Amerika vor Kolumbus (eBook)

Die Geschichte eines unentdeckten Kontinents
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
720 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-05521-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Amerika vor Kolumbus -  Charles C. Mann
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Charles C. Mann schreibt die Geschichte des vorkolumbischen Amerikas. Er macht deutlich, dass die indianischen Kulturen oftmals weiter entwickelt waren als die europäische. Ihre Boote waren schneller und wendiger als die der Europäer, ihre Städte größer als das damalige Paris. Kolumbus' Ankunft in Amerika veränderte den Kontinent fundamental. Zwei Zivilisationen trafen aufeinander, deren Historie und Kultur unterschiedlicher nicht hätten sein können, und für die Ureinwohner war die Begegnung folgenschwer: Die Masern-, Pocken- und die Grippeviren, welche die Europäer einschleppten, rafften einen Großteil von ihnen dahin, Kriege entmachteten sie. Mann lässt das vorkolumbische Amerika aufleben. Er gewährt uns überraschende Einblicke in die Lebensweise der Ureinwohner und zeigt, wie noch heute ihre Mais-, Kürbis- und Kartoffelanbauflächen weite Teile des Kontinents prägen. «Amerika vor Kolumbus» ist ein wichtiges, mitreißend erzähltes Buch. «Die Indianer waren keine nomadischen, ökologisch vorbildlichen Menschen, die zu Pferde Büffel jagten. Sie erbauten und bevölkerten einige der größten und reichsten Städte der Welt. Keineswegs abhängig von der Großwildjagd, lebten die meisten Indianer auf Farmen. Amerika war unermesslich geschäftiger, mannigfaltiger und dichter bevölkert, als es sich die Forscher früher vorgestellt hatten. Und älter war es auch.» Das Buch wurde von der National Academy of Sciences als bestes Buch des Jahres ausgezeichnet.

Charles C. Mann, geboren 1955, ist ein preisgekrönter Wissenschaftsjournalist und arbeitet als Korrespondent für The Atlantic, Science und Wired; daneben hat er u. a. für GEO, stern, die New York Times, Vanity Fair und die Washington Post geschrieben sowie für den TV-Sender HBO und die Serie Law & Order. Sein Buch 1491 - New Revelations of the Americas Before Columbus verkaufte sich in den USA eine halbe Million Mal und wurde von der National Academy of Sciences als bestes Buch des Jahres ausgezeichnet.

Charles C. Mann, geboren 1955, ist ein preisgekrönter Wissenschaftsjournalist und arbeitet als Korrespondent für The Atlantic, Science und Wired; daneben hat er u. a. für GEO, stern, die New York Times, Vanity Fair und die Washington Post geschrieben sowie für den TV-Sender HBO und die Serie Law & Order. Sein Buch 1491 – New Revelations of the Americas Before Columbus verkaufte sich in den USA eine halbe Million Mal und wurde von der National Academy of Sciences als bestes Buch des Jahres ausgezeichnet.

Vorwort


Die Ursprünge dieses Buches lassen sich, jedenfalls teilweise, bis 1983 zurückverfolgen, als ich für die Zeitschrift Science einen Artikel über ein NASA-Programm schrieb, mit dem atmosphärische Ozonwerte überwacht wurden. Während ich mich über das Programm kundig machte, begleitete ich ein Forscherteam in einem NASA-Flugzeug, das dazu ausgerüstet war, der Atmosphäre in zehntausend Meter Höhe Proben zu entnehmen und diese zu analysieren. Einmal landete die Gruppe in Mérida auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Aus irgendeinem Grund hatten die Wissenschaftler einen freien Tag, und wir fuhren alle zusammen mit einem heruntergekommenen VW-Bus zu den Maya-Ruinen von Chichén Itzá. Ich wusste nichts über die mesoamerikanische Kultur; vielleicht war ich nicht einmal mit dem Begriff «Mesoamerika» vertraut, der das Gebiet von Zentralmexiko bis nach Panama umfasst, darunter ganz Guatemala und Belize sowie Teile von El Salvador, Honduras, Costa Rica und Nicaragua, die Heimat der Maya, der Olmeken und einer Menge anderer Völker. Sekunden nachdem wir uns aus dem Bus gezwängt hatten, war ich gefesselt.

