Ein loderndes Feuer (eBook)

Frauen, Männer und das Wagnis der Intimität

(Autor)

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2007 | 1. Auflage
176 Seiten
Francke-Buch (Verlag)
978-3-86827-862-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein loderndes Feuer -  Jörg Berger
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Das sexuelle Getöse in unseren Medien weckt Aufmerksamkeit, lässt aber die wesentlichen Fragen unbeantwortet: Welche Sehnsüchte verbergen sich hinter unseren sexuellen Wünschen und wie stillen wir sie? Wie finden wir Kontakt zu unseren sexuellen Kräften, ohne die Kontrolle über sie zu verlieren? Wie entfachen wir eine Paarbeziehung, deren Erotik auch mit den Jahren nicht erlischt? Das Buch lädt den Leser auf eine Entdeckungsreise ein. Es führt ihn an den Abgründen der Sexualität vorbei, begleitet ihn durch die Niederungen des weiblichen und männlichen Alltags und zeigt ihm den Gipfel einer sexuell erfüllenden Partnerschaft, den Lebensraum, in dem die sexuelle Energie dem persönlichen und geistlichen Wachstum dienen kann.

Jörg Berger, Jahrgang 1970, ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut. Er lebt mit seiner Familie in Heidelberg und ist dort in eigener Praxis tätig.

Jörg Berger, Jahrgang 1970, ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut. Er lebt mit seiner Familie in Heidelberg und ist dort in eigener Praxis tätig.

1. Der Konflikt: Sexualität entfesseln oder zügeln?

Tomas presst sein Gesicht an die Wange der Frau, die er kaum kennt. Ihr fiebriger Atem wird schneller und Tomas atmet den herben Geruch ein, als wolle er die Intimität ihres ganzen Körpers aufnehmen. Er empfindet eine unerklärliche Liebe für dieses Mädchen; sie kommt ihm vor wie ein Kind, das jemand in ein pechbestrichenes Körbchen gelegt und auf dem Fluss ausgesetzt hat, damit er es am Ufer seines Bettes birgt1.

Tomas hat sein Leben konsequent auf seine sexuelle Entfaltung ausgerichtet. Er genießt seinen Erfolg bei Frauen. Er genießt den aufregenden Unterschied zwischen seiner Vorstellung von einem weiblichen Körper und der Wirklichkeit, die sich nach der Eroberung zeigt. Er genießt es, das Geheimnis einer Frau zu enthüllen, welche Blicke, Gesten und Worte ihr der Sex entlockt. Vor emotionaler Bindung schützt sich Tomas durch eine Dreierregel. Er schläft entweder nur dreimal oder höchstens alle drei Wochen mit der gleichen Frau.

Nun drängt sich Teresa in sein Leben: schön, hilflos, durch ihren Job als Kellnerin an ein ödes Provinzdorf gefesselt. Teresa sehnt sich nach dem Schutz und der Würde, die ihr ein gebildeter Mann schenken kann. Tomas verliebt sich.

Das ist der Ausgangspunkt von Milan Kunderas Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“, der seine Hauptfiguren in ein Dilemma führt. Das männliche Dilemma ist offensichtlich. Wählt Tomas die tiefe, dauerhafte Bindung an Teresa oder seine sexuelle Freiheit? Oder sucht er nach einem Kompromiss zwischen beidem? Das weibliche Dilemma liegt verborgener und erschließt sich erst im Laufe des Romans. In ihren erotischen Fantasien findet Teresa in den Armen eines kultivierten Mannes Schutz und endlich die Chance, sich persönlich zu entfalten. Soll sie versuchen, ihre erotische Fantasie mit Tomas zu verwirklichen? Tomas müsste dazu nicht nur auf seine sexuellen Abenteuer verzichten, sondern einen Teil seines Wesens aufgeben. Er ist zwar taktvoll und gebildet, aber nicht der väterliche Gentleman aus Teresas Fantasien. Soll Teresa ihn einfach so lieben wie er ist? Und darf sie in diesem Fall außerhalb der Beziehung suchen, was Tomas ihr nicht geben kann?

