Film und Realität in der Weimarer Republik (eBook)

Mit Analysen der Filme »Kuhle Wampe« und »Mutter Krausens Fahrt ins Glück«
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2016 | 1. Auflage
266 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560896-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Film und Realität in der Weimarer Republik -  Helmut Korte,  Reinhold Happel,  Margot Michaelis
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Wie haben die Filmemacher der zwanziger Jahre politisches Engagement ästhetisch zum Ausdruck zu bringen versucht, was für filmische Mittel verwandten sie dazu, welche filmspezifische »Sprache« entstand dabei? Diesen Fragen gehen die Autoren Helmut Korte, Reinhold Happel und Margot Michaelis nach. Dabei setzen sie sich mit der Entwicklung des Films als Mittel nationaler Propaganda auseinander und stellen gleichzeitig die Ansätze zu einer proletarischen Filmproduktion in der Weimarer Republik - die im Gegensatz zum »offiziellen« bürgerlichen Kino stand - dar. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Helmut Korte wurde 1942 geboren. Von 1962 bis 1968 Studium der Kunst- und Werkpädagogik, Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin. Bis 1974 Studienrat in Bremen. Von 1974 bis 1999 Dozent für Kunstpädagogik (Schwerpunkt: Filmtheorie, Filmgeschichte, Medienpädagogik) an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig, ab 2000 Professor für Interdisziplinäre Medienwissenschaft an der Universität Göttingen und Gründungsdirektor des Zentrums für interdisziplinäre Medienwissenschaft. Seit 2007 im Ruhestand.

Helmut Korte wurde 1942 geboren. Von 1962 bis 1968 Studium der Kunst- und Werkpädagogik, Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin. Bis 1974 Studienrat in Bremen. Von 1974 bis 1999 Dozent für Kunstpädagogik (Schwerpunkt: Filmtheorie, Filmgeschichte, Medienpädagogik) an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig, ab 2000 Professor für Interdisziplinäre Medienwissenschaft an der Universität Göttingen und Gründungsdirektor des Zentrums für interdisziplinäre Medienwissenschaft. Seit 2007 im Ruhestand. Reinhold Happel wurde 1952 geboren. Von 1971 bis 1977 Studium der Kunst- und Werkpädagogik in Hannover, Düsseldorf, Braunschweig. Von 1977 bis 1988 Studium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Uni Hamburg, Promotion 1988. Happel war von 1990 bis 1997 Direktor des Kunstverein Braunschweig und unterrichtet seit 1997 am Fachbereich Design an der FH Münster. Margot Michaelis wurde 1952 geboren. Von 1970 bis 1978 Studium der Publizistik, Germanistik, Kunst- und Werkpädagogik in München, Hannover, Braunschweig. 1978 1. Staatsexamen für das Höhere Lehramt an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig, seither verschiedene Lehraufträge. Helmut Korte wurde 1942 geboren. Von 1962 bis 1968 Studium der Kunst- und Werkpädagogik, Philosophie und Kunstgeschichte in Berlin. Bis 1974 Studienrat in Bremen. Von 1974 bis 1999 Dozent für Kunstpädagogik (Schwerpunkt: Filmtheorie, Filmgeschichte, Medienpädagogik) an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig, ab 2000 Professor für Interdisziplinäre Medienwissenschaft an der Universität Göttingen und Gründungsdirektor des Zentrums für interdisziplinäre Medienwissenschaft. Seit 2007 im Ruhestand.

2. Zur Entwicklung der Filmsprache


2.1. Anfänge (1895 bis ca. 1922)


2.1.1.


1895 finden an verschiedenen Orten der Welt erste öffentliche und bezahlte Filmvorführungen vor einem überwiegend zum wohlhabenden Bürgertum gehörigen Publikum statt: z.B. in Paris durch die Brüder Lumière und in Berlin durch die Brüder Skladanowsky. »Mit nur wenigen Ausnahmen … waren fast alle Filme der Brüder Lumière Reportagen. Ihre Autoren inszenierten keine Aufnahmen … In diesen ersten Filmen gab es kein fiktives Moment, keine Nachahmung des Theaters. Es gab keine Schauspieler, kein Szenarium, keine Dekoration – alle diese heute für den Spielfilm unentbehrlichen Elemente fehlten. Das Leben selbst, auf frischer Tat ertappt – das war das Rezept der Brüder Lumière.«[33] Der Charakter und die Funktion der Filme der Brüder Skladanowsky wird aus einem ihrer Anzeigentexte in den Tageszeitungen deutlich: »Ein volles Varieté-Programm in 15 Minuten … Die Lebensgroßen Darstellungen im Bioscop sind die Projektionen eigener Original-Serien-Aufnahmen, sie geben genau das Leben in voller Natürlichkeit vermittelst der Electricität wieder, man glaubt die Wirklichkeit vor sich zu haben, so greifbar plastisch ist die Wirkung des Bioscopes.«[34]

