der Todseher - Carolyn Fernengel

der Todseher

Buch | Softcover
180 Seiten
2013 | 2., Aug. 2014
tife-verlag
978-3-944075-07-5 (ISBN)
7,90 inkl. MwSt
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Ein kurzweiliger Roman über die Gier nach dem schnellen Geld. Manchmal kommt alles ganz anders, als man denkt. Wäre dieses Buch ein Film, wäre es eine Komödie!

[…] Es war dunkel um mich herum und es herrschte absolute Stille. Ich wusste nicht, wo ich war und warum alles so war, wie es war. Tot war ich definitiv nicht. Das war aber auch alles, was ich in diesem Moment sicher wusste. Die Stille ebbte ab und ich hörte Vogelgezwitscher. Ich bemerkte einen stechenden Schmerz in der Gegend meines Brustkorbs. Langsam fühlte ich mich. Mein Körper schien wie beim Auftauen von rohem Fleisch sein Blut wieder überall zu verteilen. Ich spürte meine Arme, meine Beine und den Schmerz. Ich war nun bei vollem Bewusstsein. Es hatte einen Autounfall gegeben. Ich erinnerte mich wieder. *** Zwanzig Tage vorher. Mein elektronischer Terminkalender erinnerte mich an das Treffen mit meinem künftigen neuen Mandanten, dem Bestattungshaus Coffin. Herr Frederik Coffin, der Inhaber, hatte mich eine Woche zuvor angerufen und wollte mich als seinen neuen Steuerberater verpflichten. Es war sehr wichtig und eilig für ihn, weil sich das Finanzamt mit einer Betriebsprüfung bei ihm angemeldet hatte. Die Prüfung an sich schien nicht das Problem zu sein. Sondern, dass er Geld im Tresor liegen hatte, dessen Herkunft er dem Finanzamt lieber verschweigen wollte. Neugierig auf diesen neuen Mandanten ließ ich mich auf das Treffen ein und machte mich rechtzeitig auf den Weg von Köln in Richtung Eifel. Auf dem großen Parkplatz vor dem Bestattungshaus quetschte ich mein Auto zwischen die beiden Leichenwagen. Sonst waren alle Plätze belegt. Bei dem scheint das Geschäft ja gut zu laufen, so wie hier alles voller Autos steht, ging mir durch den Kopf, als ich die Eingangshalle betrat. Am Empfangstresen wurde ich von einer Mit- arbeiterin aufgehalten. Ich sollte noch einen Augenblick warten. [...] Dann kam ein junger Mann auf mich zu. Er streckte mir die Hand entgegen und ich konnte mich nicht vor dieser Höflichkeitsgeste drücken. Offensichtlich erkältet war ich nicht. Mir lief auch nicht die Nase und ich hatte keinen schlimmen Husten. Also musste ich ihm wohl oder übel die Hand geben. „Guten Tag. Herr Coffin möchte, dass ich Sie in sein Büro begleite.“ meinte er freundlich und schob mich vor sich her in Richtung eines langen Flures [...]. Dann drängelte er sich doch noch an mir vorbei und öffnete die zweite Türe auf der rechten Seite.[...] Diesen Herrn Coffin hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Sie kennen das sicherlich. Von der Stimme am Telefon hat man einen Eindruck und bastelt sich dann automatisch ein Gesicht und eine Statur dazu. Ich hatte mir einen korpulenten, kleinen Mann vorgestellt. Aber er war das genaue Gegenteil. Hager und groß. „Danke.“ Herr Coffin winkte dem jungen Mann, der immer noch in der offenen Tür stand zu und deutete mir an, doch bitte Platz zu nehmen. Der junge Mann hatte inzwischen die Türe von außen geschlossen. Ich war nun mit diesem sonderbaren Menschen alleine. „Und? Was haben Sie gesehen?“ war seine erste Frage an mich.[...] Weil er auf Höflichkeiten verzichtete und direkt zur Sache gekommen war, antwortete ich auch ebenso direkt. „Er hat nur noch zwanzig Tage. Am 31. März wird es passieren. Ein Autounfall. Er wird Ihren Leichenwagen schrotten. Totalschaden. Hat er Familie?“ „Die nennt man Überführungswagen.“ belehrte er mich. Dann ergänzte er. „Ja, er hat eine Ehefrau. Aber keine Kinder.“ „Wie alt ist er eigentlich?“ hörte ich mich fragen. „Er ist neunundzwanzig Jahre alt.“ „Aha.“ murmelte ich. „Und? Werden Sie für mich arbeiten?“ fragte mich Herr Coffin. Dabei schaute er mich an, als ob ein „Nein“ gar nicht zur Auswahl stand. Deshalb nickte ich nur. [...] „Dann sind wir uns also einig?