Der Pflanzenarzt: Ein gesunder Garten ohne Chemie (eBook)

Spiegel-Bestseller

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00670-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Pflanzenarzt: Ein gesunder Garten ohne Chemie -  René Wadas
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Was tun, wenn der Mehltau die geliebte Rose verkümmern lässt und Spinnmilben den Fleißigen Lieschen zu Leibe rücken? Pflanzenarzt und Bestsellerautor René Wadas schwört auf rein biologische Bekämpfungsmittel: Tinkturen aus Brennnessel, Rainfarn und Ackerschachtelhalm reichten meist aus, um die Pflanzen zu stärken. Und so manches Mal kann man sich vermeintliche Schädlinge auch zunutzen machen: An der richtigen Stelle und im richtigen Maß können sie durchaus Gutes bewirken. In seinem neuen Buch vermittelt der Pflanzenarzt all sein Wissen rund um Schädling, Ungeziefer und Co. - wie immer ganz natürlich.

René Wadas ist Gärtnermeister und lebt in Börßum bei Braunschweig. Als Pflanzenarzt ist er seit vielen Jahren im Norden unterwegs und hilft Hobbygärtnern mit ihren «Sorgenkindern». Der gebürtige Berliner schult mittlerweile in ganz Deutschland Mitarbeiter aus Gärtnereien und Baumärkten, Landwirte und Biologen.

René Wadas ist Gärtnermeister und lebt in Börßum bei Braunschweig. Als Pflanzenarzt ist er seit vielen Jahren im Norden unterwegs und hilft Hobbygärtnern mit ihren «Sorgenkindern». Der gebürtige Berliner schult mittlerweile in ganz Deutschland Mitarbeiter aus Gärtnereien und Baumärkten, Landwirte und Biologen.

Einleitung Ein Garten ohne Chemie – geht das überhaupt?


Seit über zwanzig Jahren versuche ich etwas für unsere Natur zu tun, möchte sie erhalten, möchte gar die ganze Welt retten (gut, das klingt jetzt etwas naiv, aber der Gedanke ist erlaubt). Immer wieder überlege ich: Was kann ich besser machen, ist es genug, was ich tue? Welche Möglichkeiten habe ich noch? Bringt das überhaupt was? Denn ziehe ich meinen gesunden Menschenverstand zurate, erscheint es mir angesichts unserer Verhaltensweisen (Ausbeutung unser aller Ressourcen ohne Rücksicht auf die nachfolgenden Generationen) recht illusorisch, dass wir noch etwas grundlegend ändern können, und ich befürchte, dass wir womöglich auf eine ökologische Katastrophe zusteuern. Es gibt ausreichend Maßnahmen, wie man dies verhindern könnte, aber die Mühlen der Entscheidungsträger mahlen viel zu langsam. Trotzdem gibt es für mich eine ethische Verpflichtung, etwas zu tun. Beispielsweise in meinem eigenen Garten die chemische Keule zu verbannen, um Pflanzen zu stärken und so manches große oder kleine Tier dorthin zu locken. Der Wohlfühlfaktor, geboten durch Vielfalt, ist so für alle garantiert.

Wer wie ich in seinem Garten ohne Chemie gärtnern möchte, sollte sich jedoch auch ein wenig damit beschäftigen, wie die Dinge in der Natur zusammenhängen. Mein Tipp: Arbeiten Sie nicht nur im Garten, schuften Sie nicht nur, bis Ihnen der Schweiß von der Stirn rinnt, sondern verweilen Sie auch mal in Ihren Beeten und beobachten Pflanzen und Tiere – was passiert da eigentlich, welche Signale werden ausgetauscht, wie wird hier kommuniziert? Pflanzen sind nicht bloße organische Materie ohne jegliches Gefühl, sie reagieren vielmehr unmittelbar auf ihre Umwelt. Sie sehen, riechen und tasten wie die Tiere, nur ohne Nervensystem, aber trotzdem nicht weniger intensiv. Für mich gibt es kaum etwas Spannenderes, als dieses für uns fast unsichtbare Informationsnetzwerk zu begreifen, besonders weil vieles auch unterirdisch abläuft. Da gibt es eine große Datenbank, die wir noch zu entschlüsseln haben, um den Austausch immer besser zu verstehen. Und je mehr wir dieses uralte Überlebenssystem mit all seinen Fähigkeiten erkennen, umso wichtiger wird es, dies zu erhalten, denn wir Menschen sind ein Teil dieses faszinierenden Könnens. Manchmal vergessen wir das leider nur, weil wir uns selbst zu sehr im Blick haben, vergessen, dass wir ein Teil der Tier- und Pflanzenwelt sind, die uns umgibt. Wir haben uns zu sehr auf Lösungen kapriziert und dafür die Beobachtungen vernachlässigt.

