Flow-Erleben im Tennis durch Aufmerksamkeitssteuerung (eBook)
100 Seiten
Diplomica Verlag GmbH
978-3-96146-076-2 (ISBN)
Vladislav Ilijin wurde 1950 in Jugoslawien/Serbien geboren. Seine Trainerlaufbahn begann mit der Staatlichen Prüfung 1972 in Novi-Sad, Serbien. Das Berufsfeld des Autors umfasst Grundlagen, Aufbau und Leistungstraining in WTB, DTB und die praktische Arbeit mit WTA-Spielerinnen; fünf Jahre war er Projektleiter für Talentsuche im Tennis. Seine bisher unveröffentlichte wissenschaftliche Arbeit behandelt das Thema Taktik im Tennis. Dabei wird Wettkampf als typische Stresssituation aufgefasst. Es wird die These aufgestellt, dass die besten Leistungen in einem stressfreien Zustand erzielt werden. Mit dem Thema Flow-Erleben im Tennis befasst der Autor sich seit 1977.
Textprobe: Kapitel 3.2 Handeln und Bewusstsein: Eine komplexere Herausforderung zu bewältigen setzt voraus, dass alle Fähigkeiten gebraucht werden. Damit ist die Aufmerksamkeit des Menschen vollständig auf die Bewältigung der Aufgabe gerichtet, Handeln und Bewusstsein fließen zusammen. Es gibt keinen Platz, keine überschüssige psychische Energie für die Verarbeitung irrelevanter Informationen. Mit der Vertiefung in die Tätigkeit werden die Handlungen spontan und automatisch. Es geschieht alles wie von selbst. Die Energie fließt mühelos. Sowohl Tänzerinnen als auch Bergsteiger beschrieben diesen Bewusstseinszustand ähnlich: Man ist eins mit der Tätigkeit. Sich selbst und die Umgebung vergessen - das ist vielleicht der richtige Ausdruck für diesen psychischen Zustand. Die ganze Welt ist für eine Mutter verschwunden, während sie ihrem Kind vorliest, oder für einen Schachspieler während eines Turniers. Aus diesem Grund nennt Csíkszentmihályi die optimale Erfahrung Flow, denn dies ist eine treffende Beschreibung für eine spontan verlaufende Bewegung. Sowohl ein Dichter als auch ein Kletterer beschrieben dieses Fließen. Beide meinten, das Geheimnis der Tätigkeit (Klettern, Dichten) liege in der Aktivität selbst. Der Beweggrund von Flow ist es, in Flow zu bleiben. Man klettert, um in Flow zu bleiben, man dichtet, um zu schreiben. (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 89). 3.3 Transparenz der Ziele und Rückmeldung: Klare Ziele sind ebenso wichtig für eine Flow-Erfahrung wie ein Feedback über die Aktivität, das unmittelbar erfolgt und eindeutig ist. Das Tennisspiel eignet sich vorzüglich für die Kultivierung der körperlichen und psychischen Fähigkeiten, denn das Reglement ist klar formuliert und unmittelbar nach jedem Schlag ist das Ergebnis offensichtlich. Was sagt uns die Tatsache, dass der gelbe Tennisball in einem selbstgewählten Bereich auf das Tennisfeld aufprallt? Laut den Informationstheorien des Bewusstseins beinhaltet diese Rückmeldung die symbolische Botschaft: 'Ich habe mein Ziel erreicht'. Csíkszentmihályi erläutert, dass dieses Wissen Ordnung im Bewusstsein schafft und verstärkend für das Selbst wirkt. Insofern ist die Rückmeldung der Auslöser der Freude, falls sie zeigt, dass die Ziele erreicht wurden. (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 93). 3.4 Konzentration: Bei vollständiger Konzentration bleibt dem Verstand keine Ressource für unerwünschte Gedanken frei. Das ist ein weiterer positiver Aspekt des Flows. Im Alltag werden wir manchmal von unerwünschten Sorgen und Ängsten geplagt, vor allem, wenn wir Routinearbeit erledigen, die kaum Konzentration erfordert. Damit ist der glatte Fluss der psychischen Energie durch Entropie gestört. Kletterer berichten, dass beim Klettern die zeitliche Konzentration in eine neue Dimension rückt. Das Gedächtnis ist mit Informationen ausgefüllt, welche höchstens einige Sekunden in der Vergangenheit liegen, und die Gedanken für die Planung der Zukunft betragen bei diesen Aufgaben nicht mehr als paar Minuten. (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 95). Diese Qualität der Erfahrung können wir als hier und jetzt beschreiben. Weil die Informationsaufnahme unseres Bewusstseins, wie bereits erläutert, limitiert ist (126 Bits pro Sekunde), tauchen durch gesteigerte Konzentration kaum negative Gefühle im Bewusstsein auf. Das Bewusstsein wird durch Aktivität strukturiert. Diese Erfahrung berichteten sowohl Basketballspieler als auch Kletterer. Die Bedeutung der Alltagsprobleme nimmt ab. Während des Spiels, so ein Basketballspieler, wird ein Streit mit der Freundin irrelevant. Eine Tänzerin lässt die Sorgen außerhalb des Tanzstudios. Für sie wirkt Tanz wie Therapie. (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 96). 