Ein Kapitel der deutsch-niederländischen Fußballgeschichte (eBook)
84 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-8096-6 (ISBN)
Von Altenessen über Oelde und Katernberg nach Essen
Über die einzigartige Karriere des Helmut Rahn wurde in der Vergangenheit viel geschrieben. Einschlägige Artikel und Berichte, sowie Rahns Autobiografie „Mein Hobby: Tore schießen“ erschienen und behandeln das Thema hinlänglich und sehr detailliert.
Dennoch möchte ich kurz die wirklich wichtigen fußballerischen Stationen und Erfolge als Einstieg und Einleitung nutzen wollen. Rahn wurde am 16. August 1929 in Essen geboren und trat als Neunjähriger dem Verein Altenessen 12 bei. Nach Kriegsende wechselte er 1946 zum SC Oelde. Obwohl er damals noch für die Altenessener spielte, nahm er an einem Freundschaftsspiel der Stoppenberger gegen Oelde teil. In diesem Spiel schoss er drei Tore für Stoppenberg – und dem Oelder Torhüter sechs Zähne aus. Nach dem Spiel traten die Oelder Vereinsverantwortlichen an Rahn heran und versuchten das junge Talent in die kleine Stadt zu locken. Der Unternehmer Rudolf Haver soll den Wechsel maßgeblich vorangetrieben haben. Die Vereinsführung um Peter Leeser bot Rahn einen Arbeitsplatz bei der renommierten Zentrifugenfabrik Westfalia Separator1, ein geräumiges Zimmer und Verpflegung für ihn und seine Eltern. Rahn nahm das Angebot an und spielte sich in die Herzen der Oelder Anhänger. Für die Gegner des SC Oelde 09 gestaltete sich das weniger angenehm. In einer Saison erzielte der junge Rahn 54 Tore. Rahn war dem Fußball verfallen. Wenn der Platz an der Oelder Moorwiese noch nicht offen war, dann stieg er kurzerhand über den Zaun, übte Freistöße und jonglierte den Ball. Seinen Führerschein hatte er auch in Oelde gemacht. Naja – eigentlich musste er die Prüfung zweimal machen. Nach bestandener Prüfung wurde er oft als Fahrer bei Westfalia Separator eingesetzt. Von Zeit zu Zeit fuhr er den Chef zu Geschäftstreffen.2
Die „Helmut-Rahn-Straße“ in Oelde.
Foto: Moser
In der Saison 1950/51 wechselte Rahn zu den Sportfreunden nach Katernberg und sorgte dort mit seinen 15 Saisontoren für Furore. Zu Beginn der Spielzeit 1951/52 wechselte das 22-jährige Sturmtalent dann an die Essener Hafenstraße. Zahlreiche Vereine, unter anderem Schalke 04, umwarben Rahn und wollten ihn verpflichten. Trainer Szepan bot ihm 1.000 D-Mark und ein schön eingerichtetes Zimmer in Gelsenkirchen.3 Rahn entschied sich aber für Rot-Weiss Essen. Die Mannschaft dominierte ihre Gegner in der kommenden Spielzeit nach Belieben. Von den 78 geschossenen Toren fielen sagenhafte 59 Tore auf das Sturm-Trio Rahn, Gottschalk und Termath. Mit fünf Punkten Vorsprung auf Schalke gewannen die Essener die Westdeutsche Meisterschaft. Zuhause an der Hafenstraße gab man nur einen Punkt ab.
In der Folgesaison 1952/53 stießen Franz „Penny“ Islacker und „Der fliegende Schulmeister“ Fritz Herkenrath zur Mannschaft.4 Prompt wurde RW Essen mit Helmut Rahn Deutscher Pokalsieger. Nach Siegen über Regensburg, Osnabrück, den Hamburger Sportverein und Waldhof Mannheim traf man im Finale am 1. Mai 1953 im Düsseldorfer Rheinstadion auf Alemannia Aachen.
Quelle: Archiv Moser
Essen hätte in dem Pokalfight zur Pause mit 3:0 führen müssen, doch leider konnte bis zu diesem Zeitpunkt nur Islacker den 1:0 Führungstreffer erzielen. Nach dem Seitenwechsel das gleiche Bild: Essen drückte und kam in der 52. Spielminute auch zum verdienten 2:0 durch den „Boss“. Gottschalk passte auf Rahn, dieser ließ drei Aachener ins Leere laufen und schloss aus zentraler Position ab. Wie aus dem Nichts fiel in der 56. Minute der Aachener Anschlusstreffer durch den späteren Bundestrainer Josef „Jupp“ Derwall. Der erste Pokalsieger nach dem Krieg hieß Rot-Weiss Essen.
Quelle: „Kurze Fuffzehn“ – Jahrgang 1953, Mai Ausgabe
Von links: Köchling, Wientjes, Rahn, Gottschalk
Quelle: „Kurze Fuffzehn“ – Jahrgang 1953, Mai Ausgabe
Im Kampf um die Westdeutsche Meisterschaft rangierte man nach Saisonende 1953/54 nur einen Punkt hinter dem Meister 1. FC Köln und konnte damit die Vizemeisterschaft feiern.
1954 trat Rot-Weiss Essen eine neunwöchige Amerika Reise an, von der Rahn allerdings frühzeitig zurückkehrte. Er reiste zum Sichtungslehrgang der Nationalmannschaft in die Sportschule Grünwald. Der Rest ist Geschichte: Rahn schoss im Endspiel der Fußball Weltmeisterschaft das „Tor des Jahrhunderts“ und machte mit seinem entscheidenden 3:2 gegen Ungarn sein Land zum Weltmeister.
