Die Erzstufenbahn
Bussert u. Stadeler (Verlag)
978-3-942115-83-4 (ISBN)
Mit Er ndergeist wurde eine Lösung für den Transport der Hüttenröder Eisenerze zur Blankenburger Hütte (Harzer Werke) gefunden. Die Erfahrungen mit Grubenbahnen ließen eine stufenartige Trassenführung mit mehreren Schurren beziehungsweise Kippstellen entstehen. Der Förderstrom dieser Bahn musste über 200 Höhenmeter überwinden!
Erst als es Albert Schneider gelang mittels der Abtschen Zahnstange und auf neuer Trasse die Berge zu meistern, wurde die Erzstufenbahn eingestellt.
Noch heute kann man die ehemalige Trassenführung der Erzstufenbahn erwandern und die Spuren dieser ngenieurstechnischen Meisterleistung entdecken.
Die kurze Geschichte dieser ungewöhnlichen Industriebahn begann 1872. Vorausgegangen war eine radikale Umwälzung des Berg- und Hüttenwesens im braunschweigischen Teil des Harzgebirges. Dieser Wirtschaftszweig befand sich jahrhundertelang in der Oberhoheit des Herzoglichen Gesamthauses zu Braunschweig und Lüneburg. Das Herzogliche Gesamthaus hat den Bergbau in seinem Territorium stets gefördert, konnte doch mit den Gewinnen aus diesen Unternehmungen die aufwändige Hofhaltung finanziert werden. Besonders unter Herzog Ludwig Rudolf erfuhr der Bergbau eine beträchtliche Förderung, selbst Kleinstlagerstätten wurden untersucht. Schließlich musste er nach dem Willen seines regierenden Vaters aus dem Blankenburger Teil des Braunschweigischen Herzogtums leben können. Insofern stellte die Ausnutzung der Wald- und Bodenschätze in seinem Gebiet eine gewichtige Einnahmequelle dar. Seine 1716 ausgerufene Bergfreiheit verbesserte die Lage der Eigenlehner und brachte dem Bergwesen in seinem Land einen Aufschwung. Die Nachfolger behielten das Engagement im Harzbergbau bei, wenngleich nicht mit dem Elan eines Ludwig Rudolfs. Doch in den Jahren nach 1840 gingen die Erträge der herzoglichen Hüttenwerke in Rübeland, Altenbrak, Neuwerk und Zorge stetig zurück. Die zunehmend voranschreitende verkehrstechnische Erschließung des Harzgebirges brachte Konkurrenzprodukte in erreichbare Nähe. Der Markt für Eisen und Stahl begann sich zu verändern. Nach der Aufhebung der napoleonischen Kontinentalsperre gegen England begann englischer Stahl seinen Siegeszug durch Europa. Dem trugen die altväterlichen Bergbau- und Hüttenbetriebe kaum Rechnung. Immer noch glichen die Hüttenbetriebe mehr Manufakturen als zeitgemäßen Produktionsstätten. Englische, schwedische, aber auch Siegerländer Eisenwaren überschwemmten den Markt. Die herzogliche Bergverwaltung verfügte nicht über die notwendigen Finanzmittel, um die Hütten modernisieren zu können, desgleichen war der Herzog nicht bereit, solche Mittel aus seinem Portfolio bereitzustellen. In dieser Situation forderte schon Ende der 1840iger Jahre der braunschweigische Finanzdirektor und Geheimrat August v. Geyso die rasche Beendigung dieses immer verlustreicher werdenden Engagements. Doch wegen der dann unvermeidlich drohenden Arbeitslosigkeit der ohnehin armen Harzer Bevölkerung schreckte die herzogliche Kammer immer wieder vor der unpopulären Maßnahme zurück. 