Die Hölle war mein Zuhause (eBook)

Jahrelang mit einem gewalttätigen Ehemann, nur die Liebe zu meinen Kindern hielt mich am Leben

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Aufl. 2019
510 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-6309-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Hölle war mein Zuhause - Mandy Thomas
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Mandy Thomas hat überlebt. Achtzehn Jahre lang wurde sie von ihrem Mann verprügelt, vergewaltigt und auf jede vorstellbare und unvorstellbare Weise gequält. Von Polizei und Behörden wurde sie im Stich gelassen. Dass ihr Mann überhaupt angeklagt und verurteilt wurde, grenzt an ein Wunder. Doch er kam wieder frei - und bis heute leben Mandy und ihre Familie in Angst vor diesem wahnsinnigen Gewalttäter. Nur ein Gedanke hielt Mandy all die Jahre lang am Leben: Die Sorge um ihre Kinder. Ihre Geschichte ist ein einziger Schrei nach Gerechtigkeit.

1

Es war 1984, als sich mein Leben für alle Zeit verändern sollte. Mai 1984. Duran Duran lagen die Charts zu Füßen, mir lag die Welt zu Füßen. Ich war achtzehn und wohnte mit zwei Freundinnen in einer WG in einem Haus, in das all unsere Freunde zu Besuch kamen, um zu chillen, Filme zu gucken oder einfach nur bei einer Tasse Kaffee rumzuhängen und sich eine Zeitlang angeregt zu unterhalten. An jenem Tag – jenem schicksalhaften Tag – hatten die Mädchen und ich unserer Heimatstadt Rugby den Rücken gekehrt, um die weite Welt zu erkunden: Birmingham mit seinem berühmten Bullring Shopping Centre. Eine Woche zuvor war ich zum ersten Mal dort gewesen, um mit meiner Mum für ihren Geburtstag Einkäufe zu erledigen. Als ich meinen Mitbewohnerinnen von den Geschäften vorschwärmte, planten wir drei prompt einen gemeinsamen Ausflug dorthin.

Ich war damals noch ein kleiner, schmaler Teenager, ein geschwätziges Mädchen mit markanten, leuchtend roten Haaren – und mit einem noch markanteren Pony, dessen Fransen ich mir aus den Augen schnippen musste, wenn ich in einem Nachtclub zu Simon Le Bons Gesang tanzte, bis mir die Füße wehtaten. Ich liebte es, zu tanzen, und genauso liebte ich es, zu malen, zu zeichnen und zu schreiben. Musik steckte tief in meiner Seele, und ich sang bei jeder Gelegenheit. Ich liebte alles, womit ich mein Innerstes zum Ausdruck bringen konnte.

Das Schreiben hatte ich mit neun Jahren entdeckt, nachdem mein Vater im Alter von nur achtunddreißig Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war. Meine niederschmetternde Trauer konnte ich nur durch Worte ausdrücken. Meine Englischlehrerin Mrs. Mickleborough sagt mir, ich sei eine geborene Schriftstellerin. Sie sagte, mit einem Gedicht über meinen Vater, das ich mit zehn Jahren verfasst hatte, hätte ich sie zu Tränen gerührt. Danach reichte sie meine Gedichte bei Wettbewerben ein, aus denen ich als Siegerin hervorging. Ich habe mein Leben lang immer weiter Gedichte geschrieben, und ein paar davon habe ich in dieses Buch aufgenommen, weil sie mir helfen, meine Gefühle selbst in den finstersten Momenten in Worte zu fassen. Ich entwickelte mich auch künstlerisch weiter. Ich zeichnete immerzu, von Beatrix-Potter-Büchern für eine alte Dame bis hin zu Cartoons und eigenen Bildern. Die Farben durchdrangen meine Träume, und ich hoffte, eines Tages darauf eine Karriere aufbauen zu können. Es war nur einer von meinen Träumen.

