Spirituelle Verwirklichung nach der Philosophie des Kashmir Shaivismus (eBook)

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2020 | 1. Auflage
148 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-2912-7 (ISBN)

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Spirituelle Verwirklichung nach der Philosophie des Kashmir Shaivismus -  Elias Johannes Benedikt
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Der Kashmir Shaivismus bietet einen der klarsten und für unsere Zeit am leichtesten nachvollziehbaren Wege der Gottverwirklichung. In diesem kleinen Buch bietet der erfahrene Lehrer und Heiler Elias Benedikt eine kommentierte Einführung und Erläuterung der beiden wichtigsten Schriften dieser Schule - dem Pratyabhijnahrdayam (Das Herz der Selbstverwirklichung) und den Shiva Sutras. Beide Schriften erläutern den Abstieg des universellen Bewußtseins Shivas bzw. Brahmans aus der Sphäre des Absoluten, seine Manifestation als Welt und Individuum sowie die Grundlagen und verschiedenen Ansätze der Rückkehr und des Aufstiegs des Individuums zu seinem Ursprung. Während das erste Buch die Bedeutung des individuellen Geistes (Citta) und seine wahre Natur als Cit - den absoluten Geist - erläutert, und zeigt, wie der Suchende die in ihm angelegten Begrenzungen durch sein Vertrauen auf die Gnade Gottes (Anugraha) und seine Übung des Selbstgewahrseins überwinden und seine Göttlichkeit verwirklichen kann, erläutern die Shiva Sutras die Bedeutung der Matrika Shakti als der formgebenden Kraft des Geistes und ihre bewußte Nutzung und Anwendung auf unserem Weg der Verwirklichung. Sie zeigen, wie wir durch verschiedene Übungen der Kontemplation, der Meditation und des Matra-Japa unseren Fortschritt wesentlich unterstützen und unser Ziel sicher erreichen können.

Elias Johannes Benedikt ist Heiler und Philosoph platonischer Prägung und begleitet seit über 30 Jahren Menschen auf ihrem Weg zu Gott und Selbst. Ursprünglich an diversen Universitäten in Forschung und Lehre tätig, hat er nach einer initiatischen Erfahrung die universitäre Laufbahn verlassen, einige Jahre im Nahen Osten eine Friedensakademie geleitet und ist heute als selbständiger Seminarleiter und Autor tätig.

Buch 2: Der Tanz von Shiva und Shakti – Ein Kommentar zu den Shiva-Sutras


2. 1 Logos und Matrika-Shakti – Die Logoslehre des Kashmir Shaivismus

Es ist die Tradition des Kashmir Shaivismus, die Natur und Tätigkeit des Logos als schöpferische Kraft des all-umfassenden universellen Bewußtseins in größter Tiefe und Weite untersucht und beschrieben hat. Es sind vor allem das Pratyabhijnahrdayam, die Shiva Sutras, das Vijnana Bhairava und das Paratrisika Vivarana, die ihn – unter dem Namen von Paravak, Parama- oder Matrika-Shakti – thematisiert haben. In der Philosophie der Shaiva-Tradition wird die Höchste Wirklichkeit, die im Vedanta üblicherweise als Brahman oder Sat-Cit-Ananda – Sein-Bewußtsein-Glückseligkeit – benannt wird, als Cit, Parasamvit oder Parama Shiva bezeichnet. Cit und Parasamvit – beide als „reines Bewußtsein“ übersetzbar – werden als der transzendente Grund und Boden (Para) aller ungeschaffenen und geschaffenen Wesen und Dinge angesehen. Davor und darüber steht nur Anuttara, das Absolut-Eine als oberstes Prinzip und letzte Voraussetzung des Höchsten Seins und Bewußtsein.

Cit – reines Bewußtsein – ist transzendent und, sofern es die Existenzbedingung alles Seienden ist, auch immanent. Cit ist all-durchdringend und all-umfassend. Nichts, was ist, ist außerhalb von ihm, und alles, was ist, ist durch es bedingt. Es ist ewig aus sich selbst leuchtend und das, was ist, erscheint in seinem Lichte. Es gleicht einem Spiegel, in dessen kristalliner Reinheit sich die Vielfalt der Erscheinungen der Welt widerspiegelt (Tripura Rahasya). Die ganze Welt gleicht einem großen Eisberg, der in den Wassern des kosmischen Bewußtseins schwimmt.

