Der entspannte Geist (eBook)

Einleitung

Die Welt scheint für uns alle von Tag zu Tag kleiner und umtriebiger zu werden. Weil das so ist, fühlen wir uns innerlich und äußerlich immer stärker bedrängt – in uns das Gedränge der Gedanken und Gefühle und draußen alle Tage die Hektik des Alltags. Bei all diesem Druck ist unser Tun oft allzu berechnend. Wir lassen die Dinge nicht mehr einfach ihren Lauf nehmen. Es fehlt ein Gefühl von Freiheit. Wir sind nicht zufrieden und fühlen uns nicht ganz wohl in Samsara, der Welt, wie wir sie aufgrund unserer unklaren geistigen Muster wahrnehmen, und der vom Geist erschaffenen inneren Welt, in der wir primär leben.

Es geht darum, dass wir zu einer sinnvollen Lebensform finden, bei der Innen- und Außenwelt in fröhlichem Einklang miteinander sind. Viele unserer Probleme lassen sich lösen, oder die Situationen lassen sich zumindest verbessern, wenn wir uns selbst mit einer spirituellen Praxis wie Meditation unter die Arme greifen. Meditation löst nicht nur Stress, sondern wirkt auch heilend, wenn wir unglücklich oder deprimiert sind. Sie erlaubt uns, wieder ins Gleichgewicht zu kommen und unseren Weg fortzusetzen.

Solange auf der materiellen Seite des Lebens alles gut zu laufen scheint, meinen wir, es gebe keine Leiden, aber so ist es nicht. In der gewohnten Geistesverfassung kann die materielle Seite die Leiden und Schwierigkeiten des Lebens ein wenig ausgleichen, aber nicht durchgreifend und nicht dauerhaft. Wir müssen mehr auf die Stärke und das Glück zurückgreifen, die in uns sind. Durch Meditation stoßen wir auf diese Stärke und dieses Glück, und dann müssen wir sie stabilisieren und aufbauen, damit wir uns immer wirklich gut versorgen können. Für wahres Glück ist es ganz entscheidend, dass wir diesen inneren Schlüssel nie vergessen, auch dann nicht, wenn uns die äußeren Bedingungen besonders erfreulich erscheinen – einfach deshalb, weil alle Dinge vergänglich sind. Auch der Buddha wiederholte immer wieder, dass nichts unverändert bleibt. Es könnte sonst sein, dass wir uns zuerst sehr eifrig für die spirituelle Praxis engagieren, aber kaum entwickeln sich die äußeren Umstände zum Besseren, reden wir uns ein, wir brauchten sie nicht mehr. Oder wir werden nachlässig und schwächen unsere Praxis dadurch. Bedenken wir, dass sich alle Umstände und Bedingungen, wie gut oder schlecht sie auch seien, wieder ändern werden.

Im Buddhismus gilt also, dass nichts von Dauer ist, aber wenn es etwas gibt, was dieser Beständigkeit zumindest nahekommt, dann ist es das innere Glück, von dem ich spreche. Es ist uns sicherer als alle äußeren Umstände, da es in unserem Herz-Geist wohnt. Herz-Geist ist ein wichtiger Ausdruck, dem Sie in diesem Buch öfter begegnen werden. Er steht für die Herz-Intelligenz in uns, dieses Bewusstseins- und Energiezentrum des Guten und der Weisheit. Er entspricht ungefähr dem, was wir mit unserem »Innersten« meinen: »Wie empfindest du das ganz in der Tiefe, im Innersten deiner Intuition?« Im Körper hat dieser »Geist« – den wir nicht mit dem Gehirn verwechseln dürfen (wenngleich er mit ihm verbunden ist) – seinen Sitz in der Mitte der Brust. Was Herz-Geist letztlich bedeutet, erschließt sich uns nur durch Erfahrung und Intuition. Und wenn wir einmal Zugang zu diesem Glück gefunden haben, geht es nicht mehr so leicht verloren. Man kann es uns nicht mehr nehmen. Deshalb bezeichnen wir es als innere oder vollkommene Freiheit.

Der Aufbau unserer Meditationspraxis ist wie Gartenarbeit. Die Anlage eines Gartens – den richtigen Platz wählen, die Gerätschaften anschaffen, den Boden vorbereiten – ist eine Sache. Aber die beständige Pflege ist dann eine andere Sache. Wenn beide zusammenpassen, kommt man zu wunderbaren Ergebnissen: zu einem Garten, der Schönes und Wertvolles hervorbringt. Deshalb lege ich Ihnen allen ans Herz, jeden Tag zu meditieren, wenn es irgendwie möglich ist. Irgendwann wird sich die Praxis zunehmend mühelos und selbstverständlich anfühlen, weil sie zur Gewohnheit geworden ist.

Ich lege Ihnen außerdem ans Herz, die Form der Meditation oder des Yoga oder einer Heiltradition zu praktizieren, durch die Sie in Berührung mit Ihrem Innersten kommen. Aus meiner Sicht ist das nicht nur für den Einzelnen eine Hilfe, sondern für die Welt insgesamt. Vor vielleicht hundert Jahren war es noch so, dass das Leben weitgehend davon abhing, in welcher Gegend der Welt man geboren wurde. Wer über die Mittel verfügte, konnte für sich ein ruhiges Plätzchen mit wenig Ablenkung finden. Heute dagegen sorgen Technik, Handel, Wirtschaft, Reisemöglichkeiten und manches andere dafür, dass die Verhältnisse fast überall ähnlich liegen und überall Umtriebigkeit herrscht. Deshalb müssen wir den Frieden jetzt in uns selbst suchen. Und das ist nach meiner Überzeugung das Beste, was wir für uns und andere tun können. Tägliche Meditation wirkt sich auf unsere Gesundheit und unser ganzes Leben aus – ganz abgesehen vom spirituellen Gewinn und der Erkenntnis der wahren Natur unseres Geistes.

