Kennen wir uns? (eBook)

Eine Anleitung zur Menschenkenntnis

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
239 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44498-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kennen wir uns? -  Timon Krause
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Was die moderne Psychologie erst seit Kurzem entdeckt, wissen Mentalisten schon lange: Menschen sind vorhersehbar. Timon Krause nimmt dich mit auf eine Reise durch die geheimnisvolle Methodik des Cold Reading: die Kunst, scheinbar aus dem Nichts alles über dein Gegenüber zu wissen. Leicht verständlich erklärt er, wie man auf authentische Weise unmittelbares Vertrauen bei seinen Gesprächspartnern weckt. Auf dem Weg berichtet er von aberwitzigen, spannenden und manchmal gruseligen Ereignissen aus dem Leben als Mentalist. Mit Cold Reading öffnest auch du privat und beruflich mit Leichtigkeit neue Türen!

Timon Krause, Gedankenleser, Philosoph und Trainer für Menschenkenntnis, ist jüngster »Best European Mentalist«. Mit seiner Show ist er bereits durch alle Kontinente gereist, veranstaltet weltweit Seminare und bietet persönliche Coachings an.

Timon Krause, Gedankenleser, Philosoph und Trainer für Menschenkenntnis, ist jüngster »Best European Mentalist«. Mit seiner Show ist er bereits durch alle Kontinente gereist, veranstaltet weltweit Seminare und bietet persönliche Coachings an.

Vorwort: Sturzflug von Hamburg nach Auckland


2020, Hamburg, Deutschland

Das Erste, was mir auffällt, sind die Paare. Gegenüber sitzt ein langhaariger Typ, Bart, kariertes Hemd, Arm lässig auf die Lehne des Sofas gelegt, ein Bein seitlich auf die Sitzfläche geworfen. Neben ihm eine junge Frau, ihre Dreadlocks im Pferdeschwanz schimmern im unterbelichteten Raum. Sie hat ihren Körper leicht gedreht, wendet sich ihm zu, Handflächen offen, Hals leicht entblößt. Die Profile der beiden zeichnen sich im starken Kontrast gegen die nackte Wand dahinter ab. Das Gemurmel der anderen Barbesucher und die laute Musik (ich frage den Barkeeper, was das sei – »Dark Jazz« –, der leicht zur Seite gezogene Mundwinkel deutet an, dass ich das doch bitte hätte wissen müssen) verhindern, dass meine neugierigen Ohren am Gespräch gegenüber teilhaben können. Trotzdem würde ich in diesem Moment meine linke Hand darauf verwetten, dass dort ein erstes Date stattfindet, und meine rechte darauf, dass der Abend noch lange nicht gelaufen ist.

Ein Sofa weiter sitzt eine zweite Mann-Frau-Konstellation. Von meinem Aussichtspunkt aus prognostiziere ich den beiden weniger hoffnungsvolle Aussichten. Statt zueinander gewandt blicken sie in dieselbe Richtung, Mimik vergleichsweise starr, sie schaut ab und zu auf ihr Handy, er formt mit seinem Bein (vermutlich unbewusst) eine Grenze zwischen ihnen. Ich würde auch hier auf ein Date tippen (seien wir ehrlich: Das gedimmte Licht in der »Möwe Sturzflug« sowie die gemütlichen Sofas in Kombination mit dem langsamen Dark Jazz bieten sich dafür einfach an), nur stimmt ihre Chemie nicht so ganz. Ich würde ja gerne hingehen und fragen, aber das wäre irgendwie komisch, und außerdem kommt da grade mein Drink: Virgin Strawberry Colada – weil ich keinen Alkohol trinke, aber trotzdem genau weiß, wie man das Leben in vollen Zügen genießt …

»Danke, Vierauge«, sage ich. Henning boxt mir gegen den Oberarm und lässt sich neben mir aufs Sofa fallen. Wir schauen uns in die Augen, stoßen an, trinken, blicken zusammen in den Raum. Henning zeigt mit seinem Strohhalm auf das zweite Pärchen: »Läuft nicht so gut da, oder?«

»Nope«, sage ich, während ich eine Erdbeere vom Rand meines Glases fische. Eigentlich ist Henning der Bandleader meiner Theatershows, weil er sowohl unfassbar gut Piano spielt als auch komponiert – aber außerhalb der Bühne sind wir einfach beste Freunde. Dieses Wochenende haben wir uns zusammen freigenommen.