Cit wird auch als Parama Shiva – transzendente Gottheit – bezeichnet. Ihr kommen alle Attribute göttlichen Seins, sowie alle schöpferischen und bewegenden Kräfte zu. Diese werden als Shaktis bezeichnet. Ihre gemeinsame Wurzel ist Parama Shakti, die dem transzendenten Bewußtsein selbst zukommende bzw. aus ihm entspringende U-Kraft aller Kräfte. Aus der Transzendenz ins Sein kommend, wird Shiva als Gestaltwerdung Parama Shivas, in Gemeinschaft mit Mahashakti, seiner Gemahlin, zum Anfang und Urheber der Schöpfung. In seiner ungeteilten Einheit von Shiva und Shakti bildet Parama Shiva den Großen Demiurgen und König der Welt, den die Griechen Zeus und die Hebräer JHWH nannten. Selbst androgyn, gehen aus ihm die Aspekte von Gott und Göttin hervor, die die personifizierten Formen der Prinzipien von Subjektivität (Shiva) und Objektivität (Shakti) bzw. Yin und Yang sind.

Gemäß der Terminologie des Taoismus entspricht Anuttara – das Höchste Prinzip – dem Tao, das seinerseits Yin und Yang, Männlich und Weiblich, Subjekt und Objekt, in seiner Einheit umfaßt und bei den Griechen als das alltranszendente Eine oder Hen genannt wird.

Shiva, der Höchste Herr, und Shakti, Seine ewige Gemahlin, bilden eine untrennbare Einheit, die einander gegenseitig bedingen. Sie werden zwei, um sich aneinander zu ergötzen und miteinander in einem ekstatischen Tanz all die Erscheinungsformen dieser Welt hervorbringen. Als erstes Paar werden sie zu den Ureltern aller Dinge und Wesen. Aus reiner Liebe zueinander zeugen und gebären sie Welten und Wesen, bleiben aber zugleich von ihren Erzeugnissen – der Welt und den Geschöpfen – unberührt und in untrennbarer Einheit ewig miteinander verbunden. Sie werden zwei, um sich aneinander zu entzücken und sie verschmelzen in Eins, um sich in höchster Transzendenz absoluter Glückseligkeit zu erfreuen.

Der indische Dichter-Heilige Jnaneshwar Maharaj schmiedete seine eigene Erfahrung der Transzendenz in folgende Verse:

„The Lover, out of boundless love, has become the beloved. ...

And out of love for each other, they merge.

And again they seperate for the pleasure of being two.”

„Der Liebende, aus seiner grenzenlosen Liebe

wurde selbst zur Geliebten; beide bestehen aus gleichem Sein."

...

Aus Liebe zueinander verschmelzen sie,

und wieder trennen sie sich aus dem Glücke zwei zu sein.“

(Jnaneshwar: Amritanubhav, Chapter 1, The Union of Shiva and Shakti, Verses 2 & 3)

Alles ist ein Spiel reinen Bewußtseins (Cit-Shakti-Vilas), ein großes Drama, das Shakti zum Ergötzen Shivas inszeniert. Parama Shiva ist der erste und oberste Aspekt allen Seins. Und es ist Er selbst, der in der Zweiheit von Shiva und Shakti zum Grund der Schöpfung wird. Er hat sich in zwei geteilt, um sich der schöpferischen Magie der Zweiheit zu erfreuen und im Zauber gegenseitiger Liebe wieder zu vereinen und in die Seligkeit des Einsseins zurückzukehren. Wie eine große Zauberin, die aus einer Zaubertüte ihr gewaltiges Feuerwerk hervorbringt, so erzeugt Shakti das bunte Drama der Schöpfung, um Shiva zu ergötzen. Er jedoch bleibt ihr verborgener Zeuge, der allein auf die Liebesregungen ihres Herzens schaut.

Jnaneshwar konstatiert die erfahrene Wahrheit in seinen Versen:

„She made evident the Glory of Her Lord,

by spreading out as heaven and earth,

And He made Her famous by concealing Himself.”

„Sie macht Seine Herrlichkeit offenbar,

indem Sie sich als Himmel und Erde ausbreitet,

und Er macht Sie berühmt, indem Er Sich verbirgt.“

(Amritanubhav, Chapter 1, The Union of Shiva and Shakti, Verse 32)

Shiva ist der einzige Zeuge des gesamten Weltprozesses – innen und außen. Er ist das eine Subjekt jeder Erfahrung und jeder Erkenntnis und Shakti ist (Seine) alles-bewegende Kraft:

„Each is object to the other;

but they are subjects to each other as well.