Nach Dads Tod war das Leben daheim ziemlich schwierig. Ich will nicht näher darauf eingehen, ich will dazu nur sagen, dass ich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit kurz nach meinem sechzehnten Geburtstag im November 1981 in ein kleines Apartment zog. Ich musste wie verrückt arbeiten, um über die Runden zu kommen. Selbst als ich noch zu Hause gewohnt hatte, war ich mit fünfzehn, sechzehn nach der Schule schon in einem Hotel in unserer Nähe kellnern gegangen. Nachdem ich von der Schule abgegangen war, arbeitete ich bei einem Lebensmittel- und Zeitungshändler, dann verkaufte ich Fenster und bekam eine Anstellung bei einer amerikanischen Gesundheitsfirma. Mit sechzehn fing ich in der Bar eines Arbeiterheims an, sammelte benutzte Gläser und erledigte alle anfallenden Arbeiten. Mit siebzehn half ich einer Frau, Sportkurse zu veranstalten. Der Job war gut, weil ich als Kind Gymnastik gemacht und als Teenager mit Formations-Street-Dance begonnen hatte. Es war für mich eine weitere Möglichkeit, allen Schmerz herauszulassen, den ich im mir trug. Man kann sich nicht auf seine Gefühle konzentrieren, wenn man die Füße im Rhythmus zum eigenen Herzschlag bewegt und Arme und Beine nur so umherwirbeln. Ich war auf mich allein gestellt, aber ich kam zurecht. Es ging mir ganz gut. Außerdem malte ich das eine oder andere Porträt als Auftragsarbeit, sodass meine künstlerische Begabung mir auch noch etwas Geld einbrachte.

Mode war noch so eins von meinen Faibles, vor allem Kleidung in leuchtenden Farben, wie ich sie auf meiner Malerpalette mischte. Daher war dieser Tag im Bullring wirklich ein Erlebnis. Die Mädchen und ich lebten zu der Zeit erst seit ein paar Monaten zusammen, und wir kamen uns wirklich wie ein Team vor, als wir uns die ausgestellten Outfits ansahen, über die abgefahreneren Teile nur kichern konnten und andere Sachen mit einem begeisterten »Ooooh« kommentierten.

Zu der Zeit hatte ich einen wirklich netten Freund, einen eins zweiundneunzig großen Basketballer, der auch Krafttraining machte, und ich zermarterte mir das Hirn, was ich anziehen sollte, wenn wir das nächste Mal in den Club gingen. Unsere Freundschaft bereitete mir überhaupt Kopfzerbrechen, denn ich sagte ihm immer wieder, dass er viel zu nett für mich war und dass er eine Freundin verdiente, die innerlich nicht so zerbrechlich war wie ich. Aber er wollte nicht auf mich hören. Er war so nett, dass er den Schaden nicht erkennen wollte, den mein Herz erlitten hatte.

Es geschah auf unserer zweiten Runde durch die Geschäfte. Wir waren seit ein paar Stunden unterwegs, und wir hatten fast alle Läden im Bullring erkundet, weshalb wir alle etwas kaputt waren. Wir beschlossen, uns irgendwo hinzusetzen, eine Pause einzulegen und einen Kaffee zu trinken. Es war ein heißer Tag, und wir hatten erst mal genug.

Nicht weit von uns entfernt gab es im Erdgeschoss auf einer freien Fläche ein Café, also machten wir uns auf den Weg dorthin. Ich durchquerte in meinen eleganten grauen Pumps die Mall in Richtung Rolltreppe, wobei die Absätze den Soundtrack für eine Szene boten, die ich niemals vergessen werde.

Ich wollte eben die Rolltreppe betreten, da spürte ich dieses sanfte Tippen auf meiner Schulter. Dann hörte ich zum allerersten Mal seine Stimme, noch bevor ich ihn sehen konnte, weil er hinter mir war. Er redete bedächtig und höflich. Sanft und samtig. Charmant, hätte man sagen können. Ich konnte ein Lächeln aus den Worten heraushören.

»Kannst du mir sagen, wie viel Uhr wir haben?«

Ich drehte mich um und sah einen Mann in meinem Alter dastehen. Er trug Jeans und ein rotes Sweatshirt. Er hatte ungefähr meine Größe, also etwa eins sechzig, dazu einen Lockenkopf und ein strahlendes Lächeln, das seine makellos aussehenden weißen Zähne erkennen ließ. Seine Augen wiesen das gleiche Hellbraun auf wie seine Haut. Diese Augen schienen mich förmlich aufzusaugen, als sein Blick über mich hinwegzuckte. Es folgte ein Moment der Atemlosigkeit, dann lächelte er wieder.

Und von dieser Sekunde an war alles anders.

