Die Weisheit eines Yogi (eBook)
288 Seiten
O.W. Barth eBook (Verlag)
978-3-426-45057-4 (ISBN)
Sadhguru Jaggi Vasudev ist ein international anerkannter Vordenker und Vermittler eines ganzheitlichen und spirituellen Bewusstseins. Er trat als Redner bei den Vereinten Nationen, dem Weltwirtschaftsforum und dem MIT auf und sprach vor dem House of Lords. Viele bekannte Lehrer wie Deepak Chopra sind von ihm beeinflusst worden. Sadhguru ist Gründer Isha-Stiftung zur Verbreitung eines modernen Yoga mit zahlreichen Praxiszentren weltweit.
Sadhguru Jaggi Vasudev ist ein international anerkannter Vordenker und Vermittler eines ganzheitlichen und spirituellen Bewusstseins. Er trat als Redner bei den Vereinten Nationen, dem Weltwirtschaftsforum und dem MIT auf und sprach vor dem House of Lords. Viele bekannte Lehrer wie Deepak Chopra sind von ihm beeinflusst worden. Sadhguru ist Gründer Isha-Stiftung zur Verbreitung eines modernen Yoga mit zahlreichen Praxiszentren weltweit. Bernhard Kleinschmidt studierte deutsche und amerikanische Literatur in München und den USA und hat fünf Jahre in Japan gelebt. Übersetzt hat er u. a. Dean Koontz, Jack Kornfield und Stephen King.
Als ich den Verstand verlor
Damals war ich ein Mensch,
der nur auf den Hügel ging,
um Zeit totzuschlagen.
Totgeschlagen habe ich jedoch alles,
was Ich und was Mein war.
Mein Ich und Mein sind nun dahin,
all mein Wollen und Können habe ich verloren.
Hier bin ich, ein leeres Gefäß,
im Dienste des göttlichen Wollens,
der grenzenlosen Fähigkeit.
In der Stadt Mysore gibt es eine besondere Tradition. Wenn du etwas zu tun hast, geh auf den Chamundi Hill; und wenn du nichts zu tun hast, geh auf den Chamundi Hill. Wenn du dich verliebst, geh auf den Chamundi Hill; und wenn du plötzlich nicht mehr verliebt bist, musst du erst recht auf den Chamundi Hill gehen!
Eines Nachmittags hatte ich nichts zu tun und war außerdem seit Kurzem nicht mehr verliebt, weshalb ich auf den Chamundi Hill ging … oder besser fuhr.
Auf etwa zwei Drittel Höhe stellte ich mein Motorrad ab und setzte mich auf einen Felsvorsprung. Der war seit einiger Zeit mein »Kontemplationsfelsen«. Ein Bäumchen mit violetten Beeren und ein verkümmerter Banyanbaum hatten beharrlich ihre Wurzeln in einen tiefen Spalt im Stein geschoben. Vor meinen Augen breitete sich die Stadt aus.
Bis zu diesem Augenblick waren mein Körper und Geist in meiner Erfahrung »ich« gewesen, die Welt hingegen etwas »da draußen«. Nun jedoch wusste ich plötzlich nicht mehr, was ich und was nicht ich war. Meine Augen waren immer noch offen. Doch die Luft, die ich atmete, der Felsen, auf dem ich saß, die mich umgebende Atmosphäre, alles war zu mir geworden. Ich war alles, was vorhanden war. Obwohl ich völlig bei Bewusstsein war, hatte ich den Verstand verloren. Die unterscheidende Natur des Verstandes existierte einfach nicht mehr. Je mehr ich darüber sage, desto verrückter dürfte es sich anhören, denn was da geschah, ist nicht mit Worten auszudrücken. Was ich war, das war buchstäblich überall. Alles breitete sich explosiv über die festgelegten Grenzen hinweg aus; alles dehnte sich in alles hinein aus. Es war eine dimensionslose Einheit von absoluter Vollkommenheit.
Mein Leben ist nur jener eine Augenblick, dessen Gunst noch immer andauert.
Als ich in meinen Normalzustand zurückkehrte, hatte ich den Eindruck, es wären nicht mehr als zehn Minuten vergangen. Bei einem Blick auf meine Uhr sah ich jedoch, dass es schon halb acht Uhr abends war! Viereinhalb Stunden waren vergangen. Meine Augen waren offen, die Sonne war untergegangen, und es war dunkel. Mein Bewusstsein war vollständig vorhanden, doch was ich bis zu diesem Moment für mein Selbst gehalten hatte, war ebenso vollständig verschwunden.
Ich war nie nah am Wasser gebaut, aber da saß ich nun mit meinen fünfundzwanzig Jahren auf einem Felsen am Chamundi Hill in einer so ekstatischen Verrücktheit, dass mir die Tränen aus den Augen strömten. Mein ganzes Hemd war bereits nass!