Der sexuelle Grundkonflikt

Wie viel Bindung braucht die Sexualität? Müssen ihr Zügel angelegt werden, oder darf sie ihren Trieben folgen? Keine Frau, kein Mann kommt an diesem Grundkonflikt vorbei. Und doch stellt sich Frauen und Männern dieser Konflikt auf unterschiedliche Weise. Männliche Sexualität ist bescheiden. Sie zielt auf den Körper, aus dem das Wesen der Frau heraustritt – seien es ihre wirklichen Wesenszüge oder die Wunschvorstellungen, die der Mann in den begehrten Körper hineinlegt. In wenigen Stunden von Erotik und Rausch können sich männliche sexuelle Fantasien verwirklichen.

Weibliche Sexualität dagegen will den ganzen Mann, sein Leben. Sie erfüllt sich, wenn in der Vereinigung mit dem Mann ein bergender, aufregender und zukunftsschwangerer Lebensraum entsteht. Auch weibliche Flirts und Seitensprünge, die nicht auf ein ganzes Leben abzielen, suchen diese Erfahrung. Würde der Mann sein Leben hingeben und hat er die Potenz, mein Leben im Sinne meiner Sehnsüchte zu verwandeln? Eine entfesselte männliche Sexualität missbraucht und verletzt Frauen. Das führt Männer in einen Konflikt. Die entfesselte weibliche Sexualität verschlingt den Mann. Sie bringt ihn vom Kurs seines Lebens ab und lenkt ihn auf die Bahn der weiblichen erotischen Sehnsüchte. Insofern stehen auch Frauen in dem Konflikt, inwieweit sie ihre sexuellen Wünsche ausleben oder begrenzen.

Die wohl bekannteste sexuelle Entgleisung veranschaulicht den Konflikt. Als Monika Lewinski im Präsidentenbüro ihre sexuelle Zugänglichkeit signalisierte, stand Bill Clinton vor einer Wahl. Schützt er seine Ehe und gleichzeitig die ihm anvertraute Praktikantin, oder gibt er sich einer neuen sexuellen Möglichkeit hin? Wir wissen nicht, welche sexuelle Fantasie Bill Clinton verführt hat. Er hätte aber sicher nicht mit einem derart hohen Einsatz gespielt, wenn sie nicht die tiefsten Schichten seiner Persönlichkeit angerührt hätte. Für das männliche Erleben ist die sexuelle Situation nach ein paar Minuten im Oval Office beendet, nicht aber für das weibliche. Das erregende Moment bestand für Monika Lewinski sicher nicht darin, mit einer bewunderten, letztlich aber fremden Autorität oralen Sex zu haben. Die Erregung entzündete sich vermutlich an der Hingabe, die Bill Clinton zu zeigen scheint. Er setzt sein ganzes Leben aufs Spiel, seine Familie, seine Karriere, den Ruf der Nation. Hätte Monika Lewinski das Erlebnis für sich behalten, wäre sie nur ein Opfer männlicher Sexualität gewesen. Erst mit der Veröffentlichung löste sie das erotische Pfand ein, das ihr Bill Clinton beim Sex in die Hand gelegt hat. Aus der Perspektive von Monika Lewinski sah der Konflikt anders aus. Verführe ich einen Mann zu einer ungeheuerlichen Auslieferung seines Lebens, oder schütze ich mich und ihn vor einer missbräuchlichen Situation?

Wie lösen Menschen in unserer Gesellschaft das Dilemma, das in der Unvereinbarkeit von sexueller Freiheit und einer dauerhaften Bindung liegt? Aktuelle Statistiken und Befunde der Sexualforschung geben hier einen Einblick. Es finden sich vier unterschiedliche Versuche, das sexuelle Dilemma zu lösen: sexuelle Freizügigkeit, die Auslagerung von Sexualität, Partnerwechsel und das Begraben von Sexualität.

Wie forscht man über Sexualität?

Das Beispiel einer methodisch sorgfältigen Studie zeigt, wie sich Forscher dem sensiblen Gebiet der Sexualität nähern.