Später kehrte ich fünf- oder sechsmal nach Yucatán zurück – um Urlaub zu machen oder aus beruflichen Gründen –, dreimal davon mit meinem Freund Peter Menzel, einem Fotojournalisten. Für eine deutsche Zeitschrift machten wir eine zwölfstündige Fahrt auf einer schrecklichen unbefestigten Straße mit mehr als knietiefen Schlaglöchern und Blockaden aus umgestürzten Stämmen zu der damals noch nicht ausgegrabenen Maya-Hauptstadt Calakmul. Mit uns fuhr Juan de la Cruz Briceño, selbst Maya und Verwalter einer anderen, kleineren Ruine. Juan hatte zwanzig Jahre als chiclero verbracht, was bedeutete, dass er immer wieder wochenlang auf der Suche nach Chicle-Bäumen durch den Wald gezogen war. Den klebrigen Saft der Bäume trocknen und kauen Indianer seit Jahrtausenden, und er wurde im späten 19. Jahrhundert zum Grundstoff der Kaugummiindustrie. Abends am Feuer erzählte Juan uns von den alten, weinüberwucherten Städten, auf die er bei seinen Wanderungen gestoßen war, und von seinem Erstaunen, als Wissenschaftler ihm mitteilten, dass seine eigenen Vorfahren diese Städte gebaut hätten. In jener Nacht schliefen wir in Hängematten zwischen hohen grabsteinartigen Skulpturen, deren Inschriften mehr als tausend Jahre niemand gelesen hatte.

Mein Interesse an den Völkern, die vor Kolumbus in Amerika gelebt hatten, entwickelte sich erst im Herbst 1992. In einer College-Bibliothek entdeckte ich eines Sonntagnachmittags zufällig die Sonderausgabe der Annals of the Association of American Geographers, die dem 500. Jahrestag von Kolumbus’ Ankunft gewidmet war. Ich griff neugierig nach dem Heft, machte es mir in einem Sessel bequem und las einen Beitrag von William Denevan, einem Geografen an der University of Wisconsin. Der Artikel begann mit der Frage: «Wie sah die Neue Welt zur Zeit von Kolumbus aus?» Ja, dachte ich, wie sah sie aus? Wer lebte hier, und was mochte den Einheimischen durch den Kopf gegangen sein, als sie die ersten europäischen Segel am Horizont erspähten? Ich beendete Denevans Artikel, wandte mich anderen Beiträgen zu und hörte erst auf zu lesen, als der Bibliothekar die Beleuchtung aus- und anschaltete, weil er schließen wollte.

Damals wusste ich noch nicht, dass Denevan und eine Vielzahl seiner Kollegen ihr Berufsleben lang versucht hatten, diese Fragen zu beantworten. Das Bild, das sie herausgearbeitet haben, unterscheidet sich stark von der Denkweise der meisten Amerikaner und Europäer und ist außerhalb von Spezialistenkreisen kaum bekannt.

Ein Jahr nachdem ich Denevans Artikel gelesen hatte, besuchte ich eine Podiumsdiskussion auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science. Das Thema der Sitzung lautete «Neue Perspektiven zum Amazonas» oder so ähnlich, und zu den Teilnehmern gehörte William Balée von der Tulane University. In seinem Vortrag war von «anthropogenen» Wäldern die Rede, also von Wäldern, die Indianer vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden geschaffen hätten – ein Konzept, das mir völlig neu war. Außerdem erwähnte er einen Aspekt, den auch Denevan angesprochen hatte: Viele Forscher sind inzwischen der Meinung, dass ihre Vorgänger die Zahl der Menschen in Amerika bei Kolumbus’ Eintreffen unterschätzt haben. Die Indianer waren laut Balée weitaus zahlreicher gewesen, als man früher angenommen hatte. Herrje, dachte ich, jemand müsste all das zusammenfassen. Daraus ließe sich ein spannendes Buch machen.

Ich wartete darauf, dass das Buch erschien, und meine Frustration wuchs, als mein Sohn in die Schule kam und das Gleiche lernte wie ich: Theorien, die, wie ich wusste, seit langem heftig angezweifelt wurden. Da niemand anders bereit zu sein schien, das Buch zu schreiben, nahm ich mir schließlich vor, es selbst zu versuchen. Zudem wollte ich unbedingt mehr erfahren. Dieser Text ist das Ergebnis.

Mancherlei ist mein Buch allerdings nicht. Es ist kein systematischer, chronologischer Überblick über die kulturelle und soziale Entwicklung der westlichen Hemisphäre vor 1492. Solch ein Werk von ungeheurer zeitlicher und räumlicher Dimension kann nicht geschrieben werden, denn sobald sich die Autorin oder der Autor dem Ende näherte, hätte man bereits neue Erkenntnisse gewonnen, sodass der Anfang überholt wäre. Unter denen, die mich von dieser Sachlage überzeugten, waren genau die Wissenschaftler, die den größten Teil der letzten Jahrzehnte damit verbracht haben, die große Vielfalt präkolumbischer Gesellschaften zu untersuchen.

