Psychopharmaka - Wirkung, Nutzen, Gefahren -  Gregor Hasler

Psychopharmaka - Wirkung, Nutzen, Gefahren (eBook)

Was Patienten und Angehörige wissen müssen
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
192 Seiten
Beobachter-Edition (Verlag)
978-3-03875-312-4 (ISBN)
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Psychische Störungen und Erkrankungen gehören heute zu den meist diagnostizierten Krankheiten in der Schweiz. Entsprechend häufig werden von Hausärzten und Spezialistinnen streng reglementierte Psychopharmaka zur Einnahme verschrieben. Medikamente, die auf die Psyche einwirken, machen den Betroffenen oft Angst, weil sie sich u. a. Fragen zu Abhängigkeit und Persönlichkeitsveränderung stellen. Der Autor dieses hilfreichen Ratgebers kennt die Nöte und drängenden Fragen von Patientinnen und Patienten aus seiner langjährigen Praxis als Psychiater und führender Forscher. Er gibt für Laien verständliche Antworten auf die allgemeinen Fragen zu Psychopharmaka und geht detailliert auf die medikamentöse Behandlung der einzelnen psychischen Krankheitsbilder ein. Dabei beschreibt er Wirkung, Nutzen und Gefahren der in der Schweiz handelsüblichen Medikamente.

Viele Betroffene mit psychischen Schwierigkeiten suchen eine Psychotherapeutin auf, um sich behandeln zu lassen. Lange herrschte der Mythos, dass Psychopharmaka die Wirkung von Psychotherapie stören. Diese Vorstellung wurde durch eine Vielzahl von Studien widerlegt. Es gilt im Gegenteil: Die Kombination von Psychotherapie und Psychopharmaka kann im Sinne einer Synergie besonders stark wirken. Gelegentlich ist die Behandlung mit Psychopharmaka gar eine Voraussetzung dafür, dass Betroffene von einer Psychotherapie überhaupt profitieren können, etwa bei krankhaftem Misstrauen oder ausgeprägter Lustlosigkeit.

Eine praktisch wichtige Entscheidung ist es, ob und wann im Rahmen einer Psychotherapie eine Zusatztherapie mit Psychopharmaka angefangen werden soll. Folgende Fragen an die Psychotherapeutin eignen sich, diese Entscheidung vorzubereiten.

Wann sollte eine deutliche Besserung durch die Psychotherapie eintreten?

Studien zeigen, dass Psychotherapie etwas langsamer wirkt als die Therapie mit Medikamenten. Ein Zustand mit vielen Symptomen und Stress kann negative medizinische und psychosoziale Folgen haben. Deshalb gilt auch für psychotherapeutische Behandlungen wie bei Medikamenten, dass nicht über Monate behandelt werden sollte, obwohl die Symptome unverändert weiterbestehen. Es ist wichtig, dass die Erwartungen an die Therapie von Anfang an klar sind und dass bei einem ungenügenden Ansprechen auf die Psychotherapie der Wechsel der psychotherapeutischen Methode bzw. des Therapeuten oder die Zusatztherapie mit Psychopharmaka besprochen wird.

Was ist die Kompetenz und die Einstellung meiner Therapeutin gegenüber Psychopharmaka?

In der Schweiz sind alle Psychiaterinnen und Psychiater mit FMH-Facharzttitel auch in Psychotherapie ausgebildet. Psychotherapeuten, die auch Psychiater sind, verfügen über eine gute Ausbildung in Psychopharmakologie und eignen sich besonders, um Kombinationstherapien durchzuführen. Viele psychologische Psychotherapeuten und -therapeutinnen kennen sich ebenfalls gut aus, weil sie in psychiatrischen Institutionen eng mit Ärzten zusammengearbeitet haben. Ferner werden an einigen Universitäten im Rahmen des Psychologiestudiums Vorlesungen in Psychopharmakologie angeboten. Es lohnt sich also, wenn Sie den Psychotherapeuten auf seine Einstellung und Kompetenz in Sachen Psychopharmaka ansprechen.