Friedvoll und glücklich zu sein war nie ein Problem für mich gewesen. Ich hatte mein Leben so gelebt, wie ich wollte. In den Sechzigerjahren aufgewachsen, jener Zeit der Beatles und der Blue Jeans, hatte ich mich mit der europäischen Philosophie und Literatur beschäftigt, mit Autoren wie Dostojewski, Camus und Kafka. Nun jedoch war ich explosionsartig in eine völlig andere Dimension der Existenz geraten, von der ich absolut nichts wusste. Ich war von einem ganz neuen Gefühl durchdrungen, von einem Überschwang und einer Seligkeit, die ich noch nie erfahren oder auch nur für möglich gehalten hatte. Als ich meinen skeptischen Verstand darauf anwendete, teilte der mir lediglich mit, ich sei womöglich völlig durchgeknallt! Dennoch war dieser Zustand so schön, dass ich ihn auf keinen Fall verlieren wollte.
Ich war nie richtig in der Lage zu beschreiben, was an jenem Nachmittag geschehen ist. Am besten ausdrücken kann ich es vielleicht damit, dass ich in die Höhe gestiegen und nicht mehr heruntergekommen bin. Nie wieder.
Geboren bin ich in Mysore, einer hübschen, fürstlichen Stadt in Südindien, früher Residenzstadt, bekannt für ihre Paläste und Gärten. Mein Vater war Arzt, meine Mutter Hausfrau. Ich war das jüngste von vier Geschwistern.
Die Schule hat mich gelangweilt. Ich fand es unmöglich, den Unterricht zu überstehen, weil ich merkte, dass die Lehrer über etwas sprachen, was ihnen in ihrem Leben absolut nichts bedeutete. Als ich mit vier Jahren in die Vorschule kam, sagte ich unserer Haushälterin, die mich morgens immer hinbrachte, sie solle schon am Tor umkehren, statt mit mir hineinzugehen. Sobald sie fort war, rannte ich in eine nahe Schlucht, wo es von den verschiedensten Lebewesen nur so wimmelte. In Glasbehältern, die ich aus dem Arzneischrank meines Vaters holte, trug ich einen umfangreichen Privatzoo aus Insekten, Kaulquappen und Schlangen zusammen. Als meine Eltern nach einigen Monaten herausbekamen, dass ich nicht im Unterricht gewesen war, zeigten sie sich von meinen biologischen Forschungen ausgesprochen unbeeindruckt. Meine Expeditionen in die Schlucht wurden als Schmuddelspiele in einem Regenwasserkanal bezeichnet. Konfrontiert mit der Erwachsenenwelt, die ich wie so häufig als öde und fantasielos empfand, wandte ich meine Aufmerksamkeit einfach etwas anderem zu.
In späteren Jahren verbrachte ich meine Tage am liebsten damit, durch den Wald zu streifen, um Schlangen zu fangen, zu angeln und neue Pfade zu erkunden. Oft kletterte ich mit meiner Lunchbox und meiner Wasserflasche auf den obersten Ast eines großen Baumes, wo mich dessen schwankende Bewegung in einen tranceartigen Zustand versetzte. Wenn ich dann zugleich schlief und völlig wach war, verlor ich jedes Zeitempfinden. So hockte ich von neun Uhr morgens bis um halb fünf Uhr nachmittags da oben, bis die Glocke läutete und die Schule aus war. Wesentlich später wurde mir klar, dass ich unwissentlich schon in dieser Phase meines Lebens meditative Neigungen verfolgte. Als ich dann begann, Meditationen anzuleiten, waren das immer schwingende Bewegungen. Der Begriff »Meditation« war mir in meiner Schulzeit natürlich noch völlig unbekannt. Ich mochte es einfach, wie der Baum mich in einen Zustand jenseits von Schlaf und Wachsein hineinschaukelte.
Während ich die Schule öde fand, hatte ich Interesse an allem anderen – daran, woraus die Welt gemacht war, an der Beschaffenheit der Landschaft, an der Lebensweise der Menschen. Mit dem Fahrrad gondelte ich über die ungepflasterten Straßen der ländlichen Umgebung, wobei ich täglich mindestens fünfunddreißig Kilometer zurücklegte. Wenn ich nach Hause kam, war ich mit mehreren Schichten Schlamm und Staub bedeckt. Besondere Freude machte es mir, mentale Landkarten der Gegend zu erstellen, durch die ich gefahren war. Wenn ich allein war, musste ich nur die Augen schließen, um die gesamte Landschaft wiederzusehen, die ich am Nachmittag erlebt hatte – jeden einzelnen Felsen, jede geologische Eigenheit, jeden einzelnen Baum. Mich faszinierte, wie sich die Landschaft mit den Jahreszeiten veränderte, wenn die Äcker frisch gepflügt waren oder die Saat keimte. Das hat mich übrigens am Werk von Thomas Hardy angezogen, seine Beschreibungen der englischen Landschaft, die seitenweise weitergehen. Mit der Welt ringsum tat ich dasselbe. Noch heute ist es so, als hätte ich im Kopf ein Video von damals abgespeichert. Wenn ich will, kann ich das Ganze in eindringlicher Klarheit wieder abspielen, diese vielen Jahre mit allem, was ich beobachtet habe.