Only when together do they enjoy happiness.

It is Shiva alone who lives in all forms;

He is both the male and the female. ...

It is because of the union of these two,

that the whole universe exists.“ (Verses 16 & 17)

Jeder ist des anderen Gegenüber;

aber zugleich sind beide durch einander bedingt.

Und nur in Gemeinschaft genießen sie Glück.

Es ist Shiva allein, der in allen Formen lebt;

Er ist beides, männlich und weiblich. …

Und nur in der Einheit von beiden

besteht diese Welt“. (Verse 16 & 17)

Paramashiva (Cit) und Shakti (Citi) entsprechen dem reinen Nous und seinem Logos. Der Nous ist absolutes unbewegtes bezeugendes Bewußtsein, der Logos aber dessen dynamische Kraft. Hier – im System des Kashmir-Shaivismus – sind es Shiva und Shakti, die die beiden ersten schöpferischen Prinzipien (Tattvas) bilden. Und alles, was wir in dem Buch „Der Logos und die Dialektik von Sein und Werden“ auf den Logos bezogen sagten, gilt in gleicher Weise auch für den Begriff der Matrika Shakti. Im chinesischen Tao wird diese kosmische Ur- und Lebenskraft als (Qi) bezeichnet. Es ist ein und dieselbe Kraft.

„Ihr einziger Seinsgrund ist das Ergötzen Ihrer Seligkeit

und niemals gestatten sie ihre ewige Einheit zu trennen.

...

Sie sind so bar jeder Trennung,

daß selbst Ihr Kind, die Welt, Ihre Einheit nicht stört.

...

Zu selig ist ihre Einheit für das Universum, sie zu umfassen,

dennoch sind sie beide im kleinsten Atom.

...

Sie allein sind es, die das Haus des Universums bewohnen.

Und wenn der Herr des Hauses schläft,

ist die Herrin hellwach und erfüllt die Aufgabe beider.

Wenn Er jedoch erwacht, so verschwindet das Haus

und nichts Geschaffenes bleibt über.

Sie wurden zwei, um Vielheit zu schaffen,

und beide suchen ewig einander, um Eins zu sein.

...

Es ist um der Einheit der beiden, daß diese Welt existiert.

Die Göttin offenbart die Herrlichkeit Ihres Herrn,

durch die Entfaltung Ihrer leiblichen Form.

Und Er macht Sie berühmt, indem Er Sich verbirgt.

...

Wenn Er Sich verbirgt, erkennt Ihn niemand;

allein durch die Gnade, die Sie verschenkt,

finden wir Seinen verborgenen Ort.

...

Der Mensch findet sich selbst, wenn er erwacht,

desgleichen sah ich den Gott und die Göttin

durch Befreiung vom Ich.“

(Übersetzt aus: Jnaneshwar Maharaj, Amritanubhav, Kap. 1, The Union of Shiva and Shakti)

Wie diese beiden Prinzipien aus unzertrennlicher Gemeinschaft den Weltprozeß hervorbringen und wie dieser Weltprozeß im Bewußtsein des Sadhakas (Wahrheitsuchers) im Akt geistiger Erkenntnis (Sanskrit: Vijnana, Griechisch: Noesis oder Gnosis) überstiegen und in seiner Seele bzw. seinem individualisierten Geist (Citta) überwunden wird, sodaß sie im absoluten Bewußtsein (Cit, Nous) Shivas aufgeht, ist das Grundthema der Shaivistischen Schriften. Sie stützen sich hierbei vollkommen auf den Begriff der gebärenden Kraft von Mahashakti, die in ihren wesentlichen Zügen unserem Begriff des Logos entspricht.

Eine entsprechende Stelle finden wir im Sohar, der Nous und Logos, bzw. Cit und Citi mit Chokmah und Binah, dem obersten durch Selbstentzweiung von Keter als dem Prinzip des universellen ICH-BIN-Bewußtseins entstandenen Sefirot-Paar des...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Geisteswissenschaften Philosophie Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Schlagworte Kashmir Shaivismus • Meditation • Mystik • spirituelle Verwirklichung
ISBN-10 3-7519-2912-6 / 3751929126
ISBN-13 978-3-7519-2912-7 / 9783751929127
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