Um uns wieder mehr in den evolutionären Kreislauf einzubinden und uns diesem auch nahe zu fühlen, haben wir Gärtnerinnen und Gärtner die Möglichkeit, in unserem eigenen Garten ein Stückchen gesunde Natur zu erhalten. Den Insekten eine Oase zu bieten, wo sie sich entfalten können, denn in der freien Natur gibt es immer weniger Rückzugsorte. Wenn auch Sie in Ihrem Garten auf Chemie verzichten, werden Sie beobachten können, wie die Natur stets dafür sorgt, dass alles im Gleichgewicht bleibt, bleiben muss. Da ist sie sehr hartnäckig und setzt eine Schar von freiwilligen Helfern ein – man kann auch von Soldaten sprechen –, sollte jemand auf die Idee kommen, die (Garten-)Herrschaft an sich reißen zu wollen. Jedes Insekt – selbst jene, die wir vielleicht vorschnell als Schädlinge bezeichnen – hat eine ihm eigene Aufgabe in dem ökologischen System, sonst wäre diese oder jene Art schon längst eingeknickt. Wir schreien auf, wenn Scharen von Nonnenraupen (Nonnen sind Schmetterlinge) Kiefern kahl fressen, eine Nadel nach der anderen, hemmungslos. Aber was ist der tiefere Grund dafür? Der Kahlschlag ist letztlich nichts weiter als eine Abwehrmaßnahme gegen die von Menschenhand angelegten Kiefernmonokulturen. Es ist immer wichtig, die verschiedenen Perspektiven im Blick zu behalten.

Herzlich willkommen in unserem Garten!

Riesige Kiefernplantagen sorgen für einen reichgedeckten Tisch, und so können sich die Insekten, die irgendwann einmal diese Nadelbäume für ihre Nahrungsgrundlage gewählt haben, aus welchen zufälligen oder weniger zufälligen Gründen auch immer, perfekt und in Massen vermehren. Diese Insekten haben in der Evolution ihren Platz gefunden, um zu überleben. Aber als das geschah, damals, vor Urzeiten, gab es noch keine Monokulturwälder in diesen Ausmaßen. Das war im Plan unserer Natur auch nicht vorgesehen. Kiefernplantagen lassen es nämlich nicht zu, dass Licht zum Boden durchdringt, sodass andere Pflanzen nicht wachsen können. Hätte die Natur das Sagen, hätte sie solche Ansiedlungen gekonnt verhindert. Und sie versucht es uns auch mitzuteilen, natürlich nicht uns Menschen speziell, doch in ihrer Art der Kommunikation. Überleben geht nur mit Vielfalt, und die wird erst wiederhergestellt, wo Nonnenraupen die Nadeln wegputzen und es wieder hell wird. Endlich ist es vorbei mit dem eintönigen Einerlei, das war ein eindeutiger Startschuss der Natur für Diversität.

Niemals vermehrt sich in der Natur etwas unkontrolliert – wenn nicht der Mensch seine Finger im Spiel hat. Die Natur hat ihre eigenen Waffen, um einzuschreiten, sie wartet nicht darauf, bis der Mensch mit einer gehörigen Portion Chemie anrückt. Sollte sie auch besser nicht, denn täglich können wir erleben: Das kann nur schiefgehen. Außer wir arbeiten im Einklang mit der Natur, dann können wir mit unseren Händen in fruchtbare Böden greifen, gesunde Pflanzen erleben und reiche Ernten einfahren. Dazu will dieses Buch Sie verleiten.

Gärtnern ohne Chemie ist also das Beste, was wir tun können, um unsere Umwelt zu schützen. Sind wir nun Befürworter für einen Biogarten, für organischen Dünger, für Pflanzenstärkung und für gesunde Lebensmittel, dann heißt das aber noch lange nicht, dass wir unseren Garten einfach der Natur überlassen. Es geht hier nicht um reinen Wildwuchs, dann wäre es auch kein Garten, der per se eine Form der gestalteten Natur ist. Wir werden in einem Garten geradezu herausgefordert, regulierend einzugreifen, aber diese Eingriffe sollten so schonend wie möglich sein. Und das geht.

