Der letzte Whisky (eBook)

Ein kulinarischer Krimi
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
368 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96742-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der letzte Whisky -  Carsten Sebastian Henn
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Nach dem Fund einer Moorleiche mutmaßt man auf der kleinen schottischen Insel Islay, dass sie wohl schon Jahrhunderte dort gelegen haben wird. Doch dann wird ein Handy bei ihr entdeckt. Der Tote ist Hamish Macallan, Eigentümer der besten Whiskybar Edinburghs, und war seit sechs Wochen nicht mehr gesehen worden - nichts Ungewöhnliches für den Mann mit einer Leidenschaft für das einsame Lachsfischen. Professor Dr. Dr. Adalbert Bietigheim, seines Zeichens einziger Inhaber eines Lehrstuhls für Kulinaristik in Deutschland, wird von dem Manager einer Whiskydestillerie, auf dessen Land der Tote gefunden wurde, zu Hilfe gerufen, um den Mord aufzuklären. Doch über Islay liegt ein dichter Nebel des Schweigens, und die Bewohner der kleinen Dörfer misstrauen dem Deutschen mit der perfekt sitzenden Seidenfliege ...

Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, ist neben seiner Tätigkeit als Autor auch als Weinjournalist und Restaurantkritiker tätig. Viele erfolgreiche kulinarische Kriminalromane stammen aus seiner Feder, aber auch Liebeskomödien, Theaterstücke und ein Bilderbuch. Sein Roman »Der Buchspazierer« stand über zwei Jahre auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, wurde allein in Deutschland über eine halbe Millionen Mal verkauft, in mehr als 30 Sprachen übersetzt und mit Christoph Maria Herbst in der Titelrolle verfilmt. Auch seine nächsten Romane »Der Geschichtenbäcker« und »Die Butterbrotbriefe« waren große Bestseller-Erfolge. Für seine literarischen Werke erhielt er mehrere Auszeichnungen.

KAPITEL 1

Der Anteil der Engel

Mit Benno von Saber an der Leine stand Professor Adalbert Bietigheim auf der Mill’s Mount Battery im nördlichen Teil des Edinburgh Castle, nahe der berühmten Kanone. Und zwar genau in dem Moment, als sie schoss und das dumpf knallende Geräusch wie eine mächtige Welle über die Stadt bis zur Meerenge Firth of Forth raste. Der District Gunner des 105th Regiment Royal Artillery hatte die L118 Light Gun, wie jeden Tag, exakt um ein Uhr abgeschossen, deswegen auch ihr Name: One o’clock Gun. Erstmals in der Geschichte des Regiments war der Gunner eine junge Frau, die nun zackig salutierte. Adalberts treuer, aber leider aus tiefster Überzeugung ungehorsamer Foxterrier bellte anerkennend. Zwar war dieser schottische Brauch völlig unnütz geworden, denn die Seefahrer der nahen Bucht hatten heutzutage exakt gehende Uhren und brauchten keinen Kanonenschuss mehr, um diese einzustellen, aber der schönen Tradition wegen schoss man weiterhin von Montag bis Samstag sowie an Neujahr in den Himmel über Edinburgh. Adalbert trat an die steinernen Zinnen und blickte hinab auf die winterliche Stadt, welche sich zu den Füßen des Castle in edlem Grau und Braun ergoss, als gehöre sie nicht zum 21. Jahrhundert. Edinburgh war zeitlos wie ein edler Frack.

Adalbert hatte sich in Tweed gewandet, maßgeschneidert, von der Londoner Savile Row selbstverständlich. Blau und Weiß dominierten im feinen Stoff, entsprechend den Farben der schottischen Nationalflagge. Benno von Saber trug ein passendes Hundehalsband, von einem Rollkragenpullover hatte Adalbert abgesehen, obwohl dieser ausgesprochen schmuck an seinem vierbeinigen Freund ausgesehen hatte. Benno konnte einfach alles tragen.

»Meine Damen, meine Herren, ich darf Sie nun in den Crown Room bitten, zu den Honours of Scotland: der Krone, dem Zepter und dem Schwert.«

In angenehmer Erwartung folgte die kleine Gruppe Edward Macallan, der dieses Treffen heute, am 25.Januar, organisiert hatte. Den Highland-Chocolatier aus Pitlochry hatte Bietigheim bei der Weltmeisterschaft der Schokoladenkünstler in Brügge kennengelernt – unter sehr unerfreulichen und blutigen Umständen. Der jungenhafte und stets leger gekleidete Macallan galt als Jamie Oliver der Chocolatiers. Trotz der kühlen Winterluft lief er nur mit einer Caprihose in Tarnfarben und einem Sex-Pistols-T-Shirt herum. An seiner rechten Wade prangte das Tattoo eines Messers, das in einer blutenden Wunde steckte. In Adalberts Augen war er ein völliger Spinner, aber mit dem braunen Gold der Kakaobohne konnte er fraglos umgehen. Und das war eindeutig wichtiger als geistige Gesundheit.

