Noah will nach Hause (eBook)

Roman
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2016 | 1. Auflage
432 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1445-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Noah will nach Hause -  Sharon Guskin
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Die alleinerziehende Janie ist ratlos. Ihr vierjähriger Sohn Noah jammert immer wieder, dass er zu seiner Mama will. Aber ist er das nicht? Die verzweifelte Mutter sucht Hilfe bei Jerome Anderson, einem Psychologieprofessor, der das Phänomen der Wiedergeburt erforscht. Sie machen sich mit nur wenigen Anhaltspunkten detektivisch auf die Suche nach dem Ort, dem Haus, der Familie, der Mutter, nach der Noah sich so sehr sehnt ... »Fesselnd, dicht und bewegend.« New York Times »Unwiderstehlich ... Dieses kluge, ans Herz gehende Buch hat mich gefesselt bis spät in die Nacht.« Kate Morton

Sharon Guskin hat an der Yale University und der Columbia University School of the Arts studiert. Sie ist Autorin und Produzentin preisgekrönter Dokumentarfilme. Mit ihrem Mann und ihren Söhnen lebt sie in Brooklyn. Die Idee für ihren Roman hatte sie als junge Frau während eines Praktikums in einem Flüchtlingslager in Thailand und später kurz nach der Geburt ihres ersten Sohnes. 'Noah will nach Hause' ist ihr erster Roman.

Sharon Guskin studierte an der Yale University und der Columbia University School of the Arts. Sie ist Autorin und Produzentin für preisgekrönte Dokumentarfilme. Mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen lebt sie in Brooklyn. Die Idee zu ihrem Roman hatte sie während eines Praktikums in einem Flüchtlingslager in Thailand und später kurz nach der Geburt ihres ersten Sohnes. Noah will nach Hause ist ihr erster Roman.

EINS

Kurz vor ihrem neununddreißigsten Geburtstag, am trostlosesten Tag im trübsten Februar aller Zeiten, beschloss Janie, etwas zu tun, das sich als die wichtigste Entscheidung ihres Lebens herausstellen sollte: Sie beschloss, Urlaub zu machen.

Trinidad war vielleicht nicht das Nonplusultra. Wenn sie schon so weit flog, dann sollte es wenigstens Tobago oder Venezuela sein, aber Janie gefiel der Name, Tri-ni-dad. Er klang für sie wie ein Versprechen. Sie buchte den günstigsten Flug, den sie finden konnte, und kam direkt zum Ende des Karnevals dort an. In den Rinnsteinen türmte sich der schönste Müll, den sie je gesehen hatte, die Straßen selbst waren wie leergefegt, alle erholten sich von den tagelangen Partys. Einzig die Straßenkehrer schlurften langsam, aber zufrieden, ihrer Wege. Janie hob Händevoll Konfetti, glitzernde Federn und Plastikschmuck von der Straße auf und stopfte sich alles in die Taschen, als hoffte sie, sich damit etwas Frivoles einhauchen zu können.

In ihrem Hotel fand eine mehrtägige Hochzeit statt, eine Amerikanerin heiratete einen Mann aus Trinidad, und die meisten der Hotelgäste gehörten der Hochzeitsgesellschaft an. Janie beobachtete, wie die beiden Familien einander umkreisten: die in der Sonne dahinwelkenden Tanten und Onkel und Cousinen der Braut, die mit ihren sonnenverbrannten Wangen glücklicher wirkten, als sie waren, und die vergnügten Trinis, die immer in Gruppen zusammenstanden, pausenlos lachten und schnellen Trini-Slang sprachen.

Die Luftfeuchtigkeit war enorm, aber die warme Umarmung des Meeres machte alles wieder gut, war wie ein Trostpreis für all jene, die nicht vor Liebe platzten. Der Strand sah genauso aus wie auf den Bildern, überall Palmen, blaues Wasser und grüne Hügel, und jede Menge Sandmücken, die einen in die Knöchel stachen und daran erinnerten, dass all das kein Traum war. Zwischen den Palmen standen immer mal wieder kleine Stände, an denen Bake & Shark verkauft wurde: frittierter Hai im ebenfalls frittierten Brot, der beste Snack, den Janie je gegessen hatte. Aus der Dusche im Hotel kam manchmal warmes Wasser, manchmal nur kaltes und bisweilen gar keins.

