Mit Jane Austen durch England (eBook)

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2012 | 1., Originalausgabe
169 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-73125-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mit Jane Austen durch England - Elsemarie Maletzke
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Elsemarie Maletzke ist den biographischen und literarischen Spuren Jane Austens durch England gefolgt und entführt uns in die wunderbare Welt der Schriftstellerin und ihrer Romane. Jane Austen reiste gern. Sie erkundete Südengland von Devon bis Kent; sie fuhr nach London, an die See und nach Bath. Was sie sah, gefiel ihr ausgezeichnet, und als gute Patriotin konnte sie sich nicht vorstellen, daß es anderswo schöner sein könnte. Mit ihren Augen und durch ihre Romane sehen wir noch immer die klassischen Straßen von Bath - heute Weltkulturerbe -, das Cottage in Chawton, wo sie schrieb, die Salons, in denen sie tanzte, und die geschwungene Kaimauer von Lyme Regis, von der im Roman Anne Elliot oder die Kunst der Überredung Louisa Musgrove in Kapitän Wentworths Arme springen will und auf dem Pflaster landet.

<br />Elsemarie Maletzke wurde 1947 in Oberhessen geboren und wuchs in Bad Kreuznach auf. 1968 begann sie in der Redaktion der Satire-Zeitschrift <em>Pardon</em> zu arbeiten. 1974 ging sie als Deutschlehrerin nach Irland. Zurück in Deutschland war sie Redakteurin bei <em>Titanic</em> und beim <em>Pflasterstrand</em>. Anfang der 80er Jahre erschienen Reiseführer und Anthologien über Irland und Dublin. Es folgten ihre großen Biographien über die Brontës, George Eliot, Jane Austen, Elizabeth Bowen, Elizabeth Barrett und Robert Browning. 2013 erschien ihr Gartenkrimi <em>Giftiges Grün</em>. Elsemarie Maletzke lebt und arbeitet als Autorin, Herausgeberin und freie Journalistin mit den Schwerpunkten Reisen und Garten in Frankfurt am Main.

Cover 1
Informationen zum Buch/Inhalt 2
Impressum 6
Inhalt 7
Steventon 9
Bath 41
Am Meer 63
Kent 85
Chawton 104
London 126
Winchester 146
Anhang 157
Anmerkungen 159
Quellen 165
Touristische Hinweise 168

Steventon


Die Pumpe wurde gestohlen. Sie war das Letzte. Immer stand sie im Weg. Wenn der Bauer die Wiese mähte, mußte er mit dem Traktor einen Schlenker drumherum fahren. Jetzt ist sie weg, hängt an der Wand eines ruchlosen Romanlesers oder wurde beim Alteisen entsorgt. Kein Stein, kein Pfosten, kein Schild markiert den Ort, wo das Pfarrhaus von Steventon stand, in dem sie am 16. Dezember 1775 geboren wurde und die ersten fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens verbrachte. Nur die Waschküchenpumpe, Nachfolgemodell einer hölzernen Gerätschaft, war stehengeblieben, als der Neffe William sechs Jahre nach Janes Tod das alte Haus abreißen und ein neues Pfarrhaus auf dem Hügel jenseits der Straße bauen ließ.

Jane – wer? »Englands Jane«, Stolz und Vorurteil, Emma, Mansfield Park … das eleganteste satirische Talent des ausgehenden 18. Jahrhunderts? Oh, Tante Jane! Aber das alte Haus war marode und völlig unangemessen für einen eleganten geistlichen jungen Herrn aus der Gentry. Nur die Linde, die ihr Bruder James 1813 gepflanzt hatte, ragt heute mehrere Stockwerke hoch über die Weide. Eine Herde Jungbullen behauptet das von Mauern und Brombeerhecken eingegrenzte Terrain. Literarische Pilger haben eine Sichtschneise durchs Gestrüpp geschlagen. Aber es gibt nichts mehr zu sehen.

Steventon in Hampshire liegt in wohlbestellter südenglischer Landschaft: eingehegte Weiden und Äcker, Gehölze, Heckenwege und geschmackvolle Herrenhäuser sind noch immer Zeugnis der umfassenden Flurbereinigung im 18. Jahrhundert, als die großen Ländereien arrondiert wurden und die kleinen Leute darüber die Allmende, das kommunale Weideland, verloren. Man fährt sehr lange an hohen Parkmauern entlang, dann eine Zufahrt, ein blickdichtes Tor, kein Name, nur eine Gegensprechanlage. Manchmal kann man die dazugehörigen Immobilien und ihre Preise auf den Websites britischer Makler sehen; in Natur bekommt man sie selten zu Gesicht.

