Das zweite Gehirn (eBook)

Wie der Darm unsere Stimmung, unsere Entscheidungen und unser Wohlbefinden beeinflusst

(Autor)

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2016 | 1. Auflage
320 Seiten
Riva Verlag
978-3-95971-379-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das zweite Gehirn -  Emeran Mayer
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Wenn sich Medizinstudentin und Bestsellerautorin Giulia Enders in Darm mit Charme auf einen Fachmann bezieht, dann ist es der renommierte Gastroenterologe Prof. Emeran Mayer. In diesem Buch verbindet der Experte für die Interaktion von Darm und Gehirn topaktuelle Erkenntnisse der Neurowissenschaft mit den neuesten Forschungsergebnissen zur menschlichen Darmflora. Er zeigt die untrennbare Verbindung zwischen unserem Verstand und Verdauungssystem auf und liefert viele praktische Informationen und Hilfestellungen. Verständlich und schlüssig erklärt er das komplexe Zusammenspiel von Gehirn und Darmflora - also den Mikroorganismen, die in unserem Verdauungstrakt leben - und bietet einen revolutionären und provokanten Blick auf dieses neue Forschungsfeld. Dieses Buch zeigt, wieso eine überwiegend pflanzliche Ernährung der Schlüssel zur Gesundheit ist, warum Stress und Angst zu Darmerkrankungen und kognitiven Störungen führen und wie man die Signale des eigenen Körpers richtig deutet.

Prof. Dr. med. Emeran Mayer ist Direktor des Oppenheimer Center for Stress and Resilience und Kodirektor des Digestive Diseases Research Center an der University of California in Los Angeles. Er hat die letzten 40 Jahre über das Zusammenspiel von Gehirn und Darm geforscht und hat über 300 Publikationen und diverse Bücher zu diesem Thema veröffentlicht. Er ist gebürtiger Deutscher und studierte Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bevor er in die USA übersiedelte und sich dort auf die Gastroenterologie spezialisierte. 2016 erhielt er den prestigeträchtigen Paul D. MacLean Award der American Psychosomatic Society.

Prof. Dr. med. Emeran Mayer ist Direktor des Oppenheimer Center for Stress and Resilience und Kodirektor des Digestive Diseases Research Center an der University of California in Los Angeles. Er hat die letzten 40 Jahre über das Zusammenspiel von Gehirn und Darm geforscht und hat über 300 Publikationen und diverse Bücher zu diesem Thema veröffentlicht. Er ist gebürtiger Deutscher und studierte Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bevor er in die USA übersiedelte und sich dort auf die Gastroenterologie spezialisierte. 2016 erhielt er den prestigeträchtigen Paul D. MacLean Award der American Psychosomatic Society.

Kapitel
1

Die wechselseitige Beziehung zwischen Körper und Geist


Als ich 1970 mit meinem Studium begann, betrachtete die Medizin den menschlichen Körper als komplizierte Maschine mit einer endlichen Zahl von Einzelteilen. Durchschnittlich hielt er etwa 75 Jahre, vorausgesetzt, man kümmerte sich um ihn und verabreichte ihm den richtigen Treibstoff. Wie ein hochwertiges Auto funktionierte er gut, sofern ihm keine größeren Unfälle zustießen und keine Teile irreparabel beschädigt wurden. Mit ein paar Routineuntersuchungen dann und wann ließ sich plötzlichen Schicksalsschlägen vorbeugen. Internisten und Chirurgen verfügten über hochwirksame Instrumente zur Lösung akuter Probleme, zum Beispiel von Infektionen, Unfallverletzungen und Herzerkrankungen.

Doch seit etwa 40 Jahren scheint mit unserer Gesundheit etwas grundsätzlich nicht mehr zu stimmen, und das alte Leitbild liefert für viele unserer Probleme offenbar keine Erklärung oder Lösung mehr. Was mit uns geschieht, lässt sich nicht länger als simple Fehlfunktion eines einzelnen Organs oder Gens erklären. Stattdessen beginnen wir einzusehen, dass die komplexen Regulationsmechanismen, die dem Körper und dem Gehirn helfen, sich der rasch wandelnden Umwelt anzupassen, ihrerseits unter dem Einfluss unserer modernen Lebensweise stehen. Diese Mechanismen arbeiten nicht unabhängig voneinander, sondern als Teile eines Ganzen. Sie steuern die Nahrungsaufnahme, den Stoffwechsel und das Körpergewicht, das Immunsystem sowie die Entwicklung und Gesundheit des Gehirns. Allmählich erkennen wir, dass der Darm, die Mikroorganismen (Mikroben), die in ihm leben – die Darmmikrobiota (oft fälschlicherweise »Darmflora« genannt) –, und die Signalmoleküle, die diese mithilfe ihrer zahlreichen Gene – des Mikrobioms – erzeugen, ein wichtiger Bestandteil dieser Regulationssysteme sind.

