Konservativ 21.0 (eBook)

Eine Agenda für Deutschland

(Autor)

eBook Download: PDF | EPUB
2019 | 1. Auflage
144 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-73726-8 (ISBN)
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Die Volksparteien sind in der Defensive. In den Jahren der großen Koalitionen hat sich der politische Meinungsstreit an die Ränder des politischen Spektrums verlagert. Sie werden immer stärker, während die politische Mitte weithin sprachlos bleibt. Die SPD befindet sich im freien Fall, doch auch die CDU verliert immer weiter an Wählerzuspruch - eine hochbrisante Entwicklung für das Parteiensystem und die parlamentarische Demokratie, wie wir sie kennen.
Wie aber könnte ein neuer und zeitgemäßer Konservatismus aussehen, der diesen Trend umkehrt? Andreas Rödder analysiert zunächst die aktuelle Lage der deutschen Demokratie und definiert dann den Kern konservativen Denkens, um einen Konservatismus der Zukunft in zehn Thesen auf die konkreten Politikfelder anzuwenden: von der Europapolitik und den großen Themen Migration, Umwelt und Bildung bis hin zum Lieblingsthema der rechten Populisten: Heimat und Patriotismus. 'Konservativ 21.0' ist eine brillante Analyse der konservativen Defizite, an denen die Politik heute krankt, und zugleich ein leidenschaftlicher Appell, sich nicht ins populistische Bockshorn jagen zu lassen.

Andreas Rödder ist Professor für Neueste Geschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und einem breiteren Publikum vor allem durch seine weithin beachteten Bücher "21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart" und "Wer hat Angst vor Deutschland? Geschichte eines europäischen Problems" bekannt geworden.

Cover 1
Titel 3
Zum Buch 145
Über den Autor 145
Impressum 4
Inhalt 5
Prolog: Die K-Frage 7
I. Sprachlose Mitte: Zur Lage der Nation 9
Zwischen Siegeszug und Populismus: Die westlichen Demokratien seit 1990 9
Moralisierung und Polarisierung 14
Das Ende der Volksparteien? 17
II. Konservativ 21.0 23
Ein Kind des Wandels 23
Der große Unterschied: Liberaler und illiberaler Konservatismus 26
Das konservative Paradox 37
Konservativ 1: Der lange Atem der Zeit 40
Konservativ 2: Fröhliche Skepsis 43
Konservativ 3: Erfahrung und Alltagsvernunft, Maß und Mitte 45
Konservativ 4: Gesellschaft vor Staat, Freiheit und Subsidiarität 47
III. Eine Agenda für Deutschland 53
1. Internationale Politik: Mehr Realismus und mehr Engagement 53
2. Eine Strategie für Europa: Flexible Union statt ever closer union 61
3. Bildung: Echte Chancen und neue Aufklärung 68
4. Digitalisierung: Be-Denken first 76
5. Ein neuer Ruck für das «Modell Deutschland»: Infrastruktur, Stadt und Land 80
6. Klimawandel und Umweltpolitik: Offenheit statt Ideologie 84
7. Soziale Marktwirtschaft: Ordoliberalismus wiederentdecken und Lebensverläufe neu denken 89
8. Männer und Frauen: family mainstreaming statt Ständegesellschaft 101
9. Asyl und Migration: Klare Regeln und verlässliche Umsetzung 108
10. Eine bürgergesellschaftliche Leitkultur 114
Streitbare Mitte: Konservatismus, Bürgergeist und Demokratie im 21. Jahrhundert 121
Anmerkungen 127

II

Konservativ 21.0


Ein Kind des Wandels


«Was ist konservativ?» Die Frage ist so alt wie die Sache des Konservativen selbst. Als Bezeichnung einer politischen Richtung kam der Begriff 1818 mit François René de Chateaubriands royalistischer Zeitschrift «Le Conservateur» auf. Der Bezug auf das (nach-)revolutionäre Frankreich ist kein Zufall. Denn hier nahm auch die Sache ihren Anfang: mit den Reflexionen des britischen Schriftstellers, Staatsphilosophen und Politikers Edmund Burke über die Revolution in Frankreich aus dem Jahr 1790. Das heißt: Die politische Bewegung des Bewahrens war schon in ihrer Entstehung an den Wandel gebunden, den die Französische Revolution in die politische Welt gebracht hatte.