Den Nachmittag verbrachte die Gruppe mit einem Besuchsprogramm des Castle und seiner Museen, das Adalbert bereicherte, indem er den jeweiligen Führer unterbrach, um Wichtiges zu ergänzen oder richtigzustellen. Es war beileibe keine angenehme Aufgabe, aber irgendwer musste sie schließlich übernehmen. Adalbert war sich des Danks der Anwesenden sicher, auch wenn sie diesen in ihrer zurückhaltenden schottischen Art natürlich nicht zeigten. In den zahlreichen Ausstellungssälen ging es seiner Meinung nach, und das hatte er mehrfach zum Ausdruck gebracht, viel zu sehr um Militärgeschichte. Das Edinburgh Castle war unzählige Male erobert und zurückerobert, belagert, zerstört und neu aufgebaut worden. Engländer und Schotten hatten sich die Klinke in die Hand gegeben. Die wichtigste Frage wurde dabei geflissentlich übergangen: Was hatten sie beim Klinkenwechseln gegessen?

Vor dem feierlichen Abendessen zogen sich alle in ihre Hotelsuiten zurück. Adalbert kleidete sich um und dachte darüber nach, wo er die entsprechenden historischen Rezepte auftreiben könnte. Ein echtes Belagerungsmenü wäre dem Ort angemessen. Gleichzeitig kamen ihm Ideen für drei wissenschaftliche Schriften, die er gleich nach seiner Rückkehr an die Hamburger Universität angehen wollte. Akribisch notierte er alles in sein ledernes Notizbuch.

Dann war es so weit. Der eigentliche Höhepunkt, der wirkliche Knalleffekt des Tages. Etwas, gegen das der Schuss der L118 Light Gun nur ein kleiner Böller sein würde.

Das Burns Supper.

Mit dem Ehrengast vom Kontinent: Professor Dr. Dr. Dr. h.c. Adalbert Bietigheim, Deutschlands einzigem Inhaber eines Lehrstuhls für Kulinaristik und Verfasser der bahnbrechenden Schrift »Von der Poesie des Haggis – Wie gefüllter Schafsmagen die Schotten zu Dichtern werden ließ. Mit einem interkulturellen Vergleich hinsichtlich der Krone der deutschen Speisekunst: dem Pfälzer Saumagen.« Diese hatte für viele in Ehrfurcht emporgezogene Augenbrauen gesorgt. Selbst der Altkanzler, der seinerzeit die Saumagen-Diplomatie in Deidesheim begründete, hatte ihm ein Dankesschreiben zukommen lassen. Es hing gerahmt neben den unzähligen anderen in seinem Hamburger Universitätsbüro. Die Runde heute Abend konnte sich wirklich glücklich schätzen, dass er zugesagt hatte.

Das Burns Supper fand ebenfalls im Edinburgh Castle statt. Dort hatte Edward Macallan die noble Gatehouse Suite für das Festessen gemietet. Sie befand sich im Eingangsbereich der großen, mächtigen Anlage, die mit ihren dicken Mauern wirkte, als könne sie Jahrtausende überdauern. Der Raum aus dem 19. Jahrhundert besaß holzgetäfelte Wände, einen imposanten Kamin, mit schwarzem Leder bezogene Stühle, goldene Kronleuchter, und in der Mitte stand eine festlich gedeckte Tafel. Ein Raum, fand Adalbert, in dem man den Drang verspürte, sich eine Pfeife anzustecken. Was er deshalb auch umgehend tat. Wen Schottland nicht zum Pfeiferauchen inspirierte, dessen Seele war ohne Frage verloren.

Genüsslich schmauchend trat er auf die Terrasse, die exklusiv zur Gatehouse Suite gehörte, und wo nun der erste Drink des Abends eingenommen wurde. Selbstverständlich ein Whisky, für den besonderen Anlass hatte Macallan einen »Robert Burns« der Arran Distillery ausgewählt, ein Porträt des schottischen Nationaldichters schmückte die Flasche. Der Whisky war im jungen Alter abgefüllt worden, um an den frühen Tod von Burns zu erinnern, der von 1759 bis 1796 lebte und somit gerade einmal 37 Jahre alt geworden war. Der Manager der Distillery war anwesend und beschrieb das blumig-obstige Bukett mit viel Vanille und Gerste, am Gaumen sei er angenehm mild und weich, malzig mit einem Hauch von Gebäck und sogar etwas zitronig, nicht außergewöhnlich lang, doch angenehm. Kein Raubtier, kein Biest, wie die Whiskys der Hebrideninsel Islay, sondern eher ein schmusiges Kätzchen. Lächelnd prostete er dem exklusiven Kreis zu.