In diesem Buch werfe ich einen ganz neuen Blick auf die Kommunikation zwischen dem Gehirn, dem Darm und den Billionen von Mikroorganismen im Darm. Dabei geht es mir vor allem um die Bedeutung dieser Beziehungen für die Gesundheit des Gehirns und des Darms. Ich werde darlegen, welche negativen Folgen für die Gesundheit der beiden Organe eine Störung dieser Zwiesprache hat, und zeigen, wie wir optimale Gesundheit erlangen können, indem wir die Kommunikation zwischen dem Gehirn und dem Darm wieder in Gang bringen und optimieren.

Schon während meines Medizinstudiums stellte mich die vorherrschende traditionelle Auffassung nicht ganz zufrieden. Zwar beschäftigte ich mich ausführlich mit allen Organsystemen und Krankheitsursachen, doch zu meiner Überraschung war von dem Gehirn und seinem möglichen Einfluss auf verbreitete Erkrankungen wie Magengeschwüre, Bluthochdruck und chronische Schmerzen nur selten die Rede. Zudem hatte ich bei Krankenhausvisiten oft Patienten gesehen, für deren Symptome selbst die gründlichsten diagnostischen Untersuchungen keine Erklärung lieferten. Meist handelte es sich um chronische Schmerzen in unterschiedlichen Körperregionen: im Bauch, im Beckenbereich und im Brustkorb. In meinem dritten Studienjahr, als es Zeit war, meine Doktorarbeit in Angriff zu nehmen, bewegte mich meine Suche nach einer Antwort dazu, die Wechselwirkungen zwischen dem Gehirn und dem Körper zu erforschen, denn ich hoffte, dadurch viele alltägliche Erkrankungen besser zu verstehen. Im Laufe einiger Monate sprach ich darüber mit mehreren Professoren verschiedener Fachrichtungen. »Herr Mayer«, entgegnete Professor Karl, der Ordinarius für innere Medizin an meiner Universität, »wir alle wissen, dass die Psyche bei chronischen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Aber es gibt heute keine wissenschaftliche Methode, um dieses klinische Phänomen zu untersuchen, und Sie können ganz gewiss keine ganze Dissertation darüber schreiben.«

Das Krankheitsmodell des Professors und des gesamten medizinischen Systems war äußerst erfolgreich bei bestimmten Krankheitsbildern – die akut auftreten oder nicht lange dauern oder beides –, etwa bei Infekten, Herzanfällen oder chirurgischen Notfällen wie Appendizitis. Diese Erfolge hatten die moderne Medizin selbstsicher gemacht. Es gab kaum noch eine Infektionskrankheit, die man mit immer stärkeren Antibiotika nicht behandeln konnte. Mit neuen Operationstechniken ließ sich vielen Erkrankungen vorbeugend oder heilend entgegentreten. Unheilbar geschädigte Körperteile konnte man amputieren, ja mit Prothesen ersetzen. Wir müssten nur die vielen winzigen Details ergründen, aus denen die Einzelteile dieser Maschine bestanden. Das Gesundheitssystem verließ sich immer mehr auf neu entwickelte Techniken und nährte den verbreiteten Optimismus, dass selbst die schwersten chronischen Krankheiten, einschließlich der Geißel Krebs, eines Tages heilbar sein würden.

Als US-Präsident Richard Nixon 1971 den National Cancer Act, das Bundesgesetz zur Krebsbekämpfung, unterzeichnete, wurde die westliche Medizin um eine Dimension und eine militärische Metapher reicher. Krebs wurde zum Staatsfeind erklärt – und der menschliche Körper war das Schlachtfeld, auf dem Wissenschaftler und Ärzte versuchten, den Krebs zu besiegen. Sie nutzten giftige Chemikalien, tödliche Strahlung und massive chirurgische Eingriffe, um die Krebszellen immer heftiger zu bekämpfen. Zu einer ähnlichen Strategie griff die Medizin bereits beim Kampf gegen Infektionskrankheiten. Mit Breitbandantibiotika, die viele Bakterienarten abtöten oder schwächen, vernichtete sie Krankheitserreger. In beiden Fällen wurden Kollateralschäden zum akzeptablen Risiko, sofern letztlich der Sieg errungen werden konnte.

