Wenn Scheidungskinder erwachsen sind (eBook)

Psychische Spätfolgen der Trennung
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
288 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-561687-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn Scheidungskinder erwachsen sind -  Edward W. Beal,  Gloria Hochman
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Auch der Erwachsene hat oft noch darunter zu leiden, wenn seine Eltern sich während seiner Kindheit scheiden ließen. Diese Tatsache blieb lange unberücksichtigt, denn das Interesse der Forschung galt entweder den Kindern oder den Geschiedenen. Dieser veränderte Blickwinkel - auf die langfristigen Folgen, die noch an Erwachsenen zu beobachten sind - eröffnet eine Fülle von erstaunlichen Beobachtungen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Edward W. Beal, Psychiater, hat mehrere Bücher über Familien-, Scheidungs- und Sorgerechtsproblematiken geschrieben.

Edward W. Beal, Psychiater, hat mehrere Bücher über Familien-, Scheidungs- und Sorgerechtsproblematiken geschrieben. Gloria Hochman, freie Journalistin mit den Themenschwerpunkten Medizin, Psychologie und Soziales, erhielt zahlreiche Preise für ihre Arbeiten.

Einleitung


Familiengesichter sind Zauberspiegel.
Wenn wir Menschen anschauen, die zu uns gehören, sehen wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

 

Gail Lumet Buckly

The Hornes: An American Family

Wahrscheinlich ist heute jeder schon mal mit dem Thema Scheidung in Berührung gekommen: als Kind geschiedener Eltern, als guter Freund von jemandem aus einer gescheiterten Ehe, als Mann oder Ehefrau von jemandem, dessen Eltern geschieden wurden oder sich mit dem Gedanken tragen etc.

Vielleicht gehören Sie auch zu denjenigen, deren Ehe in den sechziger oder siebziger Jahren zerbrach, als die Scheidungsraten plötzlich rasant anstiegen, und Sie fragen sich jetzt, welche Auswirkungen Ihre Entscheidung auf Ihre Kinder bis hin zum Erwachsenenalter haben wird. Oder Sie überlegen, sich scheiden zu lassen und machen sich Sorgen über eventuelle Folgen. Sie können zu einer wachsenden Zahl von Männern und Frauen gehören, die sich überlegen zu heiraten, während Ihre Eltern sich ernsthaft mit dem Gedanken tragen, ihre Ehe zu beenden.

Schon in den späten Sechzigern und in den Siebzigern haben viele Psychotherapeuten versucht, Männern und Frauen durch die Krise der Scheidung hindurchzuhelfen. Wir fragten uns, was mit den Kindern passieren würde, deren Welt zerstört war, und wir mühten uns ab den Eltern zu helfen, das Leiden ihrer Kinder zu verstehen, während sie mit ihrem eigenen Leiden beschäftigt waren.

Damals drehten sich die meisten Gedanken darum, wie entscheidend die ersten zwei Jahre nach einer Trennung für die Familienmitglieder sind, dieser Zeit voller Anpassungen und Veränderungen, Wut und Trauer. Einige Therapeuten waren zuversichtlich, daß die Kinder nach der ersten Phase damit zurechtkämen, daß sie in der Lage sein würden, die Scheidung hinter sich zu lassen und ihr Leben produktiv zu gestalten.

Doch schon damals habe ich die Scheidung nie als eine kurzfristige Krise betrachtet. Ich hatte immer die Vorstellung, daß die Gründe für eine Scheidung in früheren, ungelösten Familienbeziehungen wurzeln und daß die Kinder die Merkmale dieser Scheidungen zeigen würden.

Es ergab sich, daß ich im Laufe der vergangenen Jahre mehr und mehr mit Scheidungskindern arbeitete. Ich begleitete sie bis ins Erwachsenenalter und wurde mit den harten Herausforderungen konfrontiert, denen sie sich ausgesetzt sahen, wenn sie später ihre eigenen Beziehungen eingingen.

Es gibt viele Untersuchungen, die prüfen, ob diese Kinder fähig oder unfähig waren, ihre zerbrochenen Kindheitsträume zu reparieren, ob sie es geschafft haben, aus den Fehlern ihrer Eltern zu lernen, oder ob sie dazu bestimmt sind, diese Fehler zu wiederholen.

