Griechenland (eBook)

Ein Länderporträt
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2012 | 1. Auflage
200 Seiten
Links, Ch (Verlag)
978-3-86284-119-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Griechenland - Eberhard Rondholz
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Griechenlands Image hat im letzten Jahr arg gelitten, seit das Land knapp am Staatsbankrott vorbeigeschlittert ist. Nun wird in Deutschland nur noch über Misswirtschaft und Korruption geredet, wie ehedem von der weiß-blauen Inselherrlichkeit geschwärmt worden war. Zerrbilder das eine wie das andere. Das weiß niemand besser als Eberhard Rondholz, der seit Jahrzehnten über die Vorzüge und die Schattenseiten Griechenlands berichtet. In diesem Buch schreibt er vom Moloch Athen und seinen liebenswerten Seiten, vom Alltag der Neugriechen und ihrem gebrochenen Verhältnis zu den antiken Vorfahren, vom Dauerkonflikt mit der Türkei und dem Umgang mit ethnischen und religiösen Minderheiten, von der Lust der Griechen am Streiken und schließlich von ihrer Gabe, selbst in Zeiten der größten wirtschaftlichen Krise die Kultur der Gastfreundschaft zu pflegen. Ein differenziertes Länderporträt, das sich wohltuend von den allseits gepflegten Klischees abhebt.

Eberhard Rondholz: Jahrgang 1938, Studium der Geschichte, Politischen Wissenschaft und Neugriechischen Philologie in Bonn, Köln und Athen, 1973 - 2000 Rundfunkredakteur beim WDR in Köln. Zahlreiche Rundfunk- und Fernsehfeatures, Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge über Griechenland. Träger des Ehrenrings der Deutsch-Griechischen Gesellschaften.

Griechen und Deutsche


Vom Unglück, ein Grieche zu sein


»Ich bin ein unglücklicher Grieche!« erzählt seit 35 Jahren der Schriftsteller Níkos Dímou jedem und er verdient nicht schlecht daran. In die 30. Auflage geht seine erstmals 1975 erschienene Aphorismensammlung Das Unglück ein Grieche zu sein. Inwieweit es ihm gelungen ist, seine Landsleute von eben diesem Unglück zu überzeugen, ist nicht überliefert. Er selber ist ein unglücklicher Grieche (und war es schon vor dem Beinahe-Staatsbankrott seines Heimatlandes) und berichtete dem Athener Korrespondenten Gerd Höhler, warum:

»Ich war immer ein unglücklicher Grieche. Wenn wir das Glück definieren als den Abstand zwischen dem, was wir wünschen und dem, was ist, dann war dieser Abstand für die Griechen immer sehr groß. Denn sie wollen alles. So ist ihr Charakter, das ist ihre Überschwänglichkeit, ihr Temperament. Aber ihnen wird wenig gegeben Und sie sind unglücklich, weil sie ein Identitätsproblem haben. Sie wissen nicht wirklich, wer sie sind. Sie sagen, sie seien Europäer, aber sie fühlen sich nicht als Europäer. Sie sagen, dass sie Nachkommen der alten Griechen sind, die Kinder des Aristoteles und des Platon. Aber zugleich ist das etwas, das sie bedrückt. Man fühlt sich wie der Sprössling eines Nobelpreisträgers, der in der Schule keine guten Noten hat. Die Deutschen sind daran nicht unschuldig, wenn man bedenkt, wie Winckelmann&Co. die griechische Antike quasi neu erfunden und zu einem Idealbild der Vollkommenheit verklärt haben. Das ist eine schwere Bürde. Ich glaube, kein Volk könnte einem solchen Anspruch gerecht werden.«

Für den erfolgreichen Krimiautor Pétros Márkaris – den im deutschen Sprachraum meistgelesenen griechischen Schriftsteller unserer Tage, ist ein zu plötzlicher Reichtum die Ursache des griechischen Unglücks. Der Berliner Zeitung sagte er:

»Griechenland war bis Ende der 70er Jahre ein sehr armes, aber auch ein sehr anständiges Land. Die Griechen hatten eine Kultur der Armut. Sie haben es trotz ihrer Armut immer verstanden, gut zu leben. Ich meine das nicht im materiellen Sinne. Alle großen intellektuellen und künstlerischen Leistungen des modernen Griechenland fallen in diese Zeit: die Nobelpreise für Elýtis und Seféris; Theodorákis mit seiner Musik; Rítsos, der begnadete Dichter; Károlos Koun, der großartige Regisseur – das ist die Kultur der Armut. Dann kam der EU-Beitritt 1981, und das Geld begann zu fließen. Milliarden kamen jedes Jahr aus Brüssel. Plötzlich waren die Griechen reich. Aber was hat dieser Reichtum kulturell produziert? Gar nichts! Denn den Griechen fehlt es an einer Kultur des Reichtums. Die Griechen konnten mit dem Geld, das sie plötzlich hatten, nicht umgehen, weil sie immer arm waren. Sie hatten kein Gefühl für den Wert des Geldes. Sie dachten, man kann damit machen, was man will. Die Bauern haben die EU-Subventionen nicht in ihre Höfe investiert, sondern damit dicke Geländewagen gekauft und Villen gebaut. Von der politischen Klasse wurden sie dazu auch noch verführt, und alle haben mitgemacht.«

Wir wollen dem Schriftsteller Márkaris nicht grundsätzlich widersprechen. Aber von einem Zurück zu den Jahren der Armut werden die meisten Griechen nichts hören wollen, waren es doch für viele, das kann ich aus eigener Anschauung bestätigen, Zeiten des bitteren Elends, in denen Familienväter, die die Ihren nicht mehr ernähren konnten, zu hunderttausenden auf der Suche nach Arbeit das Land verließen. Und von einer Kultur der Armut kann unbefangen nur reden, wer sie nicht kennengelernt hat, weil er immer ein ordentliches Auskommen hatte. Die Mehrheit der Griechen interessiert das Problem der Sprit fressenden Geländewagen herzlich wenig: Sie werden sich so einen nie im Leben leisten können. Sie sehen zu, wie sie mit ihrem kargen Salär über die Runden kommen.

Es stimmt aber auch: Es gibt diese Euro-Profiteure mit der Villa und dem Geländewagen, die korrupten Politiker mit Konten in Liechtenstein und auch die Steuerflüchtlinge. Lebenskünstler waren auch die übrigen Griechen immer, arm oder nicht, der Gang in die Taverne gehörte für sie einfach dazu. Aber es dürfte die meisten von ihnen nur am Rande interessieren, was gut verdienende Intellektuelle sich voller Selbstmitleid für Gedanken machen über die Last des antiken Erbes. Vielleicht empfindet es ja mancher als eine schwere Bürde, gemessen zu werden an einem Idealbild, das ein Winckelmann im 19. Jahrhundert in seiner edlen Einfalt von der Antike gezeichnet hat, und das bekanntlich denkbar fern der Wirklichkeit war. Aber dem Durchschnittsgriechen dürfte es ziemlich egal sein, was die deutschen Philhellenen von den alten Griechen erzählten, nicht hingegen, was im Jahr 2010 in Bild und Focus über ihn zu lesen stand. Und das war ziemlich unfair, meint auch Níkos Dímou, der seinen Mitgriechen sonst gern die Leviten liest.

Im Übrigen haben sich viele Griechen, wenn überhaupt an einem der großen Vorfahren, eher am listenreichen Odysseus ein Vorbild genommen, nicht an Aristoteles, bestimmt jedenfalls der Großreeder Onássis, auch wenn seine Eltern ihm den Namen des großen Philosophen aufgebürdet haben. Auch hält sich die Leidenschaft der Neugriechen für die Sprache ihrer Vorfahren in Grenzen, selbst von dem großen Dichter Jánnis Rítsos, in dessen Werk die Aneignung des antiken Erbes eine zentrale Rolle spielt, ist bekannt, wie lästig ihm der Unterricht in Altgriechisch war. Er freute sich jedes Mal, wenn dieses Fach in der Schule ausfiel.

Was aber den Nobelpreis als Lohn der Armut angeht, so irrt Pétros Márkaris. Jedenfalls gehörten die beiden griechischen Literaturnobelpreisträger, Seféris und Elýtis, nicht gerade zum Proletariat. Jórgos Seféris war ein Leben lang wohlbestallter Diplomat, zuletzt königlicher Botschafter in London, hat an der Sorbonne studiert und konnte sich ausgedehnte Reisen leisten; Odysséas Elýtis entstammte der reichen Seifenfabrikantenfamilie Alepoudélis, auch er hatte viel Zeit für Müßiggang, Armut kannte er nicht, und das Land seiner literarischen Sozialisation war Frankreich. Der Vater von Jánnis Rítsos war reicher Großgrundbesitzer, dass er seinen Besitz im Kasino verspielte, zwang zwar seinen Sohn Jánnis, vor seinen großen literarischen Erfolgen, als Tänzer und Lektor sein Geld zu verdienen, doch hatte er die Sozialisation eines verwöhnten Kindes hinter sich. Der Vater des großen Regisseurs Károlos Koun war ein schwerreicher Kaufmann aus Smyrna, und Míkis Theodorákis schließlich hat früh von den Tantiemen seiner Erfolgskompositionen leben können. Und der Erfolgsschriftsteller Márkaris, der übrigens nicht nur Krimis schreibt, sondern auch renommierter Goetheund Brechtübersetzer ist, der Kosmopolit mit der griechischen Mutter, dem armenischen Vater und dem Abitur vom österreichischen Realgymnasium in Istanbul? Er sagt von sich selber: »Ich habe eine deutsche und keine griechische Kultur – zu 90 Prozent.« Ist deshalb sein Blick aufs Griechische nicht ein wenig der deutsche?