»Da vorne läuft’s wohl«, sagt er, auf Dreadlocks-und-Pferdeschwanz weisend, ihre Hand mittlerweile auf seinem Knie. »Jap«, sage ich und beiße in die Erdbeere. Henning hat eine verdammt gute Beobachtungsgabe für Menschen entwickelt. Wir blicken nach links, noch ein Pärchen, augenscheinlich schon weit am ersten Date vorbei, und dann zum Tisch direkt neben uns, an dem sich grade zwei Typen umständlich umarmen. »Schön, dich kennen zu lernen«, schwappt es rüber. Noch mehr Dates.

»Eigentlich möchte jeder doch nur geliebt werden«, philosophiere ich. Henning schaut mich an. Seine Brille funkelt, ein bisschen gefährlich, ein bisschen weise. Er setzt zu einem Schluck von seiner Colada (nicht Virgin) an, hält inne, lässt seinen Blick erneut durch die Bar schweifen. Dann stellt er sein Glas ab, lehnt sich nach vorne und antwortet: »Nee. Nicht geliebt. Eigentlich möchte jeder bloß verstanden werden.«

Und er hat Recht.

2010, Auckland, Neuseeland

Irgendwo zwischen aufgeregt und nervös steige ich aus dem Auto. In meinem Kopf dreht sich immer wieder dieselbe Frage: »Was, wenn der Club das rausfindet?«

»Der Club«, das ist der Waikato Sunrise Rotary Club Hamilton, der mich für mein Austauschjahr in Neuseeland als Gastkind angenommen hat. Wirklich nette Menschen, aber zum Großteil hochchristlich, was zur Folge hat, dass sie von meinen jugendlichen Hypnoseexperimenten nicht allzu begeistert sind. Hypnose, heißt es, komme vom Teufel, und was vom Teufel kommt, wirft bekanntlich (?) kein gutes Licht auf den Club. Es wird bestimmt, dass ich während meines Jahres in Neuseeland keine Hypnose mehr praktizieren darf. Strafe bei Brechen dieser Regel: Mein Auslandsjahr wird abgebrochen und ich verfrüht nach Hause geschickt.

Die Entscheidung war fast einstimmig getroffen worden.

Aber eben nur fast. Maria, eine Buchverlegerin, spricht mich an. Sie ist von meiner Leidenschaft für den menschlichen Geist angetan und findet das Hypnoseverbot sei – Zitat – complete and utter bullshit. Maria kennt einen Mentalisten in Auckland, dem sie mich gerne vorstellen möchte. Seit einem gemeinsamen Buchprojekt weiß sie, dass er auch Hypnose lehrt. Seine Spezialität ist allerdings das Handlesen. ›Handlesen?‹, denke ich, ›ist das nicht alles Quatsch? Aber hey, besser als nichts.‹

Maria macht einen Termin aus, an dem wir zusammen nach Auckland fahren. Ich muss ihr versprechen, dass der Club nichts davon erfährt – offiziell zeigt sie mir bloß Neuseelands Hauptstadt.

›Was, wenn der Club das rausfindet?‹, denke ich zum gefühlt hundertsten Mal, als die Autotür ins Schloss fällt. Vor uns erhebt sich ein großes, nein, ein gigantisches Haus hinter einem langen Rasen. Mehrere üppige Feijoa-Bäume in voller Blüte säumen den Backsteinweg hinauf zu zwei hölzernen Flügeltüren. Was dieser ominöse Mentalist wohl neben seiner Handleserei betreibt, um sich diese Festung leisten zu können?

