Flugphysik -  Klaus Weltner

Flugphysik (eBook)

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2016 | 1. Auflage
72 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-3298-5 (ISBN)
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Die Frage, wie schwere Flugzeuge der Schwerkraft trotzen und fliegen können, interessiert alle Menschen einmal, vor allem Kinder, Schüler, aber auch Eltern und Lehrer. Leider ist dieses Thema an den Rand des Physikunterrichtes gedrängt und aus vielen Lehrbüchern der Physik verschwunden. Ein Grund dafür dürften die Mängel und Unrichtigkeiten sein, die sich in vielen konventionellen Erklärungen finden, die sich auf das Gesetz von Bernoulli stützen. In diesem Buch finden Lehrer und alle Interessierten einen Weg, das Wunder des Fliegens zu begreifen und die Physik des Fliegens zu verstehen und mit Alltagserfahrungen zu verknüpfen.

5.1 Auftrieb und Antrieb, Hubschrauber und Propeller


5.1.1 Didaktische Gesichtspunkte

Im Zentrum der Physik des Fliegens steht die Frage, wie der Auftrieb erzeugt werden kann, der das Gewicht des Flugzeuges kompensiert. In der Sprache des Schülers geht es um die Überwindung der Schwere. Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, um eine dem Gewicht gleiche und entgegengesetzt gerichtete Kraft zu erzeugen:

– den hydrostatischen Auftrieb (Luftballon, Zeppelin)

– den aerodynamischen Auftrieb (Hubschrauber, Flugzeug)

– die Trägheitskraft (Zentrifugalkraft) bei der Kreisbewegung (Satellit)

Das Schweben des Luftballons ist leichter zu erklären als das Fliegen der Flugzeuge. Die Entstehung des hydrostatischen Auftriebs im Wasser lässt sich experimentell gut untersuchen. Der Satz: „Der Auftrieb ist gleich dem Gewicht der verdrängten Wassermenge“ ist griffig und unmittelbar einleuchtend. Um das Schweben des Luftballons zu verstehen, muss in Gedanken die sichtbare Flüssigkeit durch das nicht sichtbare Gas ersetzt werden. Dies erfordert eine Abstraktionsleistung vom Schüler, sie fällt ihm aber erfahrungsgemäß nicht zu schwer.

Bei der Bewegung des Satelliten ist unmittelbar einsichtig, dass es sich um eine Kreisbahn handelt - mit sehr großem Radius und geringer Krümmung. Dem Schüler sind vom Autofahren her Trägheitskräfte (Zentrifugalkräfte) bekannt. Er erlebt sie beim Kurvenfahren als mitbewegter Beobachter in einem beschleunigten Bezugssystem. Es leuchtet unmittelbar ein, dass nennenswerte Trägheitskräfte, die dem Gewicht des Satelliten entsprechen, sehr hohe Bahngeschwindigkeiten erfordern (Abschnitt 5.7).

Die Erklärung des aerodynamischen Auftriebs ist demgegenüber nicht ganz so einfach. Vom Tragflügel oder dem Hubschrauberrotor wird ursprünglich ruhende Luft nach unten beschleunigt. Dafür üben sie eine nach unten gerichtete Kraft auf die Luft aus. Die Reaktionskräfte der Luft auf Tragflügel oder Hubschrauberrotor sind dann nach oben gerichtet. Die grundlegenden Zusammenhänge lassen sich im Unterricht am durchsichtigsten beim Hubschrauber zeigen. Daher sollte er vor dem Flugzeug behandelt werden.

Der Auftrieb beim Hubschrauber als Rückstoßphänomen

Am Beginn des Unterrichtes steht die Untersuchung von Rückstoßphänomenen. Vorbereitend werden Erfahrungen aus dem täglichen Leben bewusst gemacht und interpretiert sowie neue Versuche durchgeführt. Wer mit einem Gartenschlauch Wasser spritzt, verspürt bei hohem Wasserdruck eine nach hinten wirkende Kraft. Man kann sie auch bei der Handbrause beim Duschen spüren. Feuerwehrleute müssen ihre Spritzen gegen diese Kraft gut festhalten. Springt man aus einem leichten Boot an das Ufer, kann man gut beobachten, dass das Boot eine Kraft in die entgegesetzte Richtung erfährt. Im Klassenzimmer können und sollen die unten beschriebenen Versuche (V 5.1.2 1 bis V 5.1.2 6) durchgeführt werden. Sie lassen sich zusammenfassend deuten:

– Um einen Körper in eine Richtung zu beschleunigen, muss man eine Kraft auf ihn ausüben. Dabei erfährt man selbst eine rückwirkende Kraft, den Rückstoß.

– Die beschleunigende Kraft muss umso größer sein, je größer die zu beschleunigende Masse ist und je größer die Beschleunigung ist.

Es handelt sich um das von Newton formulierte Grundgesetz der Bewegung (Abschnitt 4.5):

Kraft = Masse mal Beschleunigung.

Weiter gilt: Kräfte treten immer paarweise auf, „actio = reactio“.

