Gebrauchsanweisung für Bordeaux und die Atlantikküste (eBook)
224 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99628-0 (ISBN)
Alexander Oetker, geboren 1982, ist Bestsellerautor und TV-Journalist, als Frankreich-Experte von RTL und n-tv berichtet er seit 15 Jahren über Politik und Gesellschaft der Grande Nation. Er ist zudem Kolumnist und Restaurantkritiker der Gourmetzeitschrift 'Der Feinschmecker'. Seine Krimis und Romane sind Erfolgsgaranten im Buchhandel; für 'Mittwochs am Meer' erhielt er die DELIA, den Literaturpreis für den besten Liebesroman des Jahres. Er ist zudem Träger des Deutsch-Französischen Freundschaftspreises. Alexander Oetker lebt en famille in Brandenburg, Berlin und an der französischen Atlantikküste.
Alexander Oetker, geboren 1982, ist Journalist und Autor. Als jüngster Frankreichkorrespondent der deutschen Fernsehgeschichte lebte er jahrelang in Paris, wo er für RTL und n-tv arbeitete. Auf seinen Recherchereisen verliebte er sich unsterblich in das Aquitaine. Seine Spiegel-Bestseller "Retour" und "Château Mort" aus der Krimireihe um Commissaire Luc Verlain spielen in Bordeaux und Umgebung. Zuletzt veröffentlichte er außerdem seinen ersten Südfrankreich-Thriller. Derzeit wohnt er mit seiner Familie in Brandenburg und Südfrankreich und berichtet von dort über politische und gesellschaftliche Ereignisse in ganz Europa.
Auf altem Pflaster
Ein guter Morgen in Bordeaux beginnt mit einem leichten petit-déj, natürlich nicht im Hotel, obwohl jenes im Mama Shelter in der Altstadt nicht mal schlecht ist. Aber nein, lieber gehen wir ein Stück hinaus aus der Altstadt, an der Porte Dijeaux vorbei, die Rue Judaïque hinunter. Das dauert keine zehn Minuten, dafür wartet dort der Laden, der 2017 zur besten Bäckerei des ganzen Landes gewählt wurde.
Maison Lamour heißt die Boulangerie, und schon das Schaufenster mit der alten Schrift direkt unter den schmiedeeisernen Balkonen ist so typique, dass man sofort anfangen möchte, »La Vie En Rose« zu schmettern. Doch es ist kein alter Bäckermeister, der hier nachts um drei seine filterlose Gitane ausdrückt, um anschließend krosse Baguettes zu produzieren – es ist ein junges Ehepaar: Cyrille und Florian Lamour, die mit lauter jungen Bäckern und Patissièren angetreten sind, um ihre Idee einer idealen französischen Backkunst durchzusetzen, mit Produkten in Bioqualität, mit Zeit und Liebe zur Tradition. So ist nicht nur das Lamour-Baguette in Bordeaux unerreicht, auch für die Tartelette Chocolat-Praliné oder das Vanille-Baba stehen die Bordelaises Schlange, allsonntäglich in jedem Fall.
Und nach diesem Frühstück sowie einem kurzen Spaziergang liegt Bordeaux seinem Besucher sprichwörtlich zu Füßen. Denn als Nächstes möchte ich Sie mitnehmen, auf den Tour Pey-Berland, den frei stehenden Glockenturm der Kathedrale Saint-André, welcher der höchste Aussichtsturm der ganzen Stadt ist (nicht aber der höchste Glockenturm, dieser ist nämlich der Pfeil von Saint-Michel, aber dazu kommen wir später).
Zweihundertdreiunddreißig sehr steile Stufen führen über eine Wendeltreppe, die man mit Platzangst wirklich meiden sollte, hinauf, und hoch oben verstehen wir sofort, weshalb man sagt, die Kathedrale würde über Bordeaux wachen. Die gotischen Türme und Zinnen wirken majestätisch und gleichsam ein wenig düster – sodass das Ambiente der Bauwerke sehr gut in diese konservative und monumentale Stadt passt. Unten rollt der Verkehr über den Innenstadtring, doch die Altstadt liegt zusammengekuschelt und friedlich da, die engen Gassen mäandern durcheinander, ein Architekturensemble, wie es seinesgleichen sucht.