Berücksichtigt die Ärztin, die die Behandlung mit Psychopharmaka durchführt, die psychotherapeutische Behandlung?

Die einzelnen Psychopharmaka eignen sich unterschiedlich gut für eine Kombination mit Psychotherapie. Auf Angstlöser wie Temesta®, Xanax®, Seresta®, Lexotanil® und Valium® sollte möglichst verzichtet werden, weil sie die Lernfähigkeit einschränken können. Es ist wichtig, dass die Zusatzbehandlung mit Psychopharmaka von einer erfahrenen Ärztin durchgeführt wird, die den Patienten regelmässig sieht und sich mit der Psychotherapeutin austauscht. Die Ärztin sollte eine Vorstellung haben, wie die Kombinationsbehandlung wirken soll.

 

Bei der Wahl eines Psychopharmakons spielen folgende Faktoren die entscheidende Rolle:

Diagnose. Diese sollte der Arzt mittels gezielter Fragen und Beobachtungen stellen. Die Diagnose ist der wichtigste Faktor, nur schon weil sich die durchschnittliche Wirksamkeit eines Medikaments immer auf eine Diagnose bezieht. Die Diagnose, für die ein Medikament zugelassen bzw. indiziert (angezeigt) ist, nennt man in der Fachsprache Indikation.

Besondere Symptome. Innerhalb einer Diagnose, zum Beispiel Depression oder Schizophrenie, spielen bei der Wahl des Medikaments manchmal gewisse Symptome eine zusätzliche Rolle. Es gibt Substanzen, die das Suizidrisiko senken (z. B. Lithium, Leponex®), die sich bei Depressionen mit ausgeprägten Schlafstörungen eignen (z. B. Trittico®, Valdoxan®), die sich bei Depressionen mit starken Konzentrationsstörungen eignen (z. B. Brintellix®, Cymbalta®) oder die bei Psychosen mit starker Erregung zum Einsatz kommen (z. B. Clopixol®, Leponex®).

Schweregrad. Dies ist ein besonders wichtiges Kriterium. Psychische Krankheiten kommen in verschiedenen Ausprägungen vor; die Behandlung muss entsprechend angepasst werden. Eine leichte Depression beispielsweise kann durch Beratung und Psychotherapie gebessert werden. Bei mittelgradiger und schwerer Ausprägung braucht es zusätzlich ein Antidepressivum. Bei sehr schweren Formen, die auf diese Therapien nicht ansprechen, kommen Lithium, Schilddrüsenhormone (siehe Seite 95) und Antipsychotika zum Einsatz. Auch bei Psychosen, Angststörungen und ADHS spielt der Schweregrad eine Rolle.

Geschwindigkeit, mit der die Wirkung eintritt. Psychopharmaka unterscheiden sich erheblich in Bezug darauf, wie schnell die Wirkung einsetzt. In der Notfallpsychiatrie kommen Substanzen zum Einsatz, die schnell wirken. Dazu gehören Angstlöser (z. B. Temesta®), Anti-psychotika (z. B. Abilify®) und Ketamin.

Kontraindikationen. Damit sind Umstände gemeint, welche die Anwendung eines bestimmten Medikaments verbieten. Eine starke allergische Reaktion auf ein Medikament ist eine typische Kontraindikation. Bei gebärfähigen Frauen darf Depakine® nicht gegeben werden, bei stillenden Müttern ist Lithium kontraindiziert. Antidepressiva sind in der Manie verboten. Bei Gefahr eines Harnverhalts (das ist die Unfähigkeit, Wasser zu lassen oder die Blase ganz zu entleeren) darf Cymbalta® nicht gegeben werden.

