Putins russische Welt (eBook)

Wie der Kreml Europa spaltet

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
264 Seiten
Ch. Links Verlag
978-3-86284-391-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Putins russische Welt - Manfred Quiring
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Der Russlandexperte Manfred Quiring unterzieht das Regime Putin einer radikalen Kritik. Er untersucht die Strukturen des autokratischen Systems und stellt die bisher kaum behandelte Verquickung der russischen Eliten aus Geheimdienst und Militär mit kriminellen Gruppen dar. Zugleich geht er auf das Konzept der »russischen Welt« ein und beschreibt deren nationalistische Vordenker. Quiring analysiert, wie der Kreml versucht, Europa zu spalten und dabei Mittel der hybriden Kriegsführung einsetzt, bis hin zu verdeckten Cyberattacken. Dabei bezieht er die Urteile deutscher und internationaler Russlandexperten ein.

Manfred Quiring, Jahrgang 1948, aufgewachsen in Berlin, nach kurzem Zwischenspiel als Eishockeyspieler Journalistik-Studium in Leipzig, ab 1973 Redakteur der »Berliner Zeitung« und zweimal deren Korrespondent in Moskau (1982-1987 und 1991-1995). Er bereiste die ehemalige Sowjetunion von Kaliningrad bis nach Kamtschatka, von Norilsk bis nach Turkmenien, und erlebte alle Wechsel im obersten Staatsamt live in Moskau, 1989/90 ein Jahr Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN in Athen, Korrespondent der »Welt« von 1998 bis 2010 in Moskau

Jahrgang 1948; aufgewachsen in Berlin; nach kurzem Zwischenspiel als Eishockeyspieler Journalistik-Studium in Leipzig, ab 1973 Redakteur der "Berliner Zeitung" und zweimal deren Korrespondent in Moskau (1982–1987 und 1991–1995); er bereiste die ehemalige Sowjetunion von Kaliningrad bis nach Kamtschatka, von Norilsk bis nach Turkmenien, und erlebte alle Wechsel im obersten Staatsamt live in Moskau; 1989/90 ein Jahr Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN in Athen, Korrespondent der "Welt" von 1998 bis 2010 in Moskau; Autor zahlreicher Sachbücher.

Vorwort


Die Deutschen, aber auch die anderen Europäer, blicken erstaunt gen Osten. Russland, das in den 1990er Jahren als potenzieller Verbündeter und sogar Freund wahrgenommen wurde, hat sich ein Vierteljahrhundert nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder zu einem kaum berechenbaren Kontrahenten entwickelt. Drei militärische Konflikte – 2008 der Krieg mit Georgien, 2014 die Annexion der Krim und der verdeckte Krieg in der Ostukraine sowie das Eingreifen in den Konflikt in Syrien – haben die europäische Öffentlichkeit aufgeschreckt. Die Illusionen von einem geeinten, kooperierenden Europa bis zum Ural oder gar bis nach Wladiwostok, in dem Menschenrechte und demokratische Werte beachtet werden, sind verflogen. Verblüffend und deprimierend ist, wie es der russischen Propaganda innerhalb kürzester Zeit gelungen ist, die Mehrheit der eigenen Bevölkerung und Teile der europäischen Öffentlichkeit in dieser Situation davon zu überzeugen, dass Schwarz Weiß ist, dass der Angreifer das bedauernswerte, verkannte Opfer ist.

In Russland ist in den Jahren der Putin-Regentschaft ein autoritärer Staat entstanden, dessen repressive Politik nach innen von einer zunehmend aggressiven Politik nach außen begleitet wird. Moskaus Vorgehen gegen die Ukraine verstößt gleichermaßen gegen die Charta der Vereinten Nationen, die KSZE-Schlussakte von Helsinki, das Budapester Memorandum und bilaterale Verträge.

Die große Mehrheit der Russen steht dabei hinter ihrem Präsidenten, der ihnen bescheinigt, ein »genetisch überlegenes« Volk zu sein. Schuld an der jüngsten Entwicklung trügen allein die Nato, die EU, der »Westen« generell, der Russland belogen und gedemütigt habe, wie eine Mehrheit der Russen laut Umfragen glaubt.

