Eltern als Team (eBook)
224 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-27256-2 (ISBN)
»Vereinbarkeit - so schwer kann das doch nicht sein! Das dachte ich jedenfalls, bevor ich Vater wurde.« Birk Grüling
Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, bleibt ein Dauerthema für Eltern. Dabei spielen nicht nur Arbeitsmodelle und die Aufgabenverteilung im Alltag eine Rolle. Auch gesellschaftliche Voraussetzungen, das Engagement der Väter und ganz individuelle Vorstellungen von Partnerschaft und Familie prägen, wie wir unser Leben mit Job und Kindern gestalten.
In diesem Ratgeber zeigt Bildungsjournalist Birk Grüling, wie Vereinbarkeit zeitgemäß gestaltet und zur Zufriedenheit aller gelebt werden kann: mit Impulsen für neue Werte, Tipps von Experten und Erfahrungen von Paaren, die schon heute neue Wege gehen.
Birk Grüling, Jahrgang 1985, hat Lehramt sowie Musikjournalismus studiert. Anschließend arbeitete er als Redakteur und freier Journalist mit den Schwerpunktthemen Bildung, Gesellschaft und Wissenschaft. Aktuell schreibt er für Medien wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland, Men's Health Dad, Brigitte, Kizz-Magazin, Leben & Erziehen, Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online oder den Zeit Verlag. Außerdem produziert er Podcasts rund um den Papa-Alltag.
Einleitung:
Wie steht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Ich beginne dieses Buch mit einem Versprechen. Es soll ein konstruktives Buch über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein. Ich möchte Möglichkeiten aufzeigen, wie wir als Eltern unseren Alltag und unsere Termine etwas leichter bewältigen können, wie wir uns selbst und als Paar in dem ganzen Familientrubel nicht vollends verlieren, wie wir uns beruflich verwirklichen können, ohne die Kinder vollends zu vernachlässigen. Wer jetzt allerdings auf ein Patentrezept für gelungene Vereinbarkeit hofft, den muss ich leider enttäuschen. Denn wie gut sie gelingt, hängt von unzähligen, ganz individuellen Faktoren ab. Ich habe mir aber große Mühe gegeben, spannende Ideen und Konzepte zu sammeln, und dafür mit sehr vielen klugen Köpfen gesprochen. Bevor wir zu diesen Anregungen und Impulsen kommen, beginne ich mit einer vielleicht manchmal etwas deprimierenden Bestandsaufnahme und mit der ganz grundsätzlichen Frage:
Wie gut sind eigentlich Familie und Beruf vereinbar?
So schwer kann das doch nicht sein! Das dachte ich jedenfalls, bevor ich Vater wurde. Denn mal ehrlich: Kinderlos ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für die meisten von uns noch keine große Herausforderung. Viele Paare leben in einer gleichberechtigten Beziehung. Jeder verfolgt seine Karriere, jeder räumt mal die Spülmaschine aus, jeder geht mal einkaufen. Nebenbei bleibt noch genug Zeit für Sport, Hobbys und Freund*innen. Doch nach dem Verlassen des Kreißsaals verändert sich alles. Plötzlich sind wir Eltern, plötzlich verschieben sich unsere Prioritäten. Schlafen und Duschen wird zum Luxus, von Sport oder zeitaufwendigen Hobbys können wir nur träumen. Kinderlose Kontakte und Freuden rücken in den Hintergrund, am liebsten verbringen wir ohnehin Zeit mit der Familie und dem Nachwuchs. In der anfänglichen Babyblase ist auch Vereinbarkeit noch kein größeres Problem. Die Rollen sind ja relativ klar verteilt – einer ist in Elternzeit und kümmert sich um das Kind, und der andere geht halt arbeiten. Trotzdem macht es Sinn, auch schon hier über Vereinbarkeit und eine gleichberechtigte Arbeitsteilung zu sprechen. Einerseits, damit auch die Väter schon früh viel Zeit mit dem Kind verbringen, und andererseits, um eine Schieflage in der Verteilung der Care-Arbeit so früh wie möglich zu verhindern. Mal ehrlich: Kompliziert wird es doch erst, wenn beide an den Arbeitsplatz zurückkehren. Dann müssen wir Familie, Beruf, Freund*innen, Partnerschaft und unsere eigenen Bedürfnisse unter einen Hut bringen, und das mit einem Tag, der »nur« 24 Stunden hat. Wenn wir uns dann schon an eine partnerschaftliche Routine gewöhnt haben, ist es deutlich einfacher. Denn sonst endet es schnell so, wie es Familienministerin Renate Schmidt in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen einmal beschrieb: »Ich kann nicht zu 100 Prozent Berufsfrau, zu 100 Prozent Mutter und Hausfrau und zu 100 Prozent Partnerin sein. Das ist nie und nimmer zu schaffen. Denn dann bin ich innerhalb kürzester Zeit ein 300-prozentiges Wrack.«1 Gleiches gilt natürlich auch für engagierte Väter.