“ [...] „Dann werde ich Sie jetzt herumführen und Sie können hier jeden persönlich kennenlernen. Geht das so? Reicht es, wenn Sie allen die Hand geben?“ Ich nickte zustimmend. Oh, wie furchtbar. Es würde schlimm werden. Wie ich diese Gabe hasste … . *** Alles fing mit einem törichten Wunsch an. Ich wollte eine Gabe haben. Also begann ich, abends vor dem Zunettgehen meine Meditations-CD anzuhören und mir einzureden, eine besondere Gabe zu haben, mit der ich Menschen beeindrucken und auch viel Geld machen könnte.[...] So stellte ich sie mir vor – meine nahe Zukunft. Reich und vielgeliebt, quasi heißbegehrt wegen meiner neuen Gabe. In dem Begleitbuch zur CD stand noch drin, das sollte man so einige Wochen intensiv machen und der Wunsch würde sich dann von alleine erfüllen. Natürlich sollte man auch fest an das glauben, was man sich wünschte und vorstellte. Und wenn man sich dabei noch richtig emotional reinhängen würde, käme der Erfolg noch schneller. Ich sage Ihnen, Sie können mich für einen naiven Typen halten. Aber was hat man denn schon zu verlieren? Und wenn auch nur die Entspannung half. Immerhin. Meinem Körper würde dies bestimmt gut tun. Drei Wochen später suchte ich den Antrag für die Krankenkasse. Meine Frau und ich wollten eine Woche Aktivurlaub machen mit allem Drum und Dran. [...] Und dafür hatte ich vor einer Woche ein Formular ausgefüllt. Nun wollte ich es der Krankenkasse zufaxen. Ich hing also im Wohnzimmer unserer kleinen Mietwohnung über dem Couchtisch gebeugt und durchsuchte den Stapel Papiere, der dort lag. Auf einmal traf es mich wie ein Blitz. Wie im Film sah ich einen alten Mann, der zwischen den Pflanzen auf einer großen Bananenplantage hin- und herlief. Dann hatte ich irgendwie die Eingebung, diese Plantage sei auf den Bahamas und der alte Mann sei ich. Dann sah ich, wie der alte Mann, also ich, sich in einen bequemen Baststuhl hinsetzte und friedlich an Herzversagen starb. Ich war 88 Jahre alt geworden. Der Film vor meinem inneren Auge war zu Ende. Ich stand wieder in meinem Wohnzimmer und halte – oh Wunder – den gesuchten Antrag für die Krankenkasse in meiner Hand. Mein Gott! durchfuhr es mich. Was war das denn gewesen? War ich betrunken? Nein, ganz sicher nicht. Himmel, was war ich erschrocken. Vor allem erschreckte mich das Gefühl, dass es sich so ehrlich und wirklich angefühlt hatte. Ich hatte mich selbst wirklich gefühlt in dieser Vision oder als was man das auch immer bezeichnete. War das nun meine herbeigewünschte Gabe? Ich weiß jetzt also wann ich sterbe, wo und an was. [...] Der erste Schreck war vorüber. Ich war wieder ganz bei mir. Ich schenkte dem Vorfall keine weitere Bedeutung. Der Zuschussantrag war gefunden. Unser Urlaub also gerettet. Ich faxte ihn schnell durch und ging den Rest des Tages meiner Arbeit nach. […] *** Die Tage vergingen. Es stand eine Feier an. Diesmal etwas wirklich Großes und sehr offiziell. Die Kanzlei von Molli, also meine ehemalige Kanzlei, wurde 25 Jahre alt. Wir standen beide im Bad, machten uns schick und redeten im Grunde belangloses – ob wohl alle kommen würden, von den ehemaligen Kollegen? Bald kam das Gespräch auch auf den Seniorchef. Er hatte die Kanzlei damals gegründet und später dann seine beiden Partner ins Boot geholt. Heute würde er endlich in seinen wohlverdienten Ruhestand gehen und seinen beiden jüngeren Partnern die Kanzlei überlassen. Molli meinte, er sollte jetzt wirklich den Absprung schaffen, sonst würde der liebe Gott es für ihn erledigen. Schließlich hatte er schon zwei Herzinfarkte hinter sich und stand unter Dauerbeobachtung seines Kardiologen. Manchmal ist Molli einfach herzerfrischend deutlich. *** Natürlich begrüßten wir als erstes den alten Firmenchef und Kanzleigründer. Der mit den Herzproblemen. Nachdem ich ihn begrüßt hatte, Hände