3.5 Kontrolle: Ein weiterer Aspekt der Flow-Erfahrung ist die Kontrolle. Vor allem bei den Risikosportarten ist es notwendig, die vorhandenen gefährlichen Kräfte unter Kontrolle zu halten. Gefährliche Kräfte sind sowohl objektive Ereignisse als auch das eigene Bewältigungspotenzial. Die äußeren Bedingungen beim Klettern wie Wetterbedingungen oder Temperaturänderungen können Menschen nicht beeinflussen, aber die inneren Schwächen können sie unter Kontrolle halten, zum Beispiel Leichtsinnigkeit, Ungeduld, Unaufmerksamkeit usw. Das ist das, was Csíkszentmihályi unter Kontrolle über das Bewusstsein versteht. Dabei entsteht ein Paradox: Man fühlt sich wohl und frei in einer schwierigen Situation und ist zugleich selbstbeherrscht, gerade durch diese Selbstbeherrschung fühlt man sich frei. Zu diesem Aspekt berichtet ein Schachspieler, wie durch die Kontrolle das wohltuende Gefühl der Sicherheit und eine eigene Welt entstehen. Auch ein Tänzer fühlt sich wohl und kraftvoll während der Darbietung. (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 97). Diese Beispiele zeigen, dass Menschen Freude erleben, wenn sie in schwierigen Situationen Kontrolle ausüben. 3.6 Mühelosigkeit: In unserem Alltagsbewusstsein kreisen unsere Gedanken in drei Zeitdimensionen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Bei alltäglichen Situationen analysieren wir ein aktuelles Ereignis und bewerten es als neutral, gut oder bedrohlich. Wir sind dabei möglicherweise mit der Verteidigung unseres Egos beschäftigt, was viel psychische Energie kostet. Bei der Flow-Erfahrung scheint unser Selbst wie weggeblasen. Die freudevolle Aktivität hat ihre klaren Ziele und Regeln und zugleich bietet sie Herausforderungen, die mit den Fähigkeiten im Gleichgewicht stehen. Dadurch ist die Bedrohung für das Selbst minimalisiert. Kletterer vergleichen ihren inneren Zustand beim Klettern mit Zen-Meditation. (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 101) Mit der Tätigkeit wird man in den Prozess der Handlung hineingezogen. Es ist eine Verschmelzung mit der Aktivität. Das Gefühl, eins zu sein, kann in einer sozialen Umgebung erlebt werden, zum Beispiel in einer Gruppe, wie ein Mitglied einer Motorradgruppe aus Japan berichtet. Auf der Straße in Kyoto schließen sich Hunderte Teenager zusammen, um gemeinsam Motorrad zu fahren. Mit der Zeit entsteht zwischen ihnen ein Gefühl der Harmonie. Die Verbindung der Mitglieder entsteht durch die Synchronisierung der Geschwindigkeit der einzelnen Personen mit der Geschwindigkeit der Gruppe. Der Verlust des Selbstgefühls bedeutet nicht, dass die Kontrolle über die psychische Energie aufgegeben wurde, im Gegenteil. Csíkszentmihályi gibt dafür ein Beispiel aus der Musik. Eine Geigerin muss sich sowohl jeder Fingerbewegung bewusst werden als auch die Intention der einzelnen Töne beachten, aber auch deren Bedeutung in der Gesamtstruktur. Bei dem Flow-Erleben durch die intensive Konzentration auf die Aufgabe verschwindet das Gefühl für das Selbst, es ist der Verlust der Bewusstheit von sich selbst (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 103). Wenn der Mensch mit seiner psychischen Energie mit einem System in eine Wechselbeziehung tritt, wird er Teil dieses Systems. Die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili betonte anlässlich eines Interviews, dass man beim Musizieren wirklich alles vergessen muss, auch sich selbst. Das Spielen ist für sie eine Art von Meditation. (VIDEO 2, 1:46 bis 2:46). 3.7 Die Veränderung des Zeitgefühls: Bei der optimalen Erfahrung verändert sich das Zeitgefühl. Der von der Aktivität verlangte Rhythmus tritt in den Vordergrund, die Zeit scheint entweder stillzustehen oder rasend schnell zu vergehen. Stunden werden zu Minuten oder umgekehrt. Eine Tänzerin empfindet, dass der schwere Teil einer Darbietung eine Ewigkeit dauert. (CSÍKSZENTMIHÁLYI, 1997, S. 106). Möglicherweise macht uns das Eins-Sein mit der Tätigkeit unabhängig vom Zeitgefühl. Es gibt aber Aktivitäten, wo das Zeitgefühl in die Aktivität integriert ist. Langstreckenläufer und Sprinter müssen sehr wohl mit den Sekunden achtsam umgehen. Bei solchen Aktivitäten wird die Zeit ein fester Bestandteil der Handlung.
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2018 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport |
ISBN-10 | 3-96146-076-0 / 3961460760 |
ISBN-13 | 978-3-96146-076-2 / 9783961460762 |
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Größe: 13,4 MB
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