Die Tage vergingen wie im Flug. Sie lag am Strand, blätterte in jener Sorte Hochglanzmagazinen, die sie sich normalerweise nicht gönnte, tankte Sonne und genoss die Meeresbrise. Es war ein schrecklich langer Winter gewesen. Ein Schneesturm hatte den nächsten gejagt wie eine Lawine von Katastrophen, auf die New York alles andere als vorbereitet gewesen war. Sie war mit der Aufgabe betraut worden, die Toiletten eines Museums zu planen, das ihre Firma entwarf, und oft war sie an ihrem Schreibtisch eingeschlafen und hatte von blauen Fliesen geträumt oder war erst nach Mitternacht in ihre stille Wohnung zurückgekommen, wo sie so erschöpft ins Bett gefallen war, dass sie sich nicht einmal mehr fragen konnte, wie es so weit hatte kommen können in ihrem Leben.

An ihrem vorletzten Abend in Trinidad wurde sie neununddreißig. Sie saß allein auf der Terrasse an der Bar und lauschte der Kennenlernparty der Hochzeitsgesellschaft, die im Bankettsaal nebenan stattfand. Sie war froh, um den obligatorischen Geburtstagsbrunch zu Hause herumzukommen, jenem Aufmarsch von Freundinnen mitsamt all ihrer Ehemänner und Kinder und überschwänglicher Glückwunschkarten, auf denen ihr versichert wurde Das ist dein Jahr!

Das Jahr für was? hatte sie immer fragen wollen.

Aber natürlich war ihr klar, was sie damit meinten: das Jahr für einen Mann. Was ziemlich unwahrscheinlich schien. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie kein einziges Date mehr gehabt, was nicht zuletzt daran lag, dass sie die Abende anschließend nicht mehr haarklein zusammen analysieren konnten; jene endlosen, unverzichtbaren Telefonate, die manchmal länger dauerten als die Verabredungen selbst. Männer waren in Janies Leben immer wieder gekommen und gegangen; sie hatte gespürt, wie sie sich davonstahlen, lange bevor sie es tatsächlich taten. Ihre Mutter hingegen war immer da gewesen – ihre Liebe so elementar und unentbehrlich wie die Schwerkraft –, bis sie eines Tages fort war.

Janie bestellte sich einen Drink, warf einen Blick in die Speisekarte und entschied sich für das Ziegencurry, aus dem einfachen Grund, dass sie es nicht kannte.

»Sind Sie sicher?«, fragte der Barkeeper. Er war fast noch ein Junge, nicht älter als zwanzig, gertenschlank, mit großen lachenden Augen. »Es ist scharf.«

»Kein Problem«, antwortete sie lächelnd und fragte sich, ob sie sich an ihrem vorletzten Abend vielleicht auf ein Abenteuer einlassen sollte, und wie es wohl wäre, nach all der Zeit wieder einen anderen Körper zu berühren. Doch der Junge nickte nur und servierte ihr kurz darauf das Essen, ohne sich darum zu kümmern, wie es ihr damit erging.

Das Curry brannte wie Feuer in ihrem Mund.

»Ich bin beeindruckt. Ich würde das nicht runterkriegen«, sagte der Mann, der zwei Stühle weiter an der Bar saß. Er war mittleren Alters, ein Schrank von einem Kerl, mit blonden, struppigen Haaren, die kreisförmig von seinem Kopf abstanden wie der Lorbeerkranz von Julius Cäsar. Über seiner Boxernase blitzten zwei freche Augen. Er war der einzige andere Gast, der nicht zur Hochzeitsgesellschaft gehörte. Sie hatte ihn schon ein paarmal im Hotel und am Strand gesehen und war von seinen Wirtschaftsmagazinen ebenso wenig angetan gewesen wie von seinem Ehering.

Sie nickte ihm zu und nahm einen besonders großen Löffel von dem Curry. Die Schärfe schoss ihr augenblicklich aus jeder Pore.

»Lecker?«

»Und wie«, erwiderte sie, »auf eine verrückte, alles verbrennende Art und Weise.« Sie nahm einen Schluck von der RumCola, die sie bestellt hatte; sie war kühl und belebend nach der Feuersbrunst.

»Wirklich?« Sein Blick wanderte von ihrem Teller hinauf zu ihrem Gesicht. Seine Wangen leuchteten knallpink, als wäre er geradewegs zur Sonne geflogen und ungeschoren davongekommen. »Darf ich mal probieren?«

Sie sah ihn ein wenig ratlos an, dann zuckte sie mit den Schultern: Was soll’s.

»Bedienen Sie sich.«

Er sprang von seinem Barhocker, setzte sich auf den Platz neben sie und schnappte sich ihren Löffel. Sie sah zu, wie dieser kurz unschlüssig über ihrem Teller schwebte, dann hinabstürzte und eine mundgerechte Portion des Currys aufschaufelte, das dann zwischen seinen Lippen verschwand.

