Die Kalkputz-Lüge (eBook)

4. Naturkalkputz im Detail

Kalk – einer der ältesten Baustoffe, aber alles andere als langweilig oder altbacken. Reiner Kalkputz ist ein Baustoff, mit dem sich viele gestalterische Möglichkeiten eröffnen. Auf Grund der typischen Materialeigenschaften gibt es allerdings auch Grenzen, die durch Zusatz von Chemie gerne überschritten werden. Gerade bei den im Trend liegenden Betonoptiken oder fugenlosen Wand- und Bodenbeschichtungen ist Vorsicht geboten. Hier werden die Vorteile von Kalk in den Vordergrund gerückt, um die Schmerzen der hohen Preise ein wenig zu mildern. Welche Techniken tatsächlich möglich sind, werde ich Ihnen im folgenden Kapitel aufzeigen. Ganz sicher ist da auch für Sie etwas dabei, um Ihren Wohnraum so zu gestalten, wie Sie es sich wünschen von klassisch bis modern und alles mit einmaligen Oberflächen, die nur Kalkputz bietet. Und garantiert ohne chemische Zusätze umsetzbar.

4.1 Anwendungsmöglichkeiten

Welche Anwendungsmöglichkeiten und Kalkputze es gibt, möchte ich Ihnen in diesem Kapitel aufzeigen. In der nachfolgenden Tabelle sehen Sie, welches Kalkprodukt für welche Anwendung geeignet ist. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und können jeder Stilrichtung angepasst werden. Wer sich mit dem Material auskennt, findet immer einen Weg, um gestalterische Wünsche umsetzen zu können.

Wichtig: Im Außenbereich ist zu beachten, dass Naturkalkputze nicht hydrophiert sind. Das bedeutet, diese Putze müssen geschützt werden, z. B. durch einen Anstrich.

Kalk-Dämmputz

ist ein wahres Multitalent, was die Einsatzmöglichkeiten betrifft. Als Dämmputz eingesetzt, überzeugt er durch seine hervorragenden Dämmeigenschaften. Fassaden oder Innenräume homogen, nicht in Schichten, dämmen zu können, und das ohne Angst vor Schadstoffen, ist nur mit Kalk-Dämmputz zu realisieren. Leider bevorzugen sogenannte „Energieberater“ nach wie vor eher Plattendämmstoffe, da diese theoretisch bessere Werte aufweisen, die aber in der Praxis langfristig nicht realisiert werden.

Auch als Entfeuchtungs- oder Sanierputz leistet er Außergewöhnliches. Ursprünglich wurde er genau für diese Aufgabe entwickelt. (Erst durch den Dämmwahnsinn und die Suche nach Alternativen wurde man auf die Dämmeigenschaften aufmerksam.) Gerade bei der Entfeuchtung vom Mauerwerk kann Kalk-Sanierputz glänzen. Mit dem Zuschlag von Perlite (Vulkangestein) nimmt er ca. das 10-Fache an Feuchtigkeit auf wie übliche Sanierputze.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit, auch wieder durch den Dämmwahnsinn ausgelöst, ist der Einsatz als Brandschutzputz. Nachdem immer wieder ganze Gebäude abgebrannt sind, weil die Fassadendämmung in Feuer aufgegangen ist, hat man nach einem Produkt gesucht, das genau davor bewahrt. Kalk-Dämmputz wurde geprüft und hat auch für diesen speziellen Bereich eine Zulassung erhalten. Die herausragenden Eigenschaften von Kalk, kombiniert mit Blähglas und/oder Perlite, machen dies möglich. Als Dämm-, Sanier- oder Brandschutzputz für Innen und Außen gibt es keine besseren Produkte.

Kalk-Grundputz

wird im Innen- und Außenbereich eingesetzt und kann fast auf jedem Mauerwerk verarbeitet werden. Je nach Untergrund können verschiedene Zuschlagstoffe wie Hanffasern, Blähglas, Perlite usw. beigemischt werden, um den Putz optimal auf die nötigen Anforderungen einzustellen.

Darüber hinaus kann auch der Einsatz von Vorspritzmörtel nötig sein. Bei der Verarbeitung und während der Trocknungsphase sind die Herstellerangaben zwingend zu beachten. Natürlich ist auch darauf zu achten, ob ein Luftkalk oder Kalkputz mit hydraulischen Eigenschaften eingesetzt wird, weil diese sich gerade in der Trocknungsphase wesentlich unterscheiden. Da es sich bei reinen Kalkputzen nicht um 0815-Produkte handelt, spreche ich bei jedem neuen Produkt immer erst mit dem Hersteller. Keiner kennt das Produkt besser als er und weiß besser, worauf bei der Verarbeitung geachtet werden muss.

Kalk-Haftputz

für schwierige Untergründe wie Beton, Kunstharzputze, Holzfaserplatten, Dispersionsanstriche, (Gipsplatten, Gipsputz mit Sperrgrund vorstreichen) usw. Damit Kalkputz als Haftputz eingesetzt werden kann, müssen Zusätze wie z. B. Essigsäurevinylacetat beigemischt werden. Es geht also auch im Kalkputzbereich nicht immer ohne Chemie. Gerade in der Sanierung, wenn auch der Kostenfaktor eine Rolle spielt, ist ein Rückbau bis zum Mauerwerk nicht immer möglich. Hier findet Kalk-Haftputz seine Berechtigung, da dieser zum einen nur als Untergrund für reinen Kalkputz dient und zudem auch deutlich weniger Chemie enthält als herkömmliche Beschichtungsstoffe. Solange die Wohnqualität verbessert werden kann und der Verbraucher über die Inhaltsstoffe informiert wird, finde ich den Einsatz legitim.