Abgesehen davon war ich ein eingefleischter Skeptiker. Schon im Alter von fünf Jahren hatte ich Fragen, wenn meine Familie in den Tempel ging, viele sogar. Wer ist Gott? Wo ist er? Da oben? Wo ist da oben überhaupt? Einige Jahre später hatte ich noch mehr Fragen. In der Schule wurde behauptet, die Erde sei rund. Aber wenn die Erde rund war, wie wusste man dann, wo oben war? Da es nie jemand gelang, solche Fragen zu beantworten, weigerte ich mich, den Tempel zu betreten. Das bedeutete, dass man mich draußen in der Obhut des Mannes lassen musste, der sonst auf die Schuhe und Sandalen aufpasste. Der hielt mich mit einem Klammergriff fest und zerrte mich mit sich, während er seinen Pflichten nachging. Hätte er mich aus den Augen gelassen, so wäre ich auf und davon gewesen, das war ihm völlig klar. Später im Leben fiel mir auf, dass Leute, die aus Esslokalen kamen, immer eine vergnügtere Miene zur Schau stellten als jene, die aus Tempeln kamen. Das hat mich fasziniert.
Obwohl ich also ein Skeptiker war, habe ich mich mit diesem Etikett nie identifiziert. Ich hatte eine Menge Fragen über alles und jedes, fand es jedoch nie notwendig, irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Mir wurde sehr früh bewusst, dass ich von nichts eine Ahnung hatte. Das hieß, dass ich allem um mich herum gewaltige Aufmerksamkeit schenkte. Wenn jemand mir ein Glas Wasser reichte, starrte ich es endlos an. Wenn ich das Blatt eines Baumes aufhob, starrte ich es ebenfalls endlos an. Die ganze Nacht über starrte ich in die Dunkelheit. Wenn ich einen Kieselstein betrachtete, drehte sich dessen Bild endlos vor meinem geistigen Auge, bis ich jede Maserung und jede Rundung kannte.
Außerdem merkte ich, dass die Sprache lediglich eine von Menschen ersonnene Verschwörung war. Wenn jemand etwas sagte, dann gab er nur Geräusche von sich, während ich die Bedeutungen erfand. Deshalb hörte ich auf, Bedeutungen zu erfinden, worauf die Geräusche ausgesprochen amüsant wurden. Ich konnte sehen, wie bestimmte Muster aus dem Mund der Leute kamen. Wenn ich den Sprecher unverwandt anstarrte, löste er sich einfach auf und verwandelte sich in einen Klumpen Energie. Dann waren nur noch Muster übrig!
In diesem Zustand einer...
Erscheint lt. Verlag | 25.8.2017 |
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Reihe/Serie | O. W. Barth-Bibliothek der Spiritualität |
Übersetzer | Dr. Bernhard Kleinschmidt |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Entspannung / Meditation / Yoga |
Schlagworte | Achtsamkeit • Achtsamkeit Anfänger • Achtsamkeit Einsteiger • Alte Wunden heilen • Autobiographie Spiritualität • Autobiographie Yogi • Dankbarkeit • Erkenntnis • Erleuchtung • Erleuchtung im Alltag • Guru • Indien • indische meditation • indische Weisheit • Innere Intelligenz wecken • Inner Engineering • Isha Foundation • Lebensenergie stärken • Lebenshilfe • Lebenssinn • Mantra • Meditation • Östliche Weisheit • Persönlichkeitsentwicklung • Philosophie Spiritualität • Prana • Sadhana • Sadhguru • sadhguru meditation • sadhguru zitate • Sinn im Alltag • Sinnsuche • Sinnsuche Indien • Spiritualität • Spiritualität für Anfänger • spirituelle Bücher • Spiritueller Lehrer • Spirituelles Bewusstsein • Transformation • Yoga • Yoga Alltagserkenntnis • Yoga für alle • Yoga Guru • Yoga Meister • Yoga-Meister • Yoga Philosophie • Yoga-Philosophie • Yoga Psychologie • Yogi |
ISBN-10 | 3-426-45057-7 / 3426450577 |
ISBN-13 | 978-3-426-45057-4 / 9783426450574 |
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