Nur wer sichtbar ist, findet auch statt (eBook)
256 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-25283-0 (ISBN)
Tijen Onaran, geboren 1985, ist Unternehmerin, Investorin, Autorin und eine der wichtigsten Meinungsmacherinnen Deutschlands, wenn es um Diversität und Female Empowerment geht, sowie eine der prominentesten Stimmen der deutschen Wirtschaft. Sie wurde vom Manager Magazin zu den 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft gewählt, ist Trägerin des 'Made in Baden Award' und gehört zu den Top-Influencer*innen auf LinkedIn. Zuletzt erschien von ihr bei Goldmann der Spiegel-Bestseller Nur wer sichtbar ist, findet auch statt. Ihr Motto: 'Diversität ist kein Trend. Diversität ist der Grundstein für den Erfolg eines Unternehmens!'
Kapitel 1
Einleitung
Was Personal Branding bewirkt
Ohne Personal Branding wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Gelernt habe ich das, worum es in diesem Buch gehen soll, aber nicht etwa in der Schule. Vielmehr habe ich es mir Schritt für Schritt durch teils schmerzhafte Erfahrungen in der Praxis selbst beigebracht. Mein Ansatz lautete stets »Learning by Doing« – wobei »Hinfallen, Aufstehen und Weitermachen« die Realität besser beschreibt.
Aber der Reihe nach. Denn es gab durchaus ein initiales Erlebnis, durch das mir bewusst wurde, dass es eine wichtige Lektion im Leben zu geben scheint, mit der ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht vertraut war. Angespornt durch meine Eltern habe ich den Weg in die Politik gewagt. In Wahrheit waren meine Eltern wahrscheinlich der stundenlangen Diskussionen am Essenstisch überdrüssig, und so empfahlen sie mir, doch mal versuchsweise in eine Partei einzutreten. Dort könne ich dann über all die Themen sprechen, die mich so brennend interessieren, und mich mit anderen darüber austauschen. Da ich die Idee gut fand, startete ich den Versuch und sondierte erst einmal, welche der Parteien am besten zu mir passen würde. Die größte Schnittmenge fand ich mit der FDP, und da damals der Wahlkampf vor der Tür stand, wurde ich nicht nur dankbar aufgenommen, sondern nach kurzer Zeit direkt gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mich als Kandidatin für den Landtag von Baden-Württemberg aufstellen zu lassen.
Schnitt. Wenige Wochen später fand ich mich bei einer Veranstaltung wieder und sah mich mit Fragen wie den folgenden konfrontiert:
In diesem Stil reihte sich eine Stunde lang eine Frage an die nächste. Ich stammelte mich von Antwort zu Antwort. Weder hatte ich mich gut vorbereitet, noch konnte ich mit den Themen wirklich viel anfangen. Schauplatz war der Konferenzraum eines altehrwürdigen Karlsruher Hotels, das alle Klischees erfüllte: mit Stuck verzierte Decken, mit Brokat-Teppichen ausgelegte Flure und massive Vorhänge an den Fenstern. Anlass der Veranstaltung war, dass Interessierte sowie der Vorstand der Partei einen Eindruck der FDP-Kandidat*innen für den Landtagswahlkampf 2006 bekommen sollten. Eine dieser Kandidatinnen war ich. Mein Profil: Junge Studentin mit Migrationshintergrund, die im Wahlkampf die Themen Bildung und Integration besetzt.
