Unglaubliche Zahlen (eBook)

(Autor)

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2016 | 1. Auflage
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-56431-2 (ISBN)
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In diesem Buch nimmt der britische Mathe-Guru seine Leser mit auf eine Reise durch das Reich der Zahlen - reelle, rationale, irrationale, komplexe; ganz, ganz kleine und unendlich große, Fraktale, Logarithmen, Hochzahlen, Primzahlen, Kusszahlen und viele mehr. Jedes Kapitel konzentriert sich auf eine Zahl oder Zahlengruppe und erläutert, warum sie so interessant ist. «Jede Zahl hat ihre eigene Geschichte zu erzählen», heißt es im Vorwort. Stewart erzählt sie mit Begeisterung und versteht es geschickt, diese Geschichten miteinander zu verweben, ob es um die Zahl Pi geht oder zum Schluss auch um Geheimcodes, den Rubikwürfel und Sudoku. Darüber hinaus erfährt man viel über die Geschichte der Mathematik und die Rolle, die sie für unsere Entwicklung spielt. Schließlich waren es die Zahlen, so der Autor, «die es der Menschheit ermöglicht haben, sich aus dem Schlamm zu ziehen und nach den Sternen zu greifen».

Ian Stewart, geboren 1945, ist der beliebteste Mathematik-Professor Großbritanniens. Seit Jahrzehnten bemüht er sich erfolgreich, seine Wissenschaft zu popularisieren. Er studierte Mathematik in Cambridge und promovierte an der Universität Warwick. Dort ist er heute Professor für Mathematik und Direktor des Mathematics Awareness Center. Seit 2001 ist Stewart zudem Mitglied der Royal Society. Er lebt mit seiner Familie in Coventry.

Ian Stewart, geboren 1945, ist der beliebteste Mathematik-Professor Großbritanniens. Seit Jahrzehnten bemüht er sich erfolgreich, seine Wissenschaft zu popularisieren. Er studierte Mathematik in Cambridge und promovierte an der Universität Warwick. Dort ist er heute Professor für Mathematik und Direktor des Mathematics Awareness Center. Seit 2001 ist Stewart zudem Mitglied der Royal Society. Er lebt mit seiner Familie in Coventry. Monika Niehaus, Diplom in Biologie, Promotion in Neuro- und Sinnesphysiologie, freiberuflich als Autorin (SF, Krimi, Sachbücher), Journalistin und naturwissenschaftliche Übersetzerin (englisch/französisch) tätig. Mag Katzen, kocht und isst gern in geselliger Runde. Trägerin des Martin-Wieland-Übersetzerpreises 2021. Bernd Schuh, geboren 1948  ist Physiker, Dozent, Journalist, Autor und Übersetzer. Er studierte Mathematik, Physik und Chemie in Köln, wurde 1977 promoviert und habilitierte sich 1982 in Physik. Er ist Träger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus. 

Zahlen


1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, … Was könnte einfacher sein als das? Und doch sind es Zahlen, die der Menschheit vielleicht mehr als alles andere geholfen haben, von den Bäumen herabzusteigen und nach den Sternen zu greifen.

Individuelle Zahlen weisen ihre eigenen typischen Merkmale auf und eröffnen uns den Zugang zu einer Vielzahl mathematischer Themengebiete. Bevor wir sie jedoch eine nach der unteren genauer unter die Lupe nehmen, lohnt sich ein rascher Blick auf drei große Fragen: Wie sind Zahlen entstanden? Wie hat sich das Zahlenkonzept entwickelt? Und was sind Zahlen eigentlich?

Die Entstehung der Zahlen


Vor rund 35000 Jahren, in der Jungsteinzeit, ritzte ein unbekanntes menschliches Wesen 29 Kerben in das Wadenbein (Fibula) eines Pavians. Dieser Knochen wurde in einer Höhle in den Lebombo-Bergen in Swasiland gefunden und wird dementsprechend als Lebombo-Knochen bezeichnet. Vermutlich handelt es sich um einen Zählstab («Kerbholz»): ein Artefakt, das Zahlen als eine Reihe von Einkerbungen festhält: |, ||, ||| und so weiter. Ein Mondmonat umfasst 29,5 Tage, daher könnte es sich um einen primitiven Mondkalender – oder um die Aufzeichnung des weiblichen Menstruationszyklus – handeln. Oder um eine zufällige Sammlung von Kerben, was das angeht. Eine Art Knochenkritzelei.

Im Jahr 1937 fand Karl Absolon in der damaligen Tschechoslowakei einen weiteren Zählstab, einen Wolfsknochen mit 55 Kerben. Dieser Knochen ist rund 30000 Jahre alt.