Die Filme haben hier fast ausschließlich noch den Charakter von Belegen für den Fortschritt der Technik und dienen dem versammelten Bürgertum im wesentlichen zur Befriedigung seiner (wissenschaftlichen) Neugier und Sensationslust, obwohl in den Thematiken der Brüder Skladanowsky (Varieté usw.) sich bereits eine weitere Verwendung andeutet. So läßt sich für die Folgezeit feststellen, daß »nach einer kurzen Phase, in der die Bourgeoisie (1895–ca. 1900, H.K.) ein gewisses snobistisches Interesse für das neue Spektakel hegte, … das Kino zum populären Jahrmarktvergnügen degradiert«[35] wird. Hier, in den Buden und Zelten, findet es sein Publikum. »Das Proletariat, dem der Zugang zu den Theatersälen und Konzerthallen verwehrt, dem das Lesen wertvoller Literatur kaum möglich war, suchte im Kino ein Äquivalent.«[36] Das Kino erhält für die Fabrikarbeiter, Handwerker und Bauern die Funktion eines »Kunstersatzes«, »ähnlich den Hintertreppenromanen, die für wenig Geld verkauft wurden, ähnlich den Zirkusvorstellungen, fahrenden Musikanten und den Schmierenstücken, die von Wanderbühnen gespielt wurden«[37]. Während sich die Funktion der ersten Filmstreifen (1895) in dem Verzicht auf fiktive Momente in der Dokumentation der gelungenen Erfindung erschöpft und die Sensation der »bewegten Bilder« durchaus hinreicht, um Interesse zu wecken, wird bereits sehr früh die Möglichkeit entdeckt, damit auch kleine Geschichten zu erzählen. Die ersten, meist komischen oder phantastischen Handlungsabläufe werden neben den Genres »Aktualitäten« und »Sensationen« für die Jahrmarktkinos von den Schaustellern selbst oder von kleinen, sich allerdings rasch entwickelnden Produktionsstätten mit geringem Kostenaufwand produziert.[38] J. Toeplitz stellt für die Inhalte des Jahrmarktkinos fest, daß sie in ihrem ideologischen Charakter durchaus unterschiedlich waren, daß »neben progressiven Filmen … oft konsequent reaktionäre Bildfolgen gezeigt«[39] wurden.

In dieser frühen Phase der Kinematographie ist die mögliche Funktion des Films für oder gegen die Massen noch nicht (sichtbar) entschieden. Prokop hebt bezogen auf den amerikanischen Film dieser Zeit hervor: »Es ist von Bedeutung, daß die Anbieter, finanziell unabhängig und bei niedrigen Kosten nur auf eine schmale Amortisationsbasis angewiesen, für begrenzte Gruppen von Nachfragern produzierten. Diese Bedingung läßt die Entwicklung einer Vielfalt von Filmgenres, formalen Gestaltungen und inhaltlichen wie formalen Experimenten zu.«[40]

2.1.2.


Genügt anfangs die bloße Wiedergabe von Bewegungen als Publikumsanreiz, so werden im Zuge der steigenden Nachfrage nach längeren Filmstreifen, mehr Unterhaltung[41] und Weiterentwicklung der Filmtechnik längere Spielhandlungen mit (mehr) Dekor und Ausstattung erforderlich. Diese Entwicklung hat zwei Konsequenzen:

1. wird damit auch ein rasch zunehmender höherer finanzieller Aufwand in der Produktion der Filme notwendig und

2. müssen Formen gefunden werden, den längeren Handlungsablauf zu untergliedern, ihn verständlich und attraktiv zu machen.

Zu 1: Die schon aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit notwendigen steigenden Produktionskosten können häufig von den kleinen und finanzschwachen Produktionsstätten, in denen meistens noch Produzent, Autor und Regisseur in Personalunion auftreten, nicht mehr ohne fremdes Kapital aufgebracht werden. In dem Maße, in dem »branchenfremde« Kapitalgeber die unerschlossenen Verwertungsmöglichkeiten erkennen, entwickeln sich sehr schnell größere Filmunternehmen, die durch Standardisierung ihrer Produkte auf den »Publikumsgeschmack« spekulieren, um maximalen Massenabsatz und damit größtmögliche Profite zu erzielen. So beliefern z.B. ab 1902 die führenden französischen Firmen Pathé, Gaumont und Eclair den gesamten europäischen Markt mit ihren Filmen. Bereits in dieser frühen Phase ist ein scharfer Konkurrenzkampf auf nationaler und internationaler Ebene (z.B. mit der englischen Produktion um 1900) festzustellen, der sich mit dem beschleunigten Konzentrationsprozeß noch erheblich verschärft.[42]