Vieles von dem, was man über die griechischen Saus-und-Braus-Lebeleute in deutschen Zeitungen lesen konnte, war frei erfunden oder aufgebauscht. Die griechischen »Luxusrentner« leben von einer Eckrente von 780 Euro, bei den Kleinbauern sind es gerade mal 440 Euro. Ja, da gab es die viel zitierten Parlamentsboten mit dem 16. Monatsgehalt, da gab es viele griechische Beamte, die so früh in Rente gingen wie manch ein deutscher Berufsoffizier, dass es zuviele Beamte gab, stimmt ja alles, aber unterm Strich hat Griechenland insgesamt nicht mehr vom Bruttoinlandsprodukt für Renten ausgegeben als Deutschland, nämlich ca. 13 Prozent.

Was stimmt: Die Kreativität griechischer Statistiker bei der Zahlungsbilanzkosmetik übertraf das in anderen Ländern der Eurozone Übliche beträchtlich. Was nicht stimmt: Dass man davon in Brüssel nichts geahnt habe. Kein geringerer als Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, hat im November 2010 bei einer Pressekonferenz am Rande eines Treffens des Weltwährungsfonds ausgeplaudert, dass die Zahlungsprobleme Griechenlands seit vielen Jahren bekannt waren, dass er mit Rücksicht auf die guten Griechenlandgeschäfte der Deutschen und der Franzosen aber zum Schweigen verurteilt war.

Von Fallmerayer bis Focus – das (manchmal etwas schiefe) Griechenlandbild der Deutschen


Als sich im Jahr 1821 die Nachricht vom Aufstand der Griechen gegen die Osmanen in Europa verbreitete, gab es eine Welle des Mitleids und der Solidarität. Man sah in Griechenland Freiheitskämpfer am Werk, die es zu unterstützen galt, doch es folgte bald die Ernüchterung. Allzu wenig glichen die kämpfenden Neugriechen jenem Bild vom klassischen Hellenen, das man sich vorgestellt hatte. Kein Alkibiades weit und breit, und griechisch sprachen die Aufständischen in vielen Fällen auch nicht, das klassische, wie es auf dem humanistischen Gymnasium gelehrt wurde, schon gar nicht. Viele der militärischen Führer des Freiheitskampfes waren albanischer Herkunft, wie die noch heute als Helden verehrten Strategen Márkos Bótzaris, Anastássios Kriekoúkis und Geórgios Karaïskákis sowie die Heldin Laskarína Bouboulína. Was sie zusammen mit den Griechen gegen die Osmanen in den Kampf ziehen ließ war das gemeinsame Glaubensbekenntnis, das orthodoxe Christentum. So blieb bei vielen von denen, die damals nach Griechenland fuhren, um den Freiheitskämpfern zu Hilfe zu eilen, die Enttäuschung nicht aus. Der deutsche Gräzist Wilhelm Wagner brachte das im Jahr 1878 so auf den Begriff:

»Schwer haben es die heutigen Griechen seit der Errichtung eines selbständigen griechischen Staates büßen müssen, dass die ihnen...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2012
Reihe/Serie Länderporträts
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reiseführer Europa Griechenland
Schlagworte Alltag • Athen • Deutsch-Griechisches Verhältnis • Essen und Trinken • Europa • Feste und Geselligkeit • Griechenland • Griechenlandbild • griechische Geschichte • Hellas • Kreta • Krise • Kunst und Kultur • Minderheiten • Mittelmeer • Olympia • Orthodoxe Kirche • PASOK • Thessaloniki • türkisch-griechisches Verhältnis
ISBN-10 3-86284-119-7 / 3862841197
ISBN-13 978-3-86284-119-6 / 9783862841196
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