Wie es dazu kam? Im Grunde war es Glück, aber auch ein klein wenig Pech. Vor allem aber die Tatsache, dass ich mir meine Themen damals nicht selbst ausgesucht hatte. Aber der Reihe nach: Nach meinem wenig ruhmreichen ersten Auftritt bei der Auftaktveranstaltung zur Landtagswahl sprach mich die Inhaberin einer Werbeagentur an. Dafür bin ich bis heute dankbar, denn ehrlich gesagt stand ich mit sehr wenig da. Ganz genau genommen mit nichts. Meine Eltern hätten mir in dem Moment sicher gerne geholfen – aber leider sind sie keine Politikstrategen. Jemand mit einer eigenen Werbeagentur war für mich demnach ein Geschenk des Himmels. Allerdings mit schlechten Nachrichten. Denn sie gab mir damals nach der Veranstaltung unmissverständlich zu verstehen, dass wir sowohl an mir als auch an meiner Strategie für den Wahlkampf arbeiten müssen. So vereinbarten wir einen Termin zum Brainstorming. Nach einer kurzen Anamnese standen »meine« Themen fest: Als angehende Studentin passe das Thema Bildung zu mir, als Frau natürlich irgendwie auch das Thema Familie und aufgrund der Biografie meiner Eltern das Thema Integration. Spoiler: Nur weil bestimmte Themen deine Lebensrealität abbilden, sind es nicht automatisch deine Themen.
Eine Entscheidung und ihre Folgen
Aber so wurde ich damals positioniert, und dementsprechend wurde auch mit mir diskutiert. Es dauerte nicht lange, bis die leise Ahnung in mir aufkeimte, dass ich weder im Themenfeld Migration und Integration noch in den daran angrenzenden Fragestellungen wirklich zu Hause war. Weder bin ich besonders »türkisch« erzogen worden, noch spielte Religion in meinem Elternhaus eine Rolle. Es handelte sich dabei lediglich um Themen, die in der Annahme für mich ausgesucht wurden, ich könne sie »authentisch« verkörpern und »glaubwürdig« rüberbringen. In Wahrheit war das Gegenteil der Fall. Denn jemand anderes hatte diese »meine« Themen für mich gesetzt, und ich selbst konnte mich nicht damit identifizieren. Authentisch fühlte sich die ganze Situation erst recht nicht an.
» | Nur wenn du deine Themen setzt, kannst du sie auch glaubwürdig vertreten. |
Was war das Problem? Nicht ich habe meine Agenda und meine Themen bestimmt, sondern andere. Diese Situation ist zugegebenermaßen speziell, aber sicher kein Einzelfall. Im Prinzip kann so etwas jede*n in der ein oder anderen Form betreffen. Denn es gibt viele Menschen, die bewusst oder unbewusst Erwartungen an uns haben. Sie sehen vielleicht Dinge in uns, denen wir selbst keinen hohen Stellenwert einräumen oder die unbedeutend für uns sind. Die Öffentlichkeit, das Publikum, eine Partei, manchmal auch die eigenen Eltern, Familienmitglieder oder Freund*innen. Zuschreibungen, Klischees und falsche Erwartungshaltungen prägen, wie andere uns als Personen wahrnehmen, und es gibt immer wieder Situationen, in denen wir aus dem einen oder anderen Grund diese Erwartungshaltungen erfüllen. Angefangen bei der Wahl des Studienfaches oder Berufs über die Wahl des Arbeitgebers bis hin zu Entscheidungen, bestimmte Aufgaben oder Aufträge zu übernehmen – dabei ist die Bestimmung der eigenen Position und der eigenen Themen essentiell und etwas, das wir nur selbst entscheiden können.
Situationen wie die, in der ich mich damals befand, sind wahrscheinlich eher die Norm als die Ausnahme. Denn viele Gelegenheiten und Chancen bieten sich uns im Leben mehr oder weniger zufällig, und wir entscheiden uns für etwas manchmal aufgrund der Ermangelung von Alternativen. Oft besteht die Herausforderung dann darin, im Nachhinein einen tieferen Sinn hinter den ganzen Entscheidungen der Vergangenheit zu finden, die einen dorthin geführt haben, wo man gerade ist.
