Prinzessinnenjungs -  Nils Pickert

Prinzessinnenjungs (eBook)

Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
254 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86627-1 (ISBN)
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Wir haben feste Erwartungen an die Geschlechterrollen, die Jungen zu erfüllen haben. Noch immer sollen sie stark sein, ab einem gewissen Alter lieber nicht mehr weinen und keine Röcke tragen. Der Feminist, Journalist und Vater Nils Pickert hat ein leidenschaftliches, gedanklich präzises und berührendes Plädoyer für die Freiheit von Geschlechterrollen in der Erziehung unserer Söhne geschrieben. Er beschreibt, wo diese Männlichkeits-Normierung beim Spielzeugkauf, auf dem Schulhof oder im Gefühlsleben stattfindet und wie sehr sie Jungen in ihrer Entfaltung schadet. Der Autor zeigt, wie sehr viele Jungen Fürsorglichkeit und Puppen lieben - und brauchen. Es gibt eine unendliche Vielfalt an Wegen, vom Jungen zum Mann zu werden. Wie Eltern ihre Söhne dabei unterstützen können, schildert Nils Pickert mit vielen Hinweisen und Beispielen. Aus der Einleitung: 'Jungen verdienen so viel mehr als das, was ihnen momentan angeboten wird. Sie verdienen Körperkontakt, Mitgefühl, Trost und Einhornglitzer. Sie verdienen es, Prinzessinnenjungs sein zu dürfen. Diesen Titel trägt das Buch nicht zufällig. In jedem Jungen steckt ein Prinzessinnenjunge. In jedem Jungen stecken Träume, Hoffnungen und Eigenschaften, die als unmännlich, schwach und mädchenhaft bezeichnet und als falsch markiert werden. Der Platz, den Jungen heute haben, um ihr Rollenverständnis zu entwickeln und ihre Identität zu finden, wird auf die Größe eines DINA4-Blatts beschnitten. Dabei ist die Frage nicht, ob Jungen heutzutage noch Jungen sein dürfen. Die Frage lautet vielmehr, ob jeder Junge er selbst sein darf? Dieser Frage möchte ich mit Ihnen nachgehen. Dafür werden wir uns anschauen, wie Jungen heutzutage aufwachsen. Welche Versionen von Männlichkeit unterstützen wir, bewundern wir, leben wir offen vor? Wann gelten Jungen wirklich als Jungen und warum werden sie »als Mädchen« abgewertet, wenn sie nicht den gängigen Männlichkeitsnormen entsprechen? Und vor allem: Was können wir tun, um Jungen aus der Geschlechterfalle herauszuhelfen? Jungen verdienen, gesehen zu werden, so wie sie sind. Sie sind jede Mühe wert, die wir auf uns nehmen können.'

Nils Pickert, 1979 in Ostberlin geboren, hat Literatur und Politik studiert und schreibt seither als freier Journalist in Die Zeit, taz, Schweizer Tagesanzeiger und im österreichischen Standard, wo er eine monatliche feministische Kolumne hat. 2012 hat er sich aus Solidarität für seinen fünfjährigen Sohn einen Rock angezogen und damit weltweit für Aufsehen gesorgt. Seit 2013 engagiert er sich in Wort und Tat für den Verein Pinkstinks gegen Sexismus und Homophobie. Mit seiner Lebenskomplizin und den gemeinsamen vier Kindern lebt er in Münster.

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Bubensolo


Ein Buch über Jungen also. Als hätte es davon in letzter Zeit nicht schon genug gegeben. Noch dazu eines, das (wie praktisch alle vor ihm) behauptet, vieles anders zu machen und einen ganz neuen Blick auf Jungenerziehung zu werfen. Nun ja, einen fast ganz neuen Blick. Denn ich bin bei Weitem nicht der Erste, dem auffällt, dass es um unsere Jungen schlecht bestellt ist, und ich werde hoffentlich nicht der Letzte sein. Jungen, so konnte man in den vergangenen Jahren immer häufiger lesen und hören, seien das eigentlich schwache Geschlecht. Das bedrohte Geschlecht, das »entehrte« Geschlecht, wie es der Autor Ralf Bönt 2012 in seinem Buch mit gleichnamigem Titel nannte. Das Geschlecht, dem ständig gesagt wird, dass es sich jahrhundertelang danebenbenommen hat und jetzt aber mal wirklich Schluss damit sein muss. Jungen und Männer können es seit einigen Jahren gefühlt nicht mehr recht machen. Sie gelten als zu laut, zu gewalttätig, zu übergriffig. Sie werden zu Problemfällen erklärt, denen die Anschlussfähigkeit an die Gegenwart fehlt. Und deshalb muss ihnen geholfen werden. Ich schließe mich dieser Diagnose an: Jungen haben es zunehmend schwerer. Aber die Gründe dafür liegen nicht in dem, was der Kinderpsychologe und Buchautor Wolfgang Bergmann ab 2008 im Buch Kleine Jungs – große Not »Antimännlichkeitstraining« sowie in zahlreichen Interviews »verhuscht weibliches Klima« in Bildungseinrichtungen nannte. Man verbessert die Situation auch nicht bloß dadurch, dass man wie der Pädagoge Reinhard Winter 2014 auf Jungen brauchen klare Ansagen setzt – ganz so als brauchten Mädchen aufgrund ihres Geschlechts keine klaren Ansagen.

