Die Nürnberger Prozesse (eBook)

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2019 | 3. Auflage
128 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-74110-4 (ISBN)
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Dieses Buch beschreibt die Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher und die Funktionseliten des «Dritten Reiches», die von den Alliierten des ZweitenWeltkrieges eingeleitet worden waren. Angeklagt waren führende Vertreter eines verbrecherischen Regimes, das dieWelt in einen Krieg von bis dahin nicht gekannterGrausamkeit und Brutalität gestürzt hatte. Die Autorin beschreibt die Vorgeschichte, die Abläufe und die Urteile dieser bis heute im Bewusstsein vieler Deutscher umstrittenen Prozesse.

Annette Weinke lehrt als Privatdozentin Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Cover 1
Titel 3
Zum Buch 2
Über die Autorin 2
Impressum 4
Inhalt 5
Vorwort 7
I. Die alliierte Debatte über deutsche Hauptkriegsverbrecher 10
II. Das Internationale Militärtribunal 17
Londoner Viermächte-Abkommen und Statut 17
Beweismittelsuche und Angeklagtenauswahl 24
Gerichtsorte und Nürnberger Prozessgemeinde 30
Anklageerhebung und Verhandlungsbeginn 35
Einsatz von Dokumentarfilmen im Gerichtssaal 44
Behandlung des Massenmordes an den Juden Europas 47
Prozessende und Urteilsvollstreckung 53
Bewertung 56
III. Die zwölf Nachfolgeprozesse gegen Eliten des «Dritten Reichs» 59
Politischer und rechtlicher Rahmen 59
Ärzte (Fall 1) 63
Juristen (Fall 3) 68
SS- und Polizeiangehörige (Fall 4, 8 und 9) 72
Militärs (Fall 7 und 11) 80
Industrielle und Manager (Fall 5, 6 und 10) 84
Minister und Regierungsfunktionäre (Fall 2 und 12) 91
IV. Wirkungen im geteilten Deutschland 99
Kollektivschulddebatte in den Westzonen 99
Deutsch-amerikanisches «Gnadenfieber» 105
Justizieller «Antifaschismus» in der SBZ/DDR 112
V. Von «Nürnberg» nach «Den Haag»? 116
Literaturempfehlungen 122
Personenregister 126

I. Die alliierte Debatte über deutsche Hauptkriegsverbrecher


Niemand weiß, ob und wie viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn die Alliierten noch zu Kriegszeiten eine konsequente Kriegsverbrecherpolitik betrieben hätten. Tatsache ist aber, dass weder die beiden Westmächte noch die Sowjetunion über einen langfristigen Plan verfügten, wie nach dem angestrebten militärischen Sieg über Deutschland mit den verantwortlichen Haupttätern verfahren werden sollte. Zu den tragischen Aspekten der alliierten Kriegsverbrecherpolitik gehört zudem, dass Großbritannien zwar aufgrund seiner Stellung als Gastgeber der europäischen Exilregierungen bis kurz vor Kriegsende hauptsächlich für dieses Thema zuständig war, man sich jedoch infolge negativer Erfahrungen nach Ende des Ersten Weltkrieges nie innerlich mit dieser Rolle anfreunden konnte. Aufgrund dieser zwiespältigen Haltung Londons zeichnete sich die britische Kriegsverbrecherpolitik durch eine große Diskrepanz zwischen öffentlichen Ankündigungen und tatsächlichen Maßnahmen aus. Besonders deutlich wurde dies anhand des Umgangs mit der Führungsriege des NS-Regimes.

Der nicht nachlassende Druck der Exilregierungen führte dazu, dass das britische Außenministerium zunächst im Oktober 1942 die United Nations Commission for the Investigation of War Crimes (UNWCC) ins Leben rief, die damit beauftragt wurde, Beweismaterialien zu Kriegsverbrechen aus den einzelnen Ländern unter deutscher Besatzungsherrschaft zusammenzutragen. Aber auch nachdem Churchill und Roosevelt im Januar 1943 auf der Kriegskonferenz von Casablanca die «bedingungslose Kapitulation» Deutschlands zum offiziellen Kriegsziel erklärt hatten, standen die Briten einer rechtlichen Lösung des deutschen Kriegsverbrecherproblems weiterhin reserviert gegenüber und zogen Strafprozesse nur für nachgeordnete Täter und «klassische» Kriegsverbrechen in Betracht. Gleichzeitig favorisierten sie im Umgang mit führenden Repräsentanten des NS-Staates eine politische Lösung. Dazu lagen seit Sommer 1943 verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, von denen der Plan des britischen Premiers wegen seiner besonderen Radikalität hervorstach.

