Das Schweinesystem (eBook)

Wie Tiere gequält, Bauern in den Ruin getrieben und Verbraucher getäuscht werden
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
240 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490186-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Schweinesystem -  Matthias Wolfschmidt
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Ob Bioladen oder Supermarkt - kranke Tiere verbergen sich in fast allen Lebensmitteln. Das muss sich ändern! Der studierte Tierarzt und foodwatch-Aktivist Matthias Wolfschmidt zeigt eindrücklich die Gnadenlosigkeit des bestehenden Systems. Denn das Elend in den Ställen ist massiv: Schweine mit Lungenentzündung, Kühe mit Euterkrankheiten sind die Regel, nicht die Ausnahme. Von den kranken Tieren stammen nicht nur das Fleisch und die Wurst, die Milch und der Käse, sondern auch Backwaren, Schokolade oder Pizza, die wir im Supermarkt, Bioladen oder Reformhaus kaufen. Denn der Markt macht keinen Unterschied, und der Wettbewerbsdruck ist enorm. Wolfschmidt spricht mit den großen Lebensmittelproduzenten und -händlern, schaut sich bei Milchbauern und Schweinemästern um. Ein Buch, das aufklärt und einen Ausweg aus dem Desaster aufzeigt, in dem wir uns befinden. Endlich wird deutlich, dass nicht nur die Fleischproduktion das große Thema ist, sondern sich Produkte von kranken Tieren in all unseren Lebensmitteln wiederfinden.

Matthias Wolfschmidt, Jahrgang 1965, studierte Veterinärmedizin in München, ist approbierter Tierarzt und erwarb zwischen 1998 und 2001 den Master of Science in Pharmaceutical Medicine an der Universität Witten-Herdecke. Bevor er 2002 zur Verbraucherorganisation foodwatch kam, arbeitete er seit 1995 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag, zuletzt in der Enquete-Kommission »Recht und Ethik der modernen Medizin«. Seit 2005 ist er bei foodwatch stellvertretender Geschäftsführer und leitet in Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Thilo Bode das foodwatch-Team.

Matthias Wolfschmidt, Jahrgang 1965, studierte Veterinärmedizin in München, ist approbierter Tierarzt und erwarb zwischen 1998 und 2001 den Master of Science in Pharmaceutical Medicine an der Universität Witten-Herdecke. Bevor er 2002 zur Verbraucherorganisation foodwatch kam, arbeitete er seit 1995 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag, zuletzt in der Enquete-Kommission »Recht und Ethik der modernen Medizin«. Seit 2005 ist er bei foodwatch stellvertretender Geschäftsführer und leitet in Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Thilo Bode das foodwatch-Team.

so scharf und leidenschaftlich, wie man es sich nur wünschen kann

ein aufrüttelndes Buch

Eine Buchveröffentlichung belebt die politische Debatte über Tierhaltung neu.

Verzweifelt gesucht: Glückliche Tiere


Ende 2015 schickte die Zeitschrift »essen & trinken« einen Reporter mit dem Auftrag los, das glücklichste Schwein Deutschlands zu finden.[25] Der Journalist wurde fündig an drei Orten, für die sich ihm das Wort »Paradies« aufdrängte. Er traf auf drei alte Schweinerassen, das Angler Sattelschwein, das Bunte Bentheimer und das Schwäbisch-Hällische Landschwein. Die Tiere haben mit Stroh ausgelegte Ställe, sie bekommen kein gentechnisch verändertes Futter, brauchen angeblich keine Antibiotika und genießen Schlammbäder; von den Schwäbisch-Hällischen leben manche sogar in einem kleinen Buchen- und Eichenwäldchen. Auch hier gilt: Den Sauen, Ebern und Ferkeln geht es vergleichsweise gut, vielleicht sind sie wirklich die »glücklichsten Schweine«, die es in Deutschland gibt. Und weil schon Dutzende von Reportern dieses Glück beschrieben haben, kann man sagen, dass es hierzulande keine öffentlicheren Schweineställe gibt. Aber die drei Rassen sind, wie der Reporter von »essen & trinken« richtig notierte, »kleine Randgruppen«, sie sind die Exponenten winziger Marktnischen. Die größte der drei alten Rassen, das Schwäbisch-Hällische, repräsentiert mit ihren rund 70000 Ferkeln von 3500 Muttersauen[26] im Jahr bei gut 27 Millionen Schweinen in Deutschland[27] ein Promille-Paradies, das mit der gängigen Tierhaltung nichts gemein hat. Bezeichnend dafür ist, dass in der Lebensmittelabteilung der Berliner Galeria Kaufhof die Prospekte für das Schwäbisch-Hällische ausgerechnet an jener Fach-Fleischtheke ausliegen, an der der Grillmeister über seine Grillhühnchen nicht mehr zu erzählen weiß, als dass sie aus Italien stammen. Die auf dem Prospekt gezeigten schwarz-rosa Schweine auf der Wiese sind hier Nutztiere im doppelten Sinn – als Fleischlieferant und als Darsteller im Supermarkt-Illusions-Theater.