Jane Austen ging in den Häusern des Adels ohne Umstände ein und aus. Pomp, der nur Gewöhnlichkeit und Herzenskälte verbarg, war nicht geeignet, sie zu beeindrucken, und wie Elizabeth Bennet in Stolz und Vorurteil trat sie »der aus Geld und Stellung entspringenden Überlegenheit« furchtlos gegenüber. Auf einem Ball in Hurstbourne Park trank sie sich einen solchen Schwips an, daß ihre Hände am nächsten Morgen zitterten. Von Lord Bolton auf Hackwood, dessen ältester Sohn so schlecht tanzte, daß sie lieber sitzen blieb, als von ihm aufgefordert zu werden, lesen wir, daß ihm seine Schweine offenbar näher standen als seine Gäste, denn »er hat außerordentlich elegante Ställe für sie bauen lassen und besucht sie jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen«.1 Hackwood House bei Winslade ist heute Privatbesitz; seine Gärten sind zweimal im Jahr geöffnet. Schweineställe gibt es keine mehr.

Jane tanzte gern – »der albernste, affektierteste Schmetterling auf Gattenjagd«, wie die Mutter einer weniger lebhaften jungen Dame bei einem Ball bemerkte – und manchmal blieb sie über Nacht. Aber oft genug mußte sie auch unterm Regenschirm wieder nach Hause gehen, nicht weil sie sich danebenbenommen hätte – das wäre ihr nie passiert –, sondern weil sie eben doch nur die Tochter des Reverend George Austen war, eine muntere, geistreiche, hübsche junge Dame, großgewachsen für ihre Zeit, mit eleganter Figur, brünetten Locken, runden Wangen, haselnußbraunen Augen und klarem Teint, aber keine Person von Konsequenz.

Sie gehörte zur Gentry, den Kreisen zwischen Aristokratie und Bürgertum. Der Landadel war darin vertreten – daß die Austens mit den Knights, den Landherren von Steventon verwandt waren, trug zu ihrem Prestige bei –, die Geistlichkeit, Offiziere, höhere Rechtsanwälte, aber keine Kaufleute, und die alten Jungfern von Stand waren eher Objekte des Mitleids und des Spotts, wie man am Beispiel von Miss Bates in Austens Roman Emma lesen kann. Zur Gentry zu zählen bedeutete, einen Abend lang auf Hurstbourne Park zu tanzen, dem Sitz des Earl of Portsmouth, der als kleiner Junge ein Schüler des Reverend Austen war und in seiner Dachkammer gehaust hatte; es bedeutete aber nicht, daß der Graf jemals auf einem häuslichen Ball im Pfarrhaus von Steventon erschienen wäre. Ein Graf hätte auch im wirklichen Leben keine Pfarrerstochter um ihre Hand gebeten2, und in Emma steuert der Pfarrer Mr. Elton, der sich einbildet, die reiche und wohlgeborene Miss Woodhouse bezirzen zu können, pfeilgerade auf ein peinliches Eigentor zu.

Sie tanzte gern und sie reiste gern. Viel sei sie nicht herumgekommen, hört man immer wieder, aber sie kannte England von Devon bis Kent; sie fuhr nach London, an die Kanalküste, lebte in Bath und Southampton und kam bis nach Stoneleigh Abbey in Warwickshire. Auf den gebührenpflichtigen Überlandstraßen mit Poststationen, Wirtshäusern und einem Pferdewechsel alle zehn bis fünfzehn Meilen ging die Reise bei gutem Wetter flott vonstatten. Sieben bis acht Meilen in der Stunde galten als guter Schnitt; sechzig Meilen waren eine Tagesreise. Die königliche Post war gut organisiert. Von Glasgow nach London brauchte sie nur zweieinhalb Tage, von London nach Dover fünfzehn Stunden, von Steventon nach Kent waren es drei Tagesreisen. Eingeplant war eine halbe Stunde zum Essen und Frischmachen pro Tag. Private Kutschen führten kleine Nachttöpfe mit, aber wo eine Dame, die mit der Post reiste, sonst unterwegs »eine Rose pflücken« konnte, ist nicht überliefert. Umspannen dauerte in der Regel nur fünf Minuten, weil an den Stationen schon vier frische Pferde bereitstanden. Geschlafen wurde in der rüttelnden Chaise, es sei denn, man fand ein Zimmer in einem der »Coaching Inns« oder stieg bei Freunden ab.

