein junger Unternehmer nach einer Urlaubsreise mit seiner großen Liebe vermisst wird. Stehen die Ereignisse in Zusammenhang? Schon bald kommt Montalbano einem perfiden Täuschungsmanöver auf die Spur ...



Andrea Camilleri (1925-2019) ist der erfolgreichste zeitgenössische Autor Italiens und begeistert mit seinem vielfach ausgezeichneten Werk ein Millionenpublikum. Ob er seine Leser mit seinem unwiderstehlichen Helden Salvo Montalbano in den Bann zieht, ihnen mit kulinarischen Köstlichkeiten den Mund wässrig macht oder ihnen unvergessliche Einblicke in die mediterrane Seele gewährt: Dem Charme der Welt Camilleris vermag sich niemand zu entziehen.

Andrea Camilleri (1925-2019) ist der erfolgreichste zeitgenössische Autor Italiens und begeistert mit seinem vielfach ausgezeichneten Werk ein Millionenpublikum. Ob er seine Leser mit seinem unwiderstehlichen Helden Salvo Montalbano in den Bann zieht, ihnen mit kulinarischen Köstlichkeiten den Mund wässrig macht oder ihnen unvergessliche Einblicke in die mediterrane Seele gewährt: Dem Charme der Welt Camilleris vermag sich niemand zu entziehen.

Zwei


Also begann der Commissario zu sprechen, treuherzig und bemüht, überzeugend zu wirken:

»Es handelt sich, glaube ich, um eine Verkettung unglücklicher Umstände. Heute Morgen musste ich überraschend zu den Carabinieri und hatte nicht einmal mehr Zeit, die Verandatür zu schließen. Irgendjemand, der gesehen hat, dass keiner im Haus ist, ist dann hier eingedrungen, um etwas zu stehlen. Aber das Pech wollte es, dass nach ein paar Minuten Sie hereingekommen sind. Und der Dieb – nennen wir ihn einmal so, auch wenn er gar keine Zeit hatte, etwas mitzunehmen – hat Ihnen einen Schlag auf den Kopf verpasst, Sie gefesselt und geknebelt und in die Abstellkammer geschleift. Ein paar Minuten später kam meine Haushälterin Adelina, und der Dieb musste mit leeren Händen abziehen. Ich bin sicher, dass es so war. Glauben Sie mir?«

»Ja, ich glaube Ihnen«, sagte der Mann kaum hörbar.

Montalbano bückte sich, um ihn von den Fesseln an den Fußgelenken und dann auch an den Handgelenken zu befreien.

Mit Mühe stand der Mann auf, schaffte es aber kaum, das Gleichgewicht zu halten.

»Gestatten«, sagte er. »Ich heiße …«

Aber da sank er auch schon auf den Sessel zurück, zitternd und leichenblass.

»Ist Ihnen nicht gut?«

»Mir ist schwindlig, und mir tut es da weh, wo ich den Schlag abbekommen habe.«

Er legte die Hand auf eine Stelle zwischen Kopf und Genick. Adelina lief in die Küche und kam mit ein paar Eiswürfeln in einem Tuch zurück, das sie ihm auf die schmerzende Stelle legte. Der Mann stöhnte leise auf.

Montalbano war besorgt, dass Adelina, die eine kräftige und energische Frau war, ihm mit ihrer Pfanne eine ernste Verletzung zugefügt haben könnte.

»Bleiben Sie sitzen und bewegen Sie sich nicht.«

Er ging zum Telefon und rief im Kommissariat an.

»Catarè, ist Gallo da?«

»Er ist vor Ort, Dottori.«

»Sag ihm, er soll so schnell wie möglich noch mal herkommen.«

Er legte auf und ging zu dem Mann zurück.

»Ich lasse Sie in die Notaufnahme bringen.«

»Ich wollte Ihnen sagen, dass …«

»Nicht sprechen, strengen Sie sich nicht an.«

»Es ist aber wichtig, dass ich …«

»Heute Nachmittag im Kommissariat können Sie mir alles erzählen, einverstanden?«

Fünf Minuten später klingelte es an der Haustür.

Gallo war geflogen. Auch auf der Landstraße raste er, als wäre es die Rennpiste von Indianapolis, und diesmal hatte er dafür sogar die Erlaubnis des Commissario erhalten.

Während Montalbano glückselig unter der ersehnten Dusche stand, dachte er über diesen Vormittag der Verwechslungen nach.

