Jeder Magen hat seinen Reiz (eBook)

Warum wir Sodbrennen bekommen und Liebe durch den Magen geht. Alles über unser empfindsamstes Organ
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2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-25839-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jeder Magen hat seinen Reiz -  Michael Schäffer,  Christiane Paulsen
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In diesem ersten populärwissenschaftlichen Sachbuch zum Thema Magen nimmt uns der renommierte Chirurg Prof. Dr. med. Schäffer mit auf eine ebenso unterhaltsame wie informative Reise in unser Inneres. Wir erfahren, warum sich unser Magen nicht selbst verdaut, uns die Magensäure vor Infektionen und krebserregenden Substanzen schützt, was gegen Reflux hilft, wodurch wir Schluckauf bekommen (und ob er durch Luftanhalten wirklich weggeht), welche Magenbeschwerden alarmierend und welche harmlos sind, warum Stress uns auf den Magen schlägt, Diäten nicht unbedingt magenfreundlich sind, und wieso Hering bei Kater hilft.

Ein umfassender, charmanter Blick auf ein vielseitiges Organ, der zeigt: Den Magen muss man mögen - obwohl man erstaunlicherweise sogar ohne ihn leben könnte, wenn man es denn müsste.

Prof. Dr. med. Michael Schäffer (Jahrgang 1965) gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der Bauch- und Tumorchirurgie. Als Universitätsprofessor in Tübingen und Chefarzt am renommierten Marienhospital in Stuttgart vereint er Wissenschaft und Praxis. Er ist für seine Bereitschaft bekannt, sich auch an scheinbar aussichtslose Fälle und hochkomplizierte Operationen zu wagen. Der weithin anerkannte Experte versteht es meisterhaft, auch komplexe medizinische Vorgänge für Laien spannend und mit viel Charme zu erklären.

Näherung an das große Unbekannte – Testen, Tasten, Technik: Wie untersucht man einen Magen?

»Zuerst die Beobachtungen und dann der Versuch, dann das Denken ohne Autorität, die Prüfung ohne Vorurteil.«

Rudolf Virchow (1821–1902)

Schwertschlucker und die Idee der Magenspiegelung

Wenn hinter der Koutoubia-Moschee in Marrakesch die Sonne untergeht, wird unweit davon auf dem Marktplatz Djemaa el-Fna – das heißt »Platz der Geköpften« – das Nachtleben aufgedreht. Nur etwa vier Flugstunden von Frankfurt, dreieinhalb Stunden von Zürich und etwas mehr als vier Flugstunden von Wien entfernt, taucht man ein in eine exotische, fremdartige Welt. Dann kommen sie, Gaukler, Jongleure, Schlangenbeschwörer, Wahrsagerinnen, Henna-»Künstlerinnen« und unterschiedlichste Garküchen-Betreiber. Das laute Treiben bildet zusammen mit den unterschiedlichen Düften des Vorderen Orients eine eigenartige, fremde Kulisse, die nicht nur Augen und Ohren, sondern auch die Geruchssinne vereinnahmt. Wer schon dort war, wird dies nicht so schnell wieder vergessen.

Was der La Place, wie das Areal heute genannt wird, und das allabendliche Treiben mit dem Magen zu tun hat? Nun, mehr, als sich das manche begeisterte Besucher denken. Zum einen kann man sich durch den unvorsichtigen Genuss der Speisen aus den Garküchen Magenverstimmungen oder Magen-Darm-Infektionen »einfangen«. Dann hat man nicht nur exotisch anmutende Urlaubsbilder als Andenken, sondern noch tage- und im schlimmsten Fall wochenlang Magen-Darm-Probleme. Zum anderen gibt es auf dem La Place immer wieder auch Schwertschlucker zu sehen. Und diese wagemutigen Menschen kommen ihrem Magen mit den kühn und mit gespielter Selbstverachtung in den Rachen geschobenen Degen oder Schwertern sehr nahe. Schwertschlucker sind seit jeher spektakuläre Jahrmarktsattraktionen. Keineswegs ist dies aber auch für »Profis« eine harmlose Angelegenheit; leichtere Verletzungen sind sehr häufig. Allerdings gibt es auch wahre Experten unter den Schwertschluckern. Viele können mehrere Schwerter gleichzeitig bis in den Magen einführen, einzelne bis zu zehn Schwerter. Der Rekord eines lebenden Schwertschluckers liegt bei 16 auf einmal geschluckten Schwertern.

