Diesel-Schäden -  Peter Kolba,  Lydia Ninz

Diesel-Schäden (eBook)

Wie Sie sich zur Wehr setzen können!
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2018 | 1. Auflage
148 Seiten
Morawa Lesezirkel (Verlag)
978-3-99084-133-4 (ISBN)
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Am 18.9.2015 platzte in den USA ein Skandal, der uns in Europa noch Jahre beschäftigen wird. Die amerikanische Umweltbehörde warf dem VW-Konzern vor, bei behördlichen Abgasmessungen die Behörden und seine Kunden schlicht betrogen zu haben. Inzwischen hat sich der Verdacht ähnlicher Praktiken auf weitere Autohersteller ausgedehnt: Daimler, BMW, Opel, ... Während VW in den USA über 25 Milliarden (!) Euro an Schadenersatz und Strafen akzeptiert, will man die Kunden in Europa mit billigen Software-Updates abspeisen. Das sollten wir uns weder von VW noch von anderen Herstellern gefallen lassen. Darum zeigen die AutorInnen Ihnen in diesem Buch, was Sie (noch) tun können. Sie beantworten insbesondere folgende Fragen: - Wie kann ich an der angekündigten Musterfeststellungsklage in Deutschland teilnehmen? - Ab wann und bis wann und wie kann ich mich beim Bundesamt für Justiz zum Klageregister anmelden? - Kann ich als Österreicher an der Musterfeststellungsklage in Deutschland teilnehmen? - Macht es Sinn, sich den laufenden Strafverfahren in Deutschland bzw. Österreich als Privatbeteiligte anzuschließen? - Muss ich die vom Hersteller angebotene 'Nachrüstung' der Software durchführen lassen? - Welche Schäden kann ich geltend machen und wieviel an Schadenersatz ist realistisch?

Dr. Peter Kolba war 26 Jahre Bereichsleiter Recht im Verein für Konsumenteninformation (VKI) und hat im Herbst 2015 eine Sammelaktion in Sachen VW-Skandal eingeleitet (www.verbraucherrecht.at); es haben sich 28.000 Interessenten gemeldet. Peter Kolba hat Ende Jänner 2017 den VKI auf eigenen Wunsch verlassen und im Frühjahr 2017 die Plattform für Sammelklagen COBIN claims (www.cobinclaims.at) mit aufgebaut. Peter Kolba war ab 8. November 2017 für sieben Monate (interimisterischer) Klubobmann und Sprecher für Bürgerrechte der Liste Pilz im österreichischen Nationalrat. Nach Zurücklegung von Funktion und Mandat per 31. Mai 2018 ist nun Peter Kolba Obmann des österreichischen Verbraucherschutzvereines (www.verbraucherschutzverein.at). Peter Kolba ist Autor des Buches 'Davids gegen Goliath - Der VW-Skandal und die Möglichkeit von Sammelklagen' (mandelbaumverlag, Wien 2017). Er betreibt die Web-Site www.davids-gegen-goliath.at.

Kapitel 2 – Von Technik und Normen

In der öffentlichen Diskussion schwirren die verschiedensten Begriffe herum. Stickstoffoxid, Treibhausgas, CO2, Partikel und was diese Stoffe mit Gesundheit und Umwelt anstellen. Und was bitte ist ein „Thermofenster“? Oder der neue europäische Fahrzyklus?

Technik? Würden Sie jetzt am liebsten reflexartig weiterblättern? Versuchen Sie, diesem Impuls zu widerstehen. Sonst fällt es ziemlich schwer, die Tücken und Fallen des Software-Updates zu verstehen. Keine Sorge, wir haben uns bemüht, so „technisch“ wie notwendig, und so verständlich wie möglich zu sein. Und bitten alle Techniker um Nachsicht, wenn wir nicht alle Facetten berücksichtigen.

2.1 – Das Grundproblem der Abgasreinigung

Bei jeder Verbrennung entstehen im Zylinder des Motors unvermeidlich Abgase. Vier verschiedene toxische Schadstoffe fallen an: Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoff (HC), Rußpartikel (PM) und Stickstoffoxid (NOx).

Stickstoffoxid (NOx) ist das Abgas, um das sich beim DieselSkandal alles dreht. Weil das ständig verwechselt wird, sei hier extra betont: es geht beim Abgasskandal nicht um das Treibhausgas CO2, sondern um Stickstoffoxid. Stickstoffoxid greift die Lungen der Menschen an, trägt zur Ozon- und Feinstaubbildung bei und führt zu vorzeitigen Todesfällen, vor allem in der Nähe verkehrsreicher Straßen.