So war Churchill der Meinung, die NS-Führung nicht in den Genuss eines förmlichen Rechtsverfahrens kommen zu lassen, sondern sie einfach zu «Outlaws», also zu «Vogelfreien» zu erklären, wie dies im mittelalterlichen Britannien im Umgang mit gewöhnlichen Banditen der Fall gewesen war. Damit hätte jeder beliebige alliierte Armeeangehörige vom Rang eines Generalmajors aufwärts das Recht gehabt, Führungspersönlichkeiten des «Dritten Reiches» nach kurzer Identitätsfeststellung auf der Stelle zu erschießen. Churchill selbst hatte einen relativ übersichtlichen Kreis von 50 bis 100 deutschen, italienischen und japanischen Hauptkriegsverbrechern im Auge, die er nach dieser Methode behandelt wissen wollte.

Obwohl der «Outlaw»-Plan innerhalb des Außenministeriums sogleich auf rechtliche Bedenken stieß und sich zudem die Erstellung einer diesbezüglichen Liste als praktisch undurchführbar erwies, ließ der britische Regierungschef in den folgenden Monaten nichts unversucht, sein Vorhaben bei den Verbündeten zu propagieren. Ein erster Etappenerfolg war ihm im Oktober 1943 beschieden, als die drei Hauptalliierten am Ende der Moskauer Außenministerkonferenz eine Erklärung verabschiedeten, in der sie zum einen übereinkamen, alle Kriegsverbrecher ausfindig zu machen und jenen Ländern zur Aburteilung zu übergeben, in denen sie ihre Verbrechen begangen hätten. Zum anderen legte der Schlussabsatz der «Moskauer Erklärung» vom 1. November 1943 auf Churchills Anregung hin fest, all jene «Hauptkriegsverbrecher», deren Verantwortung «nicht geographisch begrenzt» sei, «aufgrund einer gemeinsamen Entschließung der Alliierten» zu bestrafen.

Kurze Zeit später musste Churchill jedoch erkennen, dass seine unkonventionellen Vorschläge dazu geeignet waren, ihm Beifall von der falschen Seite einzutragen. Als die «Großen Drei» Ende des Monats in Teheran zu einer ihrer Kriegskonferenzen zusammentrafen, nutzte Stalin die Gelegenheit eines ausschweifenden Trinkgelages, um vor den versammelten Gästen zu fordern, den gesamten deutschen Generalstab – konkret nannte er eine Zahl von mindestens 50.000 Mann – auf einen Schlag zu liquidieren. In seinen Memoiren gab Churchill später an, er habe ob dieser launigen Erklärung des sowjetischen Führers empört ausgerufen: «The British Parliament and public will never tolerate mass executions. Even if in war passion they allowed them to begin, they would turn violently against those responsible after the first butchery had taken place. The Soviets must be under no delusion on this point.» Daraufhin habe sein amerikanischer Amtskollege Franklin D. Roosevelt die Situation zu entschärfen versucht, indem er mit maliziösem Lächeln die Zahl auf «nur» 49.000 reduzierte.