Jahrzehntelang prägte das mechanische, »militärische« Krankheitsmodell die medizinische Forschung und Praxis. Wenn wir den beschädigten Maschinenteil reparieren können, dachten wir, sei das Problem gelöst, und es sei nicht nötig, die eigentliche Ursache des Problems zu kennen. Diese Auffassung führte zu Therapien gegen Bluthochdruck, die Betablocker und Calciumantagonisten verwendeten, um anomale Signale von dem Gehirn an das Herz und an die Blutgefäße zu blockieren. Magengeschwüre und Sodbrennen wurden mit Protonenpumpenhemmern behandelt, die den Magen daran hinderten, zu viel Salzsäure zu produzieren. Die Fehlfunktion des Gehirns, die primäre Ursache all dieser Probleme, spielte für die Mediziner und Wissenschaftler keine große Rolle. Manchmal scheiterte die Therapie zunächst; dann waren noch intensivere Maßnahmen die letzte Rettung. Wenn die Protonenpumpenhemmer das Magengeschwür nicht beseitigten, konnte man immer noch den ganzen Vagusnerv durchtrennen, das wichtige Bündel aus Nervenfasern, das Gehirn und Darm miteinander verbindet.

Zweifellos waren einige dieser Methoden erstaunlich erfolgreich, und jahrelang bestand für die Medizin und die Pharmaindustrie kein Grund für eine Änderung ihres Ansatzes. Die Patienten wurden auch nicht sonderlich dazu angehalten, Erkrankungen vorzubeugen. Und vor allem schien es nicht notwendig zu sein, die wichtige Rolle des Gehirns und der Signale, die es unter Stress und bei negativen Gemütszuständen aussendet, zu berücksichtigen. Die früheren Therapien bei Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Magengeschwüren wurden allmählich durch viel wirksamere ersetzt, die Leben retteten, Schmerzen linderten und der Pharmaindustrie enorme Profite bescherten.

Heute sind die alten mechanistischen Metaphern jedoch im Rückgang begriffen. Die Maschinen, auf denen vor 40 Jahren die traditionellen Krankheitsmodelle basierten – Autos, Schiffe und Flugzeuge –, besaßen keine der hochentwickelten Computer, die in den heutigen Maschinen eine zentrale Rolle spielen. Selbst die Apollo-Raumschiffe der Mondmissionen hatten nur rudimentäre Rechner an Bord, deren Kapazität nicht annähernd an die der heutigen iPhones herankommt. Es überrascht daher nicht, dass die damaligen mechanistischen Krankheitsmodelle Aspekte wie Rechenleistung oder Intelligenz nicht berücksichtigten – und deshalb auch nicht das Gehirn. Zusammen mit dem Technologiewandel haben sich auch die Modelle geändert, mit denen wir den menschlichen Körper beschreiben. Die Rechenleistung ist exponentiell gestiegen, Autos sind zu fahrenden Computern geworden, die ihre Bestandteile fühlen und regulieren, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten, und bald werden sie ohne menschliches Zutun fahren. In der Zwischenzeit ist die alte Faszination für Mechanik und Maschinen einer neuen Begeisterung für Datengewinnung und -verarbeitung gewichen. Das Maschinenmodell der Medizin war nützlich für die Behandlung vieler Krankheiten; doch wenn es darum geht, chronische Erkrankungen des Körpers und des Gehirns zu verstehen, erweist es sich als überholt.

Der Preis des Maschinenmodells


Die traditionelle Auffassung von Erkrankungen als Versagen einzelner Teile eines komplexen mechanischen Systems, welches man mit Medikamenten oder Operationen reparieren kann, hat die Gesundheitsindustrie immer reicher gemacht. In den Vereinigten Staaten beispielsweise sind seit 1970 die Gesundheitskosten pro Kopf um über 2000 Prozent gestiegen, und fast 20 Prozent aller in den USA jährlich produzierten Güter werden benötigt, um diese enormen Kosten zu decken.

Doch während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2000 in einem wegweisenden Bericht das amerikanische Gesundheitssystem als das teuerste der Welt bezeichnete, erreichte es hinsichtlich seiner gesamten Leistungsfähigkeit nur einen enttäuschenden 37. Platz unter 191 berücksichtigten Ländern. Hinsichtlich des allgemeinen Gesundheitszustands landeten die USA sogar nur auf Rang 72. In einem neueren Bericht des Commonwealth Fund kamen die USA kaum besser weg: Das amerikanische Gesundheitssystem wurde...

Erscheint lt. Verlag 10.8.2016
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Bauch • Darm • Darmgesundheit • Darmprobleme • darmspezialist • Gehirn • Gesundheit • Kopf • Leistungsfähigkeit verbessern • Magen • Magenprobleme • Neuerscheinung • Neuerscheinungen • neueste Forschung • the mind-gut connection • Verbindung
ISBN-10 3-95971-379-7 / 3959713797
ISBN-13 978-3-95971-379-5 / 9783959713795
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