Denn eine Tierart ganz aus unserem Grün zu verbannen oder gar willentlich auszurotten, führt nur dazu, dass wir eine völlig falsche Vorstellung von Schädlingen entwickeln. «Diese fiesen Viecher müssen wir loswerden», heißt es allerorten, aber die Plagegeister gehören mit zu unserem Garten, sie sind keineswegs so nutzlos, wie vielfach angenommen wird – und dass wir sie als störend empfinden, ist oftmals unserer anthropozentrischen Sichtweise geschuldet. Pflanzen sind da entspannter. Bei einer Attacke wie in dem US-Film Angriff der Killerbienen leiden eher die Menschen, pflanzliche Gewächse leben nämlich ganz gut mit fresswütigen Insekten und haben im Laufe der Evolution hervorragende und einfallsreiche Systeme entwickelt, um sich gegen sie zu schützen. Nehmen wir uns diese zum Vorbild, so können wir naturnah gärtnern, und zwar das ganze Jahr hindurch.

Wir sollten also alle Strategien, die wir in der Natur vorfinden, nutzen. Wir sollten die Eingreiftruppen, die sie uns schickt, dankend annehmen und nicht durch unüberlegten Chemieeinsatz noch mehr Schaden verursachen. Und wer mal einen Blick in meinen Garten im niedersächsischen Börßum wirft, kann sehen, dass wir auch ohne synthetische Stoffe schöne Tomaten, leckere Äpfel und tolles Gemüse ernten können. Wir bekommen auf diese Weise gesunde Nahrungsmittel, und unsere Kinder und ihre Freunde können unbesorgt die Früchte im Garten naschen, ohne Angst, es könnten ungesunde Rückstände darin sein.

Ich weiß, es gibt verschiedene Ansichten zu Gärten. Die einen wollen darin Kürbisse züchten, die so groß sind, dass man damit einen Preis gewinnen könnte oder ins Guinness-Buch der Rekorde kommt. Andere würden am liebsten alles so wachsen lassen, wie es die Natur will. Das kann in regelrechte Glaubensbekenntnisse ausarten, da wird dann mit harten Bandagen gekämpft. Doch mir geht es nicht um das eine oder das andere, nicht um extreme Positionen. Wir sollten Gärten aus meiner Sicht als Folgendes betrachten: als einen Übungsplatz zur Gestaltung unserer Welt.

Deshalb sollten wir unsere Sichtweisen auch regelmäßig hinterfragen, denn ein Schädling ist niemals nur ein Schädling, sondern immer auch ein Nützling. Es fällt nicht ganz leicht, so zu denken, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Aber versuchen Sie es mal, denn eine geänderte Sichtweise kann uns ganz neue Möglichkeiten eröffnen, mit der Natur und nicht gegen sie zu arbeiten.

Vielleicht helfen ein paar Beispiele, um es noch anschaulicher zu machen: Wie jeder Gärtner kann ich Schnecken nicht gut leiden, gerade wenn sie in feuchten Sommern überhandnehmen und sich über alles hermachen, was ich gerade frisch gepflanzt habe oder ernten möchte. Aber auch diese schleimigen Dinger haben eine Aufgabe in unserem Garten: Sie beseitigen verwesende Abfälle und kleine tote Tiere. Die Weichtiere gehören wie viele andere Insekten auch zu den großen Aufräumern, sie bilden die Müllabfuhr, auf die keineswegs verzichtet werden kann. (Sie wissen bestimmt, wie es ist, wenn mal der Müll nicht abgeholt wird.)

Ein anderes Beispiel: Blattläuse mag man auch nicht gern, ganz und gar nicht. Sie sind Störfaktoren für unsere armen Pflanzen, diese sollen von ihnen befreit werden, besonders dann, wenn die kleinen Biester in gefühlten Milliarden an deren Stielen hocken. Aber Blattläuse gehören gleichzeitig zu den wichtigen Nahrungsquellen vieler Nützlinge und Vogelarten. Gibt es keine Blattläuse, gibt es weniger Vögel. Und das will...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2020
Zusatzinfo Zahlr. 4-farb. Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Garten
Schlagworte Bäume • Beet • Befall • Blattläuse • Blumen • Garten • Gartenarbeit • Gartenpflanzen • Gärtnern • Gemüsegarten • Kübelpflanzen • Mehltau • Milben • Pflanzen • Pflanzenschutz • Schädlinge • Schädlingsbekämpfung • Schildläuse • Schrebergarten • SPIEGEL-Bestseller • Stauden • Ungeziefer
ISBN-10 3-644-00670-9 / 3644006709
ISBN-13 978-3-644-00670-6 / 9783644006706
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