Gunther Schmidt leitet die Abteilung für Sexualforschung, die zur Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Hamburg gehört. Der Professor erarbeitete einen Leitfaden, der die wesentlichen Aspekte heutiger Sexualität erfasst. Dazu besprach er sich mit bekannten Fachkollegen, wie Ulrich Clement und Margret Rauch, auf deren Erkenntnisse ich in den späteren Kapiteln zurückgreifen werde. Mithilfe des Leitfadens sollen über 700 Personen über ihre Sexualität befragt werden. Psychologie- und Soziologiestudenten werden beauftragt, die Interviews durchzuführen. Für sie stellt das Projekt einen willkommenen Zuverdienst neben dem Studium dar. Die Kosten werden durch Fördergelder der Deutschen Forschungsgemeinschaft gedeckt. Nachdem der Projektentwurf die Ethikkommission der Universität passiert hat und Datenschutzvereinbarungen mit Behörden getroffen worden sind, geben die Einwohnermeldeämter von Hamburg und Leipzig wichtige Daten frei. So können nach Zufallsprinzip Personen aus drei unterschiedlichen Jahrgängen (1942, 1957, 1972) ausgewählt werden, die teilweise in ländlichen, teilweise in städtischen Gebieten leben. Die Personen werden zunächst angeschrieben und dann telefonisch nach ihrer Bereitschaft für ein Interview gefragt. Etwa 30 Prozent stimmen einer persönlichen Befragung zu. Damit ist der Weg frei für neue, zuverlässige Erkenntnisse über die heutige Sexualität. Im Jahr 2002 schwärmen 18 Studentinnen und Studenten aus, um insgesamt 776 Frauen und Männer in mehrstündigen Interviews zu befragen. Alle bisherigen sexuellen Erfahrungen und Partnerschaften kommen zur Sprache, auch die heutige partnerschaftliche Lebensform und Einstellung zur Sexualität. Viele dieser Erkenntnisse werden Ihnen in den unterschiedlichen Kapiteln begegnen.

Sexuelle Freizügigkeit

Die konsequente sexuelle Freizügigkeit beruht auf einer Entscheidung. Die emotionale Bindung darf nur so tief werden, dass sie die sexuelle Entfaltung nicht verhindert. Junge Menschen in den 68er-Jahren haben mit diesem Modell experimentiert. Wenn eine Partnerschaft entsteht, gilt die Vereinbarung: „Unser Zusammensein schließt andere sexuelle Erfahrungen nicht aus.“

Eine so konsequente sexuelle Freizügigkeit ist heute eine Randerscheinung. Das zeigt zum Beispiel eine Studie des medizinischen Internetservice www.gyn.de2, an der über 113.000 Personen teilnahmen. Nur 6% der Teilnehmer gaben an, neben ihrer Partnerschaft noch eine weitere sexuelle Beziehung zu haben. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass solche Seitenbeziehungen in der Regel verheimlicht werden und damit nicht auf einer Vereinbarung beruhen.3 Offen freizügig verhielten sich nur die 2%, die eine sexuelle 3er- oder 4er-Beziehung als Lebensform angaben. Auch Singles sind heute zurückhaltend. In einer Studie des Hamburger Sexualforschers Gunter Schmidt hatten nur 4% der Singles innerhalb eines Jahres mehr als vier Sexualpartner.4

Sexuelle Freizügigkeit hat ihren Reiz verloren. Vielleicht weil sie im Gegensatz zu den 68er-Jahren kaum jemanden mehr empört. Sie hat ihre politische und gesellschaftskritische Wirkung verloren. Außerdem scheint das menschliche Bedürfnis nach einer tiefen emotionalen Bindung so mächtig zu sein, dass es nicht auf Dauer unterdrückt werden kann. Von den Personen, die in der Studie von Gunther Schmidt befragt wurden, wollen 83% mit ihrem Partner ein Leben lang zusammenbleiben, 92% wünschen sich sexuelle Treue.

Andererseits bleibt in der Partnerschaft manch sexueller Wunsch unerfüllt: Ein Psychologe der Universität Göttingen befragte 2330 Paare über Wunsch und Wirklichkeit ihrer sexuellen Beziehung. Frauen sahen ihre sexuellen Wünsche im Durchschnitt zu 44% erfüllt, Männer zu 35%. 5 Es bleibt ein erheblicher Rest an ungelebter Sexualität! Wenn aber die emotionale Bindung an den einen Partner so hoch bewertet wird, wohin dann mit den unerfüllten Wünschen? Die drei folgenden Lösungsversuche zeigen, was mit dem ungelebten Rest an...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2007
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Schlagworte Alltag • Ehe • Paarbeziehung • Partnerschaft • Ratgeber • Ratgeber, Sexualität, Partnerschaft, Ehe • Sehnsüchte • Sexualität
ISBN-10 3-86827-862-1 / 3868278621
ISBN-13 978-3-86827-862-0 / 9783868278620
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