Wegen des hohen Luftüberschusses beim Dieselmotor ist der nachträgliche Abbau von Stickstoffoxid schwierig. Diesel hat hohe Spitzen-Temperaturen im Brennraum, ist deshalb sehr effizient - mit wenig Kraftstoffverbrauch - bildet aber erhöhte Stickstoffoxide.

Die Stickstoffoxid-Produktion im Zylinder ändert sich ständig und ist direkt abhängig von der Spitzentemperatur im Zylinder. Auch die Art der Einspritzung (Beginn, Verlauf, Dauer, Druck) und die Belastung des Motors spielen eine Rolle (ob man Vollgas fährt oder „normal“). Am meisten Stickstoffoxid fällt bei Volllast an, wenn das Gaspedal voll durchgedrückt wird.

Am wenigsten Stickstoffoxid entsteht bei Teillast, etwa bei Kriechverkehr oder „Stopp and Go“, wenn nicht die höchste Motorleistung abgerufen wird. Die idealen Bedingungen sind: niedrigere Temperaturen im Zylinder und weniger Druck.

Man merkt sofort: Je mehr Stickstoffoxid, desto sparsamer der Verbrauch, desto weniger CO2. Je weniger Stickstoffoxid, desto üppiger der Verbrauch und desto mehr CO2. Alles klar?

Sorry, es wird noch komplizierter. Im Motor gibt es ja noch andere giftige Schadstoffe. Eines davon ist Ruß. Ruß-Partikel entstehen unter genau umgekehrten Bedingungen wie Stickstoffoxid. Wir stecken also mitten drin im sogenannten „Diesel-Dilemma“. Bei hohen Brennraumtemperaturen gibt’s viel Stickstoffoxid, aber wenig Ruß-Partikel und weniger CO2. Bei geringeren Motortemperaturen gibt es weniger Stickstoffoxid, aber mehr Ruß-Partikel und mehr CO2.

Drei verschiedene Wege führen zur Senkung von Stickstoffoxid. Alle drei sind im Abgasskandal relevant. Um zu wissen, wie geschummelt wurde und um beurteilen zu können, welche Reparatur-Maßnahmen sinnvoll und möglich sind, müssen wir uns mit allen dreien näher befassen.

2.1.1 – Das simple Abgasrückführungssystem (AGR)

Das AGR ist in allen Autos der Abgasnorm Euro 5 eingebaut; auch in den manipulierten Fahrzeugen des VW Konzerns (VW, Skoda, Audi, Seat), die zwischen 2008 und 2015 gebaut wurden.

Es handelt sich um eine „innermotorische“ Senkung von Stickstoffoxiden, die ohne nachgeschaltete Katalysatoren auskommt. Dieses simple System schien ausreichend, um den damals in Europa für Stickstoffoxide vorgeschriebenen Grenzwert von 180 Milligramm pro Kilometer einzuhalten.

Ziel des AGR Systems ist es, bereits aus dem Motor weniger Stickstoffoxid kommen zu lassen. Dabei werden Abgase, die bei der Verbrennung im Zylinder entstanden sind, noch einmal dorthin zurückgeschickt. Noch bevor dieses schmutzige Gemisch in den Motor zurückkommt, wird es meist in einem Kühler („AGR-Kühler“) abgekühlt. In der Folge sinken die Temperaturen im Zylinder und es entsteht dort weniger Stickoxidstoff. Zugeschaltet wird das AGR-System stets nur bei „Teillast“, also beim „normalen“ Fahren, aber nie, wenn man voll aufs Gas steigt.

Neben der Temperatur im Motor und der Motorlast spielt auch noch die Außentemperaturen eine Rolle (Luft wird von außen angesaugt): ist es draußen warm wie im Frühjahr oder auch Sommer, klappt alles wie gerade beschrieben. Im Winter oder in der Übergangszeit kommt ein neues Problem hinzu: bei kaltem Motor (Kurzstrecken, Stopp und Go, immer wieder Leerlauf) würde sich durch das AGR-System das dreckige Gemisch mehr als gewünscht abkühlen. Mit fatalen Folgen.