Nicht lange danach (1960) entdeckte der belgische Geologe Jean de Heinzelin de Braucourt zwischen den Überresten einer winzigen Fischersiedlung, die von einem Vulkanausbruch verschüttet worden war, das eingekerbte Wadenbein eines Pavians. Die Siedlung befand sich dort, wo sich heute Ishango befindet, an der kongolesisch-ugandischen Grenze. Der Knochen ist rund 20000 Jahre alt.

Die einfachste Interpretation ist auch in diesem Fall, dass der Ishango-Knochen als Zählstab gebraucht wurde. Einige Anthropologen gehen einen Schritt weiter und meinen Elemente einer arithmetischen Struktur zu erkennen, wie Multiplikation, Division und Primzahlen; andere glauben, es handele sich um einen sechsmonatigen Mondkalender, und noch andere sind überzeugt, die Kerben seien nur angebracht worden, um einen sicheren Griff an einem Knochenwerkzeug zu garantieren und hätten keinerlei mathematische Bedeutung.

Abbildung 1: Vorder- und Rückseite des Ishango-Knochens im belgischen Museum für Naturwissenschaften in Brüssel.

Die ganze Sache bietet Stoff für reizvolle Spekulationen. Auf dem Knochen finden sich drei Reihen von Kerben. Die Kerben in der mittleren Reihe sind in Gruppen von 3, 6, 4, 8, 10, 5 und 7 Strichen angeordnet. Zweimal 3 ist 6, zweimal 4 ist 8 und zweimal 5 ist 10; die Reihenfolge des letzten Paares ist jedoch vertauscht, und 7 passt überhaupt nicht ins Muster. Die Reihe links weist 11, 13, 17 und 19 Kerben auf: die Primzahlen zwischen 10 und 20. Die Reihe rechts liefert die ungeraden Zahlen 11, 21, 19 und 9. Die Reihe der Kerben auf der linken Seite addiert sich wie diejenige auf der rechten Seite zu 60.

Ein Problem bei der Deutung derartiger Muster ist, dass es schwerfällt, in einer beliebigen Reihe kleiner Zahlen kein Muster zu finden. Beispielsweise sind in Tabelle 1 die Flächen von zehn Inseln auf den Bahamas aufgelistet, nämlich Nummer 11 bis 20, was ihre Gesamtgröße angeht. Um die Liste zu mischen, habe ich die Inseln alphabetisch sortiert. Ich versichere Ihnen: Das war mein erster Versuch. Zugegeben, ich hätte diese Liste durch eine andere ersetzt, wenn ich damit nicht hätte zeigen können, was ich zeigen wollte – aber es funktionierte, und so bin ich dabei geblieben.

Name

Fläche in Quadratmeilen

Berry

12

Bimini

9

Crooked Island

93

Little Inagua

49

Mayaguana

110

New Providence

80

Ragged Island

14

Rum Cay

30

Samana Cay

15

San Salvador Island

63

Tabelle 1

Was fällt uns bei diesem «Zahlenmuster» auf? Es gibt eine ganze Menge kurzer Folgen mit gemeinsamen Merkmalen:

Abbildung 2: Einige offensichtliche Muster in den Flächen der Bahama-Inseln.

Zunächst einmal ist die ganze Liste wundervoll symmetrisch. An beiden Enden findet sich ein Tripel von Vielfachen von 3. In der Mitte steht ein Paar Vielfache von 10, das zwei Vielfache von 7 trennt. Zudem treten zwei Quadrate auf, 9 = 32 und 49 = 72 – beides Quadrate von Primzahlen. Ein weiteres benachbartes Paar besteht aus 15 und 30, eine Zahl die Verdopplung der anderen. In der Folge 9–93–49 weisen alle Zahlen die Ziffer 9 auf. Die Zahlen werden abwechselnd größer und kleiner, mit Ausnahme von 110–80–14. Oh, und ist Ihnen aufgefallen, dass keine dieser zehn Zahlen eine Primzahl ist?

Genug gesagt. Ein weiteres Problem mit dem Ishango-Knochen ist, dass praktisch keine Möglichkeit besteht, an zusätzliche Informationen zu gelangen, die eine dieser Interpretationen stützen könnten. Die Einkerbungen auf dem Knochen sind jedoch zweifellos faszinierend. Das sind Zahlenrätsel immer. Daher wollen wir uns ein weniger umstrittenes Beispiel ansehen.

