Das weibliche Gehirn (eBook)

Länger leben, besser schlafen, Demenz vorbeugen - wie Frauen gesund bleiben
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2020 | 1. Auflage
432 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00808-3 (ISBN)

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Das weibliche Gehirn -  Dr. Lisa Mosconi
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Frauen leiden häufiger als Männer an Migräne, Depressionen, Schlaganfällen - und doppelt so oft an Alzheimer. Woran liegt das? Wie unterscheidet sich das weibliche vom männlichen Gehirn? Die Neurowissenschaftlerin und Ärztin Lisa Mosconi weiß, wie wenig bisher über das weibliche Gehirn geforscht wurde und welche Folgen dies für die Gesundheit von Frauen hat. In ihrem Buch beschreibt sie die drastischen Unterschiede zwischen dem weiblichen und männlichem Hirnstoffwechsel, und wie wir das Gehirn schützen - durch Ernährung, Stressreduktion und besserem Schlaf. Dieses Buch zeigt, was Frauen für die Gesundheit ihres Gehirns und ihres Körpers tun können, um schwere Erkrankungen zu vermeiden und dauerhaftes Wohlbefinden zu erlangen.

Dr. Lisa Mosconi, Neurowissenschaftlerin und Nuklearmedizinerin, hat in Florenz promoviert,  leitet die Women's Brain Initiative und ist Direktorin der Alzheimer's Prevention Clinic am Weill Cornell Medical College, wo sie als Professorin für Neurologie und Radiologie lehrt. Zudem ist sie Mitglied der psychiatrischen Fakultät an der New York University.

Dr. Lisa Mosconi, Neurowissenschaftlerin und Nuklearmedizinerin, hat in Florenz promoviert,  leitet die Women's Brain Initiative und ist Direktorin der Alzheimer's Prevention Clinic am Weill Cornell Medical College, wo sie als Professorin für Neurologie und Radiologie lehrt. Zudem ist sie Mitglied der psychiatrischen Fakultät an der New York University. Jorunn Wissmann, Jahrgang 1969, studierte zunächst Tiermedizin in Hannover und fand dann über verschlungene Pfade zum Übersetzen. Seit 1996 übersetzt sie wissenschaftliche Sachbücher sowie Kinder- und Jugendsachbücher aus dem Englischen; außerdem ist sie als Lektorin und Autorin tätig. Sie lebt mit ihrer Familie auf dem Land in Niedersachsen. Monika Niehaus, Diplom in Biologie, Promotion in Neuro- und Sinnesphysiologie, freiberuflich als Autorin (SF, Krimi, Sachbücher), Journalistin und naturwissenschaftliche Übersetzerin (englisch/französisch) tätig. Mag Katzen, kocht und isst gern in geselliger Runde. Trägerin des Martin-Wieland-Übersetzerpreises 2021.

Teil I Verstehen: Die Forschung hinter der Praxis


Kapitel 1 Wie funktioniert das weibliche Gehirn? Eine Innenansicht


John Grays Bestseller Men Are from Mars, Women Are from Venus (deutsch: Männer sind anders, Frauen auch), in der er die heute berühmte Metapher «Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus» prägte, spielt mit der alten populärwissenschaftlichen Faszination hinsichtlich der psychologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Zahlreiche Komödien drehen sich um den berühmt-berüchtigten Kampf der Geschlechter. Wenn uns daran läge, könnten wir in den Chor einstimmen und uns ein weibliches Gehirn vorstellen, das aus Zonen besteht wie dem Ich-muss-augenblicklich-Schokolode-haben-Knoten, der Klatsch-und-Tratsch-Drüse oder dem höchst aktiven Kinder-und-Ehe-Zentrum. Natürlich besäßen unsere männlichen Gegenstücke ihr eigenes Repertoire an ähnlich satirisch verzerrten Arealen, darunter ein paar Elektrowerkzeug-Drüsen, einen rasch feuernden Lahme-Ausreden-Lappen und eine stets trotzige «Sich verirren und es nicht zugeben»-Region.

Warum sich Männer und Frauen unterschiedlich verhalten, darüber wird bereits seit alters her diskutiert. Die Idee, das Gehirn könne die wichtigste Ursache für die Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen sein, ist jedoch überraschend modern und wurde als echter Schlüsselfaktor erst in den 1960er Jahren wirklich akzeptiert. Zuvor war man überzeugt, unsere Genitalien würden die entscheidende Rolle spielen. Im Jahr 1992 machten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch eine entscheidende Entdeckung: Unsere sogenannten Geschlechtshormone, wie Östrogen und Testosteron, beeinflussen nicht nur unser Sexualverhalten, sondern auch unsere Gehirnfunktion. Mit anderen Worten hat sich herausgestellt, dass die Hormone, die untrennbar mit unserer Sexualität verbunden sind, ebenso entscheidend für das allgemeine Funktionieren unseres Geistes sind.

