Vespa (eBook)
256 Seiten
HEEL Verlag
978-3-95843-339-7 (ISBN)
DIE 1940ER-JAHRE GEBURT EINER LEGENDE
Als die erste Vespa unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg das Licht der Welt erblickte, war die Firma Piaggio bereits seit 60 Jahren im Bau von Schiffseinrichtungen, Schiffen, U-Booten, Eisenbahngüterwagen, Straßenbahnwagen und Flugzeugen tätig.
Der in Genua geborene Rinaldo Piaggio hatte das Unternehmen in Sestri Ponente, einem Hafenviertel von Genua, als Schreinerbetrieb im Jahr 1884 eröffnet.
Zuvor hatte die Familie Piaggio im Hafenviertel Genuas bereits ein Holzlager unterhalten, das Rinaldos Vater, Cavalier Enrico Piaggio, errichtet hatte. Als das Baumaterial Holz für den Fahrzeugbau langsam vom Stahlblech verdrängt wurde, begann auch die stark gewachsene Firma Piaggio im Jahr 1901 auf das Material umzuschwenken.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erreichte schnell das italienische Unternehmen, in dem man sich bald auf den Bau von Kriegsschiffen spezialisierte. Zugleich wurden Flugzeugmotoren bei Piaggio gewartet und später sogar ganze Flugzeuge gebaut. Das berühmteste Flugmuster war die P.2, ein sehr modernes Jagdflugzeug, von dem ab 1923 nur zwei Prototypen in Italien gebaut wurden. Doch das italienische Luftfahrtministerium misstraute dem Eindecker. So kam es zu keiner Serienfertigung.
Auch nach dem Krieg blieb der Flugzeugbau eine wichtige Einnahmequelle der Italiener, und in den 30er-Jahren errangen Piaggio-Flugmotoren einige Luftfahrtrekorde. An diesen Rekorden hatte ein bekannter italienischer Entwicklungsingenieur großen Anteil – Corradino D’Ascanio. Er war im Jahr 1933 von Piaggio eingestellt worden, um seine Erfahrungen im Flugzeug- und Hubschrauberbau in die Firma einzubringen. Als Rinaldo Piaggio im Jahr 1938 starb, übernahm dessen Sohn Enrico das Weltunternehmen.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die beiden Piaggio-Werke in Pontedera und Pisa durch Bombenangriffe völlig zerstört, und als der Krieg zu Ende war, entschieden die Siegermächte, dass die Italiener keine Rüstungsgüter mehr herstellen durften. Doch was sollte der ehemalige Hersteller von Schienenfahrzeugen und Flugzeugen bauen? Bald war ein neues Werk auf den Ruinen der alten Fertigungshallen errichtet worden und Enrico Piaggio entschied sich, zunächst preisgünstiges Alltagsgeschirr wie Kochtöpfe und Ähnliches zu erzeugen. Doch diese in großer Stückzahl hergestellten Produkte befriedigten den inzwischen zum Firmenchef aufgestiegenen Enrico nicht. Er suchte nach einem Produkt, das dem früheren Großkonzern gerecht werden sollte.
Zu dieser Zeit lag Italien noch in Trümmern. Der Wiederaufbau des Landes hatte gerade begonnen. Zwar war die Arbeitslosigkeit stark zu spüren, doch war auch der Wille zum Aufbau des Landes in den Augen der Menschen zu sehen.
Enrico Piaggio
Enrico Piaggios Vater, Rinaldo Piaggio, gründete im Jahr 1884 die Firma. Enrico wurde im Jahr 1905 in Pegli, einem Stadtteil der italienischen Hafenstadt Genua, geboren. Sein Studium mit einem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Universität von Genua schloss er im Jahr 1927 erfolgreich ab. Als sein Vater 1938 starb, erbten er und sein Bruder Armando das Unternehmen. Im Krieg produzierte Piaggio vor allem Rüstungsgüter und stieg in die Flugzeugproduktion ein. Im Jahr 1943 wurde Enrico Piaggio in der Lobby des Hotels Excelsior in Florenz bei einer Schießerei schwer verletzt, und nur durch das Entfernen einer Niere konnte sein Leben gerettet werden.
Als der Krieg zu Ende war, hatte das Unternehmen durch die alliierte Bombardierung stark gelitten. Die Flugzeugherstellung war nun nicht mehr möglich und Piaggio konzentrierte sich auf seine erfolgreichen Zweiräder. Im Jahr 1951 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität von Pisa. Im Jahr 1965 erkrankte Enrico Piaggio schwer und starb zehn Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus zu Hause.
Eines der größten Hindernisse für den Wiederaufbau war die schlechte Mobilität der Bevölkerung. Der öffentliche Verkehr lag darnieder, viele Kraftfahrzeuge waren im Krieg geblieben oder reparaturbedürftig zurückgekehrt. Das Fahrrad war das wichtigste Verkehrsmittel dieser Zeit.
So kam Enrico Piaggio auf die Idee, für die Bevölkerung ein Zweirad zu bauen, mit dem man größere Strecken als mit dem Fahrrad bewältigen konnte, das jedoch mehr Komfort bot als ein sportliches Motorrad.