Es gibt in Deutschland inzwischen zahlreiche Bücher, die ausführlich erklären, dass das heutige Russland vom »Westen« in die Enge getrieben worden sei, wobei es nicht an transatlantischen Verschwörungstheorien fehlt. Präsident Wladimir Putin und seine Mannschaft seien praktisch gezwungen worden, so zu reagieren, wie sie es gegenwärtig tun – im Interesse der Sicherheit ihres Landes und seiner Menschen. Verständnisinnig konzedieren die sogenannten »Russlandversteher«, dass Moskau jedes Recht habe, sich gegen die »aggressive Nato« zur Wehr zu setzen, seine legitimen Sicherheitsinteressen zu wahren. Diese Interessen werden dabei ganz natürlich auf einer deutlich höheren Ebene angesiedelt als die kleinerer europäischer Staaten. Unterstützung findet diese These bei amerikanischen Historikern und Politologen, bei deutschen Politikern wie dem inzwischen verstorbenen Exkanzler Helmut Schmidt und Exkanzler Gerhard Schröder, der im Dienste des russischen Staatskonzerns Gazprom steht. Und ehrlich besorgt unterschrieben über 60 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens den Aufruf »Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!«.1

Dieser Aufruf, dem übrigens später ein realistisches Papier von Osteuropawissenschaftlern entgegengesetzt wurde, ist nicht nur – um es mit Professor Schlögel zu sagen – »peinlich«. Er offenbart auch den schon an Starrsinn grenzenden Unwillen, das in Russland herrschende Regime realistisch zu betrachten, das die Unterzeichner bis zum Ukraine-Konflikt »auf dem richtigen Weg« wähnten. Dabei war längst klar zu Tage getreten, dass das Putin-Regime eine Restauration des alten Systems der Einflusssphären anstrebte.

In diesem Buch unternehme ich den Versuch, die Handlungsmaximen der russischen Führung weniger als Reaktion auf äußere Einflüsse, sondern als Ausfluss der eigenen Intentionen und Absichten zu analysieren und zu beschreiben. Dabei werde ich der Rolle des Militärisch-industriellen Komplexes (MIK) und der Geheimdienste besondere Aufmerksamkeit widmen. Denn wenn man einen Grund für die gescheiterte Annäherung Russlands an den Westen suchen will, wird man dort fündig: Die Vertreter des MIK haben sich nie für die Integration erwärmen können. Ihnen ging es vornehmlich um Wiedergewinnung verlorener Macht und verlorenen Einflusses. Eine Vorstellung, die auch von den aktuellen Herrschern im heutigen Russland, den Vertretern der Geheimdienste, geteilt wird.

Das auch in Deutschland weit verbreitete Bild vom »in die Ecke getriebenen« Putin ist nicht nur lächerlich, es wird den russischen Eliten um den Mann im Kreml nicht gerecht. Sie fällen ihre Entscheidungen nicht aus der Position eines »eingeschnappten« Kindes, sondern aus den eigenen, inneren Interessen heraus.

Präsident Putins vorrangiges strategisches Ziel ist der Machterhalt seiner Clique in Russland, vervollständigt durch ein möglichst großes, von Moskau dominiertes Vorfeld abhängiger Staaten entlang der Grenzen. Der Rückzug aus Osteuropa in den 1990er Jahren schmerzt bis heute. Nach einer »Peredyschka«, einer Atempause, scheint jetzt die Chance zu einem »Rollback« gekommen.

Das gegenwärtige Regime in Moskau sieht sich durch westliche Ideen und Einflüsse gefährdet, und das zu Recht. Denn echte Demokratie heißt Gewaltenteilung und öffentliche Kontrolle dessen, was »die da oben« so tun. Genau das würde das korrupte, kleptokratische System in seiner Existenz gefährden. Es braucht diesen äußeren Feind, um oppositionelle Bewegungen im Lande niederzuhalten und innere Stabilität durch die Förderung einer Festungsmentalität zu erreichen. Diese Entwicklung wird sich in dem Maße verschärfen, wie der putinsche Wirtschaftskurs fortgesetzt wird, der sich weitgehend auf die Gewinne aus dem Rohstoffexport stützt. Ein strategischer Fehler, der schon der Sowjetunion zum Verhängnis wurde.

Mit dem in den vergangenen Jahren entwickelten Konzept von der »russischen Welt« (Russki Mir), dessen nationalistische Anklänge erschrecken, glaubt Kremlchef Putin ein praktisch handhabbares, flexibles Instrument zur Realisierung seiner Vorstellungen gefunden zu haben.