Dabei war Edmund Burke gar nicht grundsätzlich gegen eine Revolution an sich – wenn sie ein verlorenes Gleichgewicht wiederherstellte, so wie es, seiner Meinung nach, in England 1688 der Fall gewesen war. Burke war ohnehin ein Anhänger der Rechte des Parlaments, kein Vertreter der monarchischen Herrschaft. Das macht seine liberale Grundierung aus, ganz ähnlich wie im Falle von Professoren wie Hermann Lübbe, die nach 1968 aus der Kritik an der Radikalisierung dieser Bewegung einen liberalen Konservatismus begründeten. Burke kritisierte an der Französischen Revolution, dass sie keine Ordnung wiederherstellte, sondern im Gegenteil ihre tradierten Grundlagen zerstörte. Tatsächlich hatte er schon früh die Radikalisierung der Revolution prognostiziert und ihren Hang zum Terror erkannt.

Burke rechnete mit der «barbarischen Philosophie» der revolutionären Rationalisten ab und formulierte dabei Grundlagen eines konservativen politischen Denkens. Er wandte sich gegen «metaphysische Abstraktion» und mechanisch-theoretische Ratio und setzte stattdessen auf Erfahrung, Kontextsensibilität und Alltagsvernunft («practical wisdom»). Und mehr noch: Er provozierte die Rationalisten, indem er ihnen Instinkt und Vorurteil als Vernunft mit Zuneigung («reason […] and an affection») und als «Weisheit ohne darüber nachzudenken» («wisdom without reflection») vorhielt.

Mit einer Mischung aus Nüchternheit und Gelassenheit ging Burke davon aus, dass der Mensch sich nicht perfektionieren lasse, sondern von Natur aus fehlerhaft sei: «Wir sind grundsätzlich Wesen ungelehrter Gefühle.» Daher bedürfe es der Ordnung, sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Hinsicht. Vertikal, insofern diese Ordnung aus Ungleichen bestand. Und horizontal, insofern sie zeitlich weit ausgriff: als «Partnerschaft nicht nur zwischen den Lebenden, sondern zwischen den Lebenden, den Toten und denen, die noch geboren werden».

Diese lange gewachsene Ordnung besaß ihre eigene Würde, wobei sich im Verlauf ihrer Entwicklung auch Fehler einschlichen. Die galt es, so Burke, «so wie die Wunden eines Vaters» mit Vorsicht zu behandeln, Veränderungen am kranken Teil vorzunehmen, nicht aber am Ganzen. «Bereitschaft zum Bewahren und Fähigkeit zur Verbesserung, beides zusammen, das wäre mein Maßstab für einen Staatsmann.»[1]

In diesem Sinne wurde das Vereinigte Königreich zu dem Land, in dem sich die parlamentarische Tradition des politischen Konservatismus herausbildete. Sie trug wesentlich dazu bei, dass sich das politische System ohne gewaltsame revolutionäre Brüche von der Herrschaft des Königs über die Herrschaft des (von wenigen Besitzenden gewählten) Parlaments zur modernen Demokratie wandelte.[2] Dieses Prinzip des evolutionären Wandels erklärte Lord Derby 1858 vor dem Oberhaus, als die britischen Konservativen unter seiner Führung die Regierung übernahmen:

«My Lords, es gibt keinen größeren Irrtum, als anzunehmen, dass eine konservative Regierung eine Regierung des Stillstands ist. […] Unsere gesamte Verfassung ist das Ergebnis ständigen Wandels. Wie die altehrwürdigen Landhäuser in England ist sie von den aufeinander folgenden Bewohnern gestaltet worden, ohne große Rücksicht auf architektonische Einheitlichkeit oder Regelmäßigkeit der Silhouette, sondern indem hier ein Fenster ergänzt und dort ein Giebel entfernt wurde, oder indem etwas angebaut worden ist, so wie es passend schien, nicht um der Schönheit der äußeren Struktur willen, sondern, und das ist wichtiger, des Nutzens und der Bequemlichkeit der Bewohner wegen. My Lords, dieselbe Richtung muss auch in der Politik und überall sonst verfolgt werden: ein ständiger Fortschritt, der die überkommenen Verhältnisse verbessert, unsere Institutionen an veränderte Zwecke anpasst, denen sie dienen sollen, und durch vernünftige Veränderungen den gewachsenen Anforderungen der Gesellschaft entspricht.»[3]

Der große Unterschied: Liberaler und illiberaler Konservatismus


Was Derby damit ansprach, war der grundlegende Unterschied zwischen ‹konservativ›, ‹traditionalistisch› und ‹reaktionär›. Der Traditionalist will, dass alles so bleibt, wie es ist. Der Reaktionär will darüber hinaus das Rad zurückdrehen, zurück zu einem vermeintlich goldenen Zeitalter.[4] Der Konservative hingegen weiß, dass nichts zurückkommt und das goldene Zeitalter nicht wirklich golden war. Soll der Konservative aber, so die Gegenfrage, Fehlentwicklungen nicht revidieren? Tatsächlich: Im Einzelnen mag dies möglich sein. Grundsätzlich aber lassen sich Entwicklungen aller Erfahrung nach nicht umkehren.