Es war, als hätte er mich mit einem Zauber belegt. Das kommt mir bis heute so vor. Als hätte er einen Zauberstab geschwungen und meine Welt zum Stillstand gebracht. Es war keine sexuelle Anziehung, es war auch nichts Romantisches, so als würde man sich verlieben. Es war ein Zauber.

Oder ein Fluch.

Da mir nicht klar war, dass seine Frage eine klassische Anmache war, löste ich meinen Blick von seinen Augen und sah auf meine Armbanduhr. Normalerweise trug ich gar keine Uhr, aber aus irgendeinem Grund hatte ich an dem Morgen das Bedürfnis danach verspürt. Mit meiner weißen Bluse und dem grauen Rock war ich für meine Verhältnisse ohnehin sehr konservativ angezogen; vielleicht hatte ich deswegen gedacht, dass eine Armbanduhr dazu passen würde.

Wenn ich heute darüber nachdenke, wird mir klar, dass ich wie ein Schulmädchen ausgesehen haben muss. Unschuldig. Süß. Verführbar.

Wir redeten, während wir auf der Rolltreppe nach unten fuhren. Meine Freundinnen und ich gingen zum Café, weil wir uns wie besprochen etwas zu trinken holen wollten. Er kam mit, was aus einem unerfindlichen Grund okay zu sein schien. In seinem charmanten Tonfall stellte er uns ein paar harmlose Fragen, unter anderem um zu erfahren, woher wir kamen. Das Gefühl war wirklich äußerst eigenartig, so als wäre alles in Watte gepackt. Noch immer war ich wie mit einem Bann belegt, der mich ganz unbekümmert drauflosreden ließ. Ehe ich mich versah, hatten sich meine Freundinnen wieder auf eine Tour durch die Geschäfte gemacht, während ich mit ihm in diesem Café saß und redete. Aber wir waren hier mitten in der Mall, wo es von Leuten wimmelte. Ich dachte mir, dass mir nichts passieren konnte.

Ich kann mich nicht daran erinnern, woüber wir geredet haben. Ich weiß es einfach nicht mehr. Aber so wie ich mich kenne, war es jede Menge Blödsinn, weil ich immer drauflosrede.

Ich habe nur die Rolltreppe in Erinnerung und die Tatsache, dass er mich mit einem Zauber belegte. Und dass ich ihn für sehr charmant hielt mit seinen weißen Zähnen und dem breiten Lächeln. Er erwähnte, dass er ins Fitnesscenter ging, und ich weiß noch, wie mir der Gedanke durch den Kopf ging, dass er sich wohl gut um sich selbst kümmerte, wenn er so weiße Zähne hatte und das Fitnesscenter besuchte. Etwas in mir wollte, dass er sich auch um mich kümmerte, und es kann sein, dass sich dieser Gedanke schon an diesem Nachmittag zum ersten Mal regte.

Niemand hatte sich je um mich gekümmert.

Meine Freundinnen kamen irgendwann zurück zum Café, und wir machten uns alle zusammen auf den Weg nach Rugby zu dem Haus, das wir uns teilten. Eine ganze Gruppe von Leuten begleitete uns, weil meine Mitbewohnerinnen so wie ich gesellige Typen waren. Sie hatten sich in der Mall mit ihnen angefreundet und sie eingeladen, doch gleich mitzukommen. Aber während die anderen unentwegt drauflos redeten, unterhielten wir beide uns, als wären wir ganz allein. Wir unterhielten uns während der Zugfahrt, als würde ich ihn schon mein Leben lang kennen. Und das brachte mich auf den Gedanken: Dieser Junge ist der Junge.

Er blieb über Nacht. Nichts geschah, jedenfalls nicht in der Hinsicht, aber in...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2019
Übersetzer Ralph Sander
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel You Can`t Run
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • England / Großbritannien • Erfahrungsbericht • Erfahrungsbücher • Erinnerung • Erkrankung • Gewalt gegen Frauen • Gewalt in der Ehe • Gewalt in der Familie • Gewalt in der Partnerschaft • Gewalttätiger Partner • Häusliche Gewalt • Hilfe • Krankheit • Lebensweg • Psychologie • Schicksal • Schicksalsschlag • Wahre GEschichte
ISBN-10 3-7325-6309-X / 373256309X
ISBN-13 978-3-7325-6309-8 / 9783732563098
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