1865 hatte das Defizit solche Höhe erreicht, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Schließung oder Verkauf – beide Optionen wurden nun geprüft. Schließlich fand sich in dem angesehenen Kölner Bankhaus der Gebrüder J. L. Eltzbacher & Co. ein Käufer, der nicht nur an einzelnen Werken, vielmehr an dem gesamten herzoglichen Montanbesitz interessiert war. Eltzbacher, die bereits den westfälischen Rohstoffhandel mitfinanzierten, waren zu diesem Zeitpunkt an einer eigenen Rohstoffbasis und -verarbeitung interessiert. In dieser Situation kam die Offerte des Herzoghauses gerade recht. Schnell wurde man sich handelseinig und bereits 1870 hatte das Bankhaus die Verfügungsgewalt über Bergwerksfelder und Hüttenbetriebe. Die unmittelbar und rasant einsetzende Umgestaltung, Straffung und Modernisierung des Produktionsprozesses traf die ansässige Bevölkerung in ihren sozialen Auswirkungen fundamental. Eine der ersten Entscheidungen der eigens gegründeten „Actiengesellschaft Harzer Werke zu Rübeland und Zorge“ war die Inangriffnahme eines völlig neuen Verarbeitungsstandortes in Blankenburg/Westend. Nur dort konnte einigermaßen günstig westfälischer Steinkohlenkoks durch eine noch zu bauende Bahnlinie herangebracht und die Produkte abgefahren werden. Die Hütte der Harzer Werke wurde dann auch das stärkste Argument für den Bahnbau von Halberstadt nach Blankenburg. Generaldirektor Creuser, der zuvor die Bleierzgruben in Mechernich (Eifel) geleitet hatte, war von der Bank extra für den Betrieb im Harz verpflichtet worden. Sein Wort hatte Gewicht und so folgten ihm der Vorstand und auch der Aufsichtsrat gern. Dieser Beschluss fiel umso leichter, als es der Eisenbahngesellschaft (Moritz Eltzbacher saß als Vorstand der Harzer Werke im Vorstand der Halberstadt-Blankenburger-Eisenbahngesellschaft, d. Verf. ) in den Jahren 1870-1873 gelang, Blankenburg eisenbahnmäßig an die große weite Welt anzuschließen. Die lange Bauzeit erklärt sich durch kriegsbedingte Verzögerungen. Der Strom des in Hüttenrode geförderten Eisenerzes musste nun nach Blankenburg fließen. Jahrhundertelang ging das Erz westwärts zu den Hütten an der Bode. Der neue Standort lag der bisherigen Förderachse diametral gegenüber. Doch der verkehrswidrige Harzaufstieg verhinderte einen zügigen Bahnanschluss des reichen Hüttenröder Erzfeldes in Richtung Blankenburg. Wie sollte also die kontinuierliche Erzversorgung des neuen Hüttenwerkes sichergestellt werden? Immerhin würde hier ein modernes Hochofenwerk mit zwei Koks-Hochöfen entstehen. Große Mengen von Zuschlagstoffen wurden nun benötigt. Ein Transport mit Pferdefuhrwerken kam in Anbetracht der wirtschaftlich notwendigen Erzmengen nicht in Frage. Große Kosten durfte der Transport auch nicht verursachen, denn der Konzern hatte seine freien Finanzmittel und auch Kredite in das neue Werk investiert. Eine einfache und preiswerte Transportvariante musste gefunden werden. Direktor Creuser wusste auch hier Abhilfe. Aus dem Bergbau war ein Transportsystem von Grubenbahn und Sturzrollen schon lange bekannt. Er gedachte nun dieses System auch übertage anzuwenden und so den Höhenunterschied von 178 Metern bis zum neuen Hüttenwerk zu überwinden, ähnlich dem vertikalen Förderstrom eines Bergwerkes. Hier allerdings sollte mittels Sohlen, Schächten und Stollen, bergwerksmäßig zwar, aber eben übertage, der Erztransport abgewickelt werden. Gesagt, beschlossen, getan. In einer Bauzeit von knapp drei Jahren wurde im Tal des Wasserweges das technische Novum einer Erzstufen- beziehungsweise Schurrenbahn errichtet. Deren Kapazität musste dem Bedarf beider Hochöfen in Blankenburg bei voller Auslastung genügen können. Hier finden wir auch den Grund für den ungewöhnlichen Einsatz der Regelspur (Spurweite 1435 mm) im Braunesumpf- Bergbau; konnte doch nur mit bedeutend größeren Waggons als den gewohnten Bergwerkshunten die geforderte Menge an Eisenerz nach Blankenburg verbracht werden. Da die Gleise auf den Ebenen bis in den Berg hineingeführt wurden, kam diese