Die darin enthaltenen Rußpartikel würden zu einer klebrigen Masse, die sich festsetzt, Krusten bildet, den AGR-Kühler teils verstopfen kann und sogar Ventile undicht macht. In der Folge käme es zu Fehlfunktionen und die ruinierten Teile müssen vorzeitig ausgetauscht werden. Bei kaltem Motor und kalten Außentemperaturen ist es zum Schutz der Motorbauteile besser, die AGR wegzuschalten, auf die Extra-Kühlung zu verzichten – und damit auch auf die Senkung von Stickstoffoxid. Dieses zeitweise Wegschalten des AGR-Systems geschieht mit Hilfe eines Bypasses. Der warme Motor hingegen hat selbst bei den kältesten Außentemperaturen keine Probleme und kann das AGR-System bei „normalem“ Fahren zugeschaltet lassen und damit Stickstoffoxid senken.

Dreh- und Angelpunkt ist die Steuerungs-Software. Sie regelt das Zu- und Abschalten des AGR und auch die Menge des Abgases, die in den Motor zurückgeführt wird (AGR-Rate). Die Steuerungs-Software schaltet blitzschnell hin und her.

Es liegt im Wesen einer Software-Steuerung, dass man damit Parameter x-beliebig ein- und ausschalten kann. So ist es mit ihrer Hilfe möglich, das AGR-System generell nur bei warmen Außentemperaturen zu aktivieren und bei kälteren Temperaturen auszuschalten. Man kann das Aktivieren der AGR auch an andere Parameter knüpfen und von der Geschwindigkeit, vom Drehmoment oder von der Bergeshöhe abhängig machen. Es kommt immer darauf an, wie diese Software programmiert ist.

So wurde in Europa geschummelt

Ganz einfach. Man hat bei VW das AGR System nur am Prüfstand aktiviert, nicht jedoch auf der Straße. Eine eigene Umschalteinrichtung im Motorsteuergerät sorgte dafür. So konnte praktisch keine Senkung der Stickstoffoxide auf der Straße stattfinden.

So läuft das Update in Europa

Volkswagen musste bisher nicht offenlegen, was beim Software-Update genau passiert. Zu erwarten gewesen wäre, dass die AGR nun auch im Straßenbetrieb stets geschaltet wird.

Mitnichten. Gestützt auf ein VW Geheimpapier deckten Medien auf, dass Volkswagen auch nach dem Update noch Abschalteinrichtungen in die Autos eingebaut hat, die weiterhin zwischen Prüfstand- und Straßenverkehr unterscheiden (aus dem VW-internen Geheimpapier „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA189“, „priviledged & Confidential“ vom 18. November 2015 zitierten der Spiegel und das Fernsehmagazin ZDFzoom am 7. Juni 2017 und die österreichische Tageszeitung der Standard am 21/22. Juni 2017 und die Deutsche Umwelthilfe).

Eine dieser Abschalteinrichtungen macht es möglich, das AGR-System immer nur bei warmen Außentemperaturen zwischen +15 und +33 Grad Celsius zu aktivieren. Sinkt das Thermometer unter +15 Grad oder steigt es über +33 Grad wird das AGR weggeschaltet. Für Deutschland und Österreich bedeutet dies, dass die AGR-Systeme mindestens sechs Monate im Jahr nicht funktionieren.

Im Klartext: Die Zulassungsbehörde KBA hat Volkswagen diese „Thermofenster“ ganz offiziell erlaubt. Aus dem zitierten Papier geht hervor, dass Volkswagen als weitere Applikationsrandbedingungen eine Höhe bis zu 1.000 Meter gewährt wurde: über 1.000 Meter Meereshöhe greift die AGR auch nicht.

Der großer Unterschied: Das totale Wegschalten der AGR auf der Straße war als „illegale Abschalteinrichtung“ eingestuft worden. Das zeitweise systematische Wegschalten der AGR durch solche „Thermofenster“ ist vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Zuge des Updates genehmigt worden.

2.1.2 – AGR plus Stickstoffoxid-Speicher-Katalysator

Bei den manipulierten Autos der Mittelklasse (2 Liter), die zwischen 2008 und 2011 auf den US-Markt kamen, hat Volkswagen zusätzlich zum AGR auch noch einen DeNox-Katalysator installiert. Denn in Kalifornien lag der Grenzwert für Stickstoffoxid schon im Jahr 2008 bei nur 31 Milligramm pro Kilometer.

Mit einem simplen AGR System wäre dieser strenge Wert keinesfalls zu erreichen gewesen. Volkswagen hat sich dafür entschieden, in die in den USA zuerst verkauften Jetta (2008) und Tiguan (2009) nur das DeNOx Speicher Katsystem einzubauen und nicht die teure Harnstoffeinspritzung mit SCR-Kat (siehe Punkt 2.1.3), obwohl letztere zu...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
ISBN-10 3-99084-133-5 / 3990841335
ISBN-13 978-3-99084-133-4 / 9783990841334
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