Das wird auch beim Geflügel- und Rindfleisch geboten. Wer es sich leisten will, kann Geflügel aus »bäuerlicher Haltung« kaufen, robuste und langsam wachsende Rassen, die auf Freilandflächen aufwachsen; oder Rindfleisch vom Hohenloher Bio-Rind bis zum Charolais aus der Bourgogne und zum baskischen Txogitxu, die Kilopreise bis zu 40, 50 Euro und darüber hinaus. Wer solche Produkte kauft, weil er nur Fleisch fair gehaltener Tiere essen will, handelt in guter Absicht. Aber sein Gewissen kann er damit nicht beruhigen, denn die teurere Wahl an der Fleisch-, Wurst- oder Käsetheke ist keine Garantie für Tiergesundheit und ändert schon gar nichts am Elend und der Gnadenlosigkeit in den anderen Ställen. Das System, das Tiere nur als Rohstofflieferanten betrachtet und dabei keinen Unterschied macht zwischen dem Rohstoff von gesunden und von kranken Tieren, dieses System bleibt von der individuellen Kaufentscheidung gewissenhafter Käufer völlig unberührt. Es dreht sich einfach weiter, es produziert weiter Produkte von leidenden, kranken, verhaltensgestörten Tieren und verkauft sie ausnahmslos als Produkte gesunder glücklicher Tiere.

Diese Tatsache müssen auch Vegetarier und Veganer zur Kenntnis nehmen. Der Vegetarierbund Deutschland (VEBU) geht von rund 7,8 Millionen Vegetariern und 900000 Veganern in Deutschland aus, das entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa zehn Prozent. Stolz zitiert der VEBU den ehemaligen Generaldirektor von Nestlé, Helmut Maucher, mit dem Satz: »Der Trend ins Vegetarische ist unaufhaltsam. Vielleicht isst in 100 Jahren kein Mensch mehr Fleisch.«[28] Vielleicht wird es so sein, vielleicht aber auch nicht. Und selbst wenn es so käme, würden Tiere bis dahin noch jahrzehntelang in krank machenden Produktionsverhältnissen gehalten, um für die noch nicht Überzeugten weiterhin Fleisch und Wurst, Käse und Joghurt, Quark, Kekse, Eier, Schokolade, Pizzen und Kuchen produzieren zu können. Durch die Strategie des individuellen Verzichts können sich Veganer der schuldhaften Verstrickung entziehen, Vegetarier immerhin ein Stück weit. Das verdient Anerkennung, aber zur Fairness gegenüber den Tieren gehört auch das Eingeständnis, dass sich für die allermeisten Nutztiere dadurch überhaupt nichts ändert, dass die katastrophalen Lebensverhältnisse in den Ställen fortbestehen. Der respektvolle Umgang mit allen Nutztieren bleibt so ein Projekt, dessen Realisierung in der fernen, sehr fernen Zukunft liegt. Die Realität erlaubt aber kein Zuwarten, wenn die »derzeitigen Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztiere nicht zukunftsfähig« sind, wie der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium 2015 feststellte.

Wir Verbraucher ahnen das, denn wir haben schon von zu vielen Skandalen gehört und gelesen. Aber gleichzeitig verdrängen wir die Ahnung gerne wieder, wenn Verbandsvertreter diese Skandale als die Verfehlungen einzelner »schwarzer Schafe« herunterspielen. Unsere Ahnung, dass die Tierquälerei systembedingt sein muss, zeigt sich regelmäßig in Umfragen, bei denen nennenswerte Anteile der Menschen antworten, sie würden weniger Fleisch essen oder höhere Preise akzeptieren, wenn es den Nutztieren dadurch besserginge.[29] Im »Ökobarometer 2016« des Bundeslandwirtschaftsministeriums begründen die Konsumenten von Bio-Kost ihr Einkaufsverhalten zu 93 Prozent mit der vermuteten »artgerechten« Tierhaltung.[30]