Auch ist dieses Buch keine vollständige Geistesgeschichte des nicht lange zurückliegenden Perspektivenwandels unter den Anthropologen, Archäologen, Ökologen, Geografen und Historikern, die sich mit den ersten Amerikanern beschäftigen. Ein derartiges Projekt wäre ebenfalls nicht zu bewältigen, denn die neuen Ideen verästeln sich immer noch weiter und können nicht von einem einzelnen Werk erfasst werden.

Vielmehr werden in dem vorliegenden Buch Themen erkundet, die, wie ich glaube, die drei Schwerpunkte der neuen Befunde ausmachen: die indianische Demografie (Teil I), die indianischen Ursprünge (Teil II) sowie die indianische Ökologie (Teil III). Da so viele unterschiedliche Gesellschaften diese Themen auf jeweils andere Art verhandeln, konnte meine Arbeit nicht allumfassend sein. Stattdessen habe ich meine Beispiele aus Kulturen gewählt, die am besten dokumentiert sind oder am meisten Aufmerksamkeit erregt haben oder mir schlicht besonders attraktiv erschienen.

Paradoxerweise wird in meinem Buch über das Leben vor Kolumbus nicht wenig Zeit darauf verwendet, das Leben nach Kolumbus zu behandeln. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens verfügten etliche amerikanische Kulturen über keine Schrift, weshalb die besten Informationen über sie zumeist aus den Aufzeichnungen der ersten Europäer stammen, die ihnen begegneten. Gewiss, Kolonialchroniken sind durch kulturelle Kurzsichtigkeit verzerrt, aber es handelt sich gleichwohl um Augenzeugenberichte über fremde Lebensweisen. Zweitens – genauso wichtig – enthüllte die Begegnung zwischen Europa und Amerika manches über beide Seiten. In vielen Fällen wurden durch den Stress des Kontakts Aspekte dieser Gesellschaften hervorgehoben, die man sonst nicht deutlich erkannt hätte. Der Zusammenprall der Wampanoag mit den Pilgern (das Thema von Kapitel 2) und der Inka mit der von Francisco Pizarro geführten spanischen Streitmacht (ein erheblicher Teil von Kapitel 3) zeigen einerseits, wie die Amerikaner von den Europäern wahrgenommen wurden, und andererseits, wie sie angesichts des Unbekannten reagierten.

In diesem Text benutze ich, wie Leser und Leserin bereits bemerkt haben dürften, zumeist den Begriff «Indianer» für die Ureinwohner Amerikas. Unzweifelhaft haben wir es mit einer verwirrenden und historisch unangemessenen Benennung zu tun. Die wohl am ehesten zutreffende Bezeichnung der ersten Bewohner Amerikas ist «Amerikaner». Ihr Gebrauch wäre jedoch noch verwirrender. Deshalb versuche ich, Menschen bei den Namen zu nennen, die sie sich selbst gegeben haben. Die überwältigende Mehrheit der indigenen Völker, denen ich sowohl in Nord- als auch in Südamerika begegnet bin, bezeichnet sich als Indianer (zur Nomenklatur siehe auch Anhang A, «Befrachtete Wörter»).

 

Mitte der achtziger Jahre reiste ich zu dem Dorf Hazelton am Oberlauf des Skeena in British Columbia. Viele seiner Bewohner gehören der Gitksan- (oder Gitxsan-)Nation an. Zur Zeit meines Besuches hatten die Gitksan gerade einen Prozess gegen die Regierungen von British Columbia und Kanada angestrengt. Die Provinz und der Staat sollten anerkennen, dass die Gitksan seit langem dort lebten, nie fortgezogen waren, ihr Land nie freiwillig aufgegeben hatten und damit weiterhin den Rechtstitel für rund 28500 Quadratkilometer der Region besaßen. Sie seien sehr gern bereit zu verhandeln, doch keineswegs bereit, auf Verhandlungen zu verzichten.

Beim Anflug konnte ich nachvollziehen, warum die Gitksan so eng mit dem Land verbunden sind. Die Maschine glitt vorbei an den prächtigen schneebedeckten Steilhängen der Rocher de Boule Mountains und näherte sich den beiden ineinander übergehenden bewaldeten Flusstälern. Dunst stieg vom Boden auf. Menschen fischten in den Flüssen nach Silberforellen und Lachsen, obwohl sie 265 Kilometer von der Küste entfernt waren.

Die Gitanmaax, eine Gruppe der Gitksan, haben ihr Hauptquartier in Hazelton, doch die meisten ihrer Angehörigen leben...

Erscheint lt. Verlag 21.10.2016
Übersetzer Bernd Rullkötter
Zusatzinfo Zahlr. s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Azteken • Eroberung • Geschichte • Grippe • Indianer • Inka • Masern • Maya • Mittelamerika • Nordamerika • Pocken • Südamerika
ISBN-10 3-644-05521-1 / 3644055211
ISBN-13 978-3-644-05521-6 / 9783644055216
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