Allerdings war es nicht ladylike, allein in einem öffentlichen Verkehrsmittel herumzukarriolen. »Ich würde gern die Postkutsche in die Stadt nehmen, aber Frank erlaubt es nicht.«3 Oft genug mußte Miss Jane daher auf eine Mitfahrgelegenheit in anderer Leute Familienkutsche harren, oder hoffen, daß ein Bruder sie eskortierte und die Fahrtkosten übernahm. Denn Reisen war etwa zwanzigmal so teuer wie heute. So kostete die Fahrt von Winchester nach London mit der Post ein halbes Pfund. Wer wie Jane Austen mit zwanzig Pfund im Jahr auskommen mußte, konnte nur hoffen, daß »der liebe schöne Edward« die Reise nach Kent bezahlen würde. Natürlich setzte sie sich nur in Bewegung, wenn eine Einladung ergangen war. Aus Spaß oder Neugierde aufzubrechen war so undenkbar, wie sich als ledige Frau von der Familie zu absentieren und allein eine Wohnung zu beziehen. Über eine eigene Reisekasse verfügte Jane Austen erst, als sich ihre Romane verkauften. Da war sie Mitte dreißig.

Nach heutigem Verständnis kam sie wirklich nicht weit. Nie im Leben hat sie einen hohen Berg gesehen, keinen wilden Wald, keinen großen See – so wie sie auch nie einer Lokomotive, einem Fahrrad oder einer Straßenlaterne begegnet ist. Aber was sie sah, gefiel ihr ausgezeichnet, und als gute Patriotin konnte sie sich nicht vorstellen, daß es anderswo schöner sein könnte. Der Kontinent war vermutlich barbarisch; Frankreich bestimmt voller Verbrecher. (Der Mann ihrer Cousine Eliza, der Comtesse de Feuillide, war unter der Guillotine gestorben – so viel zu den Franzosen.) Schweden mochte angehen. Es hatte für den Protestantismus gekämpft, und Jane stellte es sich »irgendwie englischer« als das übrige Europa vor.

Wie es weiter draußen in der Welt aussah, hörte sie von ihren Brüdern Francis und Charles, die bei der Kriegsmarine dienten und bis nach Amerika, Ägypten, China und Westindien segelten. War ihr Bedarf damit gedeckt? Am Ende kehrte sie nach Hampshire zurück, wo sie geboren war. Aus freien Stücken, oder weil ihre Mutter es so entschieden hatte – wer vermag das heute noch zu sagen? Jane Austen reiste gern, aber im Grunde konnte sie ihren Platz so wenig verlassen wie Emma Woodhouse nach London zum Friseur fahren konnte.

Steventon liegt noch heute abseits der großen Straßen; eine Reihe Häuser, eine größere Farm, die Gemeindehalle, das weiße Haus auf dem Hügel, das der Neffe Edward, der fünfzig Jahre lang als Pfarrer in Steventon amtierte, 1823 gebaut hatte; man ist durch den Ort durch, ehe man richtig drin war. Die nächste Stadt, Basingstoke, ist sieben Meilen entfernt, London siebzig. Als der Reverend George Austen 1771 vom Dörfchen Deane ins Dörfchen Steventon übersiedelte, gab es nur eine ausgefahrene Karrenspur, die ein Mann bei anstehendem höheren Verkehrsaufkommen mit ein paar Schaufeln Schotter auffüllte. Dennoch kam ein Wedgwood Service aus London in Hampshire ohne einen Knacks an. Ihre Briefe holten die Austens am Deane Gate Inn ab, das an der alten Great Western Turnpike Road liegt, die heute B 3400 heißt. Am Deane Gate hielt die Postkutsche von und nach London. Es war ein ziemlich langer Spaziergang über die Felder und Weiden und am Tor von Ashe Park vorbei, wo Mr. Holder lebte. Ein Zettel verweist heute auf den Lieferanteneingang zehn Kilometer entfernt, aber auch dort ist der Literaturtourist nicht willkommen.

Austens Nachbar hatte, wie Sir Thomas Bertram in Mansfield Park, sein Vermögen mit Zuckerplantagen in Westindien gemacht, Geschäfte, die stark vom Sklavenhandel profitierten, und sein Besitz war fast unermeßlich groß, aber war er auch ein Gentleman? Jane hatte einmal zehn sehr peinliche Minuten mit dem Herrn in seinem Salon verbracht, als sie allein und als Vorhut einer Familiengesellschaft auf Ashe Park eingetroffen war. Mr. Holder verhielt sich so neckisch, daß sie drauf und dran war, nach dem Hausmädchen zu klingeln und die Hand nicht vom Türknauf...

Erscheint lt. Verlag 17.9.2012
Illustrationen Markus Kirchgessner
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte Europa
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte 50plus • Austen • austen jane • Austen, Jane • Ben Witter Preis 2023 • Best Ager • England • Führer • Generation Gold • Golden Ager • insel taschenbuch 3443 • IT 3443 • IT3443 • Jane • Literarische Stätte • Rentner • Rentnerdasein • Robert-Gernhardt-Preis 2009 • Ruhestand • Senioren
ISBN-10 3-458-73125-3 / 3458731253
ISBN-13 978-3-458-73125-2 / 9783458731252
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