Dazu muss man wissen, dass gemäß der internationalen Schwertschluckervereinigung eine Schwertklinge mindestens zwei Zentimeter breit und 38 Zentimeter lang sein muss. 50 bis 60 Zentimeter lange Schwerter sind keine Seltenheit, der Rekord liegt angeblich bei 82,5 Zentimetern. Jeder fünfte Schwertschlucker hat einer Untersuchung zufolge schon einmal ein Loch im Rachen oder in der Speiseröhre gehabt, jeder dritte eine Blutung in der Speiseröhre oder im Magen. Einem von 46 befragten Schwertschluckern musste sogar einmal ein Brotmesser durch einen Bauchschnitt aus dem Magen geholt werden. Nur bei stark überstrecktem Kopf bildet die Speiseröhre, die durchschnittlich etwa 25 Zentimeter lang ist, eine gerade Linie. Entsprechend wird das Schwert immer in dieser Position eingeführt. Schwertschlucker müssen sich zudem den Würgereflex abtrainieren und in der Lage sein, die Muskulatur im Rachen und in der Speiseröhre, die nach gängiger Lehrmeinung nicht einer willkürlichen Beeinflussung unterliegt, komplett zu entspannen. Tägliche Übungen über Monate und Jahre sind daher Voraussetzung für eine erfolgreiche Schwertschluckertätigkeit.

Die erste Magenspiegelung unter Verwendung von Spiegeln und einer Gaslampe wurde entsprechend mit einer starren Röhre 1868 von Adolph Kußmaul (1822–1902) an einem Schwertschlucker in einer Weinschenke – wohl die »Wolfshöhle« – der Breisgaumetropole Freiburg vorgenommen. Was aus der Versuchsperson wurde, ist nicht überliefert. Und dem damaligen Experiment hätte ich auch nicht beiwohnen wollen. Es ist erstaunlich, welchen Torturen sich Menschen schon unterzogen haben – sei es aus Übermut, im betrunkenen Zustand oder einfach nur, um den »starken Mann« zu spielen. Wir wären jedoch um manche Erkenntnisse ärmer, wenn nicht irgendwelche Leute aus medizinischer Neugier heraus oder einfach als »Mutprobe« den Anfang gemacht hätten, unsere Körper-Innenwelt zu erforschen. Heute jedenfalls ist eine »Magenspiegelung«, bei der typischerweise Speiseröhre, Magen und meist auch der erste Abschnitt des Zwölffingerdarms untersucht werden, in Expertenhänden eher ungefährlich. Verletzungen kommen nahezu ausschließlich an vorgeschädigten Speiseröhren vor, also wenn die Speiseröhre aus irgendeinem Grund ganz besonders empfindlich ist, oder wenn diagnostische oder therapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Muss etwa ein Tumor aus der Speiseröhre oder dem Magen entfernt oder eine Probe außerhalb des Magens mit einer Nadel durch die Magenwand entnommen werden, kann es in seltenen Fällen zu einer Verletzung kommen. Ein richtiges Loch in der Speiseröhre oder im Magen ist immer gefährlich. Winzige Löcher »verklebt« unser Körper von allein, größere müssen aktiv verschlossen werden.

Magenspiegelung

Heute sind es biegsame und bewegliche schwarze Schläuche, die in den Magen eingeführt werden. Die Spitze des Schlauches kann aktiv bewegt werden, damit man besser um Ecken und Kurven sehen kann. In den Schläuchen verlaufen ein Lichtkanal zum Ausleuchten der Organe, ein Kanal mit einer Glasfaseroptik, der meist an einen Bildschirm angeschlossen ist sowie ein oder mehrere Arbeitskanäle, durch die sehr feine Arbeitsgeräte, wie etwa Zangen oder Punktionsnadeln, eingeführt werden können. Damit es für den Patienten nicht so unangenehm ist, wird heutzutage während der Untersuchung meist ein kurz wirksames Schlafmittel gespritzt. Patienten müssen vor einer Magenspiegelung nüchtern sein, das heißt, sie dürfen am Tag der Untersuchung nichts gegessen oder getrunken haben. Mit »nüchtern« im Sinne von »kein Alkohol« hat der medizinische Begriff – anders, als man leichthin annehmen könnte – nichts zu tun.

