KÖNIGLICH BERLIN - Josef Erzgraber, Stefan Finck von Finckenstein, Otto Schily

KÖNIGLICH BERLIN

Gedenkblatt zum 150jährigen Jubiläum der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin
Buch | Hardcover
78 Seiten
2001
Finckenstein & Salmuth (Verlag)
978-3-934882-12-6 (ISBN)
48,00 inkl. MwSt
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VORWORT von OTTO SCHILY:

Das Signet KPM gilt auch fast 250 Jahre nach der Gründung der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin als ein herausragendes Gütesiegel. Reichtum, Harmonie und Originalität der Formen und Dekore aus den Werkstätten der KPM beeindrucken uns heute wie viele Generationen zuvor.

Als Friedrich der Große 1763 die KPM als Staatsinstitut gründete, begann die Geschichte der glanzvollen Porzellankunst Preußens. Die Porzellanproduktion der Berliner Manufaktur steht in der guten preußischen Tradition der Förderung von Wissenschaft und Kunst. Bereits der Große Kurfürst hatte das Handwerk und das Kunsthandwerk in seinem Staat unterstützt.

Die Porzellanmaler bildeten einen besonderen Berufsstand; sie gehörten keiner Zunft an, deshalb bedurften sie eines kurfürstlichen Privilegs, um ihre glanzvollen Produkte herstellen zu können. Das Brennen und Bemalen der Porzellanmasse bedeutete kulturellen Aufschwung, herrschaftliches Prestige und wirtschaftliche Profilierung.

Mein Großvater Hermann Theodor Schmuz-Baudiss war von 1908 bis 1925 künstlerischer Leiter der KPM. In seinem Bemühen, eine Einheit von Form, Dekor und Funktion zu finden, schuf er, der selbst Maler und Keramiker war, Werke, die heute noch zu den Klassikern der KPM gehören. Eine seiner bekanntesten Porzellanarbeiten ist das Ceres-Speiseservice, das er 1913 zum 150-jährigen Firmenjubiläum entwarf. Es symbolisiert in gelungener Weise die Verbindung von Natur und Kultur und verknüpft die alte preußische Tradition der KPM mit den ästhetischen Entwicklungen der 20er Jahre.

Dass mein Großvater Keramiker wurde und schließlich der KPM mit seinen Jugendstil-Entwürfen neue Impulse geben konnte, ist einem ganz banalen Umstand zu verdanken, einem langanhaltenden Regen während der Sommerfrische. Meine Großmutter brauchte aus gesundheitlichen Gründen immer frische Ziegenmilch. Die gab es bei einem Töpfermeister Treffler in Diessen am Ammersee, bei dem meine Großeltern sich im Sommer 1896 aufhielten. Eines Tages regnete es ganz fürchterlich, und mein Großvater, der damals noch ausschließlich der Malerei zugewandt war, konnte seine Staffelei im Regen nicht aufstellen. An diesem Nachmittag setzte er sich an die Töpferscheibe und lernte, Krüge und Milchschüsseln zu formen. So begann er seine Laufbahn als Keramiker, die ihn zur KPM führte.

Mit seinem Talent und seinen praktischen Kenntnissen, die er in der Werkstatt des Töpfermeisters entdeckte und die er später in der eigenen Werkstatt weiterentwickelte, hat Hermann Theodor Schmuz-Baudiss dann auf fast allen Arbeitsgebieten der KPM anregend gewirkt und ihrem künstlerischen Schaffen ein neues, selbstständiges Gepräge gegeben.

Die KPM gehört zu den großen Manufakturen im Spannungsfeld zwischen Kunst und Handwerk, in denen hohe handwerkliche wie künstlerische Fähigkeiten entwickelt werden und meisterhafte Auseinandersetzung mit dem Material seit Jahrhunderten gepflegt und tradiert wird.

Solche Traditionen unserer Kultur gilt es zu bewahren. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass sich die KPM - ein Unternehmen mit aufwändiger Herstellung seiner Produkte in künstlerischer Handarbeit - auch in Zukunft im Wettbewerb behaupten kann.