Das galt im 19. Jahrhundert zum Beispiel für die Demokratie, ein Schreckbild für die britischen Konservativen, wie es Robert Cecil, der spätere 3. Marquess of Salisbury und mehrfache Premierminister, 1861 in drastischen Farben malte:

«Es ist immer schwer, einer großen Gruppe eine weitsichtige, vernünftige Politik nahezubringen; und es ist vollkommen unmöglich, wenn es sich um Menschen handelt, die nicht an selbständiges Denken gewöhnt und die nicht mit Bildung vertraut sind. […] Erstklassige Männer machen keinen Wahlkampf beim Mob. Und wenn sie es täten, würde der Mob die erstklassigen Männer nicht wählen. […] Der Mob verlangt mehr Schöntuerei und Unterwürfigkeit als die Schöntuerei und Unterwürfigkeit, die an despotischen Höfen blühen.»[5]

Nun waren es aber eben jene britischen Konservativen, die 1867 unter der Führung von Benjamin Disraeli die zweite von drei großen Wahlrechtsreformen im 19. Jahrhundert durchsetzten und dabei die Liberalen, die eigentlichen Champions der Reform, links überholten, indem sie eine größere Ausweitung der Wahlberechtigten herbeiführten, als die Liberalen sie geplant hatten. Indem sie die Wahlrechtsqualifikation an die persönliche Zahlung von Steuern banden, weiteten sie das konservative Prinzip des gemeinwohlverpflichteten Eigentums weit aus und bewahrten es zugleich gegenüber der Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht. Disraeli konnte also behaupten, Demokratisierung zu betreiben, um die Demokratie zu verhindern. Zugleich setzten die Konservativen einen Meilenstein auf dem britischen Weg in die Moderne durch evolutionären Verfassungswandel.[6] Und es war der bereits zitierte 3. Marquess of Salisbury, der knapp zwanzig Jahre später die dritte große Wahlrechtsreform mit der Maßgabe durchsetzte, den «Wandel zu verzögern, bis er harmlos geworden ist»,[7] um ihn dadurch erträglich zu machen.

Die britischen Konservativen blieben parlamentarisch-evolutionär, auch gegenüber totalitären Versuchungen im 20. Jahrhundert. Illiberale Varianten wie zum Beispiel die Neo-Tories in den 30er Jahren oder erst recht die British Union of Fascists konnten sich jedenfalls nicht durchsetzen.[8] Das unterschied die britischen Konservativen von den deutschen.

Die preußischen Konservativen hatten sich über ihre Haltung zu Bismarck und seiner revolutionären Umgestaltung der Verhältnisse in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts gespalten. So gab es im Kaiserreich zwei konservative Parteien: die preußischen, ländlich-agrarisch ausgerichteten Alt- bzw. Deutschkonservativen, die mit Bismarck fremdelten, und die Freikonservativen, die ihn unterstützten und insgesamt pragmatischer und kompromissfähiger waren. Beide waren protestantisch orientiert, während katholische Konservative, weil die konfessionelle Bindung überwog, ihre politische Heimat eher in der katholischen Zentrumspartei fanden.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert machte sich angesichts einer beschleunigten technologisch-ökonomischen Entwicklung mit ungewisser Richtung ein Gefühl der Krise der bürgerlichen Moderne breit, dessen Verlustängste Oswald Spenglers berühmt-berüchtigter (wenn auch erst nach dem Ersten Weltkrieg...

Erscheint lt. Verlag 21.3.2019
Reihe/Serie Beck Paperback
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bildung • CDU • Demokratie • Europapolitik • Große Koalition • Heimat • Konservatismus • Konservatives Denken • meinungsstreit • Migration • Parlamentarische Demokratie • Parteiensystem • Patriotismus • Politik • SPD • Umwelt • Volksparteien
ISBN-10 3-406-73726-9 / 3406737269
ISBN-13 978-3-406-73726-8 / 9783406737268
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