Marias Sohn, Alex, drei Jahre jünger als ich, ist auch dabei. Er rennt voraus und ist kurz davor, einen der beiden metallenen Türklopfer zu bedienen, als seine Mutter ihn rufend auf die Klingel weist. Er klopft trotzdem (und wer kann es ihm verdenken? Wer die Wahl zwischen Klingel und Klopfer hat, der sollte stets den Klopfer wählen – für den Stil, für das Feeling und für die Magie, die damit einhergehen).

Hinter dem kleinen Fenster in einer der Türen regt sich etwas. Ich bin gespannt, wie ein echter neuseeländischer Mentalist wohl aussieht. Meine Erfahrung mit lebensechten Mentalisten hält sich bislang in Grenzen, doch aus dem Fernsehen weiß ich, dass sie tunlichst viel Schwarz tragen sollten, Ketten und Ringe, am besten mit Pentagramm drauf, oder einen gemusterten Anzug, gerne in Kombination mit Fedora und Taschenuhr.

Die Flügeltüren öffnen sich. In einem Spiegel gegenüber dem Eingang reflektiert kurz die Sonne und blendet mich. Gegen das Licht kommt eine schwarze Silhouette auf uns zu. Dann tritt sie aus der Spiegelung: »Hi. I’m Richard. Would you like some tea?« Vor uns steht ein älterer Herr in Kaki-Shorts, einem kurzärmligen, gestreiften Hemd und, Himmel hilf, grünen Crocs.

Wenige Minuten später sitzen wir, flankiert von zwei gewaltigen Bücherschränken, jeder mit einer Tasse Tee in der Hand auf einem Sofa. Richard sitzt uns gegenüber und beobachtet uns. Es ist merkwürdig: Er sollte alt sein, alles Äußere weist darauf hin, doch er wirkt irgendwie jung. Neugierig. Wach.

»Maria sagt, du möchtest Mentalist werden?«, fragt er nach einer Weile.

Im Brustton der Überzeugung, den nur sehr junge und sehr naive Menschen beherrschen, antworte ich wie aus der Pistole geschossen: »Ich bin Mentalist.« Richard lächelt sanft – ein echtes, warmes Lächeln, welches ich über die nächsten Jahre mehr und mehr zu schätzen lernen werde.

»Dann weißt du bestimmt auch, was Cold Reading ist?«, fragt er weiter und nimmt einen Schokokeks vom Tisch.

»Klar«, sage ich, »alles Barnum-Statements. Man muss nur vage genug sprechen, und dann kauft einem der Gesprächspartner alles ab.«

Richard setzt an, von seinem Keks abzubeißen, dann hält er inne, hält seine Hand auf und fragt: »Darf ich mal deine Handfläche sehen?« Skeptisch strecke ich ihm meine Hand entgegen. Er studiert eindringlich die Linien. Er dreht und wendet meine Hand in diese, dann in jene Richtung. Er drückt gegen meinen Daumen und tastet das Kissen auf meiner Handfläche ab.

Dann liest er mich. Akkurat. Genau. Zu 100 Prozent korrekt. Spezifisch.

»Jetzt ich!«, ruft Alex und streckt Richard begeistert beide Hände entgegen. Das Schauspiel wiederholt sich, erst mit Alex, dann mit Maria. Richard liest souverän unseren Charakter. Ich bin zutiefst verblüfft, auch begeistert, doch am meisten bin ich überrascht. Ist vielleicht doch etwas am Handlesen dran?

Als Maria und Alex sich wenige Zeit später verabschieden, um einen Familienfreund in Auckland zu besuchen, bleibe ich alleine mit Richard zurück. »Are you psychic? Kannst du wirklich aus der Hand lesen?«, frage ich ihn. Er lacht, sanft, schüttelt den Kopf, füllt unsere Tassen...

Erscheint lt. Verlag 19.8.2020
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Beeinflussung • Cold Reading • gedankenlesen • Handlesen • Horoskop • Kommunikation • Manipulation • Menschen durchschauen • Menschen verstehen • Mentalist • Psychologie • Überzeugungskraft
ISBN-10 3-593-44498-4 / 3593444984
ISBN-13 978-3-593-44498-7 / 9783593444987
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