Die bekannteste Studie über Scheidungskinder ist die von Dr. Judith Wallerstein. Ihre Arbeit und die ihrer Kollegen vom Center for the Family in Transition in Corte Madera, Kalifornien, erstreckt sich über die vergangenen 1015 Jahre. Dr. Wallerstein beobachtete 60 Familien in einem der San Francisco Bay vorgelagerten Gebiet. Ihre Untersuchung zeigt, daß eine Scheidung nicht nur voraussagbare Auswirkungen auf die Kinder hat, sondern auch einen Schatten ins Erwachsenenleben hineinwirft und Einfluß auf die Fähigkeit hat, das Leben selbständig zu gestalten.

Sogar noch 10 Jahre später, so schreibt Dr. Wallerstein, »erzählen sie uns, daß das Aufwachsen für Scheidungskinder härter ist, … sie gehen als Erwachsene heterosexuelle Beziehungen ein mit dem Gefühl, schlechte Karten zu haben.«

Andere Forscher, u.a. E. Mavis Hetherington, ein Psychologie-Professor der Universität von Virginia, die Psychologin Sharlene A. Wolchik von der Arizona State Universität und der Soziologe Frank F. Furstenberg von der Universität von Pennsylvania haben die Auswirkungen von Scheidung, Wiederheirat und Stiefeltern-Familien auf Kinder unterschiedlichen Alters, Geschlechts und in verschiedenen Entwicklungsstadien untersucht.

Dr. Hetherington fand zum Beispiel heraus, daß Kindern aus geschiedenen Familien häufiger »negative Lebensveränderungen« widerfuhren als Kindern aus nicht geschiedenen Familien, und daß diese Veränderungen sogar noch sechs Jahre nach der Scheidung, im Zusammenhang mit Verhaltensproblemen auftauchten.

Noch erwachsene Scheidungskinder beschreiben oft, daß sie das Gefühl hätten, Opfer zu sein.

Heute begegnet man vielen Menschen zwischen 20 und 25 Jahren, die sich scheiden lassen; viele kommen aus geschiedenen Ehen. Einige von ihnen haben Eltern, die sich drei- oder viermal haben scheiden lassen. In vielen Fällen habe ich erlebt, daß Scheidung wie Familien-Silber über zwei, drei oder gar vier Generationen von einer Generation an die nächste weitergereicht wurde.

Zunächst sind es nicht die Schwierigkeiten mit der Scheidung der Eltern, die sie in mein Büro führt. Der Auslöser kann ein eigenes Beziehungsproblem sein. Die 33jährige Ginny z.B. lebt seit drei Jahren mit Eric zusammen. Sie sagt, sie liebt ihn, aber wann immer er eine Heirat erwähnt, arrangiert sie es so, daß ihre Firma sie für drei Monate nach Kalifornien schickt.

Es können auch gemischte Gefühle in Bezug auf Elternschaft sein. Nehmen wir Ronnie, der hinsichtlich seiner Vater-Rolle so starke Gefühle hat (»Ich werde meinen Sohn niemals das durchmachen lassen, was ich durchgemacht habe.«), daß er leicht gereizt reagiert und sich schämt, weil er so fühlt.

Oder die weitverbreitete Angst, daß das, was ihren Eltern passierte, auch ihnen passieren wird. Colleen, 36, eine attraktive, talentierte Redakteurin, die seit vier Jahren verheiratet ist, hat schreckliche Angst davor, daß, egal wie sie sich bemüht, sie doch so enden wird wie ihre Mutter, die, mit 40 Jahren geschieden, langsam vereinsamt und schrullig wird.

Was auch immer das Problem ist, bei den Betroffenen rückt das Thema Scheidung im Lauf der Therapie unausweichlich in den Vordergrund. Häufig geben meine Patienten der Scheidung ihrer Eltern die Schuld für alles, was in ihrem Leben danebengegangen ist. Sie fühlen sich beraubt und »entrechtet« und haben das Gefühl, daß die Aura der elterlichen Scheidung noch gegenwärtig ist und in die Fähigkeit, eigene liebevolle Beziehungen herzustellen, eingreift, weil sie nie die Möglichkeit hatten, eine langfristige liebevolle Beziehung zwischen zwei Menschen zu erleben. Dazu kommen Zweifel, Ängste, Überempfindlichkeiten, Wut … und der Kampf um die Befreiung von einer Vergangenheit, die immer noch eine quälende Macht hat.