»Jee-sus, Maria und Josef!«, stieß er hervor. Er stürzte ein Glas Wasser hinunter. »Grundgüü-tiger!« Doch er lachte und sah sie mit seinen braunen Augen bewundernd über den Rand des Wasserglases an. Bestimmt hatte er beobachtet, wie sie den Barkeeper angelächelt hatte, und daraus geschlossen, dass sie auf etwas aus war.

Aber war sie das? Sie sah ihn an und registrierte alles: das Interesse in seinen Augen, die geschmeidige Bewegung, mit der er seine linke Hand hinter dem Körbchen mit dem Roti-Brot verschwinden ließ, um den Finger mit dem Ehering zu verstecken.

Er war geschäftlich in Port of Spain, ein Unternehmer, der einen lukrativen Deal abgeschlossen und anschließend beschlossen hatte, sich zur Belohnung eine kleine »Faulenzeritis« zu gönnen. Er nannte es tatsächlich so, »Faulenzeritis«, und sie konnte gerade noch verhindern, dass sie zurückzuckte: Wer bitte benutzte so ein Wort? Niemand, den sie kannte. Er kam aus Houston, wo sie noch nie gewesen war und auch noch nie hatte hinfahren wollen. Er trug eine Rolex aus Weißgold um sein sonnengebräuntes Handgelenk, die erste, die sie je aus der Nähe sah. Als sie ihm das sagte, nahm er die Uhr ab und legte sie ihr um ihr feuchtes Handgelenk, an dem sie schwer und funkelnd hängenblieb. Janie gefiel das seltsam fremde Gefühl, das die Uhr auf ihrer sommersprossigen Haut auslöste, gefiel der Anblick, wie sie wie ein diamantenbesetzter Hubschrauber über ihrem Ziegencurry schwebte. »Steht Ihnen«, sagte er, blickte von ihrem Handgelenk auf und sah ihr so direkt und unverhohlen in die Augen, dass sie rot wurde und ihm die Uhr zurückgab. Was machte sie hier eigentlich?

»Ich sollte dann mal los.« Die Worte klangen selbst in ihren eigenen Ohren wenig überzeugend.

»Bleiben Sie doch noch ein bisschen und plaudern mit mir.« In seiner Stimme schwang etwas Flehendes mit, doch sein Blick war weiterhin spitzbübisch. »Na los, kommen Sie. Ich habe seit einer Woche keine vernünftige Unterhaltung mehr geführt. Und Sie sind so …«

»So … was?«

»Außergewöhnlich.«

Er warf ihr ein Lächeln zu, das schmeichlerische Grinsen eines Mannes, der ganz genau wusste, wie und wann er seinen Charme einzusetzen hatte. Dieses Instrument aus seiner Trickkiste, das nichtsdestotrotz wie Metall in der Sonne aufblitzte, während er sie ansah, und das irgendwie originell und ungekünstelt wirkte. Sie verspürte eine Welle echter Zuneigung.

»Oh, ich bin ganz und gar gewöhnlich.«

»Keineswegs.« Er sah sie forschend an. »Woher stammen Sie?«

Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink, der sie leicht benebelte. »Oh, wen kümmert das?« Ihre Lippen waren kalt und brannten zugleich.

»Na, mich.« Noch ein Lächeln: kurz und gewinnend. Kaum da, schon wieder weg. Aber … wirkungsvoll.

»Okay, dann komme ich aus New York.«

»Aber da sind Sie nicht geboren.« Er formulierte es wie eine Feststellung.

»Wieso?«, brauste sie auf. »Halten Sie mich nicht für taff genug, um eine echte New Yorkerin zu sein?«

Sie spürte, wie er sie beäugte, und versuchte, sich unter keinen Umständen anmerken zu lassen, dass ihre Wangen zu glühen begannen.

»Sie sind taff, keine...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2016
Übersetzer Carina Tessari
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Geisteswissenschaften Psychologie Entwicklungspsychologie
Schlagworte Alice Sebold • Bagus • Blick in die Ewigkeit • Buch 2016 • Clara Maria Bagus • Cloud Atlas • der auszog • Der Wolkenatlas • Eben Alexander • Familie • Frauen • Heimat • In meinem Himmel • Jodi Picoult • Kate Morton • Mutter und Kind • Neu 2016 • Neuerscheinung 2016 • Neuerscheinungen 2016 • Reinkarnation • Sterben • um den Frühling zu suchen • vom Mann • Wiedergeburt
ISBN-10 3-8437-1445-2 / 3843714452
ISBN-13 978-3-8437-1445-7 / 9783843714457
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