Eine Minderheit leidet an dieser Entwicklung. Die Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja ist entsetzt und schreibt 2015 in einem Spiegel-Artikel: »Mein Land hat gegenwärtig der Kultur, den Werten des Humanismus, der Freiheit der Persönlichkeit und der Idee der Menschenrechte, einer Frucht der gesamten Entwicklung der Zivilisation, den Krieg erklärt. Mein Land krankt an aggressiver Unbildung, Nationalismus und imperialer Großmannssucht.« Der Popmusiker Andrej Makarewitsch, Gründer der berühmten russischen Band Maschina Wremeni (Die Zeitmaschine), stellt traurig fest, die vergangenen 25 Jahre seines Lebens, in denen Hoffnung keimte, seien wohl vergebens gewesen. »Mein Land ist in den Krieg gezogen«, schreibt er in einer Liedzeile, »und ich konnte das nicht verhindern.«

Das macht betroffen, insbesondere, wenn man so lange in dem Land gelebt hat wie ich. Die Sowjetunion und dann Russland haben mich ein Leben lang begleitet. Zwischen 1982 und 2010 habe ich dort 22 Jahre als Korrespondent verbracht. Zunächst für die Berliner Zeitung, teils vor, teils nach der Wende, dann war ich zwölf Jahre für die Die Welt in Moskau. In dieser Zeit sind Freundschaften entstanden, von denen einige den widrigen Umständen standhielten.

Ich war deshalb aufs Höchste alarmiert, als ich, längst aus Russland zurückgekehrt, im März 2014, nur wenige Tage nach der Annexion der Krim durch Russland, eine E-Mail aus Moskau erhielt. Ein Freund schrieb mir verzweifelt: »Ich schäme mich, Russe zu sein.« Ich widersprach heftig. Nicht »der Russe« trage die Verantwortung für die Ereignisse, sondern verantwortungslose Politiker, schrieb ich meinem Freund und reiste umgehend zu ihm.

Ich sehe in den Ereignissen auf der Krim und in der Ukraine eine Zäsur in den Beziehungen Russlands zu Europa. Die hehren Absichten, festgehalten in der Pariser Charta vom Sommer 1990,2 sind vorläufig gescheitert. Die Idee eines geeinten Europas, das Russland einschließt, scheint vorläufig verloren. Mehr noch: Die Herrschaftsclique um Präsident Putin unternimmt im Rahmen ihrer hybriden Kriegsführung alles, um den Spaltpilz nach Europa zu tragen. Es werden jene unterstützt, die sich gegen den europäischen Gedanken, gegen Demokratie und gegen das transatlantische Bündnis wenden.

Die Menschen in Russland, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts Teil des Zarenreiches, ab 1924 eine der Sowjetrepubliken (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik – RSFSR) war und seit 1991 Russische Föderation genannt wird, haben im vergangenen, wirren, teils durch deutsche Schuld so blutigen Jahrhundert wohl so viel durchlitten, wie kaum ein anderes Volk: Die Revolution von 1905, die Niederlage im Ersten Weltkrieg, die Revolution 1917, in Russland inzwischen bolschewistischer Putsch genannt, der Bürgerkrieg zwischen Roten und Weißen mit dem entsprechenden blutigen Terror, die opferreiche Kollektivierung und Industrialisierung, Stalins Terror in den 1930er Jahren, der Überfall Hitlerdeutschlands 1941, der den Vielvölkerstaat an den Rand der totalen Vernichtung brachte. Und schließlich der Kalte Krieg nach dem großen Sieg, der in den Zerfall des Sowjetimperiums mündete.

Um die gegenwärtige hochbrisante Situation im Osten Europas besser zu verstehen, ist ein realistischer Blick auf das Wesen des putinschen Russland wesentliche Voraussetzung. Und dieses Wesen unterscheidet sich grundsätzlich von dem Bild, das die russischen Eliten von sich und ihrem Land gern verbreiten. Der Schriftsteller Michail Schischkin, bereits vor Jahren angesichts der bedrückenden Situation in seiner einstigen...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2017
Reihe/Serie Politik & Zeitgeschichte
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Autokratie • Beslan • Donald Trump • Eurasien • fsb • Geheimdienst • Georgien-Krieg • KGB • Krim • Maidan • Michail Borissowitsch Chodorkowski • Moskau • NATO • Organisierte Kriminalität • Osero • Osterweiterung • Russland • St. Petersburg • Wladimir Putin • WM 2018
ISBN-10 3-86284-391-2 / 3862843912
ISBN-13 978-3-86284-391-6 / 9783862843916
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