In der zwischen 1902 und 1908 zunehmenden Verlagerung des Ortes der Filmvorführungen von den Wanderkinos in feste Filmtheater[43] macht sich bereits eine Stabilisierung der Nachfrage und ansatzweise eine Verbreiterung der Publikumsstruktur bemerkbar. Im Zusammenhang damit entwickelt sich auch eine verstärkte Arbeitsteilung in die »klassischen« Ressorts Produktion, Verleih und Theater. Bis zum Ende des 1. Weltkriegs konkurrieren auf dem internationalen Markt vor allem französische, italienische und dänische Produktionen miteinander, bis nach einer relativ kurzen Blütezeit des deutschen Films (Anfang der 20er Jahre) die amerikanischen Konzerne (Hollywood) sich auch auf dem europäischen Markt durchsetzen und ihre Vorherrschaft in den folgenden Jahren weiter ausbauen können.

 

Zu 2: »Die ersten Filme enthielten eine Menge von Mitteilungen, aber es waren noch keine Mitteilungen in Filmsprache.«[44] Träger der Inhalte waren vorwiegend die vom Theater übernommenen Formen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung und -bewegung, Kostüme, Dekor etc., die in einer einzigen, starren Einstellung (Totale) aufgenommen wurden. »Durch Übergestikulation und Übermimik versuchte man, das, was auf der Bühne hörbar war, auf der Leinwand sichtbar zu machen. Man gestikulierte und mimte in übertriebener Weise, um dem Zuschauer die Zusammenhänge auch ohne Worte verständlich zu machen … Zunächst versuchte man, dem Mangel an Verständlichkeit dadurch abzuhelfen, daß man die Bilder durch Titel unterbrach, die sich manchmal zur Länge kleiner Bücher auswuchsen und dann eine lebhafte Opposition beim Publikum hervorriefen, das nicht ins Kino gekommen war, um zu lesen. In der Pantomime fand der Filmdarsteller ergänzende Vorbilder … Man spielte taubstumm, weil das Wort fehlte, mit dem man sich sonst zu verständigen gewohnt war.«[45] Es handelte sich also noch um eine »Wortgebärden- oder Dingsprache« (Peters), wobei der Theaterdialog durch Zwischentitel ersetzt und die Rezeption während der Vorführung durch »Filmerklärer« verbal und musikalisch unterstützt wurden. Daneben unternahm man jedoch schon erste Versuche, den Film von der Theaterkonvention zu befreien:

So experimentierten die Engländer G.A. Smith und J. Williamson (»Schule von Brighton«) bereits um 1900 mit dem Wechsel von verschiedenen Einstellungsgrößen wie Totale und Nahaufnahme (Smith) und der Kombination von verschiedenen Handlungsorten (Williamson).[46]

Der Amerikaner E.S. Porter entwickelte diese Ansätze in seinen beiden großen Filmen (Das Leben eines Amerikanischen Feuerwehrmannes, 1902 und Der große Eisenbahnraub, 1903) schöpferisch weiter.[47] In dem Welterfolg Cabiria (1914), einem italienischen historischen Ausstattungsfilm, taucht erstmals auch die Kamerafahrt auf. »Im Vergleich zu den Zeiten des Jahrmarktkinos vervollkommnete sich die Form des Films beträchtlich. Schon vor 1914 bildet sich der spezifische Charakter des Films heraus, mit völlig eigenen Merkmalen, die nicht mehr an ein Surrogat des Theaters erinnern …«[48] Diese schrittweise Ablösung von den Theaterkonventionen – die bezogen auf die gesamte Produktion allerdings nur in wenigen Fällen erfolgte –, die Entdeckung und Erprobung der Elemente einer filmischen Sprache, entwickelte sich häufig aus den spielerischen Experimenten Einzelner, hatte aber in der kommerziellen Nutzung die Funktion, den Unterhaltungswert der Filme, ihre Attraktivität zu erhöhen, um dem eigenen Produkt größere Marktchancen zu geben, also den Konkurrenten zu überflügeln. Keinesfalls ging...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Arbeiterbewegung • Berlin • Deutschland • Filmindustrie • Filmproduktion • Filmsprache • Filmvorführung • Jeanne Ney • Kinematograph • KPD • Kuhle Wampe • Ludwig Klitzsch • Max Reinhardt • Montage • Parteitag • Rudolf Pabst • Sachbuch • SPD • Ufa • Volksvergnügen
ISBN-10 3-10-560896-6 / 3105608966
ISBN-13 978-3-10-560896-8 / 9783105608968
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