Vor rund 10000 Jahren benutzten Menschen im Nahen Osten Tonfiguren, sogenannte Tokens (Zählsteine), um Zahlen wiederzugeben, vielleicht zum Zweck der Besteuerung oder als Eigentumsbeleg. Die ältesten Beispiele stammen aus Tepe Asiab und Ganj-i-Dareh Tepe, zwei Örtlichkeiten im iranischen Zagros-Gebirge. Die Tokens waren kleine, unterschiedlich geformte Tonklumpen, von denen einige symbolische Markierungen trugen. Eine mit + gekennzeichnete Kugel symbolisierte ein Schaf, sieben solche Tokens sieben Schafe. Um nicht allzu viele Tokens herstellen zu müssen, stand ein anderer Typ Token für 10 Schafe. Ein wiederum anderer Typ repräsentierte 10 Ziegen, und so weiter. Die Archäologin Denise Schmandt-Besserat erkannte, dass die Tokens für die Grundnahrungsmittel der damaligen Zeit standen: Getreide, Tiere, Ölkrüge.

Um 4000 v. Chr. wurden die Tokens wie Perlen auf eine Schnur gezogen. Da es jedoch leicht war, die Zahlen durch Hinzufügen oder Wegnehmen von Tokens zu verändern, kam es zur Einführung von Sicherheitsmaßnahmen. Die Tokens wurden in Ton gewickelt, der anschließend gebacken wurde. Ein Streit über Zahlen ließ sich jederzeit lösen, indem man die Tonhülle aufbrach. Um unnötige Scherben zu vermeiden, schrieben die Bürokraten im alten Mesopotamien ab 3500 v. Chr. Symbole auf die Hülle, die die darin enthaltenen Tokens auflisteten.

Abbildung 3: Gesiegelte Tonbulle und Zählsteine, Uruk-Periode, aus Susa.

Irgendwann erkannte ein heller Kopf, dass die Symbole die Tokens überflüssig machten. Das Ergebnis war ein System geschriebener Zahlensymbole, das den Weg für alle folgenden Systeme zur Zahlennotation und möglicherweise auch für die Schrift ebnete.

In diesem Buch geht es nicht primär um Geschichte, daher werde ich auf spätere Notationssysteme zu sprechen kommen, wenn sie im Zusammenhang mit speziellen Zahlen auftauchen. Beispielsweise beschäftigt sich Kapitel 10 mit antiken und modernen Dezimalschreibweisen. Wie der große Mathematiker Carl Friedrich Gauß jedoch einmal bemerkte, zählen nicht Schreibweisen, sondern Ideen. Die sich anschließenden Themen ergeben mehr Sinn, wenn man sie im Kontext des sich wandelnden Zahlenkonzepts der Menschheit betrachtet. Daher werden wir mit einem kurzen Ausflug durch die wichtigsten Zahlensysteme und einige wichtige Fachbegriffe beginnen.

Das ständig wachsende Zahlensystem


Wir neigen dazu, Zahlen als etwas Festes und Unwandelbares anzusehen: als ein Merkmal der natürlichen Welt. Tatsächlich handelt es sich jedoch um menschliche Erfindungen – wenn auch zugegebenermaßen um sehr nützliche, denn sie symbolisieren wichtige Aspekte der Natur. Zum Beispiel, wie viele Schafe jemand besitzt oder wie alt das Universum ist. Die Natur überrascht uns immer wieder, indem sie uns vor neue Fragen stellt, deren Beantwortung manchmal neue mathematische Konzepte verlangt. Manchmal gibt die innere Logik der Mathematik einen Hinweis auf neue, potenziell nützliche Strukturen. Und von Zeit zu Zeit haben diese Hinweise und Probleme Mathematiker dazu veranlasst, das Zahlensystem zu erweitern und neue Arten von Zahlen zu erfinden.

Wir haben gesehen, dass Zahlen zunächst entwickelt und gebraucht wurden, um Dinge zu zählen. In der Frühzeit der griechischen Antike startete die Liste der Zahlen mit 2, 3, 4 und so weiter: 1 war etwas Besonderes, keine «richtige» Zahl. Später, als diese Übereinkunft wirklich dumm auszusehen begann, wurde auch 1 in den Rang einer echten Zahl erhoben.

Der nächste große Schritt vorwärts bei der Erweiterung des Zahlensystems bestand in der Einführung von Brüchen. Brüche sind von Nutzen, wenn man eine Ware unter mehreren Leuten verteilen...

Erscheint lt. Verlag 24.6.2016
Übersetzer Monika Niehaus, Dr. Bernd Schuh
Zusatzinfo Zahlr. s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Fakultäten • Fibonacci-Zahlen • Fraktale • Kusszahlen • Logarithmen • Mathematik • Pi • Primzahlen • Stringtheorien • Sudoku • unendliche Zahlen • Unterhaltung • Zahlensysteme • Zahlentheorie
ISBN-10 3-644-56431-0 / 3644564310
ISBN-13 978-3-644-56431-2 / 9783644564312
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