In diesem Buch geht es um diesen Kampf, und es wird zeigen, daß der Urteilsspruch nicht »Lebenslänglich« sein muß. Es ist keine Frage, daß Scheidungen traumatische Auswirkungen auf alle haben, die darin verwickelt sind, trotzdem müssen diese Narben nicht dauerhaft sein.

Der größte Teil der Forschung analysiert, wie gut oder schlecht die Erwachsenen aus geschiedenen Ehen funktionieren. Leiden sie unter mangelhaftem Selbstwertgefühl? Haben sie Schwierigkeiten, einen Job zu finden oder Karriere zu machen? Nehmen sie Drogen? Neigen sie zu sexueller Promiskuität?

Ein weniger gut erforschter, doch genauso wichtiger Aspekt, der letztendlich die Lebensqualität bestimmt, ist, wie gut Erwachsene aus geschiedenen Ehen über einen längeren Zeitraum intime, reife Beziehungen aufbauen und aufrecht erhalten können.

Eine Scheidung durchzumachen, ist in sich ein regressiver Prozeß: Alle Familienmitglieder rutschen für etwa zwei bis drei Jahre in der Reife-Skala abwärts. Einige erholen sich erstaunlich schnell. Einige nicht. Es scheint aber allgemein eine langanhaltende Wirkung auf die Fähigkeit der Kinder zu bestehen, während des Heranwachsens und auch später sichere und stabile Beziehungen anzufangen, aufzubauen und aufrechtzuerhalten.

Eine Überprüfung der Literatur, Interviews und meine Arbeit mit einigen hundert Scheidungsfamilien haben mich zu der Überzeugung gebracht, daß jede Scheidung kurzfristig gewaltige und voraussagbare Symptome bei Kindern gleich welchen Alters hervorruft. Doch langfristig ist es nicht die Scheidung, die darüber bestimmt, ob Kinder später als Erwachsene zu Intimität und Nähe fähig sind. Der Familienstil, also der Umgang der Familienmitglieder untereinander, ist entscheidend.

Die Menschen, um die es in diesem Buch geht, waren in verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen, als ihre Eltern sich scheiden ließen. Sie repräsentieren eine Vielzahl von Vormundschafts-Regelungen; einige kommen aus Familien, in denen die Scheidung freundlich verlief, andere aus Familien, in denen die Scheidung bitter war.

Einige hielten einen angenehmen Kontakt mit dem Elternteil ohne Sorgerecht aufrecht, einige sahen den anderen Elternteil nur selten. Einige Väter und Mütter heirateten wieder, und das Kind erwarb ein komplexes Geflecht neuer Verwandter und Freunde. In anderen Fällen blieben die Elternteile, die das Sorgerecht hatten, allein.

Die Erwachsenen, mit denen ich gearbeitet habe, kommen aus Mittelschichts-Familien. Die meisten haben es zu etwas gebracht. Sie sind in Positionen, die Verantwortungsbewußtsein, klares Denken, gutes Urteilsvermögen und Entschlußfähigkeit von ihnen verlangen.

Diese Menschen schneiden in Untersuchungen, die Bildung und sozio-ökonomischen Status messen, gut ab, doch gibt es keine Korrelation zwischen beruflichem Erfolg und persönlicher Zufriedenheit, denn Männer und Frauen aus geschiedenen Ehen sind häufig in ihrem Privatleben »emotional gehandikapt«. In ihrem Kampf, eine enge Beziehung aufzubauen und...

Erscheint lt. Verlag 31.3.2017
Übersetzer Aurel Ende
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Kindheit • Psychologie • Sachbuch • Scheidung • Trauma • Trennung
ISBN-10 3-10-561687-X / 310561687X
ISBN-13 978-3-10-561687-1 / 9783105616871
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