Er hatte den gefährlicheren der beiden Männer, den mit dem Messer, für den Schwächeren gehalten, die Carabinieri hatten ihn, den Commissario, für einen Raufbold gehalten, und Adelina hatte einen Ehrenmann für einen Dieb gehalten.

Aller guten Dinge sind vier heißt es in dem Sprichwort, das er sich schnell zurechtgebogen hatte, und deshalb war er absolut sicher, dass er frühmorgens die schuldige mit der unschuldigen Fliege verwechselt hatte.

Bevor er das Haus verließ, warf er wie immer einen Blick in den Spiegel. Sein eines Auge war blau umrandet, als wäre er ein Zirkusclown, und ein Ohr war geschwollen.

Aber das war alles halb so schlimm, schließlich musste er ja nicht an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen.

»Ist Gallo zurück?«, wandte er sich an Catarella, als er das Kommissariat betrat.

»Sissì, Dottori, er ist gerade eben hereingekommen, und jetzt ist er da. Wie fühlen Sie sich?«

»Mir fehlt nichts.«

»Verraten Sie mir eins, Dottori?«

»Was denn?«

»Wo Sie doch jetzt ein blaues Auge haben, in welcher Farbe sehen Sie die Dinge? Alles in Blau?

»Richtig geraten. Schick Gallo zu mir.«

Gallo war sofort zur Stelle.

»Wie ist es in der Notaufnahme gelaufen?«

»Gut, Dottore. Es wurde nur eine starke Prellung festgestellt, er bekam etwas gegen die Schmerzen, und dann hab ich ihn nach Hause gefahren. Ich soll Ihnen ausrichten, dass er um vier ins Kommissariat kommt.«

Kaum war Gallo draußen, trat Mimì Augello ein.

Er sah den Commissario an, lächelte und wurde dann ernst. Er machte ein Kreuzzeichen, faltete die Hände zum Gebet, deutete mit dem linken Bein einen Kniefall an und hob die Augen zum Himmel.

»Was soll das Theater?«

»Ich habe gerade ein Dankgebet für den gesprochen, der dir das blaue Auge verpasst hat.«

»Hör auf mit dem Quatsch und setz dich.«

In dem Moment trat Fazio ein, ohne anzuklopfen, mit finsterer Miene und ziemlich aufgeregt.

»Dottore, verzeihen Sie, wenn ich mir die Frage erlaube, aber waren es die Carabinieri, die Sie so zugerichtet haben?«

Montalbano war geknickt.

Wie konnte sich die Sache so schnell herumgesprochen haben? Jetzt würde man sich das Maul über ihn zerreißen, ihn auslachen und verspotten. Und wenn der Polizeipräsident davon Wind bekam …

»Ich fasse es nicht! Die Carabinieri haben dich festgenommen und zusammengeschlagen?«, fragte Augello kampfeslustig. Er war aufgestanden und hatte zur Feier des Tages vom Sizilianischen ins Italienische gewechselt.

»Immer mit der Ruhe, Jungs«, schaltete sich der Commissario ein. »Macht bloß keine Dummheiten, denn es gibt überhaupt keinen Grund, den Carabinieri den Krieg zu erklären. Ich sag euch, was passiert ist.«

Er erzählte es ihnen in allen Einzelheiten. Am Ende wandte er sich an Fazio:

»Und wie hast du davon erfahren?«

»Maresciallo Verruso, den ich gut kenne, hat es mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt.«

Montalbano atmete erleichtert auf. Die Geschichte würde also vertraulich bleiben.

»Gibt es Neuigkeiten?«

»Von meiner Seite nur einen Autodiebstahl, den der Besitzer erst nach seiner Rückkehr von einer Reise bemerkt hat«, sagte Augello.

»Aber ich muss euch was Merkwürdiges erzählen«, sagte Fazio.

»Schieß los.«

»Gestern, es war schon spät und ihr wart schon weg, kam ein gewisser Agostino Smerca, um etwas zu melden, was seiner Tochter Manuela zugestoßen ist.«

»Was denn?«, fragte Augello ungeduldig.