Auch wenn die rückblickend behauptete Entrüstung des britischen Premiers mehr der Tatsache geschuldet war, dass der ebenfalls anwesende Sohn des amerikanischen Präsidenten Stalins makabre Witzeleien ernst nahm und ihnen Beifall spendete, änderte dies nichts daran, dass Churchill auch nach Teheran weiterhin an der Idee festhielt, das Problem der Hauptkriegsverbrecher auf dem Wege summarischer Exekutionen «aus der Welt zu schaffen». Dementsprechend verärgert war er auch, als er im Oktober 1944 anlässlich eines Staatsbesuchs in Moskau feststellen musste, dass der sowjetische Diktator inzwischen anderer Meinung war. So hatte Stalin mit Blick auf die seit Sommer 1943 im eigenen Lande laufenden publikumswirksamen Kriegsverbrecherprozesse Gefallen an einer rechtlichen Lösung gefunden und plädierte vor diesem Hintergrund für ein großes internationales Tribunal gegen die NS-Führung. In einem Telegramm an Roosevelt kommentierte Churchill diese Kehrtwende des sowjetischen Staatschefs mit der spöttischen Bemerkung, «Onkel Joe» habe in der Kriegsverbrecherfrage unerwartet eine «überkorrekte Haltung» eingenommen. Dabei war sich der britische Premier nur allzu bewusst, dass Stalins Einschwenken auf eine neue Linie das endgültige Aus für seinen «Outlaw»-Plan bedeutete, da die Öffentlichkeiten der westlichen Länder mittlerweile an den alliierten Diskussionen um die Kriegsverbrecherfrage regen Anteil nahmen.

Bis zum Herbst 1944 hatte der amerikanische Präsident Roosevelt nur mäßiges Interesse an der deutschen Kriegsverbrecherthematik gezeigt. Auch das Schicksal der NS-Führungseliten ließ ihn – wie die zuvor beschriebene Episode beweist – weitgehend kalt. Dies änderte sich erst, als im September 1944 innerhalb der US-Regierung ein handfester Streit über die Nachkriegsplanungen für das besetzte Deutschland ausbrach. Auslöser war ein gegen das amerikanische Militär gerichteter Plan des US-Finanzministeriums, der vorsah, Deutschland nach der militärischen Niederlage in den Status eines Agrarlandes zurückzuversetzen, um zu verhindern, dass von deutschem Boden jemals wieder ein Krieg ausgehen könnte. Das Memorandum unter dem Titel Program to Prevent Germany from Starting a World War III (nach seinem Erfinder Henry M. Morgenthau jr. auch kurz «Morgenthau-Plan» genannt) sah für das Deutsche Reich einen karthagischen Frieden vor. Dazu gehörten nach Vorstellungen des Finanzministers nicht nur eine komplette Deindustrialisierung und Demilitarisierung Deutschlands, sondern auch harte Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Kriegsverbrecher. Konkret plädierte Morgenthau dafür, eine Liste von «Erzverbrechern» zu erstellen und diese ohne Gerichtsverfahren erschießen zu lassen. Zum anderen verlangte er die Einsetzung von Militärkommissionen für die Aburteilung von «Verbrechen gegen die Zivilisation». Damit waren sowohl Geiselerschießungen als auch Tötungen aufgrund von Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung gemeint. Nach Morgenthaus Vorstellung sollte in all derartigen Fällen eine Verurteilung automatisch zur Todesstrafe führen; lediglich in Ausnahmefällen war die Deportation in eine außerhalb Deutschlands gelegene Strafkolonie vorgesehen. Darüber hinaus plante er, alle Mitglieder von NS-Organisationen bis zum Beweis ihrer Unschuld in Arbeitslagern zu internieren.

Morgenthaus Vorschläge richteten sich vor allem gegen die Richtlinien der Combined Chiefs of Staff, die in ihrem Handbook of Military Government for Germany relativ moderate Bestrafungsmaßnahmen vorgesehen hatten. Seine Ideen standen zudem unter dem Eindruck der Berichte, die seit der im Juli 1944 erfolgten Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Majdanek durch die Rote Armee auch in der westlichen Presse...

Erscheint lt. Verlag 26.9.2019
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte 20. Jahrhundert • Alliierte • Deutschland • Frankreich • Geschichte • Großbritannien • Hauptkriegsverbrecher • Holocaust • Justiz • Nationalsozialismus • Nürnberg • Prozess • Recht • Shoah • Sieger • Sowjetunion • Urteil • USA
ISBN-10 3-406-74110-X / 340674110X
ISBN-13 978-3-406-74110-4 / 9783406741104
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