Neben den absoluten Kontraindikationen gibt es auch relative, das heisst, man sollte ein bestimmtes Medikament vermeiden, es sei denn, es gibt keine Alternative. Dazu gehört die Anwendung von älteren, sogenannten trizyklischen Antidepressiva (z. B. Saroten®, Anafranil®) im Alter, von Lithium bei bestimmten neurologischen Krankheiten und von appetitsteigernden Antipsychotika (z. B. Leponex®, Zyprexa®, Seroquel®) bei starkem Übergewicht.

Nebenwirkungen. In der Psychiatrie gibt es für fast jede Diagnose eine relativ grosse Anzahl verschiedener Medikamente mit vergleichbarer durchschnittlicher Wirksamkeit. Die Medikamente unterscheiden sich aber in Bezug auf ihre Nebenwirkungen. Deshalb sollte Ihre Ärztin mögliche Nebenwirkungen vor Beginn der Therapie thematisieren. Ebenfalls sollten mögliche Absetzbeschwerden besprochen werden (siehe Seite 90).

Früheres Ansprechen auf ein bestimmtes Medikament. Noch besser als die Diagnose sagt das frühere Ansprechen auf ein Psychopharmakon (oder eine bestimmte Kombination verschiedener Psychopharmaka) voraus, wie gut ein bestimmtes Arzneimittel bei einer Patientin oder einem Patienten wirkt. Deshalb ist es wichtig, dass alle früheren Behandlungen und Behandlungsversuche gut dokumentiert sind. In die Dokumentation gehören der Name des Medikaments, die Dosis sowie die Dauer der Therapie.

TIPP Für die Ärztin ist es aufwendig und zeitraubend, zu diesen Informationen zu kommen. Deshalb: Dokumentieren Sie Ihre Therapien selber gut oder bitten Sie Ihre Angehörigen darum. So bekommen Sie bei Bedarf schneller Hilfe.

Nachfragen bei Blutsverwandten. Neben der Diagnose spielen die Gene beim Ansprechen auf Psychopharmaka eine Rolle. Wenn also Ihre Tante mit bipolarer Störung gut auf Lithium reagiert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch Sie von Lithium profitieren, selbst wenn Sie «nur» an einer normalen Depression leiden. Die erfahrene Psychiaterin wird Sie deshalb nach Psychopharmakabehandlungen von Angehörigen fragen. Bereiten Sie sich nach Möglichkeit auf solche Fragen vor, etwa in Gesprächen mit Verwandten, die an psychischen Beeinträchtigungen leiden.

Genetische Tests. Das Finden der optimalen Pharmakotherapie nach den genannten Regeln braucht Zeit und Geduld seitens des Arztes und des Patienten. Deshalb besteht ein grosses Interesse daran, die Therapieeinstellung durch biologische und genetische Tests zu beschleunigen. Aktuell sind eine Reihe von genetischen Tests zu diesem Zweck in der Schweiz erhältlich. Internationale Expertengremien sind sich jedoch einig, dass deren Aussagekraft gering und gelegentlich unzuverlässig ist.

INFO Eine wichtige Rolle spielen die persönlichen Präferenzen der Patientinnen und Patienten. In der heutigen Zeit ist es nicht mehr der Arzt alleine, der eine Therapie auswählt oder ansetzt. Vielmehr hat er die Aufgabe, der Patientin die Vor- und Nachteile, die zu erwartende Wirkung – alle oben aufgelisteten Faktoren – darzulegen. Die Entscheidung wird dann im gemeinsamen Austausch gefällt (Konzept informed consent).

 

«So viel wie nötig, so wenig wie möglich»: Die richtige Dosis eines Psychopharmakons ist die Dosis, die der Patientin und dem Patienten hilft, die psychischen Symptome abzumildern oder neue Krankheitsschübe zu verhindern, und die gleichzeitig so wenig Nebenwirkungen wie möglich mit sich bringt.

Bei der Auswahl der richtigen Dosierung müssen...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Schlagworte erkankungen • Medikamente • Psychische • Schweizer • Störungen
ISBN-10 3-03875-312-2 / 3038753122
ISBN-13 978-3-03875-312-4 / 9783038753124
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