Das Gastroskop (von griechisch gaster: Magen, Bauch), wie das Gerät zur Magenspiegelung genannt wird, ist das wichtigste Instrumentarium für Untersuchungen am Magen. Die allermeisten Erkrankungen des Magens spielen sich in seinem Inneren bzw. auf der Innenfläche der Magenwand ab. Wird eine Erkrankung des Magens vermutet, wird dieser daher auch meist als Erstes von innen betrachtet. Da hat es natürlich ein Hautarzt leichter, er benötigt nur seine eigenen Augen und gegebenenfalls spezielle Vergrößerungsgläser. Ein Gastroenterologe, also ein Internist mit Spezialisierung auf Magen-Darm-Erkrankungen, der »seine« Organe betrachten möchte, muss immer zuerst zum Gastroskop für den Magen und zum Koloskop (von lateinisch colon: Darm) für den Darm greifen. Mit dem Gastroskop können Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm untersucht werden. Neben der reinen Blickdiagnose beim Betrachten des Magens von innen können auch Proben entnommen werden. Gut- und bösartige Veränderungen lassen sich so nach einer Analyse im Labor unterscheiden. Auch Geschwüre oder Magenschleimhautentzündungen können erkannt werden, genauso wie eine Infektion mit dem Magenkeim Helicobacter pylori.

Neben der Diagnostik kann mit dem Gastroskop auch behandelt werden. In erster Linie kommen hier Blutungen infrage. Mit Clips oder in die Magenwand eingespritzter Flüssigkeit können kleine Gefäße verschlossen und Blutungen gestillt werden. Das ist manchmal recht knifflig, wenn ein spritzendes Gefäß gefasst werden soll, ohne dabei permanent die Optik vollzukleckern. Moderne Gastroskope haben daher auch immer eine Spülvorrichtung, mit der man sich sofort wieder klare Sicht verschaffen kann. Neben Blutungen können auch oberflächliche Tumoren behandelt werden, die noch nicht zu sehr in die Magenwand eingewachsen sind. Solche kleineren Tumoren und Polypen, die manchmal wie blumenkohlartige Wucherungen aus der Magenwand ragen, können oft über eine Magenspiegelung abgetragen werden. Gelingt es nicht, eine Blutung mittels Magenspiegelung zu stillen, oder ist der Tumor zu groß oder bereits zu tief in die Magenwand eingewachsen, muss es der Chirurg richten. Gastroenterologe und Chirurg müssen sich daher immer gut absprechen, welcher Patient wie am besten geheilt werden kann. Häufig, etwa bei einer Blutung im Magen, versucht zunächst der Gastroenterologe die Blutung zu stillen, weil es das schonendere Verfahren ist, und übergibt den Patienten direkt an den Chirurgen, falls er nicht erfolgreich ist. Zum Glück für unsere Patienten gelingt es heute aber in den meisten Fällen, Blutungen durch eine Magenspiegelung zum Stillstand zu bringen.

Vor »innen« kommt »außen«

Doch bevor es zu einer Magenspiegelung kommt, sind andere, sehr wichtige Untersuchungsschritte erforderlich. Zunächst fängt nach dem Gespräch mit dem Patienten alles von außen an. Den Magen von außen zu untersuchen ist schwierig. Auch sind die Aussagen von Patienten, sie hätten Magenschmerzen, für uns Chirurgen mit Vorsicht zu genießen. Gerne werden alle möglichen Empfindungen und Schmerzen im Bauch zwischen Brustbein und Nabel mit dem Magen in Verbindung gebracht. Oft klagen nämlich Patienten, die in die Notaufnahme kommen, über »Magenschmerzen« und meinen »Bauchschmerzen«. Selbst auf Nachfrage, ob sie denn Bauchschmerzen hätten, antwortet manch Geplagter, nein, er hätte »Magenschmerzen«. Wäre die Lage nicht so ernst, könnte man die Situation fast komisch finden. Wir Ärzte wissen, dass der Magen häufig nicht an den Schmerzen und der zugrunde liegenden Krankheit beteiligt ist. Schmerzen in der Magengrube können nämlich genauso gut vom Zwölffingerdarm, Dünndarm, Blinddarm, von der Bauchspeicheldrüse und...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2021
Illustrationen Ann-Kathrin Hahn
Zusatzinfo mit s/w-Illus. im Text
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie
Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Schlagworte Bauch-OP • Bauchraum • Bauchschmerzen • Bauchweh • Chirurgie • Darm mit Charme • Diäten • eBooks • Gallensteine • Gesundheit • hautnah • Magenband • Magenkrebs • Magen-OP • Magenschmerzen • Magen- und Darmkrankheiten • Medizin • Operationen • Organe • Pop-Science • Populärwissenschaft • Ratgeber • Ratgeber Medizin • Reflux • Reizmagen • Schonkost • Sodbrennen • Stress • Unverschämt • Verdauung
ISBN-10 3-641-25839-1 / 3641258391
ISBN-13 978-3-641-25839-9 / 9783641258399
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