Spurweite eben solcherart nach untertage. Drei Jahre Bauzeit für etwas mehr als vier Kilometer erschien selbst damals schon viel, allein die Abhängigkeit von der Inbetriebnahme des gleichzeitig heranwachsenden Hochofenwerkes zu Blankenburg erklärt das Zeitfenster. Dazu kamen außerordentlich niedrige Personalkosten. Da am Personal kaum gespart werden brauchte, müssen wir uns heute jede der zeitgleich angelegten Stufen als größere Baustelle mit einem Gewimmel von Arbeitern der verschiedensten Gewerke vorstellen. Da hallte das stille Tal des Wasserweges von dem Knall der Sprengungen, Staubschwaden färbten Bäume steingrau, wurde Gestein zu Dämmen gekippt, Schwellen und Schienen darauf gelegt. Übernahmen die bei den Harzer Werken angestellten Bergleute als Spezialisten alle Stollenvortriebe, so wurden Kolonnen von Gleisarbeitern zusätzlich für das Projekt eingestellt. Sie schleppten Schienen und Schwellen die steilen Hänge empor, nagelten und verschraubten die Gleise. Die neuen Dampfloks wurden mit Pferdefuhrwerken in zerlegtem Zustand angeliefert, aufgebaut und zur Probe gefahren. Eigens zu deren Montage reiste Fachpersonal des Herstellers aus Zorge an. Es sollte also unter Ausnutzung der Schwerkraft von einer höher gelegenen Bahnstrecke mittels Schurre und Rolle in die unterhalb wartenden Waggons des Erzzuges auf einer tieferliegenden Bahnstrecke gekippt werden. Die obersten zwei Ebenen des zukünftigen Fördersystems waren schon im Tagebau Holzberg vorhanden, konnten also kostengünstig nachgenutzt werden. Mehrere Ebenen waren aber vom Hüttenröder Erzfeld in Richtung Westend neu anzulegen, keine leichte Aufgabe in diesem steilen, abgelegenen Tal des Wasserweges. Aber auch im Grubenfeld der Harzer Werke waren umfangreiche Investitionen erforderlich. Die teilweise vorhandenen Ebenen zur Grube Holzberg mussten angepasst werden. Zum damaligen Zeitpunkt konnte von einem Bergwerk nach heutigem Verständnis noch nicht gesprochen werden. Vielmehr gab es viele tagebauartige Abbaustellen in den Hauptbaurevieren Holzberg (auch Holzstein, d. Verf.), Leibefahr und Lodenbleek. Es existierten mehrere kurze Stollen, die zur Wasserlösung und Erzabfuhr genutzt wurden. Aus Schächten wurde wenig gefördert. Dem Förderfluss von Hüttenrode nach Blankenburg (von oben nach unten) folgend, findet der aufmerksame Betrachter noch heute ebene Gleistrassen im Gelände. Für die Ebenen ist auch der Name „Stufen“ gebräuchlich.
Die kurze Geschichte dieser ungewöhnlichen Industriebahn begann 1872. Vorausgegangen
war eine radikale Umwälzung des Berg- und Hüttenwesens im braunschweigischen
Teil des Harzgebirges.
Dieser Wirtschaftszweig befand sich jahrhundertelang in der Oberhoheit des Herzoglichen
Gesamthauses zu Braunschweig und Lüneburg. Das Herzogliche Gesamthaus
hat den Bergbau in seinem Territorium stets gefördert, konnte doch mit den
Gewinnen aus diesen Unternehmungen die aufwändige Hofhaltung finanziert werden.
Besonders unter Herzog Ludwig Rudolf erfuhr der Bergbau eine beträchtliche
Förderung, selbst Kleinstlagerstätten wurden untersucht. Schließlich musste er nach
dem Willen seines regierenden Vaters aus dem Blankenburger Teil des Braunschweigischen
Herzogtums leben können. Insofern stellte die Ausnutzung der Wald- und
Bodenschätze in seinem Gebiet eine gewichtige Einnahmequelle dar. Seine 1716 ausgerufene
Bergfreiheit verbesserte die Lage der Eigenlehner und brachte dem Bergwesen
in seinem Land einen Aufschwung. Die Nachfolger behielten das Engagement im
Harzbergbau bei, wenngleich nicht mit dem Elan eines Ludwig Rudolfs.