Daraufhin konstruierte der Ingenieur Spolti Renzo zusammen mit seinem Kollegen Vittorio Casini einen Prototypen mit der Bezeichnung MP5 (Moto Piaggio 5) und einem Hubraum von 98 Kubikzentimetern. Doch das Zweirad traf nicht den Geschmack von Enrico Piaggio.
Enrico Piaggio inmitten seiner revolutionären Zweiräder, die die Welt erobern und das Leben von Millionen Menschen ändern sollten. Heute ist die Vespa ein echtes Kultfahrzeug.
Moto Piaggio Paperino MP5
Die Bezeichnung MP5 stand beim ersten Piaggio-Motorroller für Moto Piaggio 5. Dieses vollverkleidete, mit einem breiten Frontschild ausgerüstete Gefährt aus Stahlblech sollte auf das Wesentliche reduziert sein. Dazu gehörten einfache Bedienelemente am Lenker. Der MP5 war mit einem Einzylinder-Zweitakt-Motor von Sachs bestückt, der ein Automatikgetriebe besaß. Breite Trittflächen mit Gummiauflagen links und rechts der Karosserieverkleidung gaben den Füßen sicheren Halt.
■ Moto Piaggio Paperino MP5
Bauzeit: | 1944 |
Motorbauart: | luftgekühlter 1-Zylinder-2-Takt-Sachs-M32-Motor |
Hubraum (cm3): | 98 |
Leistung (PS bei 1/min): | 2,3 bei 3200 |
vmax in (km/h): | 60 |
Rahmen, Federung, Bremsen: | Stahlblech, zwei zusammenschiebbare Rohre mit Federn, Trommelbremsen |
Moto Piaggio MP6
Da Enrico Piaggio vom Entwurf der Paperino nicht viel hielt, begann Ingenieur Casini erneut Prototypen zu bauen und zwischen Biella und Oropa zu erproben. Bald kristallisierte sich heraus, dass der Prototyp ein ganz anderes Aussehen haben würde als sein Vorläufer. Abgerundete Seitenteile, eine breite vordere Spritzschutzwand, die das Verschmutzen der Kleidung während der Fahrt verhindern sollte, ein weit nach hinten verlegter Motor, der einen bequemen Aufstieg zuließ, und kleine Räder, die das Mitführen eines Reserverads ermöglichten, waren die auffälligsten Merkmale des neuen Entwurfs. Der MP6 war so gut gelungen, dass er fast ohne Änderungen in das Serienprogramm übernommen wurde.
■ Moto Piaggio MP6
Bauzeit: | 1944 |
Motorbauart: | luftgekühlter 1-Zylinder-2-Takt-Sachs-Motor |
Hubraum (cm3): | 98 |
Leistung (PS bei 1/min): | 2,3 bei 3200 |
vmax in (km/h): | 60 |
Rahmen, Federung, Bremsen: | Stahlblech, Stahl-Spiralfedern vorn, Gummifederung an der Triebsatzschwinge, Trommel-bremsen |
Daher beauftragte Piaggio keinen Geringeren als Corradino D’Ascanio damit, das Zweirad-Konzept zu überarbeiten und technisch wie optisch zu verbessern. Der war von dem Auftrag nicht gerade begeistert, hatte er in der Vergangenheit doch Flugzeuge und Hubschrauber konstruiert.
Doch statt den MP5 nach den Wünschen Piaggios zu gestalten, entwickelte D’Ascanio ein völlig neuartiges Fahrzeug mit zwei Rädern und entwarf damit die erste Vespa. Dabei half dem Ingenieur sicherlich, dass er sich mit Motorrädern und anderen Zweirädern nicht auskannte.
Die einzigen Vorgaben für den neuartigen Entwurf waren, dass man bequem sitzen konnte, einigermaßen vor Staub und Dreck geschützt war und der Motor so abgedeckt war, dass der Fahrer mit ihm nicht in Berührung kommen konnte. D’Ascanio wollte ein einfaches Zweirad schaffen, frei nach dem Motto von Henry Ford: „Was nicht da ist, kann nicht kaputtgehen.“
Schnelle Entwicklung des ersten Prototyps
Einer der Prototypen und Vorläufer der erfolgreichen Vespa 98 (oben). Der endgültige Entwurf des Motorrollers von Piaggio aus dem Jahr 1945.
Nun erwies sich als Vorteil, dass D’Ascanio Erfahrung mit so komplexen Dingen wie Hubschraubern hatte. Innerhalb kürzester Zeit war das erste Zweirad als Prototyp fertig und auch die Probleme, die so ein neuartiges Fahrzeug mit sich brachte, wurden in kürzester Zeit beseitigt. Zwischen den ersten Entwürfen des neuen Rollers und dem ersten Prototypen hatten lediglich drei Monate gelegen. Im September 1945 stand der erste Roller-Prototyp mit Sachs-Motor zur praktischen Prüfung bereit.
Noch während der Erprobung des Piaggio-Rollers suchte man in Pontedera einen geeigneten Vertriebsweg. Zunächst versuchte man eine bekannte Marke in der florierenden Motorradindustrie zu finden, die bereit war, den ungewöhnlichen Roller in das Verkaufsprogramm aufzunehmen. Doch die Absagen häuften sich, und zum Schluss...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
ISBN-10 | 3-95843-339-1 / 3958433391 |
ISBN-13 | 978-3-95843-339-7 / 9783958433397 |
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