» | Entscheidungen sind Eckpfeiler. Sind diese erst einmal gesetzt, dann ist die Richtung klar. |
Ich musste schmerzhaft am eigenen Leib erfahren, welch drastische Auswirkungen unreflektierte Entscheidungen auf das eigene Leben haben können. Wenn du erst einmal in so einer Schiene drin bist, musst du es nämlich auch wirklich durchziehen. In meinem Fall bedeutete das: Nachdem meine Themen damals im Wahlkampf gesetzt waren, folgten zahlreiche Einladungen zu Veranstaltungen, die zu »meinen« Themen passten. So tingelte ich von Vereinen zu Verbänden, die alle Migrant*innen als Zielpublikum hatten. Ich versuchte, mich und meine Mission, so gut es mir möglich war, zu verkaufen. Nebenbei bemerkt waren Podiumsdiskussionen an sich damals noch enorm schwierig für mich. Ich hatte weder Erfahrung damit noch den nötigen Weitblick, um an die Sache heranzugehen. Und nicht zuletzt fehlte mir ja auch schlicht die tiefergehende Auseinandersetzung mit den Themen. So traf ich bei den Diskussionen immer wieder auf Expert*innen, die sich seit vielen Jahren mit dem jeweiligen Thema beschäftigt hatten und darin logischerweise sehr viel sattelfester waren als ich. Zur Diskussion über ein Migrationsgesetz konnte ich erschreckend wenig beitragen. Das wurde in dem Moment nicht nur mir selbst klar, sondern leider auch allen anderen Anwesenden. Auch zu persönlichen Fragen, die vollständig neu für mich waren, musste ich etwas überfordert Stellung beziehen: »Trägt deine Mutter ein Kopftuch?« Bis zu diesem Zeitpunkt war immer allen, die mich kannten, einigermaßen klar gewesen, dass ich nicht aus einem besonders orthodoxen Haushalt stamme. Nun aber wurde ich mit Fragen konfrontiert, die ich mir selbst noch nie in meinem Leben gestellt hatte. Die sogenannte Kopftuchdebatte war damals hochaktuell. Und so wurde ich häufig gefragt: »Sollen Lehrerinnen ein Kopftuch im Schulunterricht tragen dürfen?« Meine Antwort lautete wahrheitsgemäß: »Ich persönlich war auf einer katholischen Mädchenschule. Dort gab es auch Nonnen, die ihre Kopfbedeckung im Unterricht trugen. Ich finde, dass es selbstverständlich ihre freie Entscheidung bleiben sollte, ob sie das auch in Zukunft machen wollen – das ist schließlich Ausdruck ihres persönlichen Glaubens.« Diese Situationen begegneten mir im Wahlkampf ständig: Ich wurde auf Themen angesprochen, die in meiner persönlichen Lebensrealität entweder keine Rolle gespielt hatten oder so selbstverständlich waren, dass ich mir nie darüber Gedanken gemacht hatte. Ich hatte mich mit den Themen, die ich dann repräsentieren sollte, schlichtweg nicht in der Intensität beschäftigt, dass ich in der Lage war zu diskutieren. Natürlich habe ich es im Laufe des Wahlkampfs gelernt, aber diese Situation zeigt: Wenn du deine Agenda nicht selbst bestimmst, bestimmt sie jemand anderes!
So verloren und fremdbestimmt, wie ich mich damals gefühlt habe, sollte sich kein junger Mensch fühlen, wenn er in die Öffentlichkeit tritt. Und natürlich auch kein nicht mehr ganz so junger. Das muss auch nicht sein. Genau aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, dieses Buch zu schreiben. Denn rückwirkend wurde mir klar, dass die entscheidende Frage lautet: Wie gelingt es mir, meine eigenen Themen und meine eigene Agenda zu besetzen? Dabei ist es ganz egal, ob es darum geht, eine politische Kampagne auf den Weg zu bringen, sich auf die berufliche Karriere...
Erscheint lt. Verlag | 17.8.2020 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | Agendasetting • eBooks • Erfolg • Identität • Karriere • Marke • Markenbildung • Motivation • Personal Branding • Persönlichkeitsentwicklung • Positives Denken • Präsentieren • Ratgeber • Scheitern • Selbstwert • Social Media • spiegel bestseller |
ISBN-10 | 3-641-25283-0 / 3641252830 |
ISBN-13 | 978-3-641-25283-0 / 9783641252830 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
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Größe: 4,3 MB
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