Doch in den Jahren nach 1840 gingen die Erträge der herzoglichen Hüttenwerke
in Rübeland, Altenbrak, Neuwerk und Zorge stetig zurück. Die zunehmend voranschreitende
verkehrstechnische Erschließung des Harzgebirges brachte Konkurrenzprodukte
in erreichbare Nähe. Der Markt für Eisen und Stahl begann sich zu
verändern. Nach der Aufhebung der napoleonischen Kontinentalsperre gegen England
begann englischer Stahl seinen Siegeszug durch Europa. Dem trugen die altväterlichen
Bergbau- und Hüttenbetriebe kaum Rechnung. Immer noch glichen die
Hüttenbetriebe mehr Manufakturen als zeitgemäßen Produktionsstätten. Englische,
schwedische, aber auch Siegerländer Eisenwaren überschwemmten den Markt.
Die herzogliche Bergverwaltung verfügte nicht über die notwendigen Finanzmittel,
um die Hütten modernisieren zu können, desgleichen war der Herzog nicht bereit,
solche Mittel aus seinem Portfolio bereitzustellen.
In dieser Situation forderte schon Ende der 1840iger Jahre der braunschweigische
Finanzdirektor und Geheimrat August v. Geyso die rasche Beendigung dieses immer
verlustreicher werdenden Engagements. Doch wegen der dann unvermeidlich
drohenden Arbeitslosigkeit der ohnehin armen Harzer Bevölkerung schreckte die
herzogliche Kammer immer wieder vor der unpopulären Maßnahme zurück. 1865
hatte das Defizit solche Höhe erreicht, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Schließung
oder Verkauf - beide Optionen wurden nun geprüft. Schließlich fand sich in
dem angesehenen Kölner Bankhaus der Gebrüder J. L. Eltzbacher & Co. ein Käufer,
der nicht nur an einzelnen Werken, vielmehr an dem gesamten herzoglichen Montanbesitz
interessiert war. Eltzbacher, die bereits den westfälischen Rohstoffhandel
mitfinanzierten, waren zu diesem Zeitpunkt an einer eigenen Rohstoffbasis und -verarbeitung
interessiert.
In dieser Situation kam die Offerte des Herzoghauses gerade recht. Schnell wurde
man sich handelseinig und bereits 1870 hatte das Bankhaus die Verfügungsgewalt
über Bergwerksfelder und Hüttenbetriebe. Die unmittelbar und rasant einsetzende
Umgestaltung, Straffung und Modernisierung des Produktionsprozesses traf die ansässige
Bevölkerung in ihren sozialen Auswirkungen fundamental.
Eine der ersten Entscheidungen der eigens gegründeten "Actiengesellschaft Harzer
Werke zu Rübeland und Zorge" war die Inangriffnahme eines völlig neuen Verarbeitungsstandortes
in Blankenburg/Westend. Nur dort konnte einigermaßen günstig
westfälischer Steinkohlenkoks durch eine noch zu bauende Bahnlinie herangebracht
und die Produkte abgefahren werden. Die Hütte der Harzer Werke wurde dann auch
das stärkste Argument für den Bahnbau von Halberstadt nach Blankenburg. Generaldirektor
Erscheinungsdatum | 10.03.2020 |
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Verlagsort | Jena & Quedlinburg |
Sprache | deutsch |
Maße | 170 x 240 mm |
Gewicht | 161 g |
Themenwelt | Natur / Technik ► Fahrzeuge / Flugzeuge / Schiffe ► Schienenfahrzeuge |
Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte | |
Schlagworte | Bergbau • Eisenbahn • Erzförderung • Erzstufenbahn • Harz • Industriebahn |
ISBN-10 | 3-942115-83-2 / 3942115832 |
ISBN-13 | 978-3-942115-83-4 / 9783942115834 |
Zustand | Neuware |
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