JOSEF ERZGRABER verfaßte 1913 dieses nun als Facsimile vorliegende Gedenkblatt zum 150jährigen Jubiläum der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin. Er schuf damit ein didaktisch klug angelegtes und allgemeinverständlich gefaßtes Vademecum, das Historie und wirtschaftliche Entwicklung der Manufaktur fesselnd beschreibt und einen Teil ihres reichen Fomenschatzes präsentiert. Bei seinen umfangreichen Ausführungen zu den technischen Belangen der Manufaktur erweist sich Erzgraber als profunder Kenner des Arkanums der Porzellanherstellung. Josef Erzgraber kam am 27. März 1875 in Würzburg als Sohn von Philipp Erzgraber und dessen Ehefrau Katharina geb. Gagell zur Welt; katholisch und mit der bayerischen Staatsbürgerschaft. Eine frühe Beziehung zur Technik erschloß sich ihm durch den Vater, seines Zeichens Ingenieur des Stadtbauamtes Würzburg. Nach bestandener Reifeprüfung schlug Erzgraber die Offizierslaufbahn ein, die er allerdings aus gesundheitlichen Gründen bald aufgeben mußte. Private Studien und zahlreiche Reisen vervollkommneten seine an einem humanistischen Gymnasium erworbene Ausbildung. Dem anschließenden Besuch der Handelshochschule folgte ein Bankvolontariat. So für das Wirtschaftsleben im prosperierenden Deutschland der Jahrhundertwende gerüstet, bezieht der Königlich Bayerische Leutnant a. D. im Juli 1905 eine Wohnung in der Ohmstraße 3 in München-Schwabing und wird in der bayerischen Residenz Sekretär des Polytechnischen Vereins. Bald schon konnte sich Erzgraber seiner eigentlichen Bestimmung zuwenden: der Tätigkeit in der keramischen Industrie. Zunächst arbeitete er für die Königlich Bayerische Hofglasmalerei F. X. Zettler in München, einem Unternehmen, das seit seiner Gründung 1870 überwiegend monumentale Aufträge für die Höfe Europas und den Klerus ausführte. Seit 1902 gab es Niederlassungen in New York und Chicago; allein dort findet man noch heute in mehr als 30 Kirchen Zettlersche Fenster. König Carol von Rumänien war mit den 200 Glasmalereien für sein großes Schloß Pelesch bei Sinaia so zufrieden, daß er die Firma 1910 zur Königlich Rumänischen Hofglasmalerei ernannte. Weltberühmt waren die heute zerstörten Ateliergebäude in der Münchener Brienner Straße 23 mit ihrem zwölf Meter hohen Ausstellungssaal, in dem komplett aufgebaute Monumental-Verglasungen gezeigt werden konnten. Im August 1909 heiratete Josef Erzgraber die am 16. März 1868 geborene Wienerin Paula Stegmann und zog in die Bevernstraße 2 in Berlin-Kreuzberg, um die Geschäfte der Deutschen Glasmosaik-Gesellschaft Puhl & Wagner zu führen. Die gleichfalls international tätige Unternehmung war seit 1901 Hoflieferant Seiner Majestät, des Kaisers und Königs. Inwieweit Erzgraber hier auch in die aquisitorische und kaufmännische Abwicklung großer prestigeträchtiger Aufträge, wie beispielsweise die Fortführung der Mosaizierung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin oder des Aachener Domes eingebunden war, ließ sich nicht ermitteln. Welche Wertschätzung seinem neuen Arbeitgeber seitens des Hofes zukam, wird an der Bemerkung Kaiser Wilhelm II. deutlich, der sich gern als "ersten Reisenden des Hauses Puhl & Wagner" bezeichnete. Die Firma residierte in einem von Franz Schwechten, dem Lieblingsarchitekten des Kaisers, entworfenen neoromanischen Fabrikpalast in der Kiefholzstraße in Berlin-Treptow, der von der Bevölkerung mit Recht als Zauberburg bezeichnet wurde: So prachtvoll und geheimnisvoll wirkte diese "Schauhalle des Mosaiks und der Glasmalerei" mit ihrem goldenen Schornstein nach Entwürfen von César Klein und Wandmosaiken nach Pechstein, Bengen, Dülberg und anderen Großen der Zeit auf den Betrachter aus der Ferne. Geprägt von dieser Tätigkeit im Bereich der angewandten Kunst wurde Josef Erzgraber um 1912 Dezernent der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Berlin. Hier entstand das Gedenkblatt "KOENIGLICH BERLIN", das ihn nicht nur als gewissenhaften Chronisten ausweist, sondern auch seine Qualitäten als Mann der Werbung belegt: Nahezu alle in der Festschrift abgebildeten Erzeugnisse konnten 1913, dem letzten Friedensjahr, in der KPM erworben werden. Im Weltkrieg von 1914 bis 1918 wurde Erzgraber Hauptmann; zuletzt war er bei dem Oberkommando in den Marken als kaufmännischer Sachverständiger tätig. Nach dem Krieg war er bis 1925 leitender Angestellter bei der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) in Berlin. In der Folge berief man ihn zum alleinigen Vorstand und Direktor der 1901 auf Betreiben des Malers Hans Thoma errichteten, vormals Großherzoglichen, nunmehr Staatlichen Majolika-Manufaktur in Karlsruhe. Nicola Moufang, dem die KPM den 1927 erschienenen Prachtband "Alt-Berlin in Porzellan" verdankt, war seit 1921 in der Geschäftsführung der Majolika-Manufaktur tätig. So steht zu vermuten, daß er die Verbindung zu Erzgraber knüpfte. Da im Zweiten Weltkrieg die Karlsruher Archive vernichtet wurden, läßt sich über sein dortiges Wirken wenig sagen. Gleich zahlreichen Biographien jener Zeit verliert sich die weitere Vita Josef Erzgrabers im Laufe der Geschichte. Vielleicht kann das Facsimile dieses Gedenkblattes neben der Würdigung ihres Autors auch zu weiteren Erkenntnissen über seinen Lebensweg führen. Diese Festschrift ist für mich eine Art Denkmal auf dem Gebiet des Porzellans und ich hoffe, daß viele dem Weißen Gold Verbundene nun gern eine mögliche Lücke in ihrer Fach- oder Privatbibliothek schließen werden. Stefan Graf Finck von Finckenstein.

Illustrationen F Albert Schwartz
Zusatzinfo über 100 Abb.
Sprache deutsch
Maße 232 x 315 mm
Gewicht 630 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Antiquitäten
Sachbuch/Ratgeber Freizeit / Hobby Sammeln / Sammlerkataloge
Schlagworte Berlin • Friedrich der Große • Königliche Porzellan Manufaktur (KPM) • KPM • Porzellan • Schily, Otto • Schmuz-Baudiss • Seger, Hermann
ISBN-10 3-934882-12-9 / 3934882129
ISBN-13 978-3-934882-12-6 / 9783934882126
Zustand Neuware
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