Deshalb lautet meine erste ernüchternde Antwort: Vereinbarkeit ist nicht möglich – jedenfalls nicht, wenn wir alles gleichzeitig wollen und im Alltag nach der vollen Perfektion streben. Doch bevor ihr mein Buch jetzt enttäuscht weglegt: Vereinbarkeit ist nicht unmöglich. Sie kostet aber Kraft, viele Gespräche und den einen oder anderen Bruch mit gesellschaftlichen Konventionen und alten Rollenbildern. Sie erfordert, die eigenen Ansprüche herunterzufahren. Wir können nicht dauerhaft Spitzenmutter des Jahres, beste Hausfrau des Landes und Mitarbeiter*in des Monats sein. Sich von den oft viel zu hohen Erwartungen an uns selbst zu verabschieden, ist gar nicht leicht – gerade für Mütter. Natürlich ist auch das möglich. Zum praktischen Teil komme ich später – an dieser Stelle möchte ich erstmal ein paar Worte zum Status quo sagen. Ja, Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in den letzten zehn Jahren leichter geworden. Ein Beispiel: Seit der Einführung des Elterngeldes 2007 kehren immer mehr Mütter schneller und mit mehr Stunden in den Beruf zurück.2 Über die Hälfte aller Frauen beginnen inzwischen nach dem ersten Geburtstag des Kindes wieder zu arbeiten. Das ist eine gute Nachricht: Denn damit verliert das traditionelle Ernährermodell, bei dem der Mann in Vollzeit erwerbstätig ist, das Haushaltseinkommen ganz allein sichert und die Frau sich um Familien- und Hausarbeit kümmert, endlich an Bedeutung. In immer mehr Familien müssen oder wollen beide Elternteile arbeiten. Das ist gut für die Rente und für das Konto. Und natürlich bedeutet die Rückkehr ins Berufsleben auch soziale Teilhabe und Selbstverwirklichung. Im besten Fall erhöhen diese gelebten Werte auch die Zufriedenheit. Umso wichtiger wäre es, also einen Weg zu finden, um Familie, Beruf und Partnerschaft gut und angemessen miteinander zu kombinieren. Doch das ist im Alltag leichter gesagt als getan. Natürlich haben Frauen heute mehr berufliche Chancen als noch ihre eigenen Mütter. Ein Mädchen kann heute theoretisch alles werden – von Unternehmenslenkerin über Impfstofferfinderin bis zur Astronautin. Gleichzeitig sind wir in den Sechzigerjahren steckengeblieben. Immer noch tragen die Frauen die Hauptverantwortung für die Familie und übernehmen den Großteil der Care-Arbeit3 – Einkaufen, Wäsche waschen, kochen, beim kranken Kind bleiben, für Klassenarbeiten lernen oder einen Kuchen für das Kita-Sommerfest zaubern. Dazu kommt der enorme gesellschaftliche Druck auf die moderne Mutter – im Ideal liebende Partnerin mit einem strahlenden Haushalt, im Beruf erfolgreich und mit hochbegabten und gut erzogenen Kindern, die nicht zu streng, sondern auf Augenhöhe erzogen werden.
Das Problem: Egal was die Mutter tut, sie macht es falsch. Bleibt sie zu Hause, ist sie die rückständige Hausfrau. Geht sie in Vollzeit arbeiten, ist sie karrieregeil und eine Rabenmutter. Hat sie einen Teilzeit-Job, kümmert sich um Haushalt und Kinder, will sie eine perfekte Ehefrau sein, dann ist sie bald ausgebrannt.