»Der Vater ist verwitwet und lebt mit seiner Tochter in einem abgelegenen Haus. Sie ist um die dreißig und sieht ziemlich gut aus, Smerca hat mir ein Foto gezeigt. Sie ist Kassiererin bei der Banca Sicula und hat um halb sieben Feierabend. Und weil sie nicht gern Auto fährt, nimmt sie den Bus und geht dann noch zehn Minuten zu Fuß bis nach Hause. Vor einer Woche, genauer gesagt, vor fünf Tagen stieg sie aus dem Bus und ging auf einer wenig befahrenen Straße zu Fuß weiter, als sie am Straßenrand ein Auto mit offener Motorhaube und einen Mann bemerkte, der sich über den Motor beugte. Sie war gerade an ihm vorbeigegangen, da spürte sie zu ihrem Entsetzen die Mündung eines Revolvers in ihrem Rücken und hörte eine Männerstimme sagen: ›Keinen Mucks, sonst erschieß ich dich.‹ Dann wurde ihr ein mit Chloroform getränkter Wattebausch auf Nase und Mund gedrückt, und sie verlor das Bewusstsein.«

»Und warum hat sich dieser Smerca erst gestern Abend dazu entschlossen, Anzeige zu erstatten?«, fragte Augello.

»Weil seine Tochter dagegen war. Sie wollte nicht, dass die ganze Stadt über sie spricht.«

»Hat er sie vergewaltigt?«

»Nein.«

»Ausgeraubt?«

»Nein.«

»Geschlagen?«

»Nein.«

»Was hat er ihr dann angetan?«

»Das ist ja das Unbegreifliche. Er hat ihr nichts getan. Absolut gar nichts. Eineinhalb Stunden später ist sie auf einem Feld aufgewacht. Ihre Handtasche lag neben ihr, darin fehlte gar nichts. Sie hat sich umgeschaut, und als ihr klar wurde, wo sie ist, hat sie per Handy ein Taxi gerufen. Das ist alles.«

»Vielleicht handelt es sich um eine Verwechslung«, meinte Augello.

Montalbano hatte bis zu diesem Augenblick geschwiegen, aber bei dem Wort Verwechslung zuckte er zusammen. Verwechslungen hatte er an diesem Tag schon genug gehabt. Er wollte etwas sagen, überlegte es sich dann jedoch anders und schwieg.

»Man könnte auch eine andere Vermutung anstellen«, fuhr Mimì fort. »Was macht dieser Smerca beruflich?«

»Er ist Geschäftsmann. Stoffgroßhandel.«

»Nun, dann könnte es mit nichtgezahltem Schutzgeld zu tun haben. Die wollten ihm eine Warnung schicken.«

»Mimì, wenn es mit der Mafia zu tun hätte, wäre Smerca ganz bestimmt nicht zu uns gekommen, um Anzeige zu erstatten, sondern hätte die Sache selbst geregelt«, schaltete sich Montalbano nun doch ein.

»Das stimmt«, räumte Augello ein. »Und wenn diese Manuela die ganze Geschichte nur erfunden hat?«

»Warum sollte sie?«

»Vielleicht um vor ihrem Vater die Verspätung zu rechtfertigen …«

»Ich bitte dich, eine Dreißigjährige … heutzutage …«

»Was vermutest du denn?«

»Im Moment vermute ich gar nichts. Aber irgendwie stinkt die Sache. Ich möchte mit dieser Frau sprechen. Mit ihr allein, ohne dass der Vater dazwischenfunkt.«

»Ich kann sie anrufen und bitten, nach der Mittagspause herzukommen. Wann ist es Ihnen recht?«, fragte Fazio.

»Um vier habe ich einen Termin, das wird aber schnell erledigt sein. Um fünf müsste es gehen.«

Als er die Trattoria betrat, fiel ihm sofort auf, dass Enzo, der Wirt, nicht so...

Erscheint lt. Verlag 29.1.2021
Reihe/Serie Commissario Montalbano
Commissario Montalbano
Übersetzer Rita Seuss, Walter Kögler
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel La giostra degli scambi
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Sachbuch/Ratgeber Essen / Trinken
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Abenteuer • Commissario Montalbano • Dolce Vita • Drama • Frauen / Männer • Italien • itanienische Lebensart • Kriminalroman • Krimis • Kulinarik • Liebe • Liebe / Beziehung • Mafia • mediterrane Atmosphäre • Schicksale und Wendepunkte • sizilianische Küche • Sizilien • Sommer • Urlaub
ISBN-10 3-7325-9456-4 / 3732594564
ISBN-13 978-3-7325-9456-6 / 9783732594566
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