Etwas weiter entfernt lugt das Grand Théâtre hervor, die Place de la Comédie wirkt von hier, als sei sie mit kleinen Spielzeugfiguren überzogen, die wild hin und her laufen. Wenn wir den Blick aber schweifen lassen, über die graue Garonne hinweg, dann fällt auf, wie grün es um diese Stadt herum ist. Wo gar nicht so weit entfernt das flache Land beginnt. Erst langsam begreift man, dass genau dort weltbekannte Winzer ihre atemberaubend teuren Weine herstellen, denn ein paar Kilometer südlich der Altstadt schließt sich quasi nahtlos das Weinanbaugebiet von Pessac-Leógnan an.
Aber halt, ich habe etwas erwähnt, das ich näher ausführen will: Bei meinem ersten Besuch in Bordeaux rollte der TGV über die alte Bahnbrücke, und ich erschrak: darüber, wie grau dieser breite Fluss war, grau und schlickig sah er aus. Doch ich sah keine Industrieanlagen, die diese vermeintliche Verschmutzung erklären konnten. Die Antwort überrascht: Schmutzig ist die Garonne – und weiter nördlich von Bordeaux, nach der Vereinigung mit der Dordogne, die Gironde – überhaupt nicht. Ich habe das einst für meinen ersten Kriminalroman »Retour« recherchiert – es ist erstaunlich: Durch die großen Gezeitenunterschiede, die hier herrschen, wird das Wasser des nahen Ozeans bei Ebbe weit hinein gedrückt in die Mündung der Gironde. Das Salzwasser vermischt sich mit den Tonpartikeln, die der Fluss von seiner Quelle in den katalanischen Pyrenäen mit sich führt. Ton und Salz ergeben diese graue Farbe, obwohl der Fluss einer der saubersten in ganz Frankreich ist.
Wir können also beruhigt wieder herabsteigen vom Tour Pey-Berland und unsere sakrale Besichtigung mit dem Besuch der Kathedrale Saint-André beschließen, dem Sitz des Erzbistums Bordeaux, in dem vor fast zehn Jahrhunderten gekrönte Häupter verheiratet wurden, wie Eleonore von Aquitanien und Ludwig, der VII. Unter den lichten Gewölben fällt besonders die große Orgel auf, die im Sommer bei Konzerten zu vielfältigen Anlässen erklingt.
Anschließend treten wir wieder hinaus unter den hellblauen Himmel, der so oft über der Stadt liegt, dem milden Klima, das schon mediterran genannt werden kann, sei Dank. Direkt hinter der Kathedrale und dem imposanten Rathaus befindet sich das Musée des Beaux Arts. Dort hat man sich einerseits auf die Zeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert spezialisiert, andererseits auf Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert: Kokoschka, Matisse, Renoir, auch ein Werk von Picasso gehört zur Sammlung.
Nun haben wir die Qual der Wahl: ein weiteres Museum, genussvoll durch die Altstadt streifen, das Viertel Bacalan, das die Stadt neu erfunden hat – oder einfach mit der aktuellen Sud Ouest unterm Arm, der regionalen Zeitung des Aquitaine, bei herrlichem Wetter in den Jardin Public, der schon als Zufluchtsort für die Bordelaises diente, als die Stadt noch grau und düster war. Der elf Hektar große Park, dessen Entstehung 1746 auf Louis-Urbain Aubert de Tourny zurückgeht, liegt ein wenig nordwestlich der Altstadt. Tourny war Bevollmächtigter für das alte Herzogtum Guyenne, das ungefähr die Hälfte des heutigen Nouvelle-Aquitaine umfasste. Er war es auch, der die Quais der Garonne anlegen ließ. Eine bedeutende Achse und ein Platz in der Altstadt tragen ihm zu Ehren seinen Namen.
Der Garten ist nach englischer Tradition angelegt, im Park lässt sich wunderbar am Enten- und Schwanenteich flanieren, auch ein Botanischer Garten und das Orangerie-Restaurant warten auf Besucher. Ein herrliches Kleinod mitten in der Stadt also, bei dem selbst der Außenzaun, der den Park umgibt, sehenswert ist. Siebentausendfünfhundert goldene Spitzen ragen am Cours de Verdun in die Höhe und gewähren dazwischen eine schöne Aussicht ins Grüne.
Ein Blick auf die Uhr – sollte es schon an der Zeit für ein déjeuner sein? Denn das ist wohl das größte Problem in Bordeaux: Unter all den fantastischen Restaurants und Bistros eines herauszusuchen, weil es zugleich bedeutet, in diesem Moment all die anderen nicht besuchen zu können.