Eine sehr schmerzliche Erkenntnis während der Recherche für dieses Buch war für mich, dass Vereinbarkeit nicht nur an strukturellen Rahmenbedingungen beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt scheitert, sondern in den meisten Fällen an mangelnder Gleichberechtigung in der Familie und am Arbeitsplatz. Jennifer Yohannes, Geschäftsführerin der Kartenmacherei, hat im Interview mit dem Frauenkarriere-Portal hercareer.de dazu etwas sehr Kluges gesagt: »Das Problem für die eine Hälfte der arbeitenden Eltern (Mütter) entsteht nur deshalb, weil man der anderen Hälfte der arbeitenden Eltern (Väter) ihren Eltern-Status im Arbeitsleben so gut wie nie anmerkt.« Wenn alle Eltern gleichermaßen involviert wären, gäbe es keine Diskriminierung von Müttern mehr (und generell Frauen als potenziellen Müttern), und Arbeitgeber*innen wären viel stärker gezwungen, sich auf die Bedürfnisse von Familien einzustellen.4
Doch was ist die Konsequenz, was der Ausweg? Wir Eltern brauchen dringend mehr Mut, um neue Wege zu gehen. So muss es zum Beispiel mehr Männer geben, die im Leben ihrer Kinder eine präsente Rolle übernehmen, die den Haushalt schmeißen, ihrer Frau den Rücken freihalten und auch in Teilzeit arbeiten, für die Familie. Natürlich will ich an dieser Stelle die Schuld an fehlender Vereinbarkeit nicht vollständig in die Schuhe von uns Männern schieben, auch wenn unser Anteil an dem Problem ziemlich groß ist –in Politik und Wirtschaft und als Väter, die nicht bereit sind, für ihre Familie im Beruf kürzerzutreten. Gleichzeitig gibt es genug Väter, die unter diesem Ideal des hart arbeitenden und die Familie versorgenden Mannes leiden, aber sich vielleicht nicht trauen, ganz mit gesellschaftlichen Konventionen zu brechen. Auch viele Frauen fühlen sich immer noch kompetenter in Sachen Haushalt und Kindererziehung als ihre Partner. Und während die Mütter dem Ideal der Super-Mama nacheifern, gehen wir Männer immer noch selbstverständlich davon aus, dass wir die Familie ernähren müssen und die Partnerin schon voll in der Mutterrolle aufgehen wird.
So wundert es kaum, dass auch viele Unternehmen immer noch glauben, dass Männer eine Sechzig-Stunden-Woche schieben und gleichzeitig aktive Väter sein können. Wenn der Vater um 15 Uhr das Büro verlässt, um bei seinem Kind zu sein, wird das nicht unbedingt wertgeschätzt, sondern viel zu oft belächelt. Das kann natürlich keine Generalentschuldigung sein. Wer wirklich für seine Familie da sein will, steht auch über dem vermeintlichen Spott der Kolleg*innen oder wechselt – in Zeiten des Fachkräftemangels – die Abteilung oder sogar das Unternehmen. Auf dem Weg zu mehr Normalität und Vereinbarkeit brauchen wir aber nicht nur mutige Vorreiter, sondern nicht weniger als einen Kulturwandel in der Arbeitswelt abseits von Dauer-Präsenz und Vierzig-Stunden-Woche. Es braucht eine bewusste Karriereförderung für Mütter und männliche Führungskräfte, die auch mit dem kranken Kind zu Hause bleiben und selbst dreißig Stunden arbeiten. Meetings sollten vor 15 Uhr stattfinden, damit es keine Konflikte zwischen Kita-Abholzeit und Kollegenaustausch mehr gibt. Flexiblere Arbeitsmodelle lassen mehr Spielraum zwischen Homeoffice und Büro-Präsenz. Vielleicht ist irgendwann eine Dreißig-Stunden-Teilzeit die neue Vollzeitarbeit, fachlich attraktiv, für die Karriere keine Sackgasse und so gut bezahlt, dass davon der Lebensunterhalt bestritten werden...
Erscheint lt. Verlag | 26.4.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Schlagworte | Beruf und Familie • Beziehung • Beziehungsratgeber • Care-Arbeit • eBooks • Eltern • Elternratgeber • Elternzeit • Erfolg • Erziehung • Erziehungsratgeber • Familienalltag • Familienarbeit • Familienleben • Familienorganisation • geschlechterklischees • Gesundheit • Gleichberechtigung • Kinderbetreuung • Kindererziehung • Mental Load • neue Väter • Partnerschaft • Psychologie • Ratgeber • Sorgearbeit • Vaterrolle • Vater sein • Vereinbarkeit von Familie und Beruf • Work-Life-Balance |
ISBN-10 | 3-641-27256-4 / 3641272564 |
ISBN-13 | 978-3-641-27256-2 / 9783641272562 |
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