Zwar bieten unser biologisches Geschlecht und die damit einhergehenden Hormone keine universelle Erklärung für unsere Gesundheit oder unser Verhalten, dennoch manifestieren sich Geschlechtsunterschiede im Gehirn in vielerlei faszinierender und oft übersehener Weise. Das liegt zum Teil daran, dass Hormone Produkt unserer DNA sind, und wie wir wissen, unterscheidet sich unsere DNA in Abhängigkeit vom biologischen Geschlecht. Viele Menschen wissen jedoch nicht, dass das X-Chromosom deutlich größer ist als das vergleichsweise winzige Y-Chromosom. Ein internationales Forscherteam hat 1098 Gene auf dem X-Chromosom identifiziert – wohingegen das Y-Chromosom nur 78 Gene trägt. Das heißt, dass eine Frau aufgrund ihrer zwei X-Chromosomen über 1000 Gene mehr besitzt als ein Mann, und viele davon spielen für die Hormonproduktion wie auch für die Gehirnaktivität eine entscheidende Rolle.

X kennzeichnet den Ort: Das östrogenbetriebene Gehirn


Alle Frauen sind sich intuitiv bewusst, dass ihr Gehirn und ihre Hormone in ständigem Austausch stehen, und viele von uns führen ihre Stimmungen darauf zurück. Tatsächlich haben unsere weiblichen Hormone starke, tiefgreifende Effekte auf das Gehirn, und diese Effekte gehen weit über die typischen Merkmale des prämenstruellen Syndroms (PMS) und die Vielfalt anderer Hochs und Tiefs hinaus, die mit unserem Menstruationszyklus einhergehen.

Hormone sind potente biochemische Verbindungen, die an so gut wie jedem Vorgang in Körper und Gehirn beteiligt sind, einschließlich Zellstoffwechsel, Gewebewachstum und Erholung von Verletzungen. Dadurch halten Hormone unser Gehirn lebendig, voller Energie und jung. Gleichzeitig halten sie unsere Knochen stark, unseren Darm aktiv und unser Sexleben in Schwung. Darüber hinaus beeinflussen sie unser Gewicht, die Immunfunktion und auch die Umwandlung von Nahrung in nutzbare Energie. Dank ihrer alles umfassenden Rollen beeinflussen unsere Hormone jeden Aspekt unserer Physiologie und damit auch unserer körperlichen wie geistigen Gesundheit. Wenn Ihre Hormone ins Stolpern geraten, spüren Sie dies überall, von Ihren Gelenken bis zu Ihren Gedanken. Je nachdem, ob unsere Hormone ausbalanciert sind oder aus dem Gleichgewicht geraten, erleben wir nicht nur Veränderungen bei einer ganzen Reihe körperlicher Funktionen, sondern auch in bei unserer kognitiven Leistung, unserer Stimmung und unserer geistigen Frische; das reicht bis hin zu der Art und Weise, wie wir denken, reden, fühlen und uns erinnern.

Zwar sind alle Hormone in dieser Hinsicht wichtig, doch ein Großteil der Forschung konzentriert sich auf 17-Beta-Östradiol, besser bekannt als «Östrogen» (auch «Estrogen») als einem wichtigen, wenn nicht gar dem wichtigsten Faktor für die weiblich Gehirngesundheit. Östrogen ist ein «Masterregulator» im weiblichen Gehirn und dient vielen Zwecken, die nichts mit Fortpflanzung, sondern vielmehr mit dem Energiestoffwechsel zu tun haben. Östrogen spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der Energieproduktion und dem allgemeinen Gleichgewicht verschiedener Gehirnfunktionen (Homöostase). Das ist besonders wichtig, um Hirnzellen gesund wie auch aktiv zu halten und um die Gehirnaktivität in Regionen zu unterstützen, die für Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Planung zuständig sind.

Zudem ist Östrogen ein neuroprotektives («nervenzellschützendes») Hormon und spielt eine entscheidende Rolle für den Schutz des Gehirns, indem es das Immunsystem auf Trab bringt und so die Nervenzellen (Neurone) vor Schäden schützt.

Und Östrogen schützt nicht nur unsere Nervenzellen, sondern fördert zudem die Ausbildung neuer Verbindungen zwischen diesen Zellen. Ein wohlverknüpftes Gehirn ist seinerseits widerstands- und anpassungsfähiger. Darüber hinaus ist Östrogen auch so etwas wie ein «natürliches Antidepressivum». Der Östrogenspiegel beeinflusst die hirneigene Produktion von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), einer Verbindung, die das Nervensystem beruhigt, während sie zugleich die Freisetzung von Endorphinen fördert, den natürlichen Schmerzkillern des Körpers. Und schließlich tragen all unsere Hormone zur Hirndurchblutung bei, was entscheidend ist, um das Gehirn mit genügend Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen.