Diese Ansätze haben, egal von welcher Autorin oder von welchem Autor sie vertreten werden, immer denselben blinden Fleck: Sie gehen von einer starren jungenspezifischen Geschlechtsidentität aus, der wir in unserer modernen Gesellschaft kaum noch gerecht werden. Weil wir keinen Platz mehr für Wildheit, Regelbrechen, Aggressivität, körperliches Kräftemessen und das Rebellische haben. In der sehr ernst gemeinten Sorge um Jungen fordert dieser Ansatz eine Rückbesinnung auf die Wertschätzung klassisch männlicher Eigenschaften, damit sie wieder Vorbildfunktionen übernehmen können. Damit heranwachsende Männer sich erneut darauf verlassen dürfen, dass »nur die Harten in den Garten kommen«.

Dadurch wird das Problem allerdings nicht behoben, sondern noch verschärft. Denn die Harten sind gar nicht immer hart, und der Garten hat sich mittlerweile so verändert, dass mit Härte oft kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Im Garten der Gegenwart sind Eigenschaften wie Konfliktfähigkeit, Kommunikationstalent, Problemlösungsorientierung, Fehlerbewusstsein und Achtsamkeit gefordert. Alles Eigenschaften, die nach traditionellem Rollenverständnis eher Frauen zugeschrieben werden. Der Konzernkrieger, der im Meeting nicht auf andere hört, bis zur Erschöpfung Überstunden schiebt und private wie berufliche Konflikte so lange hinunterschluckt, bis sie sich zu Magengeschwüren verdichten, wird schon eine ganze Weile nicht mehr als Mitarbeiter des Monats gefeiert. Und der Mann als finanzieller Versorger von Frau und Kind scheint angesichts prekärer und befristeter Arbeitsverhältnisse oft nur noch ein Märchen aus uralten Zeiten zu sein, das vielen aber immer noch nicht aus dem Sinn geht. Leider. Denn die Lösung läge ja auf der Hand: Wenn diese Eigenschaften die Eintrittskarten in den Garten der Gegenwart sind, ließen sie sich ja durchaus erwerben. Allerdings nicht, wenn der Preis dafür die eigene Männlichkeit ist. Die Rollenklischees werden gewahrt, selbst wenn sich die Regeln verändert haben.

Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einer Beziehung, in der der Mann signifikant weniger verdient als die Frau. Die Mehrheit von Ihnen muss dazu die Fantasie bemühen. Für einige andere stellt dies jedoch die Lebensrealität dar. Bei jedem siebten deutschen Paar verdient sie mehr als er. Wie würden Sie damit umgehen, wenn man Sie dazu befragte? Wenn Freunde und Verwandte sich erkundigten? Oder wenn Sie für eine Umfrage unverbindliche Gehaltsangaben machen sollten? Eine US-amerikanische Studie mit dem Titel Manning up and womaning down: How husbands and wives report their earnings when she earns more, die 2018 veröffentlicht wurde, ist genau dieser Frage nachgegangen. Zwei Forscherinnen der Universität von Massachusetts sahen sich dafür unterschiedliche Datensätze an. Die gegenüber der Volkszählungsbehörde freiwillig angegebenen Gehaltsinformationen wurden mit den unbestechlichen Zahlen der Sozialversicherungsbehörde verglichen. Das Ergebnis zeigte, dass Paare mit einer Hauptverdienerin im Gegensatz zu Paaren mit einem Hauptverdiener über ihre Einkommenssituation logen. Oder sagen wir besser: in Richtung stereotyper Rollenerwartung beschönigten, damit der Mann als Hauptverdiener präsentiert werden konnte und alles wieder seine althergebrachte Ordnung hatte. Genau zwischen dieser Ordnung und der Realität des 21. Jahrhunderts werden Männer aufgerieben. Jungen und Männer sitzen in der Falle und kommen weder vor noch zurück. Zeigen sie sich weicher, fürsorglicher, kommunikativer und verletzlicher, wird ihnen ihre Männlichkeit abgesprochen. Töten sie diese Aspekte in sich ab, fehlen ihnen hingegen zentrale Kernkompetenzen. Der Platz, den Jungen heute haben, um ihr Rollenverständnis zu entwickeln und ihre Identität zu finden, wird auf die Größe eines DIN-A4-Blatts beschnitten. Man verunsichert sie. Man verunmöglicht sie. Dabei ist die Frage nicht, ob Jungen heutzutage noch Jungen sein dürfen. Die Frage lautet vielmehr, ob jeder Junge er selbst sein darf?