Kalk-Oberputz

gibt es in unzähligen Varianten. Diese werden idealerweise auf Kalkputz aufgebracht, können aber auch auf Kalk-Zementputz aufgetragen werden. Die meisten Kalk-Oberputze können mit kalkechten Pigmenten eingefärbt und direkt in Wunschfarbe verarbeitet werden. Von Filzputz mit 2,0 mm Kornstärke bis zum Glattputz ist alles möglich. Auch verschiedene Zuschläge wie Marmor- oder Ziegelkörnung, Glimmer und vieles mehr kann beigemischt werden, um individuelle Oberflächen zu erzielen.

Kalkglätte

wird eingesetzt, um glatte Oberflächen herzustellen. Mit kalkechten Pigmenten angemischt, lassen sich sehr dekorative Oberflächen realisieren. Sumpfkalkglätte wird zudem oft bei der Renovierung von Altbauten und im Denkmalschutz eingesetzt.

Tadelakt

findet bei uns wenig Anwendung, da die Verarbeitung sehr zeitaufwendig und somit teuer ist. Bei Tadelakt handelt es sich um eine alte Kalkputz-Technik, um wasserfeste Oberflächen herzustellen. Es ist quasi der schadstofffreie Vorläufer der heute so beliebten fugenlosen Wandbeschichtungen in Badezimmern.

Kalkfarbe

wird im Innenbereich eingesetzt, ist für Allergiker geignet, hoch diffusionsoffen, schimmelpilzwidrig und stark desinfizierend. Deshalb hat Kalkfarbe längst den Weg vom Stall in den wohngesunden Innenraum gefunden. Geeignete Untergründe sind ausschließlich rein mineralische Putze wie Lehm- oder Kalk.

Die in diesem Kapitel genannten Eigenschaften und Einsatzgebiete beziehen sich auf natürliche Kalkputze und nicht auf industriell gefertigte Massenprodukte mit chemischen Zusatzstoffen.

Zudem gibt es noch viele kalktypische Techniken, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Jede dieser Techniken ist sehr komplex und hätte ein eigenes Buch verdient. Am Ende finden Sie Buchempfehlungen auch zum Thema Kalkputz-Techniken.

4.2 Vorteile von reinem Kalkputz

Der alte Baustoff Kalk ist die Nummer 1, wenn es um gesunden Wohnraum geht. Warum das so ist, werden wir in diesem Kapitel ausführlich betrachten. Vorweg sei gesagt, dass Kalk etwas schafft, was die ganzen modernen Baustoffe aus den Giftküchen der Industrie nicht schaffen. Er vereint eine Vielzahl von Vorteilen ohne schädliche Nebenwirkungen. Und gerade wegen dieser herausragenden Vorteile wird mit dem guten Ruf von Kalk so viel Schindluder getrieben.

Kalkputz reguliert die Luftfeuchtigkeit

Kalkputz weist unzählige kleinste Poren, auf die es ihm ermöglichen, fast wie ein Schwamm Feuchtigkeit aufzunehmen und zu speichern. (Bei reinem Kalkputz müssen keine Luftporenbildner eingesetzt werden.) Diese Feuchtigkeit wird so lange gespeichert, bis die Luftfeuchtigkeit im Raum abnimmt. Dadurch wird das Raumklima ausgeglichen und Feuchtigkeitsspitzen werden vermieden. Reiner Naturkalk kann bei einer Zimmergrundfläche von 25 Quadratmetern ca. 16-18 Liter Wasser aufnehmen und wieder abgeben. Dies ist nicht nur im Badezimmer wichtig, sondern überall dort, wo gelebt wird. Gerade für die Küche und den Schlafraum, wo viel Feuchtigkeit anfällt, ist ein Feuchtigkeitsausgleich wichtig, damit man sich wohl fühlt und die Bausubstanz geschützt wird. Kalkputz sorgt rund um die Uhr für ein gesundes Raumklima!

Kalkputz verhindert Schimmelbildung

Gerade in Zeiten von energetischen Modernisierungen mit luftdichten Außenhüllen, wo der natürliche Luftaustausch in Innenräumen stark reduziert wird, kommt es immer häufiger zu Schimmelbildung. Durch den fehlenden Luftaustausch wird auch anfallende Feuchtigkeit im Gebäude belassen. Diese Feuchtigkeit kondensiert an den Außenwänden ab einem Temperaturunterschied von 6°C zwischen Raumluft und Außenwand und bietet in Verbindung mit dem „falschen“ Putz den idealen Nährboden für Schimmel. Mit einem Kalkputz haben Sie jedoch ein deutlich geringeres Risiko für Schimmelpilzbildung. Durch die hohe Wasseraufnahmefähigkeit wird Feuchtigkeit kapillar ins Innere der Putzfläche geleitet. Das vermindert Ihr Schimmelrisiko!

Zudem haben Kalkputze einen sehr hohen pH-Wert (>10), welcher zu basisch für Schimmelpilze ist....