All diese Effekte setzen in unserem Gehirn schon während der Entwicklung des Embryos in der Gebärmutter ein. Im Lauf der Zeit spielen zirkulierende Hormone eine wichtige Rolle bei der sexuellen Differenzierung des Gehirns. Androgene (männliche Hormone wie Testosteron) erzeugen ein «männliches» Gehirn, während ein Mangel an solchen Androgenen in Verbindung mit einem nachfolgenden Anstieg an Östrogenen (weiblichen Hormonen) zu einem «weiblichen» Gehirn führt.

Auch wenn diese Unterschiede subtil sind, kann man sie, wenn man sich die Gehirne von Männern und Frauen so genau anschaut, wie ich es tue, manchmal entdecken. Je nachdem, welcher Hormontyp im Gehirn vorherrscht (Östrogen bei Frauen, Testosteron bei Männern), produziert es unter Umständen mehr oder weniger an bestimmten Neurotransmittern, den chemischen Botenstoffen, die das Gehirn für Signalgebung, Kommunikation und Informationsverarbeitung einsetzt. Im Allgemeinen erzeugt das Gehirn von Männern mehr Serotonin, den «Wohlfühl»-Neurotransmitter, der für Stimmung, Schlaf und auch Appetit eine Rolle spielt. Frauen produzieren hingegen mehr Dopamin im Gehirn, eine Verbindung, die für den eigenen Antrieb und belohnungsmotiviertes Verhalten verantwortlich ist.

Noch spannender ist, dass manche Teile unseres Gehirns «sexuell dimorph» sind, das heißt, dass sie sich je nach biologischem Geschlecht in ihrem Bau ein wenig unterscheiden. Wie sich beispielsweise herausgestellt hat, kann man die Tatsache, dass Männer und Frauen Dinge nicht in derselben Weise sehen, sowohl im übertragenen als auch im realen Sinne verstehen. Denn tief im visuellen Cortex, dem Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung visueller Information zuständig ist, finden wir ein gutes Beispiel dafür, warum Männer und Frauen im Hinblick auf das, was sie sehen, nicht immer einer Meinung sind. Während Männer mehr M-Zellen besitzen, die für die Wahrnehmung von Bewegung zuständig sind, haben Frauen mehr P-Zellen, die besonders zur Wahrnehmung von Objekten und Formen geeignet sind. (Könnte das erklären, warum es Frauen leichter fällt, Dinge im Kühlschrank zu finden?)

Was unsere Ohren betrifft, so haben Frauen im Allgemeinen ein besseres Gehör als Männer, teilweise deshalb, weil wir 11 Prozent mehr Neurone im primären auditorischen Cortex (Hörrinde) haben, dem Teil des Gehirns, in dem Schallinformation entschlüsselt wird. Und obwohl Männer generell ein größeres Gehirn haben, weil sie generell größer sind, haben Frauen eine dickere Großhirnrinde, die offenbar auch besser vernetzt ist. Insbesondere sind der Hippocampus (das Gedächtniszentrum des Gehirns) und die Amygdala (das emotionale Zentrum des Gehirns) im weiblichen Gehirn enger mit dem frontalen Cortex verbunden, der für abstraktes Denken, Planen und Logik zuständig ist.

Infolgedessen sind Geschlechtsunterschiede in der Gehirnkonnektivität im limbischen System, dem Teil des Gehirns, der den oben bereits erwähnten Hippocampus und die Amygdala umfasst, besonders stark ausgeprägt. Das limbische System strahlt auch auf das Erleben von Liebe und Zuneigung aus und damit auf die unzähligen Faktoren, die daran beteiligt sind, eine Familie zu haben. Dieser Teil des Gehirns...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2020
Übersetzer Jorunn Wissmann, Monika Niehaus
Zusatzinfo Mit 3 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Krankheiten / Heilverfahren
Schlagworte Altern • Altersdemenz • Alzheimer • Anne Fleck • Besser schlafen • Demenz • Ernährung • Frauen • Frauengesundheit • Gehirn • Gehirnforschung • Gesundheit • Hirnforschung • Hormone • Hormonersatztherapie • Humanmedizin • Medizin • Nerven • Nervensystem • Neurologie • Östrogen • Schlafstörung • Sheila de Liz • Stressreduktion • Wissen • Wissenschaft
ISBN-10 3-644-00808-6 / 3644008086
ISBN-13 978-3-644-00808-3 / 9783644008083
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