In der Saison 1954/55 gewannen die Essener Kicker die Westdeutsche und die Deutsche Meisterschaft. Der bisher größte Triumph des Vereins.
Eintrittskarte – Finale Deutsche Meisterschaft 1955
Quelle: Archiv Moser
Sie besiegten im ausverkauften Niedersachsenstadion in Hannover den scheinbar unschlagbaren Kader des 1. FC Kaiserslautern mit 4:3 Toren. Für die Pfälzer war es seit 1951 bereits die vierte Finalteilnahme – zweimal hatten sie den Titel schon gewonnen. Der 1. FC Kaiserslautern hatte vier Spieler in ihren Reihen, die zuvor im Wankdorf Stadion in Bern Weltmeister geworden waren. Fritz Walter, Werner Kohlmeyer, Werner Liebrich und Horst Eckel waren die Säulen im Kaiserslauterner Spiel. Zuerst sah es auch äußerst vielversprechend für die „Roten Teufel“ aus. In der 11. Spielminute gingen sie durch Willi Wenzel mit 1:0 in Führung. Islacker konnte nur wenige Minuten später nach Vorlage von Rahn ausgleichen. Keine zehn Minuten später war es erneut „der Boss“, der den Ball nach einem Dribbling auf seiner rechten Seite vor das Tor zu Johannes „Fred“ Röhrig flankte, der per Kopf zum 2:1 für Essen traf. Kurz vor der Halbzeit konnte „Penny“ Islacker gar auf 3:1 erhöhen. Nach dem Seitenwechsel machte „Lautern“ ordentlich Druck und kam in der 56. Minute durch Wenzel zum Anschlusstreffer. Schrecksekunde für die Essener: der überragende Islacker verletzte sich nach einem Zweikampf mit Horst Eckel am linken Knie und musste vom Platz getragen werden. Noch während man ihn versorgte, fiel der Ausgleichtreffer durch Werner Baßler per Elfmeter. Wechselmöglichkeiten gab es zu dieser Zeit noch nicht, also entschloss sich der wackere Islacker humpelnd weiterzumachen. Kurze Zeit später musste er erneut an der Seitenlinie behandelt werden. Es nützte nichts, „vorne rein“ und auf die Chance warten. In der 85. Spielminute kam Rahn an den Ball. Sein Schuss prallte von Kohlmeyer ab, doch Termath schnappte sich das Leder, zog an Kohlmeyer vorbei und flankte vor das Tor. Dort wartete der verletzte Islacker und setzte zu einem Flugkopfball an, der zum 4:3 Endstand im Kaiserslauterner Tor landete. „Penny“ war nach dem entscheidenden Tor nicht mehr in der Lage, zurück zum Mittelkreis zu gehen. Rahn schnappte ihn sich, schulterte ihn und trug ihn zurück zur Mittellinie. Auf der Rückfahrt von Hannover nach Essen hielt der Zug auch in Oelde und der „Boss“ wurde dort, zusammen mit seinen Mannschaftskollegen, frenetisch gefeiert. In Essen feierten 100.000 Menschen den neuen Deutschen Meister.5
Die jahrelange Arbeit hatte sich endlich ausgezahlt. Die Mannschaft stand im Zenit und hatte mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft „die Ernte eingefahren.“
Wimpel und Salatschüssel – Deutscher Meister 1955
Foto: Moser
Der Verein investierte in sein Stadion und in die Infrastruktur: am 8. August 1956 wurde im Essener Stadion, beim 100. internationalen Spiel des Vereins, eine der ersten Flutlichtanlagen in Deutschland eingeweiht. Rot-Weiss Essen spielte gegen Racing Club Straßburg und gewann das Spiel mit 4:0 Toren. 120 Scheinwerfer erstrahlten, verteilt über vier Masten, und beleuchteten von nun an das Spielfeld. Im fünfzigsten Jubiläumsjahr des Vereins wurde auch die Haupttribüne des Stadions fertig gestellt. In der Verbandszeitung des Westdeutschen Fußballverbandes wurde die neue Tribüne mit dem Sportpark von Arsenal London verglichen: „Bergeborbeck ein deutsches Highbury“.
Sportlich lief es nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft nicht mehr so gut. In den folgenden Spielzeiten konnte die Mannschaft nicht mehr an die vorangegangenen Leistungen anknüpfen und platzierte sich zwischen 1955/56 und 1957/58 nur noch zwischen dem vierten und achten Tabellenplatz.
Bis heute gilt: „Wer von Rot-Weiss Essen spricht, spricht auch von Helmut Rahn!“
Zweite WM Teilnahme
Die Weltmeisterschaft 1958 in Schweden war Rahns zweite Teilnahme an einem WM-Turnier. Reiste die deutsche Nationalmannschaft vier Jahre zuvor noch ohne viel Aufhebens in die Schweiz, stand man 1958 im Mittelpunkt des Interesses vieler Millionen Menschen, die die Verteidigung des Weltmeistertitels im Rundfunk und im Fernsehen miterleben wollten. Zum Favoritenkreis gehörte man aber auch 1958 nicht. Deutschland galt als...
Erscheint lt. Verlag | 2.12.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport |
ISBN-10 | 3-7526-8096-2 / 3752680962 |
ISBN-13 | 978-3-7526-8096-6 / 9783752680966 |
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