Heute entscheiden wir uns, weil es uns wieder in die Altstadt zieht, für das La Cagette direkt an der Place du Palais, das sich nicht nur als Werbegag den Beinamen »die frische Kantine« gegeben hat. Denn in der Tat ist der hinter großen Scheiben gelegene Raum zur Kantine für die Büroangestellten au centre-ville geworden, während für die Frische Chefkoch Théo Saint Martin garantiert, der ausschließlich bei Bauern der Region einkauft ebenso wie bei den Fischern am nahe gelegenen Bassin. Das Rindfleisch kommt aus Bazas, wo eine seltene alte Rindersorte am Leben erhalten wird.
Cagette ist übrigens der Name für die flachen Holzkisten, in denen Frankreichs Markthändler ihre frischen Waren, Obst und Gemüse feilbieten, und die auch im gleichnamigen Bistro eine wichtige Rolle spielen. Natürlich ist das Restaurant auch abends geöffnet.
Wenn die Entfernungen in der Stadt zu lang werden, um zu Fuß zu gehen, empfiehlt sich die Tram, nach Süden die Linie C, nach Norden die Linie B. Fahren wir also fünf Stationen vom Quinconces bis zur Rue Achard und landen im vorhin schon namentlich genannten Stadtteil Bacalan. Glauben Sie mir: Ich bin während meiner Korrespondentenzeit sehr oft in Bordeaux gewesen, und das Viertel am nördlichen Bogen der rocade, Ringstraße, war so heruntergekommen und düster, dass ich so manches Mal abends die Autotür verriegelt habe. Bei meinem ersten Besuch im völlig neugestalteten Viertel fast sechs Jahre später aber blieb mir der Mund offen stehen, so radikal und einschneidend war die Veränderung, so modern war die neue Umgebung. Alain Juppé hatte einst gesagt, die Cité du Vin, mittlerweile das wohl bedeutendste Weinmuseum der Welt, werde sein Guggenheim. Da lachten selbst die von ihm so überzeugten Bordelaises – nun aber staunen auch sie.
Radikal wirken das Museum und das gesamte Viertel deshalb, weil der Betrachter sich gar nicht entscheiden kann, welchen Bau er zuerst ins Auge fassen soll. Auf der einen Seite das moderne Gegenstück zur malerischen Pont de Pierre: die neue Pont Jacques Chaban-Delmas. Eine 433 Meter lange Brücke über die Garonne, die ein absoluter Hingucker ist. Damit Kreuzfahrtschiffe nach Bordeaux hineinfahren können, wurde sie als gigantische Hubbrücke konzipiert, eine der größten weltweit. Sie garantiert 53 Meter lichte Höhe, bei einer Durchfahrtsbreite von 106 Metern – so können auch ganz große und moderne Schiffe passieren. Dabei sind die Pfeiler, an denen das Hubelement emporgezogen wird, der eigentliche Clou: Teils aus Glas tauchen sie die Brücke nachts in ein bläuliches Licht, was auf dem Fluss zu irren Spiegelungen führt.
Zwölf Minuten, so schnell kann sich die Brücke heben und senken, doch wenn ein großes Schiff kommt, müssen sich Auto- und Radfahrer einen anderen Weg suchen, denn dann ist sie für bis zu zwei Stunden für den Straßenverkehr gesperrt – eine Maßnahme, die schon einen Tag vorher auf Bildschirmen an den Quais angezeigt wird. Das frühe Öffnen der Brücke ist eine Sicherheitsvorkehrung, die bereits eingeleitet wird, wenn sich das Schiff noch in einiger Entfernung befindet. Für die Kapitäne ist es nämlich unmöglich, auf der engen Garonne nur wenige Kilometer vor der Brücke zu wenden. Deshalb muss sichergestellt sein, dass das Schiff auch wirklich durch die Pont...
Erscheint lt. Verlag | 2.6.2020 |
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Zusatzinfo | Mit zwei Karten |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport |
Reisen ► Reiseberichte ► Europa | |
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Schlagworte | Aquitane • Aquitanien • Atlantikküste • Austern • Bordeaux • Buch • Bücher • Düne von Pilat • Frankreich • Französisch • Führer • Guide • Highlights • Insidertipps • Karten • Neuerscheinung 2019 • Reisebericht • Reiseführer • Reiseliteratur • Rotwein • Surfen • Wellenreiten |
ISBN-10 | 3-492-99628-0 / 3492996280 |
ISBN-13 | 978-3-492-99628-0 / 9783492996280 |
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