Rund zwanzig Personen waren anwesend, allesamt Berühmtheiten der schottischen Kulinarik: Köche, Fischer, Metzger, Bäcker, Distillery Manager, sogar ein Rinderzüchter sowie ein Cocktailmixer. Heute würde der Professor mit ihnen zusammen den Geburtstag des großen Dichters begehen. In Schottland feierte man stets die Geburtstage der großen Vorfahren – in Deutschland die Todestage. Das sagte mehr über die deutsche Mentalität aus, als es Adalbert lieb war.

Plötzlich ertönte ein Geräusch, das an ein untergehendes Schiff erinnerte, auf dem letztmalig das Horn erklang, oder an einen Eisenträger, der unter einer gewaltigen Last zusammenbrach, vielleicht auch ein wenig an Hochlandrinder in der Brunft. Ein Dudelsackspieler erschien in voller Montur, mit Kilt, dem schottischen Wickelrock in Clan-Tartan-Muster, daran eine silberne Nadel in Form einer Distel und – da der Kilt keine Taschen hatte – direkt unter der Gürtelschnalle ein Sporran mit Fuchsfellbesatz vor dem Gemächt. An den Füßen die Ghillie Brogues genannten Schnürschuhe ohne Zunge, ja, er trug sogar ein Sgian dubh, das traditionelle schottische Messer, im rechten Strumpf.

Was er unter dem Kilt trug, blieb sein Geheimnis.

Er führte die Gruppe zurück ins Innere, und man versammelte sich um den Tisch, wo Edward Macallan Burns Gedicht »Selkirk Grace« in schottischer Sprache vortrug – bei ihm klang es wie ein Rapsong. Adalbert saß zwischen ihm und einer charmanten jungen Pâtissière von der Isle of Skye, die zu einer gepflegten Konversation fähig war, obwohl es Adalbert nicht entging, dass sie eigentlich nur Augen für den Gastgeber hatte. Zu seinen Füßen lag derweil Benno von Saber, ausgesprochen ruhig, was an der ausgiebigen Fütterung im Hotel liegen mochte. Es hatte dem Stopfen einer Gans geglichen.

Dann begann das Abendmahl. Als Vorspeise gab es stets eine Suppe, in diesem Fall den Klassiker Cullen Skink, die aus geräuchertem Haddock, also Schellfisch, Zwiebeln, Milch, Kartoffeln, Butter, Salz und Pfeffer bestand und die nach Adalberts Meinung nur in einem Land als Delikatesse gelten konnte, in dem nicht viel mehr als Moos und Flechten wuchs. Doch die Suppe war nur der Aufgalopp. Direkt nachdem die tiefen Teller abgeräumt waren, folgte der Höhepunkt des Abends: die Rezitation von Burns »Address to a Haggis« und das Auftischen ebendieses. Eine Aufgabe, die heute dem Gast aus Deutschland zufiel, der sich darauf schon sehr freute. Denn die Ehre, das Messer in den Haggis zu stecken, glich der in den USA, beim Erntedankfest den Truthahn tranchieren zu dürfen.

Adalbert nahm am Ende der Tafel Aufstellung, putzte seine Brille pedantisch und räusperte sich. Dann klopfte er dreimal auf das Rednerpult und gab damit das Signal.

Die Tür öffnete sich, und der Koch trug den Haggis herein, hinter ihm der Dudelsackspieler, welcher, kulinarisch im weitesten Sinne passend, »Brose & Butter« spielte. Mit dieser Melodie wurden die Scots Guards nämlich traditionell zum Essen gerufen.

Die Prozession endete bei Adalbert, vor dem...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2014
Reihe/Serie Professor-Bietigheim-Krimis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Sachbuch/Ratgeber Essen / Trinken
Schlagworte Bietigheim • Buch • eBook • Edinburgh • humorvoller Krimi • humorvolle Spannung • Insel Islay • Krimireihe • Kulinarischer Krimi • Mord • Schottland • Urlaub • Urlaubslektüre • Whiskey • Whisky • Whisky-Krimi
ISBN-10 3-492-96742-6 / 3492967426
ISBN-13 978-3-492-96742-6 / 9783492967426
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