Wer auf einen Körper eine beschleunigende Kraft ausübt, erfährt selbst eine Reaktionskraft, die in die entgegengesetzte Richtung wirkt. Diese Reaktionskraft wird umgangssprachlich Rückstoß genannt. Auf dem Rückstoß beruhen viele bekannte Antriebsarten: Der Ruderer beschleunigt mit seinem Ruder Wassermassen nach hinten. Das gleiche gilt für das Paddel. Die Reaktionskraft treibt das Boot nach vorn. Auch die Schiffsschraube schleudert Wassermassen nach hinten, ebenso das Wasserrad alter Flussschiffe. Wichtig für das Verständnis des Schülers ist, dass die Rückstoßkraft auch bei der Beschleunigung von Luft demonstriert wird (V 5.1.2 4, V 5.1.2 5). Montiert man ein Gebläse oder einen starken Fön auf ein leicht bewegliches Wägelchen, so kann der Rückstoß gut gezeigt und auch gemessen werden. Wenn diese Versuche durchgeführt sind, ist die Wirkungsweise des Propellers bereits einsichtig: Er beschleunigt Luft nach hinten, der Rückstoß wirkt als Vortrieb. In diesem Zusammenhang muss man auch gelegentlich falschen Vorstellungen entgegentreten, dass die Schiffsschraube oder die Luftschraube sich wie ein Korkenzieher in das umgebende Medium hineinschraube.

Jetzt folgt zwanglos der Übergang zum Hubschrauber. Seine rotierenden Rotorblätter beschleunigen Luft nach unten, der Hubschrauberrotor wirkt wie ein überdimensionierter Propeller. Der Auftrieb ist umso größer

– je mehr Luft pro Sekunde nach unten beschleunigt wird

– je größer die Beschleunigung und damit die Endgeschwindigkeit des Luftstroms ist.

Daraus folgt bereits, dass Rotorblätter einen großen Durchmesser haben müssen, um hinreichend große Luftmassen beschleunigen zu können, damit schließlich der Rückstoß das Hubschraubergewicht kompensieren kann. Die Masse der pro Sekunde beschleunigten Luft hat in der Technik einen eigenen Namen, es ist der Massendurchsatz.

Jetzt kann bereits ein neuer Zusammenhang verständlich gemacht werden: die Abhängigkeit des Auftriebs von der Strömungsgeschwindigkeit. Wir können uns fragen, was sich ändert, wenn man die Strömungsgeschwindigkeit verdoppelt. Unmittelbar folgt, dass sich dann zwei Größen verändern:

– Der Massendurchsatz wird verdoppelt. In der gleichen Zeit wird die doppelte Masse Luft beschleunigt.

– Die Luft wird auf die doppelte Geschwindigkeit beschleunigt.

Hier haben wir zwei Verdoppelungen. Sie wirken zusammen, der Auftrieb wird viermal so groß sein (V 5.1.2 4). Die weitere Fähigkeit des Hubschraubers, sich auch horizontal – und zwar in jeder Richtung – zu bewegen, wird durch leichte Neigung in die gewünschte Richtung erreicht. Dann bekommt die Beschleunigung der Luft und damit die Reaktionskraft zusätzlich eine horizontale Komponente. Beim Abfliegen ist die Vorwärtsneigung des Hubschraubers gelegentlich besonders deutlich zu beobachten.

Quantitative Betrachtung:

Der Zusammenhang lässt sich quantitativ beschreiben. In Kapitel 4 ist der Zusammenhang zwischen Kraft, Masse und Beschleunigung dargestellt. Es handelt sich um das Grundgesetz der Mechanik:

Es wird dabei in der Regel eine konstante Masse betrachtet, die im Zeitintervall Δt infolge der Kraft F ihre Geschwindigkeit um Δv ändert.

In unserem Zusammenhang allerdings wird durch den Rotor ein Luftstrom erzeugt. Pro Zeitintervall Δt wird ein Massenanteil Δm aus dem Zustand der Ruhe auf die Geschwindigkeit vS gebracht. Die Geschwindigkeitsänderung Δv ist hier also konstant und gleich vS. Die Masse m ist hier gleich Δm. Man kann also die obige Gleichung umformen zu

Der Quotient wird als Massendurchsatz bezeichnet. Der Massendurchsatz ergibt sich aus der Dichte der Luft ρ, dem Strahlquerschnitt A und der Strahlgeschwindigkeit vS zu

Setzen wir jetzt den Ausdruck für den Massendurchsatz ein, so erhalten wir für den Auftrieb:

Wenn die Luftmassen nach unten beschleunigt werden, wirkt die Reaktionskraft nach oben.

Der effektive Strahlquerschnitt A ist kleiner als die Rotorfläche. Setzt man die Rotorfläche als Strahlquerschnitt ein, kommt man nur zu Abschätzungen. Diese Abschätzungen sind aber durchaus geeignet, um einen Überblick über die Größenordnungen zu gewinnen. Für einen Hubschrauber der Masse 1.000 kg und einen Rotorradius von 5 m ergibt sich beispielsweise eine Strahlgeschwindigkeit von etwa 12 m/s oder 43 km/h. Die Gleichung gilt auch für ein Gebläse und kann quantitativ in den Versuchen V 5.1.2 4 und V 5.1.2 5 verifiziert werden.

Am Vergleich Propeller und Schiffsschraube wird der Einfluss der Dichte deutlich. Die Reaktionskraft, der Vortrieb, ist (s. oben)

Bei Luft ist ρ = 1,3 kg/m3, bei Wasser ist ρ = 1.000 kg/m3.

Der gleiche Rückstoß kann also bei Wasser mit sehr viel kleinerem Propellerdurchmesser und/oder kleineren Strömungsgeschwindigkeiten erreicht werden. Das ist der Grund dafür, dass Schiffspropeller relativ klein im Vergleich zum Schiff sein können. Das gleiche gilt auch für die Flächen bei einem Tragflächenschiff und die Flächengröße von Wasserskiern. Bereits mit den kleinen Wasserskiern gelingt es, bei Geschwindigkeiten von etwa 30 km/h genügend Wasser nach unten zu beschleunigen, damit der entstehende Rückstoß den...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Bewerbung / Karriere
ISBN-10 3-7412-3298-X / 374123298X
ISBN-13 978-3-7412-3298-5 / 9783741232985
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