In den Lehren des Buddha heißt es, dass wir über alles Wichtige Aufschluss bekommen, wenn wir die Natur oder das Wesen unseres Geistes erkennen. »Natur des Geistes« besagt das Gleiche wie »Buddha-Wesen« oder »ursprüngliches Bewusstsein« und ähnliche Begriffe und verweist auf die ursprünglich reine Natur des Bewusstseins. Dahin können wir kommen, wenn wir jeden Tag den Blick für einige Zeit nach innen wenden, und sei es auch nur für ein paar Augenblicke. Sie brauchen dazu nicht abgeschieden zu leben, sie müssen sich nicht von Familie, Arbeit und Gesellschaft abwenden. Ihr Geist kann mitten im Getümmel spielender Kinder, dudelnder Telefone und lärmender Nachbarn ganz ruhig, in Frieden und glücklich sein. Diese innere Elastizität und Anpassungsfähigkeit entwickelt sich, wenn Sie nur ab und zu für ein paar Minuten innerlich zur Ruhe kommen können, offen für alles, was sich zeigen mag. Gestatten Sie sich, wenigstens für ein paar Minuten für alles offen und mit allem einverstanden zu sein. Der sufische Dichter Rumi schrieb: »Gestern war ich intelligent und wollte die Welt ändern. Heute bin ich weise und ändere mich selbst.«

Diese kleine Auszeit, zur Gewohnheit gemacht, kann eine Menge bewirken. Wir waren so lange nach außen orientiert und mit so vielen Dingen beschäftigt, dass wir jetzt großes Verlangen nach dieser wirklich tröstlichen Nahrung haben. Es ist eine spirituelle Energie, die uns ernährt wie nichts sonst. Schön wäre es, wenn Sie sich jeden Tag und für immer längere Zeitabschnitte diese Nahrung zukommen lassen könnten, aber wenn Ihnen dafür nur fünf oder zehn Minuten bleiben, ist das auch schon eine große Hilfe. Sie müssen sich bei der Meditation nicht hervortun. Es genügt, wenn Herz und Geist diese Vereinbarung treffen: »Lassen wir Ruhe einkehren. Es gibt jetzt im Moment keinen Grund, Gedanken oder Sorgen nachzugehen. Bleiben wir einfach entspannt und offen.« Es ist nicht einmal nötig, unsere Gedanken zum Schweigen zu bringen. Seien Sie einfach bei Ihren Gedanken, aber ohne sich groß auf sie einzulassen oder sich Sorgen zu machen. Es soll vollkommene Offenheit herrschen, und in der entspannen Sie sich einfach.

Bei der buddhistischen Meditation geht es vor allem darum, unseren Geist – unser Denkvermögen – unter Kontrolle zu bringen. Tatsächlich besitzen wir Menschen einen erstaunlichen Verstand mit großartigen intellektuellen Fähigkeiten, doch das hat auch Nachteile. Die liegen vor allem darin, dass wir oft die schönen Seiten unseres Lebens nicht recht wahrnehmen oder wertschätzen. Wir alle sind mit Güte und Mitgefühl begabt, wir haben ein offenes, argloses Herz, das uns und andere bejaht. Wenn wir jetzt auch noch unseren Geist kennenlernen und dieses Wissen praktisch anwenden, wird sich unser Leben grundlegend ändern. Durch Meditation können wir all das Gute in uns leichter erkennen, und Meditation sorgt auch dafür, dass es schließlich zum festen Bestandteil unseres täglichen Lebens wird. Haben wir einmal begriffen, dass dieses Gute immer in uns ist, erfasst uns eine freudige Bejahung dieses Lebens, und das bestärkt alles Gute in uns noch mehr. Durch Meditation wird unser Geist klüger und bewusster, wir finden Zugang zu der Freude und Zufriedenheit, nach der wir uns sehnen.

Dieser Zugang liegt in dem, was ich Entspannung nenne. Die äußere materielle Welt ist in diesem 21. Jahrhundert sehr schnell geworden, alles ändert sich rasant. Niemand kann sich dem entziehen, und hinzu kommt vielleicht noch das Gefühl, dass wir bereits ein wenig zurückgeblieben sind und uns auf das neue Tempo einstellen müssen, um nicht noch weiter zurückzufallen. Es herrscht ein allgemeines Gefühl von Eile und vager Angst, und unser Ich tut sich schwer, das bisschen Aufmerksamkeit, das unsere Innenwelt bekommt, aufrechtzuerhalten.

Mit Blick auf die äußere Welt scheint viel für die technische Entwicklung zu sprechen, die das alles antreibt, aber ich denke, sie birgt auch ihre Probleme. Dafür spricht der Umstand, dass wir so sehr leiden. Und das ist nicht allein an den Tagesnachrichten abzulesen, denn auch innerlich fühlen wir dieses Ungenügen und sehnen uns nach etwas, das die äußere Entwicklung uns nicht geben kann. Unser Geist ist auf der Strecke geblieben, und da bleibt uns nichts als die Hoffnung auf etwas Besseres.

Betrachten wir als Beispiel unsere Urlaubsreisen. Wir wollen nur weg von Arbeit oder Schule, wir möchten einmal von all dieser Geschäftigkeit befreit sein. Aber wenn wir dann an unserem Urlaubsort...