Dieser Frage möchte ich mit Ihnen nachgehen. Dafür werden wir uns anschauen, wie Jungen heutzutage aufwachsen. Mit welchen Rollenbildern werden sie konfrontiert, womit dürfen sie spielen, wie definieren sie Freundschaft? Wie erzählen wir ihnen Männlichkeit, welche Versionen von Männlichkeit unterstützen wir, bewundern wir, leben wir offen vor? Wann gelten Jungen wirklich als Jungen und warum werden sie »als Mädchen abgewertet«, wenn sie nicht den gängigen Männlichkeitsnormen entsprechen?

Und vor allem: Was können wir tun, um Jungen aus der Geschlechterfalle herauszuhelfen?

Denn sie verdienen so viel mehr als das, was ihnen momentan angeboten wird. Sie verdienen Körperkontakt, Mitgefühl, Trost und Einhornglitzer. Sie verdienen es, Prinzessinnenjungs sein zu dürfen. Diesen Titel trägt das Buch nicht zufällig. In jedem Jungen steckt ein Prinzessinnenjunge. In jedem Jungen stecken Träume, Hoffnungen und Eigenschaften, die als unmännlich, schwach und mädchenhaft bezeichnet und als falsch markiert werden. Deshalb werden sie verleugnet, versteckt und letztendlich begraben. Viel zu lange schon haben wir Männlichkeit zu einem Götzenbild erhoben, vor dem sich alle Anwärter in den Staub zu werfen haben, um sich ihrer als würdig zu erweisen. Dabei verhält es sich genau andersherum: Männlich ist, was Jungen und Männer tun. Wenn sie sich ins Gesicht schlagen, dann ist das ebenso männlich, wie wenn sie sich streicheln. Und wenn sich Jungen für Rennautos begeistern, dann verhalten sie sich ebenso männlich, wie wenn sie für Ballett schwärmen.

Aber bevor wir damit beginnen, die Debatte um Jungenerziehung vom Kopf auf die Füße zu stellen, möchte ich Sie noch darauf aufmerksam machen, was ich in diesem Buch nicht tun werde. An Vorurteilen und Geschlechterrollen zu rütteln ist eine anstrengende und durchaus auch gefährliche Sache. Und da ich Sie mit der Lektüre dieses Buches darum bitte, sich darauf einzulassen, ist es nur fair, wenn Sie wissen, was Sie erwartet beziehungsweise was Sie nicht erwartet:

Ich werde Ihnen nicht sagen, dass Jungen schlecht sind. Jungen sind großartig. Ich bin selbst Vater zweier wunderbarer Söhne. Aber ich weiß, wo die Probleme liegen. Was wir ihnen zumuten und womit wir sie davonkommen lassen. Schlicht und einfach weil wir glauben, dass Jungen nun einmal Jungen sind.

Ich werde Ihnen nicht sagen, dass Mädchen schlecht sind. Die sind nämlich auch großartig. Ich bin selbst Vater zweier wunderbarer Töchter. Hier werden Jungen nicht gegen Mädchen ausgespielt und Mädchen nicht gegen Jungen. Wenn Sie sich von diesem Buch eine weitere Einladung zum Geschlechterk(r)ampf und zu den immer noch sehr populären Stereotypfestspielen erhoffen, dann legen Sie es besser weg. Damit wird Ihnen hier nicht gedient.

Ich werde Sie nicht ermahnen, dass Sie keine Vorurteile haben dürfen. Es gibt keine vorurteilsfreien Menschen, und das aus gutem Grund. Wir alle sind darauf angewiesen, ständig Personen und Situationen in kürzester Zeit ohne ausreichende...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-407-86627-5 / 3407866275
ISBN-13 978-3-407-86627-1 / 9783407866271
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