Wie unsicher viele Verbraucher sind, wie sie hin- und hergerissen sind zwischen Hoffnungen und Gewissheiten über das riesige Warenangebot und seine widersprüchlichen Werbeversprechen, zeigen die Beiträge in einem Online-Forum der Zeitschrift »Brigitte«.[31] »Ich kaufe oft bio, weil ich ein besseres Gefühl habe. Und ich hoffe, dass die Tierquälerei nicht so groß ist«, schreibt eine Leserin. Eine andere: »Mein Fokus liegt ganz klar auf dem Tierschutz. Eier und Milchprodukte aus konventioneller Haltung lehne ich ab. Fleisch esse ich erst seit kurzem wieder sehr selten, und wenn, dann nur bio und wenn möglich von einem Bio-Bauern, den ich kenne, oder von einem Hof, dessen Tiere ich draußen rumlaufen sehe.« Eine dritte Leserin gibt an: »Ich kaufe das, was mir schmeckt. Ob bio oder nicht, ist mir egal. Bei Eiern hoffe ich, dass die wirklich von freilaufenden Hühnern sind. Fleisch kaufe ich nur vom Metzger meines Vertrauens. Ob die Tiere allerdings wirklich ein glückliches Leben hatten und ganz ohne Chemie und Power-Aufbaufutter groß geworden sind, wage ich zu bezweifeln.« Noch enttäuschter bekennt ein Leser: »Ich kaufe, was ich lecker finde. Wenn bio draufsteht, gut, wenn nicht, auch gut. Ausnahme sind Eier. Da versuche ich wirklich, irgendwas zu erwischen, wo ›freilaufend‹ draufsteht, wobei ich keinen blassen Schimmer habe, ob auch ›freilaufend‹ drin ist. Ich habe es aufgegeben zu kapieren, was irgendwelche Siegel und sonstigen Versprechungen bedeuten.«

Jeder Erwachsene kauft mehrmals in der Woche Lebensmittel ein. Aber wie viele tun dies bei einem Bio-Bauern, den sie persönlich kennen? Und wie viele dieser winzigen Minderheit können tatsächlich beurteilen, ob dessen Tiere gesünder sind, artgemäßer gehalten werden als die des konventionell wirtschaftenden Nachbarbauern? Wie viele haben einen »Metzger ihres Vertrauens«, und wie oft kaufen sie wirklich bei ihm und nicht doch im billigeren Supermarkt? Und können sie wirklich sicher sein, dass der höhere Kilopreis bei »ihrem Metzger« seinen Grund im größeren »Glück« der verarbeiteten Tiere hat?

Die Realität ist, wie sie die Leser im Online-Forum beschreiben: Bis auf einige wenige, die das Geld und das Glück haben, bei einem vertrauenswürdigen Bauern oder Metzger in ihrer Nähe einkaufen zu können, die außerdem die Muße haben, sich in Tierhaltungsfragen kundig zu machen, hat der Verbraucher »keinen blassen Schimmer«. In den Debatten über »bio oder konventionell«, »Discounter oder Fachgeschäft«, »Kleinbauer oder Massentierhaltung« werden selten überzeugende Argumente ausgetauscht, gefühlte Gewissheiten spielen eine viel zu große Rolle; der Glaube an die Wirksamkeit individuellen Konsumverhaltens wird leider überschätzt. Das Dilemma bleibt: Verbraucher können sich nicht darauf verlassen, dass die Nutztiere, von denen ihre Lebensmittel stammen, ordentlich behandelt wurden.

Eine Alnatura-Filiale in Berlin. Am Eingang passiert man Körbe mit Käsefondue und Eierlikör – ohne Verweis auf die tierischen Zutaten und deren Erzeugung –, dann steht man vor einer ausladenden Käsetheke mit einem ebensolchen Angebot. Im Rücken der Verkäuferin große, farbige Fotos von Bio-Erzeugern: ein Bauer mitten im Getreidefeld, ein Müller mit einem Getreidesack auf der Schulter, ein Dritter hält liebevoll den Kopf seiner Pinzgauer Kuh im Arm. Wohlfühlbilder. Und Wohlfühlslogans: »Frische Bio-Heumilch«; »Hier kommt der Bio-Bergkäse her, auf über 1000 Meter hohen naturgeschützten Almen genießen die Kühe eine besondere Haltung. Im Sommer gibt es Gräser und Kräuter auf der Weide, im Winter ausschließlich Heu. Für eine besonders artgerechte Haltung sorgen das Melken dreimal täglich und die Haltung in kleinen Herden.« Das Bilder-Panorama und die Erklärungen überstrahlen alles, man kann den Eindruck gewinnen, als würden diese wenigen Landmenschen und wenigen Tiere in freier Natur die Milch liefern...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2016
Co-Autor Stefan Scheytt
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Alnatura • Analog-Käse • Bio-Fleisch • Bio-Gemüse • Bio-Produkte • Campina • Chlor-Huhn • Euterentzündung • foodwatch • Gammel-Fleisch • Grüne Woche • Küken • Landliebe • Lebensmittel-Industrie • Legehenne • Massentierhaltung • Masthuhn • Nutztierhaltung • Oetker • Pferde-Lasagne • Rewe • Schweinemast • Thilo Bode • Tierethik • Tierwohl • Wiesenhof • Wurst
ISBN-10 3-10-490186-4 / 3104901864
ISBN-13 978-3-10-490186-2 / 9783104901862
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