geschüttelt, freundschaftliches Schulterklopfen, hatte ich wieder so eine Vision. Ich begriff, dass diese Visionen jedes Mal mit einem gewissen Erschrecken einhergingen. Ich zuckte zwar nicht äußerlich, hatte aber so ein inneres Rucken, welches mich dann jedes Mal durchfuhr. Auch diesmal war meine Vision nur kurz. Aber ich fühlte etwas und konnte etwas sehen. Zwei Jahre hatte er noch. Er starb an einem Herzinfarkt und es sah ziemlich schmerzhaft aus. Mitten im Sommer. Die genaue Zeit konnte ich nicht erkennen. Auf jeden Fall war es sonnig und warm und die Bäume waren grün. Es war auf einer Familienfeier. Draußen im Garten wurde gefeiert. Der Kaffeetisch war gedeckt. Es gab Erdbeerkuchen und Sahnetorte. Der Seniorchef erlebt sein letztes Stündlein alleine in der Küche. Da wurde ich am Arm gepackt. Molli zog an meinem Jacketärmel. Jemand wollte meine Hand schütteln. Mich begrüßen. Ich war wieder da. In der Realität. Es sollte die Jubiläumsfeier der Todestrips werden. Es war furchtbar. So gut wie bei jeder Person, der ich die Hand gab, eine entgegengestreckte Hand schüttelte, jemanden auf die Schulter klopfte oder sogar freundschaftlich umarmte – ich bekam eine Vision nach der anderen. Mir wurde übel. Ich sagte Molli Bescheid, dass ich gehen wollte. Mir war so schlecht. Irgendwie sogar körperlich. Aber es war eher eine geistige Erschöpfung und Überreizung meiner Sinne. Ich verzog mich auf die Toilette. Da saß ich nun mit Horrorvisionen vom Tod von Leuten, die ich gut kannte. Die ich mochte, die ich liebte. Mit denen ich Unzähliges erlebt hatte. Lustige Feiern in der Kanzlei, Zuprosten mit Sekt, wenn es uns mal wieder gelungen war, eine Betriebsprüfung des Finanzamtes kleinzumachen oder wenn unsere Kanzlei vor dem Finanzgericht gewonnen hatte. Geburten, Taufen, Eheschließungen, Scheidungen, Grillfeiern, lustige Abende, tolle Nachmittage, anstrengende Fälle, bei denen wir bis in die Nacht gearbeitet hatten, eilige Mandanten, nette Mandanten, grausige Mandanten. So bunt, wie das Leben eben ist. Tja, es mag zynisch klingen, aber genauso bunt waren auch die Todesvisionen. Todesvision, wie sich das anhört. Nennen Sie es Sterbefilme, nein besser Sterbefilmchen. Sie dauerten jeweils höchstens ein paar Sekunden. Und das Universum war genau. Bei jeder Vision erfuhr ich das Wann, das Wie und das Wo. So langsam dämmerte mir, dass diese Visionen ein System hatten. Sollte mir das etwas sagen? Ich hatte das Universum um eine Gabe gebeten. Ja, ich weiß. So etwas sollte man nicht tun. Ich wollte eine Gabe, so etwas wie Lottozahlen vorhersagen oder so ähnlich. Eben um schnell an viel Geld zu kommen. Ist das so verwerflich? Das wollen doch alle Menschen oder etwa nicht? Mir hätte auch eine gute Marketingidee gereicht, um mehr Mandanten zu bekommen. Oder dass jeden Tag mindestens zwei neue Mandanten einfach so bei mir anrufen und mir regelrecht ihre Mandantschaft aufdrängen. Und natürlich, dass ab sofort alle zügig ihre Rechnungen begleichen würden. So etwas in der Richtung hatte ich mir vorgestellt. Denn wenn ich auch seit zwei Jahren selbstständig war, war ich auf Mollis Gehalt aus der Kanzlei angewiesen, um die laufenden monatlichen Kosten zu stemmen. So rosig lief mein Geschäft nämlich noch lange nicht. Also passen Sie auf, was Sie sich wünschen. […]

"Er wird Ihren Leichenwagen schrotten. Totalschaden. Hat er Familie?" "Die nennt man Überführungswagen." belehrte er mich. (aus: "der Todseher" ISBN: 978-3-944075-07-5)

Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Maße 115 x 180 mm
Gewicht 175 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Einsicht • Gabe • Gier nach schnellem Geld • Glaube • Sterben, Geld verdienen, Gabe, Glauben, Versicherung, Finanzamt, Reichtum, Tod • Tod • Versicherung
ISBN-10 3-944075-07-2 / 3944075072